Editorial
ATTACKE!
Attac angreifen!

von
Ha.Wa.Mül.

12/03    trend onlinezeitung

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Unstrittig konnte sich in den letzten Jahren Attac unter GlobalisierungskritikerInnen & BewegungssozialistInnen als deren Transmissionsriemen verankern. Dabei inszenierte sich Attac als ein Netzwerk, in dem sich VertreterInnen verschiedener NGO´s, Solidaritätsgruppen, Gewerkschaften, Kirchen und sogenannte undogmatische Linke engagieren. 



Neulich im November beim ESF- BBQ  in Paris

 Foto B. Schmid

Dies hinterlässt den Eindruck als gäbe es dort ein breites Meinungsspektrum. 

Dem ist nicht so.

Wenn mensch sich näher mit den zentralen Attac-Positionen beschäftigt, stößt mensch auf einen Antikapitalismus ("Gegen die Macht der Finanzmärkte!"), der seine ideologische Herkunft aus der Freiwirtschaftlehre nicht nur nicht leugnet, sondern ganz im Gegenteil dies noch als sein Qualitätsmerkmal labelt.


Thomas Betz und Helmut Creutz
sind zwei Protagonisten der Freiwirtschaftslehre mit hohem ideologischen Einfluss auf die programmatischen Grundlagen ("Alternative Weltwirtschaftsordnung") des Attac-Netzwerks. 


Berliner Veranstaltungsanzeige


Ein Alternative zum IWF? Bretton Woods, der Keynes-Plan und die Clearing Union


Referent:
 Thomas Betz, Dipl.Kfm., TU Berlin
Zeit:
2. Dezember 2003, 19h
Ort: 
Sitzungsraum von BLUE 21, Mehringhof

Michael Heinrich qualifiziert diese theoretischen Fundamente zurecht als Legitimationskrücke zum Betreiben des „Alltagsgeschäft bürgerlicher Politik“.

Doch damit greift seine Kritik letztlich zu kurz. Sie verzichtet nämlich auf politisch notwendige Enthüllungen über die politische Praxis jenes freiwirtschaftlichen Personals jenseits des Bewegungsozialismus und der Globalisierungskritik. (Siehe dazu in Bezug auf H. Creutz: http://www.idgr.de ).

Angesichts solcher Informationen erscheinen jene ekligen Ereignisse, wie in Frankfurt, wo sich Attac mit rechtsradikalen Kräften gemein machte, oder wie in Lübeck zur Kollaboration mit Leuten aus dem Umfeld der Freien Kameradschaften geschritten wurde, nicht als Ausrutscher einzelner vor Ort. Vielmehr haben diese Attac-Mitglieder durch den freiwirtschaflich eingefärbten Antikapitalismus ihrer Organisation grünes Licht für Bündnisse solcher Art

Natürlich ist es prinzipiell richtig, die Praxis des Bewegungssozialismus und der Globalisierungskritik als reformistisch anzugreifen. Doch übersieht solch ein Kritikansatz, wie das Beispiel Attac zeigt, dass der sogenannte Reformismus das scheinbar richtige Bewusstsein in den falschen Verhältnissen darstellt. Und damit unterbleibt herauszuarbeiten, dass mit der reformistischen Kritik an der kapitalistischen Zirkulationssphäre der Krisenideologie des warenproduzierenden Kapitalismus - dem Antisemitismus - die Tür aufgehalten wird.

Warum sowohl GlobalisierungskritikerInnen von Links und Rechts gegen das Finanzkapitals ideologisch geeint antreten, d.h. einer Idee an eine gerechte Wirtschaftsweise nachhängen, die der starken Hand des Staates bedarf, dazu stellte Robert Kurz theoretische Überlegungen ("Die Tücken des Finanzkapitals") an, deren 1. Teil wir hier veröffentlichen.

Attacke! Attac angreifen!

Dies könnte und sollte zum inhaltlichen Schwerpunkt der nächsten trend-Ausgaben werden; gerade weil sich aktuell deutsche BewegungsozialistInnen seit dem letzten 1. November zusammen fantasieren (trend dokumentiert dies unter dem "Stichwort Sozialforum" in der vorliegenden Ausgabe), dass sie mittels sogenannter Sozialforen zusammen mit anderen GlobalisierungskritikerInnen aus allen Lagern der Politik der rot-grünen Bundesregierung "Widerstand von unten" entgegenzustellen in der Lage wären.

"Die Verantwortlichkeit der Zirkulationssphäre für die Ausbeutung ist gesellschaftlich notwendiger Schein." schreiben Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in ihrem Aufsatz "Elemente des Antisemitismus - Grenzen der Aufklärung".

Dieser Spiegel sollte den BewegungssozialistInnen und GlobalisierungskritikerInnen heute mehr denn je vorgehalten werden. Gleichzeitig hieße es auch, eine Kritik an Attac und Co. so zu formulieren, worin die theoretische und praktische Arbeit zur Aufhebung der warenproduzierenden bürgerlichen Gesellschaft zum Hauptgegenstand erklärt wird.