Editorial
Krater

von Karl Müller

12/02
 
 
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Peter Schneiders Kommentar in der Nr. 10/02 "Der Kropf" hat zwischen den Oktober- und Novemberredaktionen einige Kontroversen ausgelöst. Die Leute von der Novemberredaktion meinten, dass es nicht vertretbar sei, Pribnows Kalaschnikow-Querfront-Projekt mit den Antideutschen, wie sie sich in und entlang der Bahamas organisieren, gleichzusetzen.

Für die Mehrheit der trend-Redaktion dieser Ausgabe gilt ebenso wie für die Novemberredaktion, dass die Bahamas noch zum linken Spektrum gehören, während so genannte Linke, die eigentlich nur Promotion für Rechts betreiben, in linken&radikalen Zusammenhängen nichts zu suchen haben. Schließlich machen die Antideutschen (auf ihre Weise) mit emanzipatorischen Anspruch Front gegen die Verkehrungen im bürgerlichen Bewußtsein, wie sie aus der warenproduzierenden kapitalistischen Gesellschaft der BRD erwachsen und als Antisemitismus einen Stützpfeiler der deutschen Staatsraison und des zivilen Bewußtseins bilden.

Dass dieses Politikkonzept mit den öffentlich zur Schau getragenen durchgeknallten Parolen sich aus einer handvoll buchgläubig rezipierter Quellen herleitet, begünstigt leider die sektenhafte Attitüde jener Antideutschen im Umgang mit anderen Linken. Dies gibt berechtigterweise Anlaß zu der Annahme, dass die linkssektiererische antideutsche Borniertheit selber Eliminatorisches enthalten muß, weil die antideutsche Argumentation im wesentlichen auf einem Gesellschaftsbild falscher Konkretheit basiert und die Klassenfrage völlig ausblendet.

Insofern werden wir jetzt und zukünftig "Antideutsches" veröffentlichen. Nicht nur um antideutsche Positionen als abschreckendes Beispiel für linke theoretische Hohlheit vorzuführen, sondern um zu belegen, dass die Methode der Denunziation, die Bahamas und Co. hervorragend beherrschen, das nahezu einzige erkenntnistheoretische Werkzeug darstellt, das die Links&Radikalen heute anzuwenden wissen. Vorbei die Zeiten, wo die Gesetze der Denklogik eingehalten werden mußten, um als schlüssig bewertete Befunde in eine Debatte einführen zu können. Der theoretische Flügel der Linken&Radikalen ist spätestens seit 1989 so auf den Hund gekommen, dass schon die rein feuilletonistische Behandlung eines gesellschaftlichen Phänomens ausreicht, um als Analyse zu gelten. Hier hat der Gegenstandpunkt-Verlag bereits so etwas wie eine Monopolstellung errungen. Allerdings ständig bedrängt von konkret, jungle world, SoZ, AK etc.

Diese Entwicklungen in Sachen Theorie zu dokumentieren, können wir uns nicht verschließen, verstehen wir doch den trend gerade auch als Spiegel und Archiv dessen, was  Links&Radikale theoretisch umtreibt.

Sowenig jedoch KritikerInnen eines Theaterstücks verpflichtet werden können, selber Dramen zu schreiben, so wenig sehen wir uns in der Pflicht, als schreibende RedakteurInnen theoretische Lücken zu schließen. Selbst dann nicht, wenn sie bereits das Ausmaß von Kratern erreicht haben.

Dennoch wollen wir nicht verhehlen, dass bei uns die eigene Theorieproduktion schon seit Jahren zu kurz kommt, obgleich wir des öfteren darauf hingewiesen haben, dass uns die Marxsche Kritik der Politischen Ökonomie sowie der Dialektische und Historische Materialismus als Felder der Theorie nicht nur reizen, sondern hier die unabdingbaren Voraussetzungen zu finden sind, die revolutionäre Theorie auf der Höhe der Zeit auszuarbeiten. Diesen Anspruch versuchen wir zumindest dadurch umsetzen, indem wir theoretische Filetstücke im Internet aufspüren und im trend spiegeln.

Gleichwohl soll der trend weiterhin das bleiben, was er von der 1. Ausgabe an war, eine Veröffentlichungsplattform für Linke, die ihre Positionen einem breiteren Publikum zugänglich machen wollen, ohne sich deshalb auf irgendwelche verlegerischen Zwänge einlassen zu müssen.