Degussa und das Mahnmal in Berlin
Ich werde das Holocaust- Mahnmal nicht besuchen.

von
Max Brym

12/03    trend onlinezeitung

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Nachdem am 13. November 03 beschlossen wurde, die Firma Degussa weiter am Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa mitbauen zu lassen, ist es mir unmöglich in dem „Mahnmal“  etwas positives zu sehen. Bekanntlich wurden Millionen Juden mit dem Gas Zyklon B ermordet. Die Firma Degesch lieferte der SS das Gas und war mit der Degussa eng verbunden. Jetzt soll die Firma Degussa das Anti- Graffiti Mittel für die 2700 Betonstelen und  Betonverflüssiger für das Mahnmal in Berlin liefern. Diese Firma überhaupt zur Ausschreibung zugelassen zu haben, zeugt von  absoluter Geschmacklosigkeit. Wie weit das Geschichtsbewußtsein und die Moral geht, belegt die Vergabe des Auftrages an Degussa unter rein betriebswirtschaftlichen Aspekten. Die nazistische Mordfabrik Degussa an einer Erinnerungsstätte für die von ihr gemordeten Menschen mitwerkeln zu lassen, ist schlicht perfide. Der Großteil meiner Familie fiel der nazistischen „Endlösung“ zum Opfer. Die Entscheidung die Mörderfirma Degussa für das „Mahnmal“ in Berlin mit in das Boot zu nehmen, ist unannehmbar. Ich werde das „Verhöhnungsmahnmal“ nicht besuchen. Wenn ich es täte, würde ich meinen durch Zyklon B ermordeten Verwandten im nachhinein ins Gesicht spucken. 

Eine ekelhafte Debatte 

Nachdem bekannt wurde, dass Frau Lea Rosh und Herr Brenner (Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Berlin) und andere, gegen die Beteiligung der Degussa am Mahnmal protestierten, entwickelte sich eine verlogene und ekelhafte Debatte. Zuerst hieß es „man dürfe die Gefühle der Opfer nicht ignorieren“ um es am Ende doch zu tun. Der Firma Degussa wurde bescheinigt aus ihrer Geschichte gelernt und viel Geld für die Entschädigung ihrer Opfer aufgewandt zu haben. Wieviel Geld das gewesen war, wird der Öffentlichkeit verschwiegen.. Bekannt ist, dass Degussa an dem Fonds zwecks Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeitern beteiligt ist. Die deutsche Industrie zahlt insgesamt die lächerliche Summe von 2,5 Milliarden Euro. Einen Betrag der bei zwei Ehescheidungen im Großbürgertum erzielt wird. Nebenbei gesagt, kann die Schuld des deutschen Kapitals an den Verbrechen des Nazismus nicht mit irgendwelchen Zahlungen beglichen werden. Bewußt ignorierte einst die Bundesrepublik die Beschlüsse des „Alliierten Kontrollrates“ die Kriegsverbrecherkonzerne aufzulösen. Mit einer gewissen Berechtigung konnte deshalb Herr Thierse darauf verweisen, „dass an dem Mahnmal in Berlin auch die Firma Bayer als Nachfolgeunternehmen der offiziell aufgelösten IG Farben mitwirkt“ Damit hat Herr Thierse recht, er sagt damit, dass ein würdevolles Gedenken an die Opfer in Berlin  nicht möglich ist, solange deutsche Unternehmen beteiligt werden. Ein würdevolles Gedenken ist in der Tat, auch nicht gewollt. Nicht umsonst applaudierte die gesamte bundesdeutsche Elite der Rede von Martin Walser im Jahr 1998 in der Frankfurter Paulskirche. In dieser Rede wandte sich Walser gegen das Mahnmal und sprach von der „Instrumentalisierung unserer Schande“. Im Jahr 1999 wurde nur deshalb für eine zentrale Erinnerungsstätte mehrheitlich im Bundestag  gestimmt, weil es sich schlecht im Ausland gemacht hätte, dagegen zu sein.

Der Irrtum von Frau Rosh

Frau Rosh wollte eine zentrale Erinnerungstätte für die getöteten Juden in Berlin. Dieses Anliegen war völlig legitim. Aber im gegebenen politischen und ökonomischen Rahmen ist das Stelenfeld zu meiden. Die Firma Degussa verdiente an geraubten jüdischem Gold, an Zwangsarbeit und Massenmord. Jetzt verdient die Firma an der „Erinnerung“. Darauf bestand die deutsche politische Kaste. Dieses Treiben ist böse und desinteressiert. Es findet eine offene Verhöhnung der Opfer statt. Am Gedenken an die Opfer des Faschismus ist in Deutschland nur eine kleine Minderheit interessiert. Neben der Tatsache, dass bestimmte Heuchler sich ein Gedenken an die Shoa nur mit Degussa Gewinnen vorstellen können, entwickeln sie keine eigene Initiative um sämtlichen Opfern des Faschismus zu gedenken. Es gibt kein Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma, keine Erinnerung an Wehrmachtsdeserteure und kein Gedenken an deutsche Kommunisten die von den Nazis umgebracht wurden. Erinnerungskultur einzuklagen, kann einem momentan in Deutschland nur auf die Füße fallen. Dies nicht bedacht zu haben, war der Irrtum von Frau Rosh. In Wahrheit wird die Erinnerung von offizieller Seite ganz im Geist des gestörten Führers der „Deutschen Arbeitsfront“ Robert Ley betrieben. Jener regte in Nürnberg kurz bevor er Selbstmord beging an: „Einen Versöhnungsauschuß zwischen Naziführern und Juden zu bilden“. Angenommen Robert Ley hätte Nürnberg überlebt und als gelernter Chemiker ein biblisches Alter erreicht. Aus dem zusammengeraubten Vermögen hätte er ein solides Unternehmen namens Robert Ley Gmbh gemacht. Diese Firma hätte gute Chancen gehabt mit einem günstigen Angebot an den Senat in Berlin, für das Mahnmal herangezogen zu werden. Wenn jemand dagegen protestiert hätte, wäre im widerlich wohlwollend der Opferstatus zugebilligt worden, gleich darauf wäre er aufgefordert worden im Fall der Firma Ley nicht so unversöhnlich zu sein. Letztendlich hätte sich wie bei Degussa, die „ deutsche Vernunft“ und die betriebswirtschaftliche „Notwendigkeit“ durchgesetzt.

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage.