Positionspapier
Zur Frage der Gründung eines Sozialforums in Deutschland  

12/03    trend onlinezeitung

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Der Personenkreis, der sich bisher als Initiative für ein DSF versteht und die Beteiligung am ESF organisiert hat, hat in dem vergangenen Jahr sehr viel geleistet. Jetzt geht es unserer Ansicht nach darum, den Prozess des Aufbaus eines DSF verstärkt und offensiv voranzutreiben. Doch zur Zeit fehlt der DSF-Struktur noch die gesellschaftliche Breite und Pluralität, sowie die lokale Basisverankerung, um bereits die Gründung eines DSF in Angriff zu nehmen.

So wünschenswert die Gründung eines DSF in wenigen Monaten auch wäre, wir halten ihn im Interesse der Herausbildung einer Bewegung von unten für nicht durchführbar. Der Versuch zum jetzigen Zeitpunkt ein „von oben“ organisiertes DSF in Angriff zu nehmen, würde sehr schnell Hierarchien und Intransparenzen zur Folge haben die kontraproduktiv sind für die Entwicklung einer dynamischen „Sozialforumsbewegung von unten“. Es ist jedoch wichtig, dass die bundesweite DSF-Struktur und die in ihr engagierten Personen den Prozess der Herausbildung der Sozialforumsbewegung viel stärker politisch und organisatorisch unterstützen als das bisher der Fall war. Denn die Herausbildung eines breiten und politisch starken DSF ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis zielgerichteter politischer Arbeit.

Der bisherige Ansatz, das DSF im Rahmen verstärkter außerparlamentarischer Aktivitäten herauszubilden, hat jetzt im Rahmen der sozialen Protestwelle sehr gute Realisierungschancen. Diese Chance muss offensiv ergriffen werden.  

Das Grundlage des DSF, die gesamte globalisierungskritische Bewegung auf Dauer zu stützen und zu fördern, kann wiederum nur mit einer fundierten Verankerung in der lokalen politischen Arbeit eingelöst werden. Daher spielen die lokalen Sozialforen eine wichtige Rolle um die Sozialforumsbewegung auf stabile Beine zu stellen.

Gerade jetzt, wo sich die Bewegung in Deutschland ausweitet ist es wichtig, dass sich Rahmen der gemeinsamen Arbeit im DSF unter den Akteuren der Bewegung gegenseitiger Respekt für die unterschiedlichen politischen Ansätze und Vertrauen in der politischen Zusammenarbeit festigt bzw. hinsichtlich neuer Akteure herausbildet.

Gewerkschaften und große/oder kleine Parteien, welche die neoliberale Sozialkahlschlagspolitik und den imperialistischen Feldzug der USA und EU ablehnen bzw. kritisieren sind ein wichtiger Bestandteil der globalisierungskritischen Bewegung. Massenorganisationen wie Gewerkschaften können einen bedeutsamen Beitrag leisten, die Organisation von Großveranstaltungen wie dem ESF in Paris zu meistern. Diese aktive Teilnahme in der Bewegung birgt die Gefahr in sich, dass Massenorganisationen wie Gewerkschaften die Bewegung in der politischen Außerdarstellung und inhaltlich dominieren. Auch könnte die Dominanz von Gewerkschaften zur Verengung der Sozialforumsbewegung auf eine „gewerkschaftspolitisch“ reduzierte Thematisierung der „sozialen Frage“ und damit zur Ausgrenzung vieler Kräfte aus den sozialen Bewegungen führen.

Der inhaltliche wie strukturelle Ausschluss von Teilen der Bewegung gefährdet jedoch die Dynamik und Ausstrahlungskraft der gesamten globalisierungskritischen Bewegung und damit ihre Existenz insgesamt. Ein DSF muss deshalb inhaltlich und strukturell die ganze Breite der Bewegung repräsentieren. Auf gleichberechtigter Grundlage und mit gegenseitigem Respekt.

Wenn wir die Chancen, die in der augenblicklichen Situation liegen offensiv nutzen, könnte auf Grundlage des oben ausgeführten die Gründung eines Sozialforums in den nächsten 12 Monaten machbar sein. Dazu brauchen wir einen Zwischenschritt – den der gemeinsamen Mobilisierung für die Aktivitäten 2004. Daher schlagen wir vor, dass wenn sich in der Zusammenarbeit in den nächsten Monaten zeigen sollte, dass die aufgeführten Kriterien der Zusammenarbeit erfüllt  werden, die Gründung eines DSF im Rahmen eines Sozialforumskongresses in Angriff genommen wird.  Nach den hoffentlich erfolgreichen Aktionstagen 2004 hoffen wir sehr, dass die Gründung eines DSF für alle beteiligten Kräfte mach- und verantwortbar ist.

Der 30.11.  der 13.12., so wie die geplante große 2. Aktionskonferenz in der zweiten Januarhälfte sind wichtige Schritte, um die Bewegung gegen Sozialkahlschlag zu verbreitern und politisch zu stärken. Die Struktur des DSF sollte sich in diese Aktivitäten offensiv einbringen und die Sozialforumsbewegung bekannt machen. Die meisten der dort vertretenen Kräfte könnten schon bald ihren Platz in der Sozialforumsbewegung finden.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist ein geplantes Arbeitstreffen der mittlerweile ca. 30 lokalen Sozialforen in der nächsten Zeit mit dem Ziel, sich über die bisher gemachten Erfahrungen auszutauschen, sowie über Sinn, Zweck und Grundlage einer überregionalen Zusammenarbeit zu diskutieren.

Erstunterzeichner: Sascha Kimpel, Michael Prütz, Birger Scholz

Berlin, 28.November 2003

Editorische Anmerkungen

Das Papier wurde von den AutorInnen zur Veröffentlichung überlassen.