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(Anti-)Deutsche Linke suchen Anschluss


von Georg Wißmeier

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Hätten Sies gewusst? Mit den Terroranschlägen von New York und Washington war in echt Israel gemeint. Die Anschläge waren außerdem sowieso antisemitisch, da sie ja Symbole des Kapitalismus trafen. Der Hauptfeind ist nunmehr der Islam, den es mit allen militärischen Mitteln zu bekämpfen gilt. Wer die USA kritisiert, wer sich gegen den Krieg ausspricht, ist und handelt platt antiamerikanisch und das ist gleich: antisemitisch. Mit solch vollmundigen Parolen wird für den Krieg mobilisiert - z.B. im antideutschen Verlautbarungsorgan Bahamas, gelegentlich auch in jungle world und in konkret. (Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass sich konkret-Herausgeber Gremliza mit seinem Kommentar zum Krieg wohltuend abhebt von den antideutschen Kriegshetzern und nicht ohne Grund mit einer profunden Analyse von Thomas Ebermann das Novemberheft der konkret eröffnet.) Eine Durchsicht gegenwärtiger antideutscher
Argumentationen ist vor allem eins: eine Reise des Grauens.

Das Hauptargument ist schlicht: Kapitalismus viel gut; Islam viel schlecht. Weil Kapitalismus viel gut, findet zum Beispiel jungle-world-Autorin Andrea Albertini es auch nicht so schlimm, wenn die "Versprechen" des "aufgeklärten Bürgertums" nie eingelöst werden - Versprechen, wie z.B., "dass jeder Mensch gleiche politische Rechte und auch soziale Chancen hat" (17.10.01). AutorInnen in jungle world und vor allem im antilinken Kampfblatt Bahamas sehen sich trotzdem gerne als die Inkarnation des aufgeklärten Bürgertums. Wen interessieren da schon noch Ausbeutungsverhältnisse, und wen interessiert da noch, dass sich die Heilsversprechen des "aufgeklärten Bürgertums" aus der Ressourcenausbeutung und aus der Ausbeutung der Arbeitskraft nähren. Was bleibt: "Eine Dose Fanta (ist) allemal einer Dosis Fatwa vorzuziehen", weiß Frau Albertini.

Hirn mit Fanta verklebt

Offenkundig kann, wiewohl organisch schwierig, beim Zuckerwasser saufen auch schon mal das Hirn verkleben, und raus kommt dabei: Eine Gleichsetzung von DKP mit NPD, von NPD-Mahler mit SPD-Grass und der Vorwurf, dass die Friedensbewegung nichts anderes als ein Haufen nützlicher Idioten ist. Alles im Prinzip olle Kamellen und alles in Zeiten des Kalten Krieges schon von Kriegstreibern oder Aufrüstungsbefürwortern gehört. Heutzutage aber findet man solche Elaborate eben in der jungle world. So palavert besagte Frau Albertini von "angeblich (1) imperialistische(n) Interessen im afghanischen Wüstensand." Denn ihrer Meinung nach geht es den USA bloß um das "Recht auf Selbstverteidigung" das "viele Deutsche den USA (...) absprechen." Was zeigt das? Richtig: "... den tief verwurzelten Antiamerikanismus" der daher rührt, dass "die USA schließlich Deutschland zwei Mal den Griff zur Weltmacht verwehrt ..." haben. Und weiter: "Nur dem Druck der USA und ihrer russischen, chinesischen und indischen Unterstützung ist es zu verdanken, dass Kontinentaleuropa, allen voran Deutschland und Frankreich, nicht noch mehr versucht hat, aus der amerikanischen Schwächung Kapital zu schlagen."

Dass Konkurrenz dem Kapitalismus eingeschrieben ist, diese Erkenntnis kann für Linke doch eigentlich nicht neu sein. Absicherung von ökonomischen Vorteilen durch militärische Stärke, wechselhafte Bündnisse zur Durchsetzung der jeweiligen Interessen, Ringen um Hegemonie - das ist Kapitalismus. Vergessen und vorbei, jedenfalls für antideutsche VordenkerInnen.

Auf die Erklärung, warum man sich zur Zeit unbedingt auf die Seite eines kapitalistischen Landes, die USA, stellen sollte, darf man indes noch gespannt sein. Mein Verständnis von antikapitalistischer Politik ist zumindest, - darf man eigentlich noch von antiimperialistischer Politik sprechen? - , dass es sowohl die bundesdeutschen, als auch die europäischen, als auch die US-amerikanischen Eroberungspläne zu durchkreuzen gilt. Es gibt keinen, aber wirklich keinen Grund, warum man sich auf die Seite der US-Kriegsmaschinerie stellen sollte!

Anders sehen das unsere USA-FreundInnen. Mit dem Einsatz der Flugzeug-Bomben auf das WTC (der Angriff auf das Pentagon und der versuchte Anschlag auf das Weiße Haus werden geflissentlich beiseite gelassen) war ja auch eigentlich Israel gemeint. Die Angriffe wurden durchgeführt, weil die USA "die einzige Schutzmacht Israels" sind. Und weil dem so ist, muss folgerichtig Afghanistan bombardiert und ein langanhaltender Bomben-"Kreuzzug" propagiert und durchgeführt werden. Nicht wirklich verwundert, dass bei diesen Elaboraten noch nicht einmal ansatzweise hinterfragt wird, inwieweit die jetzige Kriegsführung die Umsetzung der von Bush sen. propagierten "neuen Weltordnung" ist.

Wo man enden kann, wenn man die Welt alleine aus dem antideutschen Blickwinkel zu "analysieren" versucht, zeigen in aller Deutlichkeit Menschen wie Matthias Küntzel und die Gruppe Bahamas. Hier gibt man sich nicht einfach mit der Rolle des Kriegsbefürworters zufrieden, nein, hier wird richtig für den Krieg gehetzt. "Selbstverständlich müssen die amerikanische und die britische Politik weiterhin kritisiert werden. Jedoch nicht deshalb, weil sie die Djihadisten verfolgt, sondern weil sie diese nicht zielgenau und konsequent verfolgt", schreibt Küntzel in der Novemberausgabe von konkret und proklamiert dies als Paradigmenwechsel der "antikapitalistischen Kritik". Was unbestritten einen selbigen darstellt, wiewohl mir nicht recht einleuchten will, warum Küntzel für sich noch in Anspruch nimmt, in der Tradition der antikapitalistischen Kritik zu stehen. Vorrangig gilt es natürlich, die deutsche Regierung an den Pranger zu stellen, aber nicht etwa, weil sie wieder militärisch in alle Welt ziehen will. Nein, "immerhin haben Washington und London damit begonnen, die antisemitischen Netzwerke Bin Ladens zu zerstören, was von der Berliner Politik, die besonders deshalb zu kritisieren ist, kaum behauptet werden kann."

Also nicht nur 3.900 Soldaten, KSK und Spürpanzer in den Kriegseinsatz. Deutschland muss endlich wieder richtig aktiv werden, denn "von einer transatlantischen ,Kampffront gegen den Terrorismus` kann jenseits der rhetorischen Blüten also keine Rede sein", schreibt der verhinderte Militarist Küntzel. Stattdessen gilt es, die "nationalistische deutsche Linke", die "Friedensbewegung" und ihre "antiamerikanischen Freunde" zu kritisieren, die "bei der Neuformierung Deutschlands gegen den US-amerikanischen Rivalen ein Aktivposten sind." Und so endet Küntzel, wo er enden muss: "Anstatt gegen massenmörderische Antisemiten zu mobilisieren, was hierzulande tatsächlich einmal etwas Neues wäre, wird in Sachen Feindmarkierung mit ihnen der Schulterschluss praktiziert." Und versprochen: Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden Küntzel und andere Kriegshetzer den "Beweis" erbringen, dass die "nationalistische deutsche Linke", was niemand anderes meint als alle Linke, außer eventuell Bahamas und noch ein paar handverlesene Wirrköpfe, noch schlimmer sei als die "massenmörderischen Antisemiten".

US-Imperialismus: viel gut

In dankenswerter Klarheit und Offenheit und vor allem konsequent zu Ende gedacht verabschiedet sich die Redaktion der Zeitschrift Bahamas mit ihrer Erklärung vom 14.9. aus der von ihr so gehassten Linken. Folgende Erkenntnis bescherten der Redaktion die Anschläge in New York und Washington: "..daß, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die historisch überlieferte Kritik am Kapitalismus durch ihre fatale Verbandelung mit nationalrevolutionären Bestrebungen hoffnungslos und für alle Zeiten diskreditiert ist." Und weiter: "Keine Kritik am Kapital ist legitim - es sei denn jene, die seine barbarische Selbstaufhebung (...), die im Islamismus derzeit seine größte Massenbasis und in Deutschland seinen unverhohlensten Fürsprecher findet, ins Zentrum der Analyse rückt und zum Angelpunkt der Agitation macht. Keine Staatskritik ist legitim - es sei denn jene, die sich mit dem Staat Israel (...) bedingungslos solidarisch erklärt, was derzeit heißen würde, gegen die Internationalisierung des Konflikts mit den Palästinensern und die Verwandlung Israels in ein NATO-Protektorat zu agitieren." Und man hat schon fast geahnt, was noch kommt. Bei diesen beiden Punkten handelt es sich um "absolute Mindestbedingungen für eine Gesellschaftskritik in emanzipatorischer Absicht", denn "alles andere ist von der faschistischen Intention nicht mehr zu unterscheiden." So einfach kann die Welt sein. Entweder absolute Übernahme der Bahamas-Position oder Faschismus. Man bewahre uns vor diesen Emanzipatoren! Aber glücklicherweise ist die Gefahr, dass solche Vögel jemals größeren Einfluss erlangen, ja nicht sehr groß.

In der ersten Stellungnahme der Bushboygroup Bahamas wird zum großen Militärschlag aufgerufen: "US-amerikanische Militärschläge gegen islamische Zentren hätte jeder bis auf weiteres zu begrüßen (...) Sollte wirklich Afghanistan das erste Ziel eines US-Gegenschlages sein, wäre zu fordern, das dieser so konsequent wie möglich erfolgt, d.h. einen Sturz nicht nur des Taliban-Regimes, sondern auch die Verhinderung weiterer islamistischer Herrschaft bewirkt und nicht nur auf Afghanistan beschränkt bleibt." Es ist auch nur konsequent, dass der Koran in der Bahamas-Erklärung mit Hitlers "Mein Kampf" gleichgesetzt wird und der Krieg gegen Afghanistan in einen antiislamistischen, nein besser noch, in einen antifaschistischen Kampf umgemünzt wird.

Bahamas an die Front!

Dass Kriege in Zeiten des Kapitalismus und mit dem aufgeklärten Bürgertum an der Macht um Einflusssphären, Hegemonie, Rohstoffsicherung und andere Dinge geführt werden, von dieser Erkenntnis wollen Bahamas & Co. schon lange nichts mehr wissen. Der Kampf der US-Regierung ist ein gerechter, nur sind die US-Militärs halt leider so elende Weicheier. Man sollte nur die richtigen Männer wie Küntzel und die Bahamas-Redaktion ranlassen, dann würde "bis auf weiteres" mal so richtig aufgeräumt werden. Vor allem "die palästinensische Volksgemeinschaft" die "das israelische Friedensangebot geradezu zwanghaft mit Terror (beantwortet)," würde gezeigt bekommen wo es längs geht. Schluss mit Intifada und der Forderung nach einem eigenen Staat.

Die stereotype Analyse dieser deutschen Denker ignoriert jegliche fortschrittlichen, die jeweils andere Seite mitdenkenden Ansätze innerhalb der palästinensischen und der israelischen Communitiy. Zur Aufrechterhaltung ihrer kruden "Analysen" werden absurderweise Volksgemeinschaften konstruiert, wobei sich die palästinensische in der Vorstellungswelt der Bahamas eben "zwanghaft" gebärdet. Nur zur Erinnerung: Mit den Friedensverhandlungen in Oslo war ein Weg entwickelt worden, der zumindest die Chance einer friedlichen Zweistaatlichkeit bot. Hintertrieben wurde dies von sowohl palästinensischen, wie auch von israelischen Hardlinern, die nur in der absoluten Niederlage des jeweils anderen eine Zukunft sehen. Die Übernahme einer dieser beiden Positionen verbietet sich für Menschen, die sich für die Existenz Israels und die Gründung eines Staates Palästina einsetzen. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

Über die Beweggründe für die Anschläge auf das WTC und das Pentagon lässt sich nur spekulieren. Dass es keine, aber wirklich keine Rechtfertigung und Legitimation für diese Massaker geben kann wurde in ak schon mehrfach betont. Daraus aber abzuleiten, die führende kapitalistische und militärische Macht in ihrem Bestreben nach Absicherung ihrer Hegemonie müsse von links unterstützt werden, verbietet sich schlicht. Thomas Ebermann hat in konkret Richtiges dazu gesagt: "Die Eckpunkte amerikanischer Interessenpolitik werden in Reaktion auf das Massaker nicht neu erfunden, sondern sie werden forciert."

Anmerkung:

1) Diese und alle weiteren Hervorhebungen ak.

Editoriale Anmerkungen:

Der Text ist eine Spiegelung von
http://www.akweb.de/ak_s/ak456/37.htm 

Er erschien zu erst in ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 456 / 22.11.2001