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trend vor Ort: 

Franka Potente, Tom Tykver
: "Herr Fischer, machen Sie das Videodrom wieder auf!"

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Im Berlin-Kreuzberger "Eiszeit"-Kino richten auf einer Pressekonferenz die inzwischen bis in die USA bekannten deutschen Filmer ("Lola rennt!"), am Montag­morgen, dem 29.11.99 um 11.30 Uhr, einen flammenden Appell an die Behörden Berlins, sofort die Schließungsverfügung über die einzigartige Videothek in der ebenfalls in Kreuzberg gelegenen Mittenwalder Straße zurückzunehmen. Franka: "Das Videodrom ist meine Arbeitsgrundlage. Ohne die nur dort verfügbaren Filme kann ich mich nicht gut genug auf meine nächsten Rollen vorbereiten." Tom: "Das Videodrom ist derzeit die einzige Quelle für Filme aus dem Grenzbereich. Wir brauchen dieses Material."

Am 23.11.99, 10 Uhr morgens, waren ca. 50 "Vollzugsbeamte" unter Anleitung eines Staatsanwaltes und des Leiters des Kreuzberger Wirtschaftsamtes, Herrn Fischer, angerückt, um die Computer der kleinen Firma, eine GbR, und exakt 666 (sic!) Filme zu beschlag­nahmen. Gleichzeitig fanden Hausdurch­suchungen bei den zwei Inhabern statt. Vorwurf: "Verbreitung gewaltverherrlichender Schriften" (sic!).

Das "Eiszeit" ist brechend voll, die Empörung der anwesenden Filmschaffenden und Medienvertreter über diesen neuen Fall von widerlicher Zensur ist einhellig. Thomas Klein, Sprecher der 15 Videodrom-Mitarbeiter, erläutert: "Ja wir haben indizierte Filme im Programm. Diese dürfen zwar nicht beworben, aber an Erwachsende ausgeliehen werden. Verbotene Versionen befinden sich nicht im Laden. Es kann sein, daß bei uns zu Hause oder aber im Lager derartige Videos zu finden waren. Die waren aber aussortiert. Wir haben nicht mal Hardcore Pornos, von denen unsere Konkurrenz zum großen Teil lebt." Mitarbeiter Dirk ergänzt: "Ich arbeite seit sechs Jahren im Videodrom, habe aber noch kein einziges Mal ein verbotenes Video ausgeliehen. Da ich noch Student bin, kann ich nicht mal Arbeitslosengeld beantragen. Ich bin ruiniert."

Ob und wann das Videodrom mit seinem Bestand von 14500 Videos wieder aufmachen kann, weiß niemand zu sagen. Am heutigen Montagnachmittag hat Bezirksbürgermeiser Franz Schulz (Bündnis 90/ Grüne) ein Gespräch mit den Betreibern des Videodrom angeboten. Falls das nichts bringt, wird ein Eilverfahren angestrebt, das in weiteren drei Tagen erste Ergebnisse bringen könnte. Im ungünstigsten Fall muß befürchtet werden, daß das Videodrom für immer geschlossen bleibt, weil die Mannschaft über kurz oder lang an der Schließung pleite geht. Das Weihnachtsgeschäft steht jetzt ohnehin schon auf dem Spiel.

Einige anwesende Kunden zeigten sich insbesondere durch die Tatsache betroffen, daß auch die Kundendateien beschlagnahmt wurden. Keiner hatte jedoch Angst davor, als Kunde bloßgestellt werden zu können. Im Gegenteil, alle Anwesenden legten Wert auf die Feststellung, zum Videodrom-Kundenkreis zuzugehören. Thomas Klein machte klar: "Die Ausleihdateien enthalten keine Angaben über die bereits zurückgegebenen Filme. Nur die Verkaufsdateien sind nicht gelöscht." "Und", fügte er hinzu, "wir halten uns immer streng an die Gesetze." Er wolle auch nicht, "daß jeder Drogendealer einen Gewerbeschein beim Wirtschaftsamt beantragen" könne. (Warum nicht? Der Säzzer.)

Für die nahe Zukunft ist eine "Woche des beschlagnahmten Films" geplant. Einige Off-Kinos werden in der Woche vom 9.-15.12.99 einige der beschlagnahmten Filme zeigen. Ferner wird Mitte Dezember ein Solidaritäts-Konzert stattfinden. Wer hierüber bzw. überhaupt über den Fall näher informiert werden will, kann die Website des Videodroms anklicken: www.videodrom.com

Nachfragen sind auch möglich an das Kreuzberger Wirtschaftsamt, Herrn Fischer: Tel.: 2588-3679, Fax: 2588-2606 oder direkt zu den Sprechzeiten: Mo, Di, Fr: 9-12.00 Uhr.

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