Interim 515 v. 30.11.2000

Bahamas Räume an der SfE (Schule für Erwachsenenbildung) gekündigt
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Über folgenden Antrag wurde in der SfE am 9.11.2000 abgestimmt:

„Wilde Männer" auf die Bahamas!

Wir fordern, dass der Gruppe Bahamas der SfE-Raum gekündigt wird, in dem sie ihre wöchentlichen Treffen abhält. Begründung: Sie hat mit ihrem Text „Infantile Inquisition" in Bahamas Nr. 32 versucht, das Definitionsrecht der Frau zu untergraben. Wir finden den Text schlichtweg reaktionär, weil er:

1. Den von patriarchaler Gewalt betroffenen Frauen die Definitionsmacht abspricht. Das geschieht mittels Psychologisierung: Die Frauen werden als „hysterisch" dargestellt, und ihnen wird die Wahrnehmung der Realität abgesprochen. Sie könnten nicht unterscheiden, was in ihrer Fantasie entstanden ist und was in Wirklichkeit geschehen ist. Dabei greifen die Autoren tief in die Mottenkiste der patriarchalen Ideologien der letzten 3 Jahrhunderte. Seit Anfang der Neuzeit ist es gang und gäbe, Frauen, die nicht dem vorgegebenen Rollenklischee des Patriarchats entsprechen, wollen oder können bzw. darin unglücklich sind, als verrückt zu stigmatisieren und schlussendlich zu psychiatrisieren. Wir gehen davon aus, dass sich Bahamas sehr wohl der historischen Dimension des Begriffs „Hysterie" bewusst ist. Daher stellt die Verwendung dieses Begriffes im besten Fall eine bewusste Provokation dar, andernfalls sehen wir hierin einen Beweis für die rückhaltlose Identifikation der Autoren mit der historischen Verwendung dieses Wortes.

2. Einen patriarchalen Sexualitätsbegriff vermittelt und diesen biologistisch zu begründen sucht. Sexualität wird als „per se aggressiv und grenzüberschreitend" (Bahamas) definiert. . „Per se" heißt: An sich - also losgelöst von gesellschaftlichen Verhältnissen, überzeitlich, immer und ewig - von Natur aus. Durch die so als „natürlich" definierte patriarchale Sexualität wird die Sozialisation, die im Patriarchat erst zu dieser führt, geleugnet. Mit dieser suggerierten Normalität des „natürlichen" aggressiven Sexualverhaltens soll Männern die Last der Verantwortung zum selbstreflektierenden Denken genommen werden. Hierzu gehört auch die Behauptung, dass sich eigentlich jedeR wünsche, vom „wilden Mann" genommen zu werden, was in unseren Augen übersetzt heißt: „Frauen wollen vergewaltigt bzw. überwältigt werden". Diese Aussage beinhaltet auch das Märchen, dass Frauen Ja meinen würden, wenn sie nein sagen. Dass die Autoren diesen Standpunkt vertreten, wird auch durch ihre „Interpretation" des Textes der konkret betroffenen Frau und der damit einhergehenden Umdeutung der Vergewaltigung in Verführung deutlich.

Eine Frau weiß sehr wohl, was sie will oder nicht will - Nein heißt Nein!!

3. Die Verantwortung für patriarchale Gewalt denen zuschreibt, die sich dagegen auflehnen. So wird in dem Text behauptet, dass es durch feministische Theorie und Praxis zwangsweise zu einem Ausbruch sexualisierter Gewalt kommen müsse. Z.B. Zitat aus dem Text: „wenn Männer ihren inneren Politkommissar mit ins Bett nehmen, wie Thomas - , hinterher fragte er mich, ob ich das als Vergewaltigung ansehe.' - , wird Vorbereitung und Ausführung des Sexualaktesfür die Beteiligten zum peinigenden, Angst- statt Lustschweiß produzierenden Erlebnis. Der wilde Ausbruch in verrohte Stechermentalität muss da angelegt sein." Diese Opfer-Täter Verschiebung ist wiederum gängige patriarchale Praxis. So wird z.B. in Vergewaltigungsprozessen dem Opfer regelmäßig unterstellt, den Täter provoziert zu haben. Vergewaltigte werden nicht selten „irrtümlich" als Angeklagte angesprochen.

4. Das Patriarchat in den Metropolen wird relativiert bzw. zum Nebenwiderspruch erklärt und darüber hinaus durch die hervorgehobene Benennung von patriarchalen Strukturen in z.B. islamischen Communities als fast nicht existent vermittelt. Diese Thesenauswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir haben einige der prägnantesten Thesen dargestellt. Wir meinen, dass eine Gruppe, die derartige Positionen vertritt, nichts in Räumen und Projekten, die noch in irgendeiner Form einen emanzipatorischen Anspruch haben wollen, verloren hat. Deswegen fordern wir, dass der Gruppe Bahamas ab sofort keine Räume mehr in der SfE zur Verfügung gestellt werden.

Wider dem patriarchalen Rollback - Für das uneingeschränkte Definitionsrecht der Frau!

Ein gemischtgeschlechtlicher Zusammenhang aus der SfE

Dem Antrag wurde von der Mehrheit der SfElerinnen zugestimmt. Uns ist bewusst, dass dieser Antrag nur einen Teil der Kritikpunkte am Bahamas Text widerspiegelt. Um darüber jedoch eine relativ schnelle Entscheidung treffen zu können haben wir den Text möglichst kurz gehalten. Der Bahamas Text lag dabei auch allen Teilnehmerinnen an der Abstimmung vor.

ocr-scan by trend onlinezeitung

Zum Hintergrund dieser Auseinandersetzung siehe trend spezial in der Ausgabe 11-00