Bei den Beschäftigten des
Berliner Samsung-Werkes will auch kurz vor
Weihnachten keine Festtagstimmung aufkommen. Statt
Geschenke einzukaufen, malen sie
Transparente, organisieren Demonstrationen und Mahnwachen. Die
Zeit drängt. Zum Jahresende will der Samsung-Konzern das
Bildröhrenwerk im Berliner Stadtteil
Oberschöneweide schliessen. Rund 750 Arbeitsplätze in
dem sowie schon von Erwerbslosigkeit stark betroffenen
Ostberliner Stadtteil würden verloren
gehen.
Lediglich die Arbeitsplätze der
rund 50 Mitarbeiter aus den Bereichen
Service, Vertrieb, Forschung und Entwicklung sollen nach Angaben
eines Unternehmenssprechers am Standort
Oberschöneweide erhalten bleiben. Es sei
jedoch nicht mehr sinnvoll, die bereits stillgelegte Produktion
der Bildröhren wieder aufzunehmen,
bekräftigte er noch einmal die harte Haltung
des Unternehmens. Der koreanische Konzern will die
Produktion nach Osteuropa
verlagern, wo die Löhne niedriger und gewerkschaftiche
Strukturen kaum vorhanden sind. Von
diesen Plänen liess sich die Konzernleitung weder durch
die Aktionen der Belegschaft noch durch Versuche Berliner
Politiker sämtlicher Parteien abbringen,
den Standort Oberschöneweide in letzter
Minute doch noch zu retten. Von den Christdemokraten bis zur
Linkspartei reichte die
Unterstützungsfront. Der Betriebsratsvorsitzende des Berliner
Samsung-Werkes Wolfgang Kibbel sieht denn keinen Grund
für Politikerschelte.
„Die Unterstützung geht im
Berliner Abgeordnetenhaus quer durch alle
Fraktionen. Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) hat einen Brief
an die Samsung-Zentrale geschrieben, er
war auch einer der ersten, die für uns
Partei ergriffen haben. Auch das Bundeswirtschaftsministerium
hat sich an den Konzern gewandt.“
Fragen der Solidarität
Kritischer äussert er sich über die mangelnde Unterstützung von
Kollegen der Samsung-Werke ausserhalb
Berlins. „Unser Glaswerk in Tschernitz
(Lausitz) hat sich lediglich mit einer Solidaritätsadresse
beteiligt, die aber vom DGB organisiert
wurde. Ansonsten haben sich die Kollegen nicht
gemeldet, auch ihr Betriebsrat nicht,“ zeigte sich Kibbel
in einem Interview enttäuscht. Allerdings
kritisieren auch Unterstützergruppen in
einem auf Labournet veröffentlichten Erklärung, die Kollegen in
Oberschöneweide würden den Aspekt der internationalen
Solidarität vernachlässigen. So hätten
die Solidaritätsgruppen vergeblich auf eine
Grussadresse für ein Festival gewartet, das koreanische
Gewerkschafter und Studentengruppen am
29. Oktober 2005 in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul
als Solidarität mit dem Berliner Werk organisiert hatten. „Wir
sind aber sehr interessiert an Kontakte
zu Verantwortlichen in Korea, die Einfluss auf
Samsung nehmen konnen“, hieß
es aus Oberschöneweide.
Tatsächlich haben die Kollegen in
den letzten Wochen der Konzernleitung vor
allem ihre Nützlichkeit unter Beweis stellen wollen. So gehörte
eine Werbeaktion für Samsung-Produkte aus
Oberschöneweide zu den
Protestaktionen. Allerdings stiessen auch kämpferischere
Vorschläge zumindest bei einem Teil der
Belegschaft auf Zustimmung. Dazu gehörte die
Anregung, der in Berlin zu findenden Samsung-Werbung mit
eigenen Kreationen eine andere Note zu
geben und so am teuer erkauften Image des Konzerns zu
kratzen.
Wie
weiter 2006?
Ob solche Ideen in Zukunft auch praktisch umgesetzt werden, wird
sich zeigen. Die Entschlossenheit, den
Kampf um den Erhalt des Werkes auch nach
dem Scheitern von Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und der
IG-Metall fortzusetzen, ist gross. Der
Kampf geht weiter“, steht auf einem Plakat, das die Betroffenen
auf einer Demo zu den Berliner
Weihnachtsmärkten in den letzten Tagen mit sich
trugen. Die Belegschaft dokumentiert ihre
Kampfentschlossnheit auch, um zumindest
einen erträglichen Sozialplan auszuhandeln.
„Solange es keinen Sozialplan und
keinen Interessensausgleich gibt, kann
die Konzernleitung niemanden auf die Straße setzen“, betont
Betriebsrat Kibbel. In den letzen
Tagen hat sich die Unterstützung anderer von
Entlassung bedrohter Berliner Belegschaften verstärkt. So
beteiligten sich an den Protesen der
letzten Tage auch Arbeiter der JVC- Video
Manufacturing GmbH und dem Baumaschinenhersteller CNH. „Wir
kämpfen gemeinsam“, hiess die Parole auf
einen Transparent. Jetzt muss sich zeigen,
ob diese Entschlossenheit im Jahr 2006 zu weiteren
Aktionen in Berliner Betrieben führt.
Editorische Anmerkungen
Den Artikel erhielten wir
am 22.12. vom Autor zur Veröffentlichung.
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