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Aus: Roter Morgen 19/99 zu lesen über www.kpd.net 

Stuttgart/ Rheinfelden

9 türkische Bauarbeiter erhalten seit 3 Monaten von einem Subunternehmer keinen Lohn

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9 türkische Bauarbeiter, die beim Tunnelbau der ARGE Nollinger Berg in Rheinfelden an der Schweizer Grenze für den Subunternehmer Firma Denkay-Bul GmbH, Stuttgart, im Auftrag der Firma Lotter, Stuttgart, gearbeitet haben, haben 3 Monate ohne Lohn gearbeitet. Von ihrem Subunternehmer erhielten sie lediglich 20-100 DM in der Woche. Trotz schwerer körperlicher Arbeit von bis zu 19 Stunden täglich mußten sie monatelang Hunger leiden und konnten noch nicht einmal ihre primitivsten Bedürfnisse erfüllen. Bis Ende September haben die Kollegen das ausgehalten. Dann haben sie ihr Geld gefordert und die Arbeit eingestellt, nachdem ihnen die Bezahlung verweigert wurde.

Die Kollegen besitzen für den Subunternehmer eine Arbeitserlaubnis, waren bei ihrer Arbeitstelle in Rheinfelden gemeldet und halten sich legal in Deutschland auf. Seit sie die Arbeit eingestellt haben, sind sie in Stuttgart, weil hier der Firmensitz ist. Sie haben weiter versucht, ihren Lohn zu erhalten. Weil alle ihre Bemühungen vergeblich waren und sie weiter Hunger litten, haben sie sich in ihrer Not an den Freundschafts- und Solidaritätsverein und an den Rechtsbeistand Herrn Thomas Jung gewandt.

Am 4. Oktober waren 5 von diesen Kollegen beim Sozialamt Stuttgart, um die nötigste Hilfe zu erhalten und nicht mehr hungern zu müssen. Ihnen wurde jede Unterstützung verweigert. Begründung: Sie seien nicht in Stuttgart gemeldet und in Rheinfelden - ohne ihr Wissen - vom Subunternehmer abgemeldet, damit seien sie illegal hier. Auf Nachfrage hat das Ausländeramt bestätigt, daß sie sich legal hier aufhalten. Umgehend haben sich die Kollegen eine Bestätigung ihrer Abmeldung in Rheinfelden besorgt und sich in Stuttgart angemeldet. Auch nachdem sie alle diese bürokratischen Hürden mit Hilfe durch den Verein und den Rechtsbeistand überwunden hatten, verweigerte das Sozialamt ihnen erneut jede Unterstützung, diesmal ohne jede Begründung. Die Vertreterin des Sozialamtes verlangte, daß sie, obwohl sie keinen Pfennig Geld haben, in die Türkei zurückfliegen sollen! Am Mittwochabend, dem 20.10., kam Polizei zur Unterkunft der Kollegen, um die Pässe der 5, die beim Sozialamt waren, zu beschlagnahmen. Offizieller Grund war, man wolle überprüfen, ob die Visa echt oder gefälscht seien. Am Donnerstag, dem 21.10., teilte das Ausländeramt mit, daß die Kollegen baldmöglichst ausgewiesen werden sollen, wegen Obdachlosigkeit, Sozialhilfebezug und weil kein Arbeitsverhältnis mehr besteht. Die Kollegen sind nicht obdachlos, sondern haben eine ordnungsgemäß angemeldete Unterkunft. Sozialhilfe haben sie keinen Pfennig erhalten.

Das alles erscheint als ein billiger Vorwand, um Kollegen, die monatelang für einen Appel und ein Ei geschuftet haben, nun loszuwerden, wo sie sich wehren. Der ganze Vorfall ist ein Skandal. Die Behörden verfolgen und bedrohen die Opfer, statt ihnen gegen einen Subunternehmer, der sie brutal ausgebeutet hat, Unterstützung zu gewähren. Sie sind Handlanger des Kapitals!

Die Familie hungert

Ein Kollege berichtete, seine Frau habe in der Hoffnung auf das Geld aus Deutschland, daß er ihr überweisen wollte, beim Händler im Dorf anschreiben dürfen, um Lebensmittel für die Kinder und sich kaufen zu können. Als nach einem Monat kein Geld kam, sei der Händler ärgerlich gewesen, habe aber noch einmal etwas Kredit gewährt. Als auch im zweiten Monat kein Geld gab, habe er der Frau nichts mehr gegeben. Da Die Frau zuckerkrank ist, sei für sie eine angemessene Ernährung lebenswichtig. Schließlich habe man sie im Koma liegend gefunden und ins Krankenhaus schaffen müssen. Er habe nun hohe Schulden und die Familie befinde sich im Chaos.

So wurden sie gelockt...

Die Firma Denkay-Bul suchte in Anzeigen in der Türkei und in Deutschland Eisenflechter für die Zeit vom Juli 99 bis Ende Mai 2000. Den Kollegen, die sich meldeten, wurde ein Stundenlohn von 13 DM brutto versprochen. Davon sollten 5 DM für Unterkunft und Verpflegung abgezogen werden. Um die Arbeit zu bekommen, verlangte die Firma Denkay-Bul von den aus der Türkei kommenden Kollegen eine "Kaution" in Höhe von 2000 bis 6000 DM. Je nach den Möglichkeiten der Kollegen wurden diese schon in ihrer Heimat ausgeplündert. Sie bekamen die "Kaution" nur zusammen, indem sie bei Verwandten und Freunden Schulden machten. Angeblich diente die "Kaution" als Sicherheit für die Beschaffung von Visa und Arbeitserlaubnis. Man versprach den Kollegen, daß sie das Geld nach einem Monat Arbeit vollständig zurückerhalten würden. Weiter mußten die Kollegen das Flugticket nach Deutschland selbst bezahlen; das waren noch einmal rund 500 DM.
Die "Kaution" sahen die Kollegen niemals wieder. Als sie sie nach einem Monat zurückforderten, wurden sie auf einen Monat später vertröstet und so weiter.

So kamen sie nach Deutschland

Das Landesarbeitsamt Bayern ist bundesweit für den Einsatz von Zeitarbeitskräften aus der Türkei zuständig. (Für andere Länder wie Polen, Rumänien usw. sind die Landesarbeitsämter anderer Bundesländer zuständig. Das ist bundeseinheitlich geregelt.) Dort legten die Firma Lotter, eine bekannte Bauhandelsfirma, und die Firma Denkay-Bul GmbH als Subunternehmer einen Werkvertrag für die Baustelle Arge Nollinger Berg in Rheinfelden vor. Nach Prüfung des Werkvertrages erhielt die Firma Denkay-Bul die Genehmigung, Zeitarbeitskräfte aus der Türkei nach Deutschland einzuführen. Das für die türkische Arbeitskräfte zuständige Arbeitsamt Traunstein stellte die Arbeitserlaubnisse aus. Mit der Arbeitserlaubnis sind die Arbeiter direkt an den beantragenden Unternehmer gebunden. Nur dort dürfen sie arbeiten. Werden sie gekündigt, erlischt ihre Arbeitserlaubnis und sie müssen unmittelbar zurück. Damit sind sie abhängige Arbeitssklaven.
Laut Arbeitnehmerentsendegesetz beträgt für ausländische Bauarbeitskräfte der Mindestlohn bis August 99 16 DM pro Stunde, seit 1. September 99 18,50 DM pro Stunde. Ob diese Regelung eingehalten wurde, wurde nicht geprüft. Die Firmen müssen lediglich Geld zur Sicherung der Steueransprüche des Finanzamtes hinterlegen.
Wie sich jetzt herausstellte ist die Denkay-Bul GmbH gar nicht beim zuständigen Registergericht eingetragen. Überprüft wurde das nicht. Die Denkay-Bul GmbH hat mittlerweile dem Arbeitsamt Traunstein mitgeteilt, sie habe den Arbeitern gekündigt. Die Arbeiter haben aber weder mündlich noch schriftlich jemals eine Kündigung erhalten.

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