Jawohl! 
Das ist es - Rock´n Roll!

GEORGE HARRISON
Über seine Kindheit und Jugend

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Ich wurde im Februar 1943 im Arnold Grove Nr. 12, Liverpool, geboren. Mein Vater war eigentlich Matrose, aber damals arbeitete er als Busfahrer. Meine Muter stammte aus einer irischen Familie namens French und hatte viele Geschwister. Sie war katholisch. Mein Vater war kein Katholik, und obwohl er’s immer heißt, Leute die nicht katholisch seien, gehörten der anglikanischen Kirche an, schien er überhaupt keiner Religion anzugehören.

Ich hatte zwei Brüder und eine Schwester. Meine Schwester war bei meiner Geburt zwölf Jahre alt; sie hatte gerade die Prüfung abgelegt, die über die schulische Weiterbildung entschied. Ich habe wenig Kindheitserinnerungen an sie, weil sie das Elternhaus verließ, als sie etwa siebzehn Jahre alt war. Sie ging auf ein Lehrercollege und kehrte danach nicht mehr zurück.

Meine Großmutter mütterlicherseits wohnte früher im Albert Grove, gleich neben dem Arnold Crove. Als ich klein war, konnte ich durch unsere Hintertür und um die Hintereingänge herum (in Liverpool hießen sie ]iggers) zu ihrem Haus laufen. Dort war ich immer, wenn meine Eltern bei der Arbeit waren.

Mein Großvater väterlicherseits, den ich nie kennen gelernt habe, war Bauunternehmer, und er baute viele der prächtigen edwardianischen Häuser in der Princes Road, Liverpool. Dort wohnten alle Ärzte und andere Akademiker. Sie wussten, wie man zu dieser Zeit baute: gutes Mauerwerk, Backstein und Holz. Vielleicht habe ich mein Interesse für Architektur von meinem Großvater geerbt. Ich sehe mir gerne schöne Häuser an, ob es nun ein kleines, strohgedecktes Cottage oder St. Pancras Station ist. Ich spürte immer, dass das Leben bedeutet, seinen Weg zu gehen, zu wachsen, sich Möglichkeiten zu schaffen und etwas in Bewegung zu setzen. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich, nur weil ich aus Liverpool stammte, nicht selbst eines Tages in einer großen Villa leben sollte.

George Harrison
erlag am 29. November im Alter von 58 Jahren seinem Krebsleiden.

Unser Haus war sehr klein. Zwei Räume oben und zwei unten - vom Gehweg aus war man sofort drinnen, vom Hinterzimmer aus gleich wieder draußen. Das vordere Zimmer wurde nie benutzt. Es war mit feinem Linoleum ausgelegt, hatte eine dreiteilige Sitzgarnitur und war eiskalt; niemand hat es Je benutzt. Wir drängten uns lieber in der Küche, wo ein Feuer im Ofen brannte, auf dem ein s| Kessel stand, und wo es einen kleinen Herd aus Eisen gab.

Der Großteil des Gartens war mit Platten ausgelegt (außer einer kleinen Fläche, wo sich ein dreißig Zentimeter breites Blumenbeet befand). Hinten war eine Toilette, und eine Zeit lang hielten wir dort in einem kleinen Stall junge Hühner. An der Mauer des Hinterhofes hing eine Badewanne aus Zink, die wir gelegentlich hereintrugen und mit heißem Wasser aus Tiegeln und Kesseln füllten. Auf diese Weise badeten wir. Wir hatten kein Badezimmer: keine Whirlpools.

Meine früheste Erinnerung: Ich sitze oben auf der Treppe auf einem Topf, verrichtete mein großes Geschäft und schreie: »Fertig!« Eine weitere sehr frühe Erinnerung - ich muss noch ein Baby gewesen sein - hängt mit einem Straßenfest zusammen. Es gab Luftschutzkeller, und die Leute saßen um Tische herum und auf Bänken. Ich war sicher nicht älter als zwei Jahre. Wir hatten immer ein Foto davon, wahrscheinlich erinnere ich mich nur deshalb daran.

Der Arnold Crove ähnelte ein wenig der Coronation Street, auch wenn ich mich heute an keinen einzigen Nachbarn mehr erinnern kann. Die Straße befand sich hinter dem Lamb Hotel in Wavertree. Es gab dort ein großes Art-deco-Kino namens The Abbey sowie den Picton-Uhrenturm. Ging man eine kleine, kopfsteingepflasterte Gasse hinunter, kam man zum Schlachthaus, wo früher Pferde erschossen wurden.

Früher war Liverpool eine sehr geschäftige Stadt. Der Mersey mit all den Fähren und den großen Dampfern aus Amerika oder Irland spielte eine wichtige Rolle. Es gab zahlreiche alte, ein wenig schmutzige Gebäude und Denkmäler, die dennoch einen hübschen Anblick boten. Und zwischen all den schönen Gebäuden gab es große ausgebombte Gebiete, die nie freigeräumt worden waren. (Sogar an dem Tag im Jahr 1963, als ich Liverpool verließ, gab es noch zahlreiche Trümmergrundstücke.)

Wenn man Einkaufen ging, konnte man auf dem einen oder anderen Trümmergrundstück Menschenmengen antreffen, die einem Mann in Handschellen und Ketten zusahen. Der Mann steckte in einem Sack und versuchte sich zu befreien. Es gab immer Menschen, die so etwas taten - das Houdini-Syndrom.

Auf kopfsteingepflasterten Straßen verliefen Straßenbahnschienen, und darüber befanden sich die Oberleitungen. Mit der Straßenbahn fuhren wir überallhin, und mit der U-Bahn gelangten wir hinüber zur Halbinsel Wirral. Als ich ein Fahrrad bekam, hatten Busse die Straßenbahnen bereits ersetzt, und man riss alle Straßenbahnschienen heraus und asphaltierte das Kopfsteinpflaster.

Ich erinnere mich, wie meine Mutter mich samstags zum Einkaufen mitnahm. Ich wurde herumgezerrt und sah alte Damen, die sie alle zu kennen schien und begrüßen musste. Wahrscheinlich waren sie gar nicht so alt, aber als Kind empfindet man alle Menschen über zwanzig als alt.

Und es gab Aktualitätenkinos - Kinos in kleinen, modernen Gebäuden -, in denen Zeichentrickfilme gezeigt wurden, sowie die Pathé Pictorial News. Es gab dort keine Hauptfilme, eine Vorstellung dauerte ungefähr fünfzig Minuten. Das heißt, man konnte Einkäufe erledigen, und wenn man müde wurde, einen Kaffee trinken, ins Kino gehen, sich ein paar Zeichentrickfilme anschauen und anschließend den Einkaufsbummel fortsetzen.

Als ich noch sehr klein war, trat ich den Wölflingen bei. Das geschah in einer katholischen Kirche namens St. Antonio von Padua. Es war ein höllisch weiter Weg zu den Wölflingen! (Ich musste dort mit der Alitalia - der einzigen Fluglinie, die Haare unter den Tragflächen hat - hinfliegen.) Und wenn wir nach Hause kamen, prügelte uns Akela mit ihrem Lederring in den Schlaf. Meine Mutter ging früher gelegentlich in die Kirche, zu den üblichen Zeiten: an Ostern, Weihnachten und so, und als Kind wurde ich mitgenommen. Mit elf Jahren ging ich zur Erstkommunion Dem Rest ging ich aus dem Wege, da wir zu diesem Zeitpunkt schon nach Speke gezogen waren.

Eigentlich mochte ich die Schule nicht. Ich entsinne mich an meine ersten zwei Schuljahre. Das hat mir nicht sonderlich gefallen. Ich habe drei Erinnerungen an die Dovedale Road Infant School: den Geruch von gekochtem Kohl, ein kleines Mädchen mit blonden Locken und in der Ecke des Zimmers ein Peter-Pan-Haus, das von allen Kindern gebaut worden war.

Dann kam ich in die Dovedale Primary School. Das hat mir besser gefallen, weil es dort viel Sport gab. Man konnte Fußball spielen oder herumgammeln. Ich hielt mich immer für einen ziemlich schnellen Läufer, und ich spielte gerne Fußball. Ich glaube, alle Kinder halten sich für gut, aber in Wirklichkeit sind sie zu nichts zu gebrauchen. John war in Dovedale, als ich dort war. Wir hielten uns auf demselben Schulhof auf, doch ich kannte ihn nicht - wahrscheinlich, weil, als ich in meinem ersten Jahr war, er in seinem letzten war.

Ich war noch immer in Dovedale, als wir nach Speke zogen. Ich wohnte nun in Upton Green Nr. 25. Sie hatten dort draußen gemeindeeigene Wohnhäuser gebaut mit Badezimmer und Küche. Wir hatten schon jahrelang auf ein neues Haus gewartet, und endlich rückten wir auf die erste Stelle der Liste vor und konnten umziehen.

Speke liegt am Stadtrand von Liverpool, abseits vom Hafen. Es war ziemlich weit außerhalb, man musste etwa vierzig Minuten mit dem Bus fahren. Während sich der Mersey landeinwärts schlängelt, wird er bei Widnes und Runcorn schmaler. Dort befanden sich sämtliche in den vierziger Jahren gebauten Fabriken - Bryant and May (die Streichhölzer herstellten) und Evans Medical Supplies. Dunlop hatte direkt am Rand des Speker Flughafens eine Firmenansiedlung. In der Umgebung des Flughafens befand sich auch ein prächtiges Haus, Speke Hall, ein altes Gebäude aus der Tudor-Zeit.

Unser Haus befand sich nur einen Katzensprung von Widnes entfernt. Ich ging immer nach Oglet, zum Ufer des Flusses hinunter. Bei Ebbe ging das Wasser viele Meilen weit zurück, das Flussbett war dann ganz schlammig. Leute fuhren mit ihren Motorrädern im Flussbett hin und her. Ich lief stundenlang an den schlammigen Abhängen des Mersey entlang und durch Felder und Wälder. Ich liebte es, in der Natur zu sein. Ich erinnere mich an einige unangenehme Szenen nach unserem Umzug nach Speke. Es gab dort Frauen, deren Ehemänner sich auf- und davonmachten, und andere Frauen, die alle zehn Minuten Kinder bekamen. Und immer wanderten Männer umher und gingen in Häuser - zum Bumsen, nehme ich an. Ich erinnere mich, wie meine Mutter sich mit jemandem abgeben musste, der vorbeigekommen war und wegen irgendetwas fluchte und schimpfte.

Sie holte einen Eimer voll Wasser, schüttete es über die Vordertreppe aus, ging hinein und schloss die Tür. Das musste sie öfters tun.

Geistliche gingen von Haus zu Haus und sammelten Geld. Wir waren nicht besonders schlimm, aber in einigen Häusern gab es ein paar wirklich schreckliche Familien. Die schalteten alle Lichter aus und stellten das Radio leiser, um den Eindruck zu erwecken, als wären sie gar nicht zu Hause. Mein Vater verdiente etwa sieben Pfund und zehn Shilling in der Woche. Fünf Shilling, die er jedes Mal spendete, waren also ziemlich viel Geld. Damals habe ich nie arbeitslose Menschen gesehen, ich war wohl noch zu klein, um so etwas zu bemerken. Als Kind beschäftigt man sich lediglich mit alltäglichen Dingen, nicht mit der Weltpolitik oder irgendetwas anderem außerhalb des eigenen Lebens.

Mit den Spenden bauten sie eine große Kirche. Davor gab es nur eine provisorische in einer großen Holzhütte. Sie war von den Stationen des Kreuzweges umgeben, und die erste Frage, die ich mir, soweit ich mich erinnere, stellte, war: »Worum geht es bei alldem?« Okay, ich sah, wie Christus sein Kreuz die Straße entlang trug und alle auf ihn spuckten, und ich habe das Wesentliche begriffen. Doch es schien keinen Sinn zu ergeben.

Ich spürte damals, dass es so etwas wie Heuchelei gab, obwohl ich erst ungefähr elf Jahre alt war. Es schien in allen Wohnsiedlungen der englischen Städte dasselbe zu sein: Am einen Ende hatten sie eine Kirche, und am anderen einen Pub. Alle besaufen sich da draußen und gehen anschließend in die Kirche, wo sie drei Ave Maria und ein Vaterunser sprechen und einen Fünfpfundschein in den Klingelbeutel stecken. Es war mir so fremd. Nicht die Bleiglasfenster oder die Christusbilder; die mochte ich wie den Geruch des Weihrauchs und der Kerzen. Ich mochte nur den anderen Scheiß nicht. Nach der Kommunion sollte ich eigentlich zur Firmung gehen, aber ich hatte dazu keine Lust.

Von da an mied ich die Kirche. Aber jeden Donnerstag kam ein Kind vorbei, um den Priester anzukündigen. Die Kinder gingen in allen Straßen von Haus zu Haus, klopften an die Tür und riefen: »Der Priester kommt!« Und wir riefen alle »Oh Scheiße«, und rannten wie der Blitz die Treppe hinauf, um uns zu verstecken. Meine Mutter musste die Tür öffnen, und er sagte: »Ah, hallo Mrs. Harrison, schön, Sie wieder zu sehen, wirklich. Siehe da, Jesus ...« Sie drückte ihm zwei half-crowns in seine schweißige kleine Hand, worauf er davonging, um eine weitere Kirche oder einen Pub zu bauen.

Ich hatte eine glückliche Kindheit mit vielen Verwandten um mich herum. Nachts wachte ich immer auf, trat aus dem Schlafzimmer heraus, blickte die Treppe hinab und sah eine große Anzahl von Menschen, die eine Party feierten. Wahrscheinlich waren es nur meine Eltern und ein oder zwei Onkel (ich hatte eine ganze Menge Onkel mit kahlen Köpfen; sie behaupteten, ihre Köpfe seien deshalb kahl, weil sie sie dazu benutzten, die Türen der Pubs aufzustoßen), und ich hatte stets den Eindruck, dass sie Partys feierten, ohne es mir zu sagen. An die Musik erinnere ich mich kaum noch. Ich weiß nicht, ob sie bei ihren Partys überhaupt Musik hatten. Wahrscheinlich lief das Radio.

In dieser Zeit waren die Radios wie Detektorempfänger. Na ja, nicht ganz. Die Radios hatten Batterien: komische Batterien, die Säure enthielten. Man musste die Batterie in den Laden an der Ecke bringen und sie zum Aufladen drei Tage dort lassen.

Wir hörten uns alles an, was im Radio gespielt wurde: irische Tenöre wie Josef Locke, Tanzmusik, Bing Crosby, lauter solche Leute. Meine Mutter drehte immer so lange am Empfang des Radios, bis sie einen Sender fand, der in arabisch oder so sendete. Den ließen wir dann drin, bis es so arg knisterte, dass man nichts mehr verstehen konnte. Dann stellte sie einen anderen Sender ein.

Ich erinnere mich, dass ich mir als Kind die Platten meiner Eltern anhörte - die ganze alte englische Music-Hall-Musik. Wir hatten eine Platte mit dem Titel Shenanaggy. Da: »Old Shenanaggy Da, he plays his guitar ...«, aber das Loch in der Mitte war nicht zentriert, und so klang es etwas seltsam. Brillant.

Es gab noch einen anderen Song namens Fire, Fire, Fire, Fire, Fire. Er ging so: »Why do all the engines chuff-chuff? Its a fire, fire, fire, fire, fire.« Das Lied hatte etliche Strophen, mit Klangeffekten, die an ein Feuerwehrauto erinnerten, an eine Menschenmenge, die nach Luft schnappt, und an Leute, die in einem Gebäude eingeschlossen sind. Es war eine beid-seitig abspielbare 78er-Schallplatte. Wenn die eine Seite der Platte zu Ende war, ertönte der Satz: »Dreht mich um, Jungs, und ich spiele euch noch etwas mehr.« Und wenn man die Platte umdrehte, ging es wieder los mit dem Refrain und zwanzig weiteren Strophen. Ich begreife die Leute nicht, die sagen: »Ich mag nur Rock'n'Roll« oder:

»Ich mag nur Blues« oder was auch immer. Selbst Eric Clapton sagt, er sei von The Runaway Train Went Over the Hill beeinflusst worden. Wie ich in meinem Buch I Me Mine geschrieben habe, sind meine frühesten musikalischen Erinnerungen Stücke wie One Meatball von Josh White, diese Hoagy-Carmichael-Songs und Ähnliches. Ich würde sagen, dass selbst der Mist, den

wir hassten - diese amerikanischen Schnulzenplatten vom Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre wie The Railroad Runs Through tbe Middle of the House oder das britische I'm A Pink Toothbrush, You're A Blue Toothbrush -, einen gewissen Einfluss auf uns hatte, ob uns das nun passt oder nicht. All das steckt irgendwie in mir drin und kann jederzeit hervorkommen. Dieser Einfluss zeigt sich in den komischen Aspekten einiger unserer Songs, wie im Mittelteil von Yellow Submarine.

Du hörst etwas und denkst, dass du es nicht magst und dass es dich nicht beeinflusst. Aber du bist, was du isst, du bist, was du siehst, was du berührst, was du riechst und was du hörst. Musik hat schon immer etwas Transzendentales gehabt, insofern, als sie Bereiche in dir erreicht, von denen du gar nicht gedacht hättest, dass sie von Musik erreicht werden können. Und sie kann dich auf eine Art und Weise berühren, die du nicht in Worte fassen kannst. Du glaubst vielleicht, sie hätte dich nicht erreicht, und Jahre später merkst du, wie es aus dir herauskommt. Die Beatles, denke ich, hatten das Glück, für alle Musikstile offen zu sein. Wir hörten einfach alles, was im Radio gespielt wurde. Das war damals die Hauptsache.

Mein ältester Bruder Harry hatte einen kleinen tragbaren Plattenspieler, auf dem man 45er- und 33er-Schallplatten abspielen konnte. Das Gerät konnte einen Stapel von zehn Schallplatten abspielen, Harry besaß allerdings nur drei Platten. Er bewahrte sie sorgfältig in den Hüllen auf; eine davon war von Glenn Miller. Wenn er wegging, hinterließ er immer alles ganz ordentlich: Die Drähte, Kabel und Steckerwaren alle um das Gerät gewickelt, und niemand durfte den Plattenspieler benutzen. Aber sobald er weg war, legten mein Bruder Pete und ich Platten auf.

Wir spielten alles. Als Seemann hatte Dad einmal in New York ein Grammophon gekauft. Es war eines aus Holz. Hinter einer oberen Tür befand sich ein Lautsprecher und unten waren die Platten verstaut. Die Nadeln befanden sich in kleinen Dosen. Er brachte auch einige Platten aus Amerika mit, darunter eine von Jimmy Rodgers, dem »singenden Eisenbahner«. Er war Hank Williams' Lieblingssänger und der erste Country-Sänger, den ich je gehört habe. Er schrieb eine Menge Lieder wie Waiting For A Train, Blue Yodel 94 und Blue Yodel 13. Dad besaß Waiting For A Train, und die Platte brachte mich zur Gitarre.

Später gab es Leute wie Big Bill Broonzy und einen Country- und Western-Sänger aus Florida namens Slim Whitman. Er machte aus den Stücken des Films Rose Marie große Hits. Der erste Typ, den ich je Gitarre spielen sah, war Slim Whitman, entweder auf einem Foto von ihm in einem Magazin 'der bei einer Live-Übertragung im Fernsehen. Gitarren kamen offenbar in Mode,

Ich hatte die Primary School eben verlassen und war auf die höhere Schule, das Liverpool Institute, gekommen, als ich ins Krankenhaus musste. Mit zwölf oder dreizehn kriegte ich Ärger mit den Nieren. Ich bekam immer Mandelentzündung, eben Kinderkrankheiten. Oft hatte ich schlimme Halsschmerzen, aber in diesem Jahr breitete sich die Infektion aus, und ich bekam Nephritis, eine Entzündung der Nieren.

Im Alder Hey Hospital wurde ich sechs Wochen lang auf eine Null-Protein-Diät gesetzt. Ich musste Spinat und andere grässliche Dinge essen. In dieser Zeit wollte ich erstmals eine Gitarre haben. Ich hörte, dass Raymond Hughes, den ich von der Dovedale School her kannte - ich war jetzt am Institute und hatte ihn seit einem Jahr nicht mehr gesehen -, eine Gitarre für drei Pfund und zehn Shilling verkaufen wollte. Das war damals viel Geld, aber meine Mum gab mir die Summe und ich ging zu Raymond und kaufte sie.

Es war eine spottbillige, fürchterliche Gitarre, aber damals war sie okay. Ich sah, dass sie auf der Rückseite des Halses einen Bolzen hatte. Neugierig wie ich war holte ich einen Schraubenzieher, schraubte den Bolzen ab, und da fiel der ganze Hals ab. Ich konnte die Gitarre nicht mehr richtig zusammenschrauben, deshalb legte ich sie in zwei Teilen in den Schrank und ließ sie dort. Es schien mir ein Jahr zu dauern, aber endlich richtete mein Bruder Pete sie für mich. Die Gitarre hatte nun einen nach innen gewölbten Hals, sodass man nur ein paar Akkorde spielen konnte. Alle Bünde schnarrten und die Saiten berührten die Bünde.

Bei der Handelsmarine hatte mein Dad Gitarre gespielt. Als er arbeitslos wurde und den Beruf des Seemanns aufgab, verkaufte er die Gitarre. Als ich zu spielen anfing, sagte er: »Ich hatte einen Freund, der spielt.« Er rief ihn an. Er hieß Len Houghton und besaß eine Wein- und Spirituosenhandlung, über der er wohnte. Donnerstags hatte er geschlossen, und mein Dad arrangierte es so, dass ich jeden Donnerstagabend für zwei oder drei Stunden dorthin ging. Len zeigte mir neue Akkorde und spielte mir Stücke vor wie Dinah und Sweet Sue und Melodien in der Art von Django Reinhardt oder Stephane Crappelli. Songs der zwanziger und dreißiger Jahre, zum Beispiel Whispering. Das war sehr nett von ihm.

Zu dieser Zeit lernte ich Paul McCartney auf dem Rückweg von der Schule im Bus kennen. Damals fuhren die Busse nicht bis in die Wohnsiedlung, wo ich wohnte. Ich musste zwanzig Minuten nach Hause laufen. Paul wohnte nicht weit von der Bushaltestelle an der Western Avenue entfernt Ganz in der Nähe war Halewood, wo ich früher auf den Feldern gespielt hatte. Es gab dort Teiche mit Stichlingen. Heute befindet sich dort eine verdammt riesige Fabrik von Ford, die sich über viele Morgen Land erstreckt.

Damals benutzten Paul und ich also denselben Bus, wir trugen die gleiche Schuluniform und fuhren vom Liverpool Institute heim. Ich fand heraus, dass er eine Trompete hatte, und er, dass ich eine Gitarre hatte, und so kamen wir uns näher. Ich war ungefähr dreizehn, er vermutlich zwischen dreizehn und vierzehn. (Er war immer neun Monate älter als ich. Selbst heute noch, nach all den Jahren, ist er neun Monate älter!)

Als Teenager hörte ich das erste Mal Fats Dominos I´m In Love Again. Das würde ich als die erste Rock'n Roll-Platte bezeichnen, die ich gehört habe. Eine andere Schallplatte aus der Zeit, als ich noch ein Schuljunge war, war Whispering Bells von Del-Vikings.

Ich erinnere mich noch an den Klang der Gitarren auf dieser Aufnahme. Und dann natürlich Heartbreak Hotel. Dieses Stück lief eines Tages bei irgendjemandem im Radio und nistete sich in meinem Hirn ein. Elvis, Little Richard und Buddy Holly haben uns sehr beeinflusst, und ihre Platten sind bis heute meine liebste Rock'n Roll-Musik.

Damals war die Pop-Szene sehr gemischt. Es gab die großen Stars - wie Fats Dominos, The Coasters und Elvis - und dann die Künstler, deren Platten man hörte, von denen man sonst aber nie viel sah, vielleicht mal ein Foto in einem Fan-Magazin. Dann gab es die britischen Künstler, beispielsweise Tommy Steel (der erste Pop- oder Rockstar Englands) und später Cliff Richard. Und die Typen von Larry Parnes: Billy Fury, Marty Wilde und andere. Es war aufregend, weil man zum ersten Mal überhaupt ein rosafarbenes Jackett oder ein schwarzes Hemd sah, oder eine Fender Stratocaster oder eine andere elektrische Gitarre.

Wenn ein Künstler ins Liverpool Empire kam, und sie hatten Verstärker dabei, dann war das sehr aufregend. Es war nicht so wie heute, wo man eine so große Auswahl hat, dass man seinen eigenen Geschmack entwickeln kann. Damals hieß es: In der Not frisst der Teufel Fliegen. Wir versuchten verzweifelt, irgendetwas zu kriegen. Egal welcher Film anlief, wir wollten ihn sehen. Egal welche Platte gespielt wurde, wir versuchten, das Ding anzuhören, einfach weil es so wenig von allem gab. Die Rationierungen waren erst seit wenigen Jahren aufgehoben. Man konnte nicht einmal eine Tasse Zucker kriegen, geschweige denn eine Rock'n'Roll-Platte

Ich erinnere mich, wie ich endlich das Geld für Rock Around the Clock von Bill Haley zusammengespart hatte. Ich bat jemanden aus der Familie, die Platte für mich zu besorgen. Ich konnte es kaum erwarten, diese Platte zu kriegen. Sie kamen nach Hause, gaben mir eine Platte und sagten: »Oh, Bill Haley war ausverkauft, also haben wir dir diese hier mitgebracht.« Es waren die Deep River Boys. Ich dachte: »Oh, Scheiße.« Es war eine solche Enttäuschung. Das war die erste Platte, die ich nicht bekam. In meinem Leben habe ich gelernt, dass man Menschen, die auf einen zählen, nicht enttäuschen darf.

Buddy Holly konnte ich mir nur in der London Palladium TV Show ansehen. Als Bill Haley nach Liverpool kam, konnte ich mir die Eintrittskarte nicht leisten. Sie kostete 15 Shilling, was für einen Schuljungen enorm viel Geld war. Ich habe mich immer gefragt, woher Paul das Geld für den Eintritt hatte. 1956 ging ich jedoch ins Liverpool Empire, um mir Lonnie Donegan anzusehen, und Leute wie Danny and the Juniors und The Crew Cuts (sie spielten Earth Angel und Sh-Boom, eine Cover-Version des Originals von den Penguins).

Von den Konzerten, die ich besucht habe, war das von Eddie Cochran das beste. Das war einige Jahre später. Er wurde von einer englischen Band begleitet. An Cochran erinnere ich mich gut: Er trug seine schwarze Lederweste, schwarze Lederhosen und ein himbeerfarbenes Hemd. Cochran begann mit What'd I Say, und als sich der Vorhang öffnete, stand er mit dem Rücken zum Publikum und spielte das Riff. Ich beobachtete seine Finger, um zu sehen, wie er spielte. Er hatte eine Gretsch-Citarre, die auch auf allen Fotos zu sehen war, mit einem schwarzen Gibson-Tonabnehmer und einem Bigsby-Vibrato. Es war eine orangefarbene Chet At-kins 6120 mit dem eingebrannten »C«, eine solche benutzte ich später in dem Carl-Perkins-TV-Special. Cochran war ein exzellenter Gitarrist, daran erinnere ich mich am besten. Ich war nicht nur von seinen eigenen Liedern beeindruckt (er hatte viele sehr gute Stücke, darunter Summertime Blues, C'mon Everybody und Twenty Flight Rock), sondern auch von seinen Cover-Versionen, zum Beispiel Hallelujah, I Love Her So von Ray Charles.

Einmal gab es zwischen den Songs eine witzige Unterbrechung. Cochran stand am Mikrofon, und als er zu reden begann, strich er sich mit beiden Händen das Haar nach hinten. Und ein Mädchen, eine einsame Stimme, schrie: »Oh Eddie!« Cochran murmelte lässig ins Mikrofon: »Hi, Schätzchen.« Ich dachte bei mir: »Jawohl! Das ist es - Rock'n'Roll!«

Cochran brachte auch das große Geheimnis mit aus Amerika - die abgewickelte dritte Saite. Jahre später freundete ich mich mit Joe Brown an, der mit Eddie getourt hatte, und erfuhr, was es mit dieser Saite auf sich hatte. Wenn ich mir frühe Beatles-Aufnahmen anhöre, dann wird mir eine Sache ganz klar, und zwar bei einem kleinen Stück, das ich auf der dritten Saite spiele und das wie drei Noten klingt. Ich hätte es, hätte ich eine abgewickelte dritte Saite von geringerer Stärke gehabt, in einem Stück ziehen können. Damals war ich nicht clever genug, um auf die Idee zu kommen: »Ich ziehe einfach eine weitere zweite Saite anstelle der dritten auf, damit ich sie ziehen kann.« Eddie Cochran hatte das alles herausgefunden.

Die Blütezeit des Skiffle begann in meinen frühen Jugendjahren. Lonnie Donegan hatte auf die britischen Rockbands einen viel größeren Einfluss, als ihm zugeschrieben wurde. Ende der fünfziger Jahre war er praktisch der einzige Gitarrist weit und breit. Donegan war der erfolgreichste Künstler und hatte arr meisten Format. Er besaß eine großartige Stimme, viel Energie, und er sang tolle Songs - eingängige Versionen von Leadbelly-Stücken.

Ich verehrte ihn. Er war mein großer Held. Wegen ihm besorgte sich jedei eine Gitarre und gründete eine Skiffle-Band. Der Skiffle entwickelte sich aus dem Blues, aber die Art und Weise, wie er gespielt wurde, machte ihn für uns weiße Liverpooler zugänglich. Skiffle zu spielen war total billig: Man brauchte bloß ein Waschbrett, eine Teekiste, eine Saite, einen Besenstiel und eine Gitarre für drei Pfund und zehn Shilling. Und es war eine simple Methode, das Musizieren zu lernen, weil viele Lieder nur aus zwei, höchstens drei Akkorden bestanden. Es gab so viele tolle Stücke; Eisenbahnsongs wie Midnight Special, Wabash Cannonball und Rock Island Line - Hunderte von wirklich guten Liedern, die ihren Ursprung in der Sklavenkultur der Schwarzen hatten.

Jeder war also in einer Skiffle-Cruppe, und während die meisten wieder verschwanden, wurden diejenigen, die blieben, die Rockbands der sechziger Jahre. Diese Bands waren von einem Hauch Folklore umgeben. Ich erinnere mich an eine Band namens Eddie Clayton (in der Ringo eine Weile spielte), und wir fanden sie wirklich gut. Wenig später gründete ich eine Skiffle-Cruppe namens The Rebels, mit Arthur Kelly und meinem Bruder. Er hatte eine Gitarre, die er in der Garage von irgendjemandem gefunden hatte. Wir spielten nur ein Konzert, und zwar im British Legion Club.

Als ich dreizehn oder vierzehn war, saß ich hinten im Klassenzimmer und versuchte, Gitarren zu zeichnen: große Cello-Gitarren mit F-Löchern und kleine Gitarren mit massivem Korpus und Cutaways. Das alles interessierte mich unheimlich. Ich probierte sogar, eine Gitarre zu bauen, was sehr kühn war. Wenn man unwissend ist, kann man praktisch alles tun. In der Schule belegte ich ein Jahr lang das Fach Werken. Ich war nicht sonderlich gut darin, aber auch nicht schlecht. Die Dinge, die wir fabrizierten, waren ganz simpel: eine Schwalbenschwanzverbindung und eine abgeschrägte Kante. Ich muss wohl irgendwo etwas über Gitarrenbau gelesen haben, denn ich bin auf keinen Fall von allein auf die Idee gekommen.

Ich besorgte mir dreischichtiges Spanholz. Zuerst zeichnete ich die gewünschte Form auf, dann sägte ich sie aus. (Sie hatte eine typische Les-Paul-Form, aber mit F-Löchern.) Die Gitarre hatte einen hohlen Korpus, und innen auf der Rückseite sowie vorne sägte ich kleine Vierecke aus. In die Löcher setzte ich Holzdübel ein, um die Vorderseite zu befestigen. Dann weichte ich das Holz, das seitlich um den Korpus führte, in Wasser ein und bog es zurecht. Es war sehr grob, und an den Stellen, wo es geleimt war, ein wenig klumpig. Den großen Fehler machte ich beim Hals, den ich nicht aus einem Stück bauen konnte, weil ich kein ausreichend großes Holzstück hatte. Er ging bis knapp über den Sattel hinaus, wobei der Kopf ein separates Teil war. Ich entfernte einen Teil des Holzes auf der Rückseite von Hals und Kopf und schraubte eine Aluminiumplatte an, um beide zusammenzuhalten. Den Rest füllte ich mit Holzfüllmasse auf, kaufte dann Saitenhalter, Brücke, Mechanik und Sattel und zog die Saiten auf. Ich fügte die F-Löcher ein und lackierte die Gitarre sogar in einer Sunburst-Farbe. Ich muss eine Ewigkeit daran herumgebastelt haben. Dann, als ich die Saiten anzog, riss es die Gitarre einfach auseinander. Enttäuscht warf ich sie in den Schuppen und redete nie mehr davon.

Die Höfner President war die erste richtige Gitarre, die ich besaß. Sie hatte große ausgeschnittene Cello-F-Löcher, die auf den großen Super-Gibson-Gitarren basierten. Ich saß stundenlang da, spielte und versuchte, Verschiedenes herauszufinden. Ich war gewöhnlich bis spät nachts auf. Ich betrachtete das nicht als Üben, mehr als Lernen. Es war das Einzige, was mir richtig Spaß machte. Wenn ich einen neuen Satz Saiten hatte, nahm ich die alten ab und säuberte und polierte die Gitarre, sodass sie tadellos aussah.

Ganz am Anfang hatte ich eine Gitarrenschule gekauft, in der die Fingerpositionen einiger Akkorde dargestellt waren. Nachdem ich Paul kennen gelernt hatte, zeigte ich ihm das Buch. Zu der Zeit hatte er noch seine Trompete. Wir sahen es uns an und arbeiteten einige Akkorde aus, wie C, F und G7. In dem Buch wurden aber nur die ersten beiden Finger des C- und des F-Akkordes gezeigt; deshalb musste ich die Griffe später noch mal lernen. Ich entsinne mich, dass mich das ein wenig ärgerte: »Warum zeigen die nicht gleich den vollständigen Akkord?«

Ich erinnere mich, dass ich Umkehrungen entdeckte, wenn man die ganzen Akkorde unten am Gitarrenhals lernte. Plötzlich begriff ich, wie sich all die Formen am Griffbrett hinauf verändern - die gleichen Akkorde kehrten sich um, während man immer höher am Hals spielte. Es war toll, das auszuarbeiten. Dann, als ich etwas älter war, gab mir jemand ein Chet-Atkins-Album, und ich begann, Melodien mit verschiedenen Akkorden herauszufinden.

Ich war nie ein technischer Gitarrist, es gab immer einen besseren Musiker in der Gegend. Es gab einen Burschen, der mit Paul und mir zur Schule ging und hei den Remo Four landete - Colin Manley. Er war einer der Typen, die Chet Atkins kopieren konnten, wenn er zwei Melodien gleichzeitig gespielt hatte. Irgendwie hatte ich nie die Geduld. Gott weiß, wie ich es überhaupt Beschafft habe, etwas aus mir zu machen. Als Kind saß ich da und übte, aber ich konnte dort nicht für immer sitzen; so eifrig war ich nicht.

Meine erste Freundin war Rory Storms Schwester, Iris Caldwell. Sie war sehr nett und hatte Baumwolle in ihrem BH. (Sie selbst hielt sich wahrscheinlich gar nicht für meine Freundin. Man weiß ja nie, wenn man jung ist. Du findest jemanden sympathisch, oder jemand hält sich im selben Raum auf wie du, und schließlich glaubst du, sie sei deine Freundin.) Rory kannte ich ' i bevor ich die Beatles kennen lernte. Ich hatte mich einige Male mit Iris getroffen, sie zu Hause besucht und war dort rumgehangen. Die Caldwells hatten einen kleinen Keller, den sie versuchten, in einen Kaffeeclub umzuwandeln. In den fünfziger Jahren schien das die große Mode zu sein. Rory war sehr sportlich. Ich erinnere mich, wie ich ein paarmal vorbeikam, um mich mit Iris zu treffen, und Rory keuchend und schwitzend zur Haustür gerannt kam und die Stoppuhr prüfte, weil er trainiert hatte.

Rorys richtiger Name war Alan Caldwell. Ernie war sein Vater. Sie waren eine große Familie und sehr freundlich zu uns allen. Später - nachdem wir aus Hamburg zurückgekehrt waren und zahlreiche Auftritte in Liverpool und Nordengland hatten -, benutzten wir Rorys Haus als Aufenthaltsort, wenn wir nach den Konzerten wieder in die Stadt zurückkamen. Seine Mutter Vi versorgte uns alle mit Toast und unzähligen Kannen Tee.

Ernie arbeitete in seiner Freizeit als Pförtner im städtischen Krankenhaus, im Broad Creen Hospital. Er sang den Patienten Lieder vor. Er war ein wirklich netter Typ, von Beruf Fensterputzer. Nach unserem Eintreffen spätabends ging er zu Bett, und sie machten alle Witze über ihn, aber auf eine nette Art. Er war ein einfacher, stiller und sanftmütiger Mann. Als er starb, hatten wir bereits unsere Platten gemacht und Liverpool verlassen. Tragischerweise begingen Vi und Rory nach Ernies Tod beide Selbstmord. Iris heiratete später Shane Fenton, der später zu Alvin Stardust wurde.

Einmal beschlossen Paul und ich, per Anhalter zu fahren. Heutzutage würde sowas niemandem mehr im Traum einfallen. Erstens würde man wahrscheinlich ausgeraubt werden, bevor man durch den Mersey-Tunnel gelangte, zweitens hat jeder ein Auto und steckt damit schon im Verkehrsstau. Mit meiner Familie war ich oft in den Süden gereist, nach Exmouth in Devon, und so beschlossen Paul und ich, zuerst dorthin zu fahren.

Wir hatten nicht viel Geld. Wir fanden Frühstückspensionen, wo wir übernachten konnten. Wir kamen in eine Stadt und gingen eine Straße entlang, und es wurde dunkel. Dann sahen wir eine Frau und fragten sie, ob sie wisse, wo wir übernachten könnten. Sie hatte Mitleid mit uns und meinte: »Mein ' "Im ist weg, kommt und bleibt bei mir.« Sie nahm uns also mit zu sich - wo wir sie verprügelten, fesselten und ausraubten! War nur ein Witz -, sie ließ uns im Zimmer ihres Sohnes übernachten und machte uns am nächsten Morgen Frühstück. Sie war wirklich nett. Ich weiß nicht, wer sie war - The Lone Ranger?

Wir setzten unseren Weg entlang der Südküste nach Exmouth fort. Unterwegs unterhielten wir uns in einem Pub mit einem Betrunkenen, der uns sagte, sein Name sei Oxo Whitney. (Er taucht später in A Spaniard In The Works auf. John benutzte den Namen, nachdem wir ihm die Geschichte erzählt hatten. In Johns Büchern kommen so viele lustige Dinge vor, die ihm die Leute erzählten.) Dann gingen wir weiter nach Paignton. Wir waren immer noch ziemlich abgebrannt. Wir hatten einen kleinen Kocher, praktisch nur eine Dose mit Deckel. Wenn man unten ein wenig Spiritus hineingoss, brannte es ein wenig, aber nicht gerade stark. Dazu kleine Rucksäcke. In Lebensmittelgeschäften kauften wir Smedley's Spaghetti-Bolognaise oder Spaghetti-Milanese in gestreiften Dosen: Milanese war rot gestreift, Bolognaise dunkelblau gestreift. Und wir kauften Ambrosia-Reisbrei. Wir öffneten eine Dose, bogen den Deckel zurück und hielten sie über den Kocher, um sie zu erhitzen. Davon lebten wir.

In Paignton kamen wir ohne Geld an, sodass wir am Strand übernachteten. Irgendwo hatten wir zwei Mädchen von der Heilsarmee kennen gelernt, und sie blieben bei uns und wärmten uns eine Weile. Später wurde es jedoch kalt und feucht, und ich erinnere mich, dass ich froh war, als wir beschlossen, nun sei es genug, und wir morgens aufstanden und weitergingen. Wir kamen durch Norddevon und mit der Fähre nach Südwales, weil Paul einen Verwandten hatte, der im Butlins Holiday Camp bei Pwllheli britischer Soldat war. Deshalb wollten wir dorthin.

In Chepstow gingen wir zur Polizeiwache und baten darum, in einer Zelle übernachten zu können. Die Polizisten sagten uns: »Nein. Verschwindet. Ihr könnt zur Fußball-Haupttribüne gehen und dem Großmaul von Wachmann sagen, wir hätten gesagt, das geht in Ordnung.« Wir gingen also dorthin und schliefen auf einer harten Holzbank. Es war verdammt kalt. Wir trampten weiter und wurden auf unserer Reise durch Wales von einem Lastwagen in nördliche Richtung mitgenommen. Damals hatten die Laster keine Beifahrersitze, sodass ich auf der Motorabdeckung sitzen musste. Paul saß auf der Batterie. Er trug Jeans mit Reißverschlüssen an den Gesäßtaschen, und nach einer Weile sprang er plötzlich schreiend auf. Der positive Pol der Batterie hatte sich über seinen Reißverschluss mit dem negativen verbunden, und der war glühend heiß geworden; er hinterließ einen kräftigen Abdruck auf seinem Hintern.

Als wir endlich in Butlins eintrafen, kamen wir nicht hinein. Es war wie ein deutsches Kriegsgefangenenlager - Stalag 17 oder so. Sie hatten Stacheldrahtzäune aufgestellt, um die Urlauber drinnen und uns draußen zu behalten. Wir mussten also einbrechen. (Ringo begann dort zu spielen.)

Paul zog von Speke in die Forthlin Road in Allerton, die sich ganz in der Nähe der Menlove Avenue befand, wo John wohnte. Paul hatte mittlerweile kapiert, dass er nicht zugleich singen und Trompete spielen konnte, deshalb hatte er beschlossen, sich eine Gitarre zu besorgen. Zu dieser Zeit fingen wir an zu spielen und zusammen in der Schule rumzuhängen, und als er umzog, blieben wir in Kontakt. Er wohnte immerhin nahe genug, dass ich mit dem Fahrrad in etwa zwanzig Minuten hinfahren konnte. (Ich bin erstaunt, wenn ich heute mit dem Wagen dorthin fahre; was damals meilenweit entfernt schien, ist in Wirklichkeit nur eine dreiminütige Autofahrt.)

Am Liverpool Institute gab es einen Typen namens Ivan Vaughan, der bei John wohnte und ihn mit Paul bekannt machte. John besaß schon einen Ruf, er war der Sonderling seiner Schule, und das wusste er. Ich lernte John ein wenig später kennen (ich entsinne mich nicht mehr, wo das war), und sie baten mich, der Gruppe The Quarry Men beizutreten. John war zu dieser Zeit auf der Kunsthochschule. Ich weiß nicht, was ich empfand, als ich ihn das erste Mal traf; ich dachte einfach, er sei okay. In dem Alter wollte ich nur Musik machen. Ich glaube, dass man sich sofort mit jemandem versteht, der singt oder sich so sehr für Musik interessiert.

Johns Mutter hatte ihm einige Akkorde beigebracht. Seine Gitarre war ein billiges Teil mit einem kleinen runden Schallloch. Sie hatte nur vier Saiten. John wusste nicht einmal, dass Gitarren sechs Saiten haben sollten. Er spielte Banjo-Akkorde; große erweiterte Fingerakkorde. Ich sagte zu ihm: »Was machst du da?« Er dachte, das musste so sein. Wir zeigten ihm also ein paar richtige Akkorde, E und A und diese ganzen Griffe, und brachten ihn dazu, sechs Saiten auf seine Gitarre aufzuziehen.

The Quarry Men Skiffle Group hatte Mitglieder, die überhaupt nichts zu tun schienen, deshalb sagte ich: »Bootet die aus, dann trete ich ein.« Nigel Whalley besaß einen Teekistenbass und war eine Woche lang in der Band. Ivan war dabei, und noch ein paar andere - einer hieß Griff (Eric Criffiths), der Gitarrist. Sie kamen und gingen, und nach einer Weile blieben nur noch John, Paul und ich übrig. So ging es eine Zeit lang weiter. Wir spielten auf einigen Hochzeiten und Partys. John, Paul und ich spielten - betrunken -auf der Hochzeit meines Bruders Harry. Einmal spielten wir im Cavern. Es war noch immer ein Jazz-Club, und sie versuchten uns rauszuwerfen, weil wir Rock'n'Roll spielten.

Ich habe John häufig gesehen, denn er kam immer zu mir Meine Mutter war ein großer Musik-Fan, und sie war sehr glücklich darüber, dass auch ich mich dafür interessierte. Sie war es gewesen, die mir eine Gitarre gekauft hatte, und sie freute sich wirklich, dass die Jungs bei uns waren. Und John war erpicht darauf, wegen seiner Tante Mimi, die sehr ernst und streng war, von zu Hause wegzukommen. Er fühlte sich stets unwohl in Mimis Gegenwart und fluchte auf sie.

Ich erinnere mich, wie ich einmal zu John ging, kurz nachdem wir uns kennen gelernt hatten. Ich war noch am Liverpool Institute und sah ziemlich jung aus. Wir versuchten, wie Teds auszusehen und ich muss ziemlich gut ausgesehen haben, denn Mimi mochte mich überhaupt nicht. Sie war wirklich schockiert und sagte: »Schau ihn dir an! Warum bringst du mir diesen Jungen ins Haus? Er sieht furchtbar aus, wie ein Ted.« Und er entgegnete; »Sei ruhig, Mary, sei ruhig.« Also kam er oft bei mir vorbei und meine Mutter lud uns zu einem kleinen Glas Whisky ein.

Ich hatte begonnen, meine eigene Version der Schuluniform zu entwerfen. Ich hatte ein paar abgelegte Kleider meines Bruders, beispielsweise einen mit Hundszahnornamenten versehenen, karogemusterten Sakko, den ich schwarz gefärbt hatte, um ihn als meinen Schulblazer verwenden zu können. Der Stoff hatte die Farbe nicht ganz angenommen, sodass er immer noch ein schwaches Karomuster aufwies. Dazu ein Hemd, das ich in der Lime Street gekauft hatte, und das ich total schick fand. Es war weiß, mit Falten auf der Vorderseite und schwarzer Stickerei entlang der Ecken der Falten. Von John hatte ich eine Weste bekommen, die er von seinem »Onkel« Dykins (dem Freund »einer Mutter), Mr. Twitchy-Dykins, erhalten hatte. Sie sah aus wie die Weste für einen Abendanzug - schwarz, doppelreihig und mit Revers. Auch die Hosen bekam ich von John, bald nachdem wir uns das erste Mal getroffen hatten. Es waren taubenblaue Röhrenhosen mit Aufschlägen. Die färbte ich auch schwarz. Und mein Bruder gab mir schwarze Wildlederschuhe.

Der Ehemann von Tante Mimi war George Smith, und dessen Bruder war unser Englischlehrer am Institute. Er war, um es milde auszudrücken, ein etwas weibischer Typ, dem ständig ein seidenes Taschentuch aus der Revers-Tasche hing. Sein Verhalten und die Art, wie er redete, kam uns Teenagern ziemlich hysterisch vor, und alle Jungen nannten ihn Cissie Smith. Er sagte immer: »Das sind doch keine Schuhe für die Schule, Harrison. Komm, und stell dich in die Ecke.«

Mein Outfit war sehr gewagt, und es schien, als würde ich jeden Tag während der restlichen Jahre am Institute anecken. Damals schmierten wir uns Vaseline ins Haar, um die typische Rock'n'Roll-Frisur mit den glatt nach hinten frisierten Haaren hinzukriegen. Außerdem wurde erwartet, dass man eine Mütze und eine Krawatte trug sowie ein Abzeichen auf dem Blazer. Mein Abzeichen war nicht aufgenäht, ich hatte es lose angebracht. Ein darüber gesteckter Füllfederhalter in meiner Revers-Tasche hielt es an seinem Platz, sodass ich es leicht entfernen konnte, ebenso wie die Krawatte.

Paul und ich schwänzten oft die Schule und gaben uns jede erdenkliche Mühe, nicht wie Typen aus der Crammar School auszusehen. Abends trieben wir uns mit John herum. An den Schultagen verließen wir auch in der Mittagspause die Schule, auch wenn wir das ohne einen besonderen, päpstlichen Dispens nicht durften. Wir marschierten einfach aus der Schule, bogen dann um die Ecke und zogen so viel wie möglich von unserer Schuluniform aus. Dann gingen wir in die Kunsthochschule. (Das Gebäude war mit dem Liverpool Institute verbunden.)

Dort herrschte eine unglaublich entspannte Atmosphäre. Alle rauchten, aßen Ei und Pommes, während man uns beim Schulessen noch Kohl und gekochte Heuschrecken vorsetzte. Da gab es Mädchen und Künstlertypen, einfach alles. Es war wahrscheinlich ganz simpel, aber da wir Schüler waren, fanden wir es spaßig. Wir konnten dorthin gehen und rauchen, ohne dass uns jemand zur Sau machte. John war freundlich zu uns, doch zugleich sah man, dass er stets ein wenig nervös war, weil ich und auch Paul ein bisschen zu jung aussahen. Ich muss damals gerade fünfzehn gewesen sein.

Ich erinnere mich noch, wie ich mir zum ersten Mal bei John etwas Respekt verschaffte. Das war, als ich an der Kunsthochschule ein Auge auf ein Mädchen geworfen hatte. Sie war eine süße Blondine, ein Brigitte-Bardot-Typ, mit kurzen Zöpfen. Ich spielte in Les Stewarts Band. (Ich war in zwei Bands zugleich. Es gab nur wenige Auftritte, alle Jubeljahre mal einen. Er wohnte im Queen's Drive bei der Muirhead Avenue, sodass ich auch mit ihm herumhing und mich mit Musik beschäftigte, in der Hoffnung, damit ein paar Pfund zu verdienen.)

Auf jeden Fall veranstaltete Les bei sich zu Hause eine Party, bei der auch das Brigitte-Bardot-Mädchen da war. Ich kriegte sie rum und knutschte mit ihr. Irgendwie hörte John davon und von da an stieg ich etwas in seiner Achtung.

Les spielte Banjo, Mandoline und Gitarre. Ich lernte ihn durch einen Typen kennen, der in einer Metzgerei arbeitete. Ich hatte dort für Samstags einen Job als Lieferjunge bekommen. Der Kerl hatte eine Dobro-Citarre (die erste, die ich jemals zu Gesicht bekam) und kannte Les. Les war ein guter Musiker. Er spielte Leadbelly-Stücke, Big Bill Broonzy und Woody Cuthrie -eher wie ländlicher Blues und Bluegrass, kein Rock'n'Roll. Ich spielte in seiner Band mit - ich erinnere mich nicht einmal an den Namen und wir spielten auf einigen Parties. Bei einem Auftritt in einem Club im Haymans Green in West Derby hörte ich davon, dass gerade ein anderer Club im Haymans Creen Nr. 8 gebaut wurde. Man zeigte ihn mir, und ich warf einen Blick in den Keller, aus dem der Casbah Club werden sollte. An diesem Tag lernte ich Pete Best kennen. Ein paar Monate später erinnerte ich mich an Pete und daran, dass er ein eigenes Schlagzeile hatte. Ich überredete ihn, sich uns anzuschließen, damit wir nach Hamburg gehen konnten.

Bei unseren Aufenthalten in der Kunsthochschule lernten Paul und nh Stilart Sutcliffe kennen. Stuart war ein schmächtiger Künstlertyp mit Brille und einem Van-Gogh-liärtchen; er war ein guter Maler. lohn schätzte Stuart als Künstler sehr. Und Stuart mochte offensichtlich John, weil er Gitarre spielte und ein großer Ted war. Stuart war cool. Er sah sehr gut aus, hatte eine starke Ausstrahlung und war sehr freundlich. Ich mochte Stuart, er war immer sanftmütig. John hatte manchmal einen kleinen Überlegenheitskomplex, Stuart da gegen blickte weder auf Paul noch auf mich herab, bloß weil wir nicht auf die Kunsthochschule gingen. Er begann uns zuzusehen, wenn wir auf Partys spielten, und wurde ein Fan von uns. Er veranstaltete sogar einige Partys, auf denen John, Paul und ich spielen konnten. Wir waren meistens nur zu dritt. John versuchte immer, die Uni-Fachschaft durch einen faulen Trick dazu zu bringen, für unsere Gruppe Geräte zu kaufen. Schließlich bekam er einen Verstärker, sodass wir dort gelegentlich spielen mussten. Ich kann mich nicht einmal erinnern, ob wir eine Band hatten; wir müssen wohl ein paar Stücke zusammen gelernt haben.

Eine Party der Liverpooler Kunsthochschule in einem Apartment im Studentenwohnheim war meine erste Fete, die die ganze Nacht lang ging. Es war schon im Voraus beschlossen worden, dass man die Nacht durchmachte und dass man eine Flasche Wein sowie ein Ei für das Frühstück mitbringen musste. Also kauften wir in Yates's Wine Lodge eine billige Flasche Wein und legten unsere Eier in den Kühlschrank, als wir eintrafen. Das Nonplusultra bei dieser Party war (und ich bin sicher, John und Paul würden mir da zustimmen) ein Exemplar der Ray-Charles-Single What'd I Say. Sie lief mit 45 U/m und hatte Part Two auf der B-Seite. Die Platte lief den ganzen Abend, wahrscheinlich acht oder zehn Stunden ohne Unterbrechung. Es war eine der besten Platten, die ich je gehört hatte. Am nächsten Morgen musste ich kotzen. Cynthia war da, und ich entsinne mich, wie ich betrunken zu ihr sagte: »Ich wünschte, ich hätte so ein nettes Mädchen wie dich.«

Am Liverpooler Panto Day sammelten Studenten von der Universität Liverpool und von der Kunsthochschule Geld für Wohltätigkeitszwecke. Es war ein Rag Day. Alle verkleideten sich ulkig, schminkten sich und konnten tun und lassen, was sie wollten: umsonst mit dem Bus fahren und mit Dosen herumgehen, um Geld zu sammeln, in Läden reingehen und überhaupt in der ganzen Stadt herumhängen und sich amüsieren. Paul und ich waren keine Studenten, aber wir beschlossen, uns den Spaß zu gönnen. Also trafen wir uns bei John in der Gambier Terrace, dieser Bude, die er mit Stuart teilte. Wir verkleideten uns und schlössen uns den anderen an. John und Stuart hatten mehr Sammelbüchsen, als sie haben sollten, deshalb gaben sie uns ein paar. Nachdem wir ein paar Stunden gesammelt hatten, gingen wir zurück in die Gambier Terrace, öffneten die Büchsen und nahmen das ganze Geld Es waren wahrscheinlich etwa vier Shilling in Pennys.

Ich verließ die Schule und war eine ewig lange Zeit ohne Arbeit. Monate vergingen, nachdem ich die Schule abgeschlossen hatte. Die Schulferien waren zu Ende, und alle gingen wieder auf die Schule. Doch ich hatte noch immer keinen Job und ging auch nicht auf die Schule zurück. Ich lieh mir gewöhnlich von meinem Dad Geld. Ich wollte keinen Job - ich wollte in der Band spielen. Es wurde mir ein wenig peinlich, als mein Vater immer wieder meinte: »Glaubst du nicht, es wäre besser, du würdest dir eine Stelle suchen?«

Mein Dad hatte nie einen Beruf erlernt, aber er wollte, dass jeder seiner Söhne einen anderen Beruf erlernte. Mein ältester Bruder war Mechaniker, mein anderer Bruder arbeitete als Autoschlosser und Schweißer. Deshalb dachte sich mein Dad: »George kann Elektriker werden, dann können wir eine eigene Werkstatt aufmachen.« Zu Weihnachten kaufte mir Dad einen kleinen Werkzeugkasten mit Schraubenziehern und anderem Werkzeug, und ich dachte; »Oh Gott, er möchte wirklich, dass ich Elektriker werde.« Das war deprimierend, weil ich keine Chance hatte, einer zu werden.

Dad sorgte dafür, dass ich an einer Prüfung teilnahm, damit ich eine Anstellung bei der Liverpool Corporation bekam, und ich fiel mit Pauken und Trompeten durch. Es war keine Absicht, ich bestand den Test einfach nicht. Ich war schlecht in Mathe. Das war sehr peinlich, da die Leute, die für die Corporation arbeiteten, nicht gerade die Hellsten waren. Ich ging zum Arbeitsamt und dort hieß es: »Gehen Sie zu Blacklers, dem Kaufhaus in der Stadt. Dort wird ein Schaufensterdekorateur gesucht.« Der Leiter der Dekorationsabteilung bei Blackler's sagte mir: »Tut mir leid, die Stelle ist schon vergeben. Aber gehen Sie doch rauf und sprechen Sie mit Mr. Peet.« Mr. Peet war der Leiter der Wartungsabteilung. Über ihn erhielt ich eine Lehrstelle als Elektriker. Das war genau das, was ich meinem Dad zufolge werden sollte.

Ich wollte Musiker werden, und obwohl ich dafür keine Rechtfertigung und keine Qualifikationen hatte, so waren wir doch, als die Band zusammenkam, erstaunlich zuversichtlich, dass wir unser Hobby zum Beruf machen könnten. Ich weiß nicht, warum - wir waren einfach Angeber. Wir spürten, dass etwas Gutes passieren würde. Aber damals, in jenen Tagen, war es etwas Gutes, eine Tour durch die Mecca Ballrooms zu machen. Das war eine klasse Sache!

Mein Vater hatte etwas mit dem Liverpool Transport Club in der Finch Lane zu tun, und er verschaffte den Quarry Men einmal einen Auftritt dort, an einem Samstagabend. Es war ein Tanzsaal mit einer Bühne und Tischen, und die Leute tanzten und tranken. Mein Dad war glücklich und stolz, dass er uns diesen Auftritt besorgen konnte. Wir mussten zwei Sets spielen.

Wir spielten das erste Set von fünfzehn oder zwanzig Minuten Länge, und in der Pause betranken wir uns dann mit Black Velvet, dem Modegetränk dieser Zeit - eine Flasche Cuinness, gemischt mit einem halben Pint Apfelwein (kein Champagner). Ich war sechzehn, John achtzehn, Paul siebzehn, und wir tranken ungefähr fünf Gläser davon. Als wir weiterspielen mussten, waren wir total zu. Wir brachten uns und alle anderen in Verlegenheit, und mein Vater war stinksauer; »Ihr habt mich lächerlich gemacht...«, und all das. Das war der Club, wo Ken Dodd seinen großen Durchbruch hatte.

Im Dezember 1959 spielten wir bei Carroll Levis vor, der die Fernsehsendung Discoveries moderierte. Mir ist nicht bekannt, dass irgendjemand je in dieser Sendung entdeckt worden wäre oder dass irgendjemand etwas gewonnen hätte. Man machte immer weiter und weiter, während er Eintrittskarten an die Theater verkaufte, wo viele Künstler unentgeltlich auftraten. Am Ende der Show sagte das Applausometer, wer gewonnen hatte, und in der darauf folgenden Woche gab es dann eine neue Show.

Wir spielten unter dem Namen Johnny and the Moondogs bei der Show in Manchester. Zu dieser Zeit besaß John keine Gitarre. Ich glaube, seine Gitarre, die »garantiert nicht zerbricht«, war wohl zerbrochen. Wir spielten Think It Over, wobei John ohne Gitarre in der Mitte stand und nur sang, wobei er Jedem von uns eine Hand auf die Schulter legte. Paul und ich spielten unsere Gitarren - die beide in entgegengesetzte Richtungen zeigten - und sangen die Begleitstimmen. Wir glaubten, wir seien wirklich großartig; da wir aber den letzten Zug zurück nach Liverpool kriegen mussten, war keine Zeit mehr, abzuwarten, ob das Applausometer etwas für uns registrierte.

Editoriale Anmerkung:

Der Text ist als Zitat der Beatles Anthology entnommen.
Apple Corps Ltd. 2000
S. 25ff

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