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Verhaftet, verprügelt, ausgewiesen 
Ausländer in der Geschichte Berlins
 

von Wolfgang Wippermann
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Deutsche und Wenden

In Berlin hat es schon immer Ausländer gegeben. Streng genommen waren übrigens Deutsche die ersten Ausländer im Raum Berlin. Die deutschen Bauern und Bürger, die seit dem 12. und 13. Jahrhundert in das Gebiet des heutigen Berlin kamen, trafen nämlich keineswegs auf eine völlig menschenleere Wildnis. Hier wohnten, wenn auch verstreut, Angehörige des slawischen Stammes der Heveller, die sich in Sprache und Kultur von den deutschen Einwanderern unterschieden. Allerdings übernahmen die slawischen Ureinwohner, die von den Deutschen meist pauschal ,Wenden' genannt wurden, sehr bald neben dem Christentum und den fortschrittlichen Anbaumethoden auch die deutsche Sprache. Dennoch lebten noch im Spätmittelalter in den ,Kieze' genannten Vorstädten der deutschen Bürgerstädte Berlin und Spandau Fischer, Kleinbauern und Tagelöhner slawischer Herkunft, denen der Zugang zu den Zünften durch spezielle "Wendenparagraphen" verwehrt wurde.

Juden

Unter den deutschen Einwanderern des 13. Jahrhunderts befand sich auch eine Gruppe von Menschen, die zwar schon zu einer Zeit in Deutschland ansässig waren, als sich das deutsche Volk noch gar nicht gebildet hatte, die aber von Anfang an als die Fremden schlechthin galten. Gemeint sind die Juden, die sich in ihrer Religion, Kultur, Sprache und in ihrem Alltagsleben von der christlichen Mehrheit unterschieden. Obwohl die Juden sich zunächst auch in verschiedenen Handwerksberufen, teilweise sogar innerhalb der Landwirtschaft, betätigten, durften sie schließlich nur noch die wenig geachteten Berufe des Kleinhändlers und des Geldverleihers ausüben. Seit dem 14. Jahrhundert waren sie in verschiedenen Städten (auch in Berlin und Spandau, wo noch der „Juliusturm", der früher eigentlich „Judenturm" hieß, an sie erinnert) grausamen Verfolgungen ausgesetzt, die sich dann in periodischen Abständen wiederholten. 1573 wurden schließlich alle Juden aus der damaligen Mark Brandenburg ausgewiesen, nachdem es in Berlin zu einem besonders heftigen Pogrom gekommen war. 

Erst 100 Jahre später wurden einige Juden wieder zugelassen. Dabei handelte es sich einmal um sogenannte "Hoffaktoren", die sich als Bankiers und Finanzberater der Herrscher betätigten. Gegen die Zahlung eines "Schutzgeldes" wurden ferner noch weitere "Schutzjuden" geduldet, denen aber die meisten Handwerksberufe versperrt waren. Diese Juden, es waren meist Händler, mußten neben den allgemeinen Abgaben und Steuern die relativ hohen Gebühren für die Erteilung und Verlängerung ihres Schutzbriefes' (= Aufenthaltsgenehmigung) aufbringen. In dem geradezu preußisch-pedantisch genauen „Revidierten Generalreglement" von 1750 wurde darüber hinaus noch festgelegt, daß diese ,Schutzjuden' höchstens ein Kind auf ihren, wie es wörtlich heißt, „Schutzbrief ansetzen" durften. Waren es schließlich doch mehr Kinder geworden, als die Obrigkeit erlaubte, mußten die jüdischen Familienväter entweder noch mehr Geld bezahlen oder sich von den .überzähligen' Kindern trennen, die mit der Erreichung des 13. Lebensjahres als erwachsen galten und ausgewiesen werden konnten. Viele dieser Kinder und Jugendlichen haben dann das Heer der völlig rechtlosen .Betteljuden' verstärkt, die versuchten, als Hausierer, Dienstboten und Bettler ihr Leben zu fristen. Ihnen war der Aufenthalt in Preußen generell untersagt. Wie aus verschiedenen Polizeiverordnungen des 18. Jahrhunderts hervorgeht, wurden die "Betteljuden" genauso behandelt wie die "Zigeuner" (d.h. die Sinti und Roma). Wurden sie von der Polizei im Lande ertappt, wurden sie beim ersten Mal verhaftet, verprügelt und ausgewiesen, beim zweiten Mal gebrandmarkt und beim dritten Mal ohne Gerichtsverfahren aufgehängt. 

Erst 1812 wurden die Juden in Preußen und Berlin durch das „Emanzipationsedikt" für „Inländer und preußische Staatsbürger . . . erachtet". Von nun an brauchten sie keine .Schutzgelder' mehr zu zahlen. Obwohl ihnen grundsätzlich die ,,gleichen bürgerlichen Rechte und Freiheiten mit den Christen" zugestanden worden waren, blieb ihnen jedoch der Zugang zu Staatsämtern ausdrücklich verwehrt. Dies wurde ihnen erst 1869 gestattet. Allerdings blieb dies in der Praxis mehr die Ausnahme als die Regel, denn im Kaiserreich hat es nur sehr wenige jüdische Richter, Staatsanwälte, Lehrer und Professoren gegeben. Bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges war kein einziger Jude Offizier geworden.

Franzosen

Während die Integration der jüdischen Minderheit in Berlin (und in Deutschland überhaupt) nur sehr langsam vorankam und im Grunde niemals völlig verwirklicht wurde, verlief die Assimilation der französischen Asylanten, die im ausgehenden 17. Jahrhundert nach Berlin kamen, überraschend schnell und problemlos, obwohl auch sie zunächst auf eine religiös und sozial motivierte Ablehnung der Inländer stießen. Dennoch waren die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Integration dieser Ausländer von Anfang an sehr günstig. Im Potsdamer Edikt von 1685 (seine Lektüre sollte einigen unserer heutigen Politiker empfohlen werden, die sich sonst so oft und so gern auf die "preußische Tradition" berufen) wurden den französischen Glaubensflüchtlingen sehr viele und sehr weitgehende Rechte eingeräumt. Die einwandernden Franzosen, die ,Hugenotten' (= Eidgenossen) genannt wurden, weil sie sich zur Lehre des Schweizer Reformators Calvin bekannten, erhielten nicht nur das Recht der freien Religionsausübung, was im Jahrhundert der Religionskämpfe keineswegs selbstverständlich war, ihnen wurden darüber hinaus noch Steuernachlässe gewährt und kostenlos Baumaterialien für die Errichtung von Häusern, Schulen und Kirchen zur Verfügung gestellt. Wenn sie sich bereiterklärten, verfallene Häuser wiederherzustellen, so erhielten sie dafür auch die notwendigen finanziellen Mittel.

Die rechtliche Privilegierung und finanzielle Unterstützung der 20 000 Hugenotten zahlte sich für den Staat sehr schnell aus. Diejenigen Franzosen, die nach Brandenburg und Berlin kamen, gehörten zwar nicht zu den wohlhabenderen (diese gingen nach Holland und England), es handelte sich jedoch überwiegend um Spezialisten und gesuchte Fachkräfte. Die Franzosen brachten neue Produktions- und Handelsformen in eine Stadt, die damals noch vorwiegend von Ackerbauern bewohnt war. In Berlin wurden nun von den Franzosen Manufakturen gegründet, die Tücher, Tapeten, Gobelins und vor allem Seide herstellten. Außerdem wurden in öffentlichen Parks und Schloßgärten (zum Beispiel in Bellevue) Maulbeerbäume gepflanzt, deren Blätter für die Ernährung der Seidenraupen gebraucht wurden. Eine weitere wichtige Neuerung, die von den Franzosen eingeführt wurde, war das „Bureau d'Adresse", in dem der Kauf und Verkauf von Gegenständen, die Vermietung von Häusern und Wohnungen sowie offene Stellen vermittelt wurden.

Obwohl diese Franzosen schon seit dem beginnenden 18. Jahrhundert auch die deutsche Sprache benutzten und Ehen mit Deutschen eingingen, war man noch im 19. Jahrhundert, ja im Grunde bis heute, stolz darauf, Abkömmling der französischen "Kolonie" zu sein. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wurde durch eigene Schulen — im heute nocii bestehenden Französischen Gymnasium war Französisch immer Unterrichtssprache — und eigene französisch-reformierte Kirchen bewahrt und gestärkt. Dennoch ging ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung Berlins, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch bei etwa 30 % gelegen hatte, immer weiter zurück.

Böhmen

Obwohl sie keineswegs mit so offenen Armen aufgenommen wurden wie die französischen Reformierten, verlief auch die Integration der protestantischen Tschechen, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts aus dem damaligen Böhmen nach Brandenburg und Berlin kamen, still und ungestört. Diese ,Böhmen' wurden vor allem im damaligen Berlin und in den umliegenden Orten Böhmisch-Rixdorf, Nowawes, Schöneberg, Köpenick und Friedrichshagen angesiedelt. Sie waren meist Bauern und Arbeiter in den neuen Manufakturbetrieben. Noch heute gibt es in Rixdorf eine Gemeinde, deren Mitglieder sich zum Brauchtum ihrer Vorfahren bekennen, die einstmals als Ausländer nach Berlin gekommen sind.

Polen und Schlesier

Formell keine Ausländer, sondern — allerdings gezwungenermaßen — preußische bzw. deutsche Staatsbürger waren die vielen Polen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus den damaligen Ostprovinzen in die Industriemetropole Berlin strömten, wo sie sich meist als Fabrikarbeiter verdingten. Sie behielten zwar ihre polnischen Namen und das Bekenntnis zum katholischen Glauben bei, dennoch fühlten sich viele dieser eingewanderten Polen bald als Deutsche.

Noch schwieriger ist es, die nationale Zugehörigkeit der Schlesier festzustellen, unter denen es neben Deutschen und Polen auch solche gab, die sich eben als Schlesier weder zur deutschen noch zur polnischen Nation bekannten. Wie hoch der zahlenmäßige Anteil dieser Polen und polnischen Schlesier an der Gesamtbevölkerung Berlins war, läßt sich nicht genau feststellen. Nach sehr groben Schätzungen sollen es noch zu Beginn dieses Jahrhunderts mindestens 10% der Gesamtbevölkerung gewesen sein. 

Obwohl viele Berliner polnischer Herkunft um 1918/19 in das wiederentstandene Polen zurückwanderten, gab es auch zur Zeit der Weimarer Republik in Berlin polnische Zeitungen, polnische Vereine und Kirchen (vor allem in Moabit), wo in polnischer Sprache gepredigt wurde. Wegen des Hitler-Pilsudski-Paktes vom Januar 1934 wurden die polnischen Organisationen noch in den ersten Jahren des Dritten Reiches toleriert. Dies änderte sich nach dem deutschen Überfall auf Polen schlagartig. Mitglieder und Funktionäre dieser Polenvereine wurden nun als ,Ausländer' angesehen, verhaftet und vielfach in die Konzentrationslager eingeliefert. Das Vermögen der Polenvereine wurde beschlagnahmt. Nach 1945 haben sie dafür nur eine sehr geringe Entschädigung erhalten.

Die sogenannten "0stjuden"

Auf eine äußerst scharfe Ablehnung bei großen Teilen der Bevölkerung und bei den staatlichen Institutionen stieß eine Gruppe von Ausländern, die vor allem aus dem damaligen Rußland und aus anderen osteuropäischen Ländern nach Berlin und Deutschland kam. Dabei handelte es sich um Juden, die meist sehr arm, in religiösen Dingen orthodox eingestellt und häufig schon aufgrund ihrer Kleidung sowie Haar- und Barttracht als Juden erkennbar waren. Viele von ihnen sprachen Jiddisch oder Deutsch mit einem jiddischen Akzent. Diese Juden wurden sowohl von den nicht-jüdischen Deutschen wie von ihren weitgehend assimilierten Glaubensgenossen "Ostjuden" genannt. Obwohl es sich dabei im Grunde nur um eine Herkunftsbezeichnung handelte, hatte dieser Begriff von Anfang an einen pejorativen Klang, den er bis heute behalten hat. Schon die an sich völlig korrekte Bezeichnung ,Jude' hatte im 19. Jahrhundert eine solche negative Färbung erhalten, daß sich selbst die deutschen assimilierten Juden meist "Israeliten", "Bekenner des mosaischen Glaubens" oder "deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens" nannten. In der Verbindung mit dem Begriff "0sten", der bei vielen Deutschen schon im 19. Jahrhundert die Assoziation von wild, unkultiviert und bedrohlich hervorrief, erhielt der Ausdruck .Ostjude' fast den Charakter eines Schimpfwortes, obwohl weder von den Deutschen noch von den Juden deutscher oder osteuropäischer Herkunft eine alternative Bezeichnung gebraucht und gefunden wurde. Während es einigen wohlhabenden Juden aus Osteuropa gelang, sozial in das Bürgertum aufzusteigen und in den Besitz eines deutschen Passes zu gelangen, blieb die überwiegende Zahl derjenigen Juden, die seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts aus Furcht vor den Pogromen in Rußland, Rumänien und anderen Ländern nach Deutschland flohen, arm. Diese "Ostjuden" konnten und wollten sich nicht in dem Maße assimilieren, wie es ihre deutschen Glaubensgenossen vor ihnen getan hatten. Sie standen im Mittelpunkt der antisemitischen Agitation, wobei sich, was bis heute häufig übersehen wird, Momente der Juden- mit der allgemeinen Fremdenfeindlichkeit verbanden. Wegen der äußerst aggressiven Agitation der Antisemiten und der antisemitischen Vorurteile in den Behörden wurden "ostjüdische' Einwanderer meist nicht naturalisiert. 1881/82, 1885/86 und 1905 kam es sogar zu Massenausweisungen aus Berlin und anderen Gegenden Deutschlands. Dennoch wuchs ihre Zahl ständig. Während 1890 in Preußen 11 000 ausländische Juden gezählt wurden, gab es 1900 schon 41 000 und 1914 78000. In Berlin stellten die "Ostjuden", die meist in äußerst schlechten Wohnverhältnissen im sogenannten "Scheunenviertel' (in der Nähe der Friedrichstraße und des Alexanderplatzes) lebten, 15 % der etwa 160 000 Personen umfassenden jüdischen Gemeinde.

Zu einer weiteren ,ostjüdischen' Einwanderungswelle kam es, als sich während des ersten Weltkrieges der Arbeitskräftebedarf vergrößerte und man daher in den eroberten Gebieten Rußlands 35 000 jüdische Arbeiter anwarb, die, teilweise unter Zwang, nach Deutschland gebracht wurden. Auf den wütenden Protest der Antisemiten hin wurde dann am 27.4.1918 die weitere Anwerbung von "ostjüdischen" Arbeitskräften verboten. Aus Angst vor den kriegerischen und revolutionären Wirren in Rußland und Polen, die vielerorts von Pogromen begleitet waren, flohen dann 1918/19 weitere .Ostjuden' nach Deutschland, vor allem nach Berlin. Das "Scheunenviertel" erhielt mehr und mehr den Charakter eines Ghettos, in dem die Polizei wiederholt Razzien durchführte und in dem es zu Plünderungen von jüdischen Geschäften kam.

Bereits am 1.11.1919 ordnete der preußische Innenminister Heine (SPD) an, daß die Grenzen zu sperren seien, um eine weitere Einwanderung von .Ostjuden', deren Gesamtzahl sich inzwischen auf 160000 erhöht hatte, zu verhindern. Doch dies war den Antisemiten in Staat und Gesellschaft nicht genug. Als General von Seeckt, dessen Reichswehr gerade dem Kapp-Putsch tatenlos zugesehen hatte, die sofortige Internierung aller Berliner .Ostjuden' forderte, gab die Regierung zumindest teilweise nach, indem sie 250 .Ostjuden' verhaften und in einem Militärlager internieren ließ. Am 23. Januar 1921 kündigte der preußische Innenminister Dominicus, der Mitglied der linksliberalen DDP war, an, daß man nun mit der Internierung von unerwünschten Ausländern in .Konzentrationslagern' beginnen werde. Tatsächlich wurden im Frühling und Sommer dieses Jahres Tausen de von "Ostjuden' verhaftet und in die (offiziell so genannten!) .Konzentrationslager' Stargard in Pommern und Cott-bus gebracht. Diese .Konzentrationslager' wurden erst am 14. Dezember 1923 aufgelöst, nachdem die Presse (allerdings meist jüdische Blätter) über äußerst brutale Vorkommnisse im .Konzentrationslager' Stargard berichtet hatte. Angesichts derartiger Vorfälle ist es nicht verwunderlich, daß viele .Ostjuden' die zu diesem Zeitpunkt noch liberale Einwanderungsgesetzgebung der USA nutzten, um aus Deutschland zu emigrieren. Dennoch lebten noch im Juni 1933 etwa 98 000 .Ostjuden' in Deutschland. Viele von ihnen gehörten neben Kommunisten und Sozialisten zu den ersten Insassen der neu errichteten Konzentrationslager, von denen es allein in Berlin 50 gab. 

Am 27. und 28. Oktober 1938 wurden etwa 15 000 "Ostjuden" (einige auch aus Berlin), die polnische Staatsangehörige waren, aber meist schon seit Jahrzehnten in Deutschland lebten, ohne von den Behörden eingebürgert worden zu sein, in Zwangstransporten an die polnische Grenze gebracht, wo sie tagelang ohne Verpflegung herumirrten, weil sich auch die polnischen Behörden zunächst weigerten, sie aufzunehmen. Unter ihnen befanden sich auch die Eltern Herschel Grynszpans, der dann am 7. November das Attentat auf den Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Paris unternahm, das die Nazis zum Vorwand nahmen, um jenes Pogrom durchzuführen, das auch heute noch unter der verharmlosenden Bezeichnung .Reichskristallnacht' bekannt ist.

Opfer dieser Pogrome — insgesamt wurden 91 Menschen ermordet und 26 000 in Konzentrationslager verschleppt — waren jedoch vornehmlich deutsche Juden, die lange, allzu lange geglaubt hatten, ihr deutscher Paß würde sie davor bewahren, das Schicksal ihrer .ostjüdischen' Glaubensgenossen zu teilen. Sie waren mit dem Erlaß des „Reichsbürgergesetzes" vom 15.9.1935 faktisch zu Ausländern erklärt worden und wurden systematisch aus der "Volksgemeinschaft" ausgegrenzt, entrechtet, ausgeplündert und verfolgt.
Letztlich mußten diese Juden dann noch froh sein, wenn sie dem Druck der Nazis nachgaben und auswandern konnten. Wer von ihnen jedoch kein Asyl in Europa und Über see erhielt, wurde später nicht mehr ausgewiesen, sondern ausgerottet.

"Fremdarbeiter"

Ähnlich unbekannt (oder verdrängt j wie das SchicKsa! Berliner .Ostjuden' scheint heute auch die Tatsache zu, daß es während des zweiten Weltkrieges nicht weniger als 300 000 .Fremdarbeiter' in Berlin gab. Sie lebten in besonderen Lagern, die sich meist in unmittelbarer Nähe der Betriebe befanden. Wollten oder konnten sie die deutsche Arbeitsdisziplin nicht erfüllen oder hatten sie gar Kontakt mit deutschen Frauen, dann wurden sie bei der Gestapo angezeigt, die sie ohne Gerichtsverfahren wegen „Vertrauensbruchs" oder „Geschlechtsverkehrs mit einer Deutschen" (Zitate aus Gestapo-Akten) verhaftete und in die Konzentrationslager einwies. In weniger schweren Fällen kamen diese "Fremdarbeiter" dann zur Bewährung' in ein "Arbeitserziehungslager', von denen es mehrere in Berlin gab. Ähnlich wie das "Arbeitserziehungslager" Wuhlheide befanden sich diese Gestapo-Lager meist in der Nähe von Anlagen und Werken der Reichsbahn. In diesen, wie es geradezu zynisch hieß, "Arbeitserziehungslagern", in denen neben "Fremdarbeitern" auch Juden und Antifaschisten unterschiedlichster Richtungen inhaftiert wurden, herrschten Bedingungen vor, die denen in den Konzentrationslagern ähnelten. Hunger, Schläge, Folterung und Ermordung"! waren an der Tagesordnung.

Als diese Menschen 1945 befreit wurden, gab es nur noch wenige Ausländer in Berlin.

  • Erstveröffentlichung in: Stadtfront: Berlin West Berlin, Westberlin 1989, S. 114ff
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