Mit der gebührenden Langsamkeit und ruhigem Fanatismus

von
Jochen Knoblauch
12/02
 
 
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Provokation! Seit 1996 agiert in Berlin eine Gruppe mit dem Namen “Die glücklichen Arbeitslosen”. Schon der Name provoziert. Damit wollen sie es aber nicht belassen. In den letzten sechs Jahren hat die lose Gruppe eine kleine Zeitschrift herausgegeben, zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen bestritten, Flugblätter, Pamphlete und Faulheitspapiere verfasst. Das Recht auf Faulheit scheint Schwerstarbeit zu sein.

Umhervagabundierende Botschaften, Internetgeflüster, Kneipenprotokolle usw. haben einen begrenzten Verbreitungsgrad. Wenn aber diese Pamphlete etc. in ein Buch* gesteckt werden, ist die Chance das Haltbarkeitsdatum zu verlängern entschieden gewachsen. Die Berliner Stammzelle, der sich in Europa rasch verbreitenden Faulheitsbewegung – ihre Texte wurde schon in zahlreiche Sprachen übersetzt – unternahm diese Anstrengung, für alle, die nicht immer auf der Höhe der Diskussion sind oder waren. Aber selbst für jene, die vielleicht die meisten Sachen schon gelesen haben hält das Buch noch eine Überraschung bereit: eine wunderbare 20seitige Einführung in das Thema von Guillaume Paoli, einem der Mitbegründer der Glücklichen Arbeitslosen.

Der Name der Gruppe ist provokant, und ihre Ausführungen und Aktionen ebenfalls. In Deutschland haben Arbeitslose nicht glücklich zu sein! Zumal die Gewerkschaften nix mit Arbeitslosen anfangen können, und die Sozialdemokratie mit einem Wahlslogan wie “Arbeit! Arbeit! Arbeit!” uns den Angstschweiß auf die Stirne zu treiben versucht. Es scheint ein gesellschaftlicher Konsens zu sein: Arbeit ist alles. Den Linken Ideologien kämen ihre Objekte abhanden, den Konservativen der Mehrwert. Wer sind also diese Provokateure, die uns unser Heiligtum Arbeit ausreden wollen, und was wollen sie eigentlich?

Um das vorab richtig zu stellen: Es geht nicht darum, daß alle Menschen aufhören zu arbeiten. Wenn hier besorgte Mitbürger fragen, was denn die Krankenhäuser etc. dann machen sollten, wenn plötzlich alle nicht mehr arbeiten... Keine Bange. Bei den Glücklichen Arbeitslosen handelt es sich nicht um eine Sekte oder eine neue Heilslehre deren Dogmen sich alle zu unterwerfen haben.

Komplizierter wird es schon, wenn Menschen durch Arbeitslosigkeit in finanzielle Not geraten, sei es, daß die Schrankwand noch nicht bezahlt ist, oder Papas Mercedes noch einen teuren Leasingvertrag hat. Hierbei wäre allerdings nachzufragen, warum die Menschen sich in derartige Konsumabhängigkeiten begeben?

Sicher, die meisten Menschen definieren sich über ihre Arbeit. Hier haben sie ihre sozialen Kontakte. Keine Arbeit heißt einsam sein, nicht mitreden können, nicht an der schönen großen Werbe-Konsum-Welt teilhaben können und im Notfall Mutti bei der Hausarbeit helfen, oder sich gar um die Kinder kümmern. Die Arbeitslosigkeit des Mannes stellt seine Machtposition in Frage. Die Arbeitslosigkeit der Frau, tastet ihre Autonomie an. Grundsätzlich sollten wir uns aber die Frage stellen, wie wollen wir leben?

Leben wir um zu arbeiten, oder arbeiten wir um zu leben? Und für wieviel Geld muß/kann ich mich verkaufen, um meine Grundbedürfnisse zu befriedigen?

Der Staat greift allerdings immer mehr in mein Leben ein. Worauf gibt es denn heute keine Steuern? Wo sind nicht irgendwelche (Grund-)gebühren zu zahlen? Macht es da Wunder, wenn der Vorschlag kommt die Atemluft zu versteuern? “Geld ist wie Luft: man nimmt es erst wahr, wenn es knapp wird.” (S.53) Folgerichtig wurde schon im ersten Manifest der Glücklichen Arbeitslosen “Auf der Suche nach unklaren Ressourcen” festgestellt: Wenn der Arbeitslose unglücklich ist, so liegt das nicht daran, daß er keine Arbeit hat, sondern daß er kein Geld hat.” (S. 35). Und die Frage bleibt dann, für wieviel Geld bin ich bereit meinen Arbeitsplatz irgendwelchen Strebern zu überlassen?

Eine ganz andere Sache ist der Arbeitsmarkt. Mir klingt es noch in den Ohren, als die Mauer fiel und die Menschen in den ‚goldenen Westen‘ strömten, und so Sachen sagten wie: Wer arbeiten will, der findet auch was. Dies war natürlich keine neue Parole und schon gar kein Parteibeschluß, der hier nachgeplappert wurde. Nein, es ist eine christlich-abendländische Gebetsmühle.

Wer will endlich den Menschen sagen, daß es nie mehr für alle Arbeit geben wird? Betriebe, die Gewinne machen wollen, rationalisieren, bauen Personal ab. Schon die bloße Ankündigung von Entlassungen lassen die Aktien steigen. Die Sozialdemokratie macht mit Hilfe der Grünen das, was die Opposition uns versprochen hat, und in dieser Situation (Herbst 2002) kündigen alleine die Firmen Bayer, Infineon, Epcos, Deutsche -, Dresdner -, Commerz- und Hypo Vereinsbank einen Stellenabbau von mehr als 55.000 Arbeitsplätzen an (S. 71). Warum sollten sich also immer mehr Menschen um immer weniger Arbeit prügeln? Warum also nicht diejenigen entlohnen, die sagen: Ich verzichte! (auf Arbeit). “Der Glückliche Arbeitslose weiht neue gesellschaftliche Werte ein, auch wenn er nichts anderes schafft. Er entwickelt die Kontakte mit einem Haufen sympathischer Menschen Er ist sogar bereit, Resozialisierungskurse für gekündigte Arbeitnehmer zu geben.” (S.37)

Die Glücklichen Arbeitslosen stehen in der Tradition der Dadaisten, der Umherschweifenden Haschrebellen usw. Mit Witz gegen moralinsaure Kopflastigkeit und einem unerträglichen Arbeitsmythos. Wenn heute selbst marxistische Gruppen – wie etwa Krisis – sich einer fundamentalen Arbeitskritik unterwerfen, so bleibt doch immer der Unterschied zwischen dem Erobern und dem Zerstören der (Arbeits-)Maschinen bestehen. Die allgemeine negative Definition von Arbeit bei den Glücklichen Arbeitslosen stößt immer wieder auf heftige Reaktionen – so tief sitzt der Stachel “Arbeit” im (linken) Fleisch.

Der Klassiker, Paul Lafargues “Das Recht auf Faulheit” ist inzwischen etwas veraltet – wenn gleich der Grundtenor natürlich stimmt. Das Buch “Mehr Zuckerbrot, weniger Peitsche” hat alles um die “Bibel” einer Spaßguerilla der Ohne-Mich-Ag’s zu werden, was auch dringend nötig ist. Denn wie hieß es: Ein Lachen wird es sein, daß Euch beerdigt. Wir brauchen endlich derartige Beiträge, die präzise und ohne ideologischen Schnörkel sagen, wie es um uns steht, und in welche Richtung wir uns bewegen könnten. Ebenso wie p.m.‘s Schriften (bolo’bolo, Subcoma etc), werden hier vielfältige Ideen und Anregungen präsentiert, jedoch die notwendigen Schritte mußt DU selbst gehen – wie eigentlich immer im richtigen Leben.

Dem Gespenst der Muße – also “dem tätigen Nichtstun” (Meyers Lexikon) – muß gelegentlich der Kampf gegen ABM-Stellen und Schikanen der Arbeitsämter weichen. So kann durchaus bemerkt werden, daß der Glückliche Arbeitslose recht viel zu tun hat – nur bezahlt das eben niemand. Daran dachte wohl auch der Suhrkamp Verlag, als er das erste Manifest, ausgerechnet in “Prof. U. Beck; Zunkunft von Arbeit und Demokratie”, raubdruckte. Die Glücklichen Arbeitslosen bestanden in einer außergerichtlichen Einigung dann darauf, daß der Text in zukünftigen Auflagen in diesem Buch nicht mehr erscheinen darf. Ihre “Arbeiten” riefen gänzlich verschiedene öffentliche Reaktionen hervor: z. B. Schelte von der “konkret”, aufdringliche Fersehscouts, die sie für Talkshows haben wollten mußten ebenso abgewimmelt werden, wie Internetlobhudeleien aus rechten Kreisen.

Es bleibt also nichts anders übrig als dieses Buch selber zu lesen. Nehmt Euch die Muße...und laßt Euch von der Muse küssen.

  • Guillaume Paoli; Mehr Zuckerbrot, weniger Peitsche. Aufrufe, Manifeste und Faulheitspapiere der Glücklichen Arbeitslosen.
    Edition Tiamat Berlin 2002 / 207 S. /17 Euro

Editorische Anmerkungen
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