Junge Welt vom 19.12.2000

Bewährung für Singvogel
Ex-Aktivist der »Revolutionären Zellen« legte gegen Kronzeugenstatus umfassendes Geständnis ab
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Eigentlich galt er als Böser. Aber was heißt das noch in Zeiten, da ein durchgeknallter Molotow-Aktivist schon mal Außenminister werden kann? Tarek Mousli jedenfalls wollte offenbar auch nicht als Märtyrer einer verlorenen Sache dastehen und mutierte seit seiner Festnahme zum Singvogel: Er legte ein anscheinend so umfassendes Geständnis über seine Revoluzzerzeit ab, daß ihn die Bundesanwaltschaft zum Kronzeugen kürte. Der ehemalige Mit-Macher bei den sogenannten Revolutionären Zellen (RZ) ist deshalb am Montag in Berlin zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Berliner Kammergericht folgte damit dem Antrag der Bundesanwaltschaft, die den 41jährigen Mousli wohl als geläutert ansah. Der Angeklagte hatte im Prozeß gestanden, den »Revolutionären Zellen« angehört zu haben.

Die Anklage hatte ihn beschuldigt, an mehreren Anschlägen - gemeinschaftliche Herbeiführung eines Sprengstoffanschlags und verbotener Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen - Mitte der 80er Jahre in Berlin beteiligt gewesen zu sein. Die 1973 gegründeten »Revolutionären Zellen« bekannten sich bis in die 90er Jahre hinein zu insgesamt 186 Anschlägen. Demnach war Tarek Mousli an so revolutionären Verrichtungen wie den Anschlägen auf den Leiter der Berliner Ausländerbehörde Harald Hollenberg im Oktober 1986 und den Richter Günter Korbmacher im September 1987 beteiligt. Beide Opfer wurden durch Schüsse in die Beine verletzt. Dem Angeklagten wurde ebenfalls ein Mitwirken an dem Sprengstoffanschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber in Berlin im Februar 1987 angelastet. In allen Fällen soll der Angeklagte mit der Planung und Funküberwachung der Aktionen befaßt gewesen sein - hat also seinerzeit den großen Chef gegeben.

Dennoch, Tarek Mohamad Ali Mousli gilt jetzt als wichtiger Zeuge in Verfahren gegen weitere mutmaßliche RZ- Mitglieder, die wohl nicht ganz froh über die Redseligkeit ihres ehemaligen Zellen-Genossen sein dürften. Mit seinem umfassenden Geständnis habe Tarek Mousli als Täter Wissen offenbart, das zur Aufklärung von Straftaten der terroristischen RZ geführt habe, hieß es dann auch zur Begründung der milden Strafe.

Das Geständnis des Angeklagten sei von »Schuldeinsicht und Reue geprägt« und nicht von einem Kalkül getragen, um Strafmilderung zu erhalten. An der Zuverlässigkeit der Aussagen des Angeklagten besteht nach Ansicht der Bundesanwaltschaft kein Zweifel. Sie seien »klar widerspruchsfrei, differenziert, das Wissen eines Insiders«, hieß es im Plädoyer.

Resultat der Übung: Sieben weitere Mitglieder der Organisation habe er namhaft gemacht, also im Ganovenjargon gesagt, verpfiffen. Daraufhin konnten sechs Festnahmen erfolgen. Ein mutmaßlicher Täter ist den Angaben zufolge noch flüchtig, hieß es dazu im Amtsdeutsch.

Dieter Schubert

 


und alle anderen von Mousli Denunzierten