Rückrufaktion Krisis-Nummern 1 bis 27!
Robert Kurz verlangt Selbstsäuberung durch Copyright
12/04

trend

onlinezeitung
Wir bitten alle Leserinnen und Leser der Krisis, uns ihre gesammelten Krisis-Ausgaben zuzuschicken, damit wir die Beiträge von Robert Kurz, Roswitha Scholz und Claus-Peter Ortlieb ausschneiden können ... Nein, Pardon, soweit sind wir noch nicht. Vorerst verlangen die Besagten nur (per anwaltlichem Schreiben und Androhung eines Prozesses), dass wir ihre Texte von unserer Homepage entfernen sollen. Hinweis
Der nebenstehende, leider nicht nur ironisch gemeinte Text wurde von der Website der Zeitschrift Krisis gespiegelt.
Er ist ein bezeichnendes Beispiel dafür, wie sich "Blöde Anmache" (siehe dazu das Editorial 11-04) in einen bürgerlichen Rechtsstreit transformiert.
Handeln die Exit-WertkritikerInnen als bewusstlose Agenten des automatischen Subjekts - oder was?
                                        red. trend

Eigentlich hatten wir ja nicht vor, unser Publikum weiterhin mit den Nachwehens unseres Konflikts mit Robert Kurz und den Seinen, die jetzt unter dem Label „Exit“ firmieren, zu behelligen. Doch was da von uns verlangt wird, ist schlicht und einfach grotesk. Die Texte einiger ausgeschiedener Mitglieder sollen getilgt werden, als hätte es sie nie gegeben. Die theoretische und publizistische Geschichte der Krisis soll im Nachhinein „korrigiert“ werden, so wie einst die Stalinsche KPdSU die in Ungnade Gefallenen aus den Fotos rausretuschierte – nur dass diesmal die Ausgetretenen selbst sich wegzensieren wollen.

Dass wir für Solches nicht zu haben sind, versteht sich eigentlich von selbst. Andererseits tendiert aber unsere Lust, vor Gericht zu ziehen gegen Null. Zwar würden wir vermutlich sogar „Recht bekommen“, denn unsere Homepage spiegelt nun einmal eine gemeinsame Publizistik von fast zwanzig Jahren wieder, die nicht deshalb hinfällig ist, weil einige der daran Beteiligten jetzt die Krisis verlassen haben. Doch darüber in einem Copyright-Prozess entscheiden zu lassen, wäre eine Farce. Es gibt kein richtiges Leben im falschen; auch Wertkritiker haben an dem Teil, was sie abschaffen möchten. Das sollte allerdings kein Grund sein, in gesellschaftskritischen Zusammenhängen den herrschenden Konkurrenz-, Eigentums- und Rechtsfetisch gleich in avantgardistischer Weise auszuagieren.

Daher werden wir also nun all jene Texte der Betreffenden, die nicht in der Krisis und in unserem gemeinsamen Buch Feierabend! erschienen sind, von unserer Homepage entfernen. Das Archiv der Krisis-Ausgaben selbst bleibt unverändert. Die Schere setzen wir hier nicht an. Aber auch die übrigen Texte sind ja nicht deshalb unzugänglich, weil wir sie von unserer Homepage nehmen müssen, denn sie finden sich noch an etlichen anderen Stellen des Cyberspace. Durch entsprechende Links werden wir dabei helfen, die interessantesten davon leichter zu finden. Werden Robert Kurz und die Seinen daraufhin das Zirkulieren ihrer Texte im Internet verbieten und versuchen, ihr Copyright durchzusetzen? Werden sie jene wertkritische Interessierten, die ihre Texte verbreiten, rund um den Globus verfolgen? Wir sind gespannt. Für unsere Texte jedenfalls gilt weiterhin das Copyleft und zwar ausdrücklich auch für „Exit“, die mit der Veröffentlichung des Mainfest gegen die Arbeit auf ihrer Homepage davon auch schon Gebrauch gemacht haben. Weiter so!

Übrigens scheint das Recht eine der Lieblingswaffen von „Exit“ geworden zu sein. Nicht nur haben sie unsere diversen Übersetzerinnen und Übersetzer in drohendem Tonfall aufgefordert, sich an das Copyright zu halten und uns die Rechte an ihren Übersetzungen zu entziehen. Darüber hinaus ist uns kürzlich eine Klageschrift ins Haus geflattert, in der aufgrund angeblicher Formfehler die Entscheidungen der Mitgliederversammlung vom 3. April angefochten werden.  Es scheint so, als könnte Robert Kurz sich nicht damit abfinden, dass er dort keine Mehrheit bekommen hat, obwohl diverse Leute für ihn gestimmt haben, die nie zuvor in aktiven Zusammenhängen gesehen wurden. Ob es wirklich zu einem Prozess kommt, steht noch nicht fest, am Gesamtergebnis würde er aber ohnehin nichts ändern.

Wir wollten die unumgänglich gewordene Scheidung eigentlich einigermaßen gütlich regeln und haben kurz nach der MV unter anderem eine finanzielle Starthilfe für „Exit“ angeboten. Unsere Ehemaligen allerdings legen offenbar auf die Bekämpfung der Krisis mehr Wert als auf den Aufbau ihres eigenen Projekts und ziehen es dementsprechend vor, mit uns nur noch per Anwalt und vor Gericht zu verkehren. Nennenswerte Erfolge werden sie damit zwar nicht erzielen, doch hat es etwas Groteskes und Tragisches, wenn eine teilweise zwanzigjährige enge und insgesamt produktive Zusammenarbeit als einseitige Todfeindschaft endet (Robert Kurz hat uns einen „Krieg auf allen Ebenen“ angekündigt). Von Seiten der Krisis-Redaktion steht einer „friedlichen Koexistenz“ mit „Exit“, die gegebenenfalls inhaltliche Auseinandersetzungen einschließen kann, nichts im Wege. Wir werden uns dementsprechend weiterhin nur so weit auf das peinliche juristische und sonstige Kasperletheater unserer Ehemaligen einlassen, wie das zur Sicherung unseres Projekts unumgänglich ist und uns ansonsten unseren Aktivitäten widmen.  

Die Krisis-Redaktion