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Quelle: GSA e. V.

Warum die Eindämmung der staatlichen Neuverschuldung keine "Sparpolitik" ist

Thesen einer AutorInnengruppe der GSA e.V.

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In ihrem sogenannten "Zukunftsprogramm" vom Juni 1999 rechtfertigt die Bundesregierung die geplanten tiefen Einschnitte in soziale Errungenschaften mit der angeblichen "Konsolidierung der Staatsfinanzen". Dort heißt es: "Es geht um die Zukunft unserer Kinder. Wir können es nicht zulassen, daß die künftige Generation ein Leben lang nur dafür arbeiten muß, die Schulden abzutragen, die unsere Generation aufgehäuft hat. Deshalb wird die Bundesregierung ab sofort und Jahr für Jahr die Neuverschuldung senken." Die Nettokreditaufnahme des Bundes soll dazu von 53,5 Mrd. DM in diesem Jahr auf 30,4 Mrd. DM im Jahr 2003 verringert werden.

Was als "dringend notwendige Umkehr in der Finanzpolitik" bezeichnet wird, hat weder etwas mit einem tatsächlichen Abbau der Staatsverschuldung noch mit "Sparen" im landläufigen Sinn zu tun. An einer wirklichen Senkung der Staatsschulden besteht von Seiten des Staats und der Wirtschaft keinerlei Interesse.

Die Staatsverschuldung war im Kapitalismus schon immer ein Mittel, um die Funktion des Staates als Machtinstrument nach innen und außen zu gewährleisten. Durch staatliche Schuldenaufnahme stehen kurzfristig zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung. Rüstungsaufträge und Kriegsvorbereitungen wurden häufig über Staatsanleihen finanziert. Die Zinsen müssen über höhere Steuern und Abgaben von den Massen aufgebracht werden. Dadurch verschwimmt gleichzeitig der direkte Zusammenhang zu den Ausgaben, die dadurch finanziert werden.

Die Schuldenaufnahme geschieht über die Ausgabe von Wertpapieren (Anleihen, Schatzbriefe) oder durch direkte Aufnahme von Darlehen bei Versicherungen, Banken, Bausparkassen usw. Für die Gläubiger (meist Banken und Konzerne) bedeuten die Zinseinkünfte aus solchen Darlehen oder Wertpapieren staatlich garantierte Profite. Karl Marx bezeichnete den Kapitalwert solcher Schuldscheine zwar als "rein illusorisch", weil das geborgte Kapital nicht mehr existiert, sondern vom Staat ausgegeben wurde. Gleichzeitig wies er darauf hin, daß sie "Anweisungen auf sichere Erträge" sind. Die bei Kreditinstituten aufgenommenen staatlichen Kredite wuchsen von 77,6 Mrd. DM im Jahr 1970 auf 1.182 Mrd. DM im Jahr 1998. Bei einem angenommenen Zinssatz von 5 % bedeutet das jährliche Profite von rund 60 Mrd. DM im Jahr für die beteiligten Banken und Institute.

 
Jahr Staatliche Investitionen Nettokredit-
aufnahme
Staatsver-
schuldung
Zinsausgaben für Staatsschulden Staatliche Kredite bei Kreditinstituten
1960

9,7

 

52,8

2,2

 
1970

31,3

6,5

125,9

6,6

77,6

1980

53,2

53,8

468,6

28,6

316,1

1990

55,5

90,1

1.053,5

63,4

583,6

1992

87,2

114,9

1.345,2

100,4

720,3

1998

76,2

57,5

2.236,4

133,6

1.182,4

(alle Angaben in Milliarden DM; vor 1992 Westdeutschland)

Mit der Herausbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus übernahm der Staat immer mehr direkte wirtschaftliche Funktionen im Interesse der Monopole. In der BRD wurde ein System von Regulierungsmaßnahmen in Form von Investitionshilfen, Steuervergünstigungen und staatlichen Aufträgen entwickelt, um aufkommende Krisenerscheinungen zu verzögern und auf die nichtmonopolisierte Industrie bzw. die internationale Konkurrenz abzuwälzen. Das Ergebnis war eine gewaltige Aufblähung der Staatsverschuldung in den 70er und 80er Jahren. Zu einer weiteren sprunghaften Zunahme kam es Anfang der 90er Jahre in Verbindung mit der Wiedervereinigung.

Dies stößt jedoch mehr und mehr an Grenzen. Durch die Verschuldung wächst die Inflationsgefahr. Während der Anteil der Zinsen an den Steuereinnahmen 1970 noch 4 % betrug, lag er 1997 bereits bei 16,5 %. Das schränkt den Spielraum für die staatliche Krisenregulierung ein. Die öffentlichen Investitionen gehen seit Mitte der 90er Jahre zurück. Nach dem Grundgesetz (Art. 115) darf zudem die jährliche Kreditaufnahme des Bundes die im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten.

Die Unternehmerverbände fordern deshalb seit längerem ein "Ende der Neuverschuldung" bei gleichzeitiger Senkung der Unternehmersteuern und Sozialabgaben, um einen "größeren Finanzierungsspielraum ... für Investitionen in neue Produkte und Märkte" zu erhalten (BDI-Programm Juni 1998). Durch das Krisenprogramm der Bundesregierung wird dies umgesetzt. Dabei geht es jedoch nicht um "Sparsamkeit" im Interesse der Zukunft der Masse der Bevölkerung, sondern lediglich um eine Eindämmung der Neuverschuldung. Nach der jetzigen Haushaltsplanung werden die Schulden des Bundes um mindestens 220 Mrd. DM bis zum Jahr 2003 steigen. Während bei Renten, Wohngeld, sozialem Wohnungsbau und Verwaltungspersonal tatsächlich drastisch "gespart" wird, bekommen die Unternehmer Steuern und Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von rund 24 Mrd. DM pro Jahr erlassen.

Quellen: Karl Marx, "Das Kapital" Band 3 (S. 482 -487), Willi Dickhut "Der staatsmonopolistische Kapitalismus in der BRD", Statistisches Bundesamt, Datenreport `97, Deutsche Bundesbank

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