Bernard Schmid berichtet aus Frankreich
Faschisten beim Fußball : Ein Toter.
Französischer Polizist schützt jüdischen Fan und greift in Notwehr zur Waffe – gegenüber einem aufgebrachten Lynchmob. Eine Bilanz
12/06

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« Wenn der Fußball tötet » titelt die französische Sportzeitung L’Equipe am vorigen Wochenende. In seinem Leitartikel wird das Blatt, aber wesentlich  präziser und treffender : « Ein Mann ist tot. Ein anderer ist schwer verletzt. Ein dritter wurde angegriffen, weil er schwarz und Polizist ist. Und ein vierter wäre beinahe misshandelt worden, weil er Fan eines israelischen Clubs ist. » Die Boulevardzeitung Le Parisien schreibt dazu ihrerseits : «  Der Cocktail aus Rassismus, Antisemitismus und Dummheit hat am Donnerstag abend einen Toten im Parc des Princes verursacht. » Das wäre völlig richtig, wäre nicht die Ortsangabe irreführend.  

Nicht in dem vorgenannten Fußballstadion, das an der Stadtgrenze zwischen Paris und dem eher mittelständisch geprägten Vorort Boulogne liegt, sondern drauben, unweit der in der Nähe gelegenen Métrostation Porte-de-Saint-Cloud spielten sich die Ereignisse ab. Jene Ereignisse, die von vielen Beobachtern jetzt als « Drama, das vorhersehbar war und irgendwann einmal kommen musste », bezeichnet werden. Einige Tage nach dem tödlischen Schuss vom Donnerstag abend beginnt man jetzt, etwas klarer zu sehen, was genau passiert ist. Und es mangelt auch nicht an Forderungen nach Konsequenzen – hoffentlich bleiben sie dieses Mal nicht vergeblich.

Die Ereignisse am vorigen
Donnerstagabend

Folgendes ist am Abend des vorigen Donnerstag passiert : Um 20.45 Uhr wurde das Spiel zwischen dem hauptstädtischen Fubballverein Paris-Saint Germain (PSG) und den Gastspielern von Hapoël Tel Aviv angepfiffen.

 

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 Es fand vor rund 22.800 Zuschauern statt, womit das Stadion des PSG, der ein Heimspiel führte, nicht voll war. Bereits im Vorfeld war klar, dass es zu Spannungen kommen könnte. Einerseits ist allgemein bekannt, dass rechtsradikale Gruppen sich seit etwa 1987 im Parc de Princes in den Fanblöcken festgesetzt haben und dort so präsent sind wie bei keinem anderen französischen Profiverein. Zum Anderen zeichnete sich ab, dass diesem Spiel von mehreren Seiten her eine hohe identitätspolitische Bedeutung gegeben wurde.

Drei Gruppen

Im Stadion schälten sich drei Gruppen heraus. Auf der Südseite, in der Tribune Boulogne, mit dem Rücken zum gleichnamigen Vorort, hatte ein Publikum Aufstellung bezogen, das zumindet teilweise von Rechtsradikalen beeinflusst schien und in dem Erkennungszeichen für « Bleu-Blanc-Rouge » zu sehen waren. Dieser Ausdruck, der eigentlich nur die Farbenkombination der französischen Nationalfahne – blau, weib, rot – bezeichnet, ist seit den 80er Jahren durch die Anhänger des rechtsextremen Politikers Jean-Marie Le Pen zum Synonym für « nicht farbige Franzosen » gemacht worden. Auf der anderen Seite, in den Reihen der Tribune Auteil, mit dem Rücken zum gleichnamigen Nobelstadtteil im 16. Pariser Bezirk, fand sich ein Publikum ein, das sich eher als « Black-Blanc-Beur » bezeichnet. Also als eine Mischung aus « weib, arabischstämmig, schwarz », mit eher antirassistischer Tradition. Die Fans des israelischen Vereins Hapoël, von denen rund 1.500 aus Tel Aviv angereist waren, hatten ursprünglich eine eigene Tribüne in der Mitte erhalten. Da das Stadion aber nicht ausverkauft war, konnten sie zusätzliche Kontingente aus Eintrittskarten erwerben, so dass Fans mit israelischen Flaggen über das halbe Stadion verstreut saben, zumal sich ihnen viele französische Juden zugesellt hatten. 

Im Laufe des Spiels wurden auf Seiten der Tribune Auteil dann auch libanesische und palästinensische Flaggen gezeigt. Aus dem Block der Hapoël-Fans wurden eine Zeit lang Wurfgegenstände in Richtung der Nordtribüne geworfen, die Ordnerdienste des Stadions griffen ein und konnten für Ruhe sorgen. Um auf sich aufmerksam zu machen und die beiden anderen Gruppen zu übertonen, fingen die Zuschauer in der Südtribüne – Tendenz « blau-weib-rot »  - an, die französische Nationalhymne (La Marseillaise) in Überlautstärke zu schmettern. Die Ordnerdienste mussten auf dieser Seite aber auch mehrfach wegen Zeigens des Hitlergrubes einschreiten.  

Anders, als auf der tendenziell rassistischen Website ‘Politically Incorrect’ (im Sinne von : natürlich wieder die bösen Einwanderer !) suggeriert wird, war es nicht von der migrantisch geprägten Nordtribüne her, von der schlieblich wirkliche Gefahr drohte. Vielmehr war es eine Mischung aus dem ohnehin klar vorhandenen faschistischen Potenzial in den Reihen der « Kop Boulogne »-Fans der Südtribüne und einer allgemein aufgepeitschten Stimmung unter den Zuschauern (auf Seiten der PSG-Fans), von der am Ende eine reale Gefahr ausging. 

Die vorherige Sitzordnung im Stadion muss man berücksichtigen, um zu verstehen, wie am Ende eine manifeste Gefährdungssituation entstehen konnte. Denn Stadionordner und Polizisten zeigten sich nach dem Spiel bemüht, die zusammen sitzenden, rund 1.500 Tel Aviv-Fans (die aus Israel angereist waren) wohl beschützt aus dem Stadtion zu geleiten. Dieser Schutz nützte aber den übrigen Unterstützern des israelischen Clubs nicht, die nicht erkennbar bei diesem Fanblock gesessen oder gestanden hatten und daher einzeln oder in Kleingruppen aus dem Parc des Princes (PSG-Stadion) kamen. Unter ihnen sahen sich daher Einzelpersonen und Grüppchen mit einem zunehmend aufgeputschten Lynchmob konfrontiert, der in Zehnerreihen am Ausgang des Stadions Aufstellung bezog – und nach tatsächlichen oder vermeintlichen Juden Ausschau hielt. 

Frustrierte Fans... 

Im Laufe des Spiels wuchs die Frustration und Aggressivität in den Reihen der PSG-Fans an, da der Pariser Verein sich einmal mehr als unfähig erwies, sportliche Hochleistungen zu erbringen. Die Vereinspolitik des Paris-Saint Germain ist seit einigen Monaten heftiger Kritik seitens seiner eigenen Anhänger ausgesetzt. Der PSG hat im März dieses Jahres den Besitzer gewechselt und wurde vom Fernsehsender Canal +, dem er seit 15 Jahren gehörte, an die französisch-amerikanischen Investmentfonds Walter Butler sowie Colony Capital und an die britische Geschäftsbank Morgan Stanley verkauft. Gleichzeitig hat der PGS-Trainer Guy Lacombe seit einiger Zeit damit begonnen, massiv sehr junge Spieler direkt von den Ausbildungszentren weg einzusetzen, darunter 18- und 19jährige wie Clément Chatôme und Boukari Dramé. Bisher haben einige von ihnen nicht wirklich das Niveau von Profispielern erreicht der Verein – derzeit Nummer 14 in der Tabelle der ersten Liga – macht seit längerem keinen guten Eindruck. Trotz des drittgröbten Vereinsbudgets in Frankreich nach Olympique de Marseille (OM) und Olympique de Lyon, mit 70 Millionen Euro, kommt er nicht vom Fleck. Seine Fans werden allmählich wütend, und viele werfen ihrem Trainer und dem Vorstand vor, nur deshalb besonders junge Spieler einzukaufen, weil diese erheblich billiger seien als erfahrene Profis. Trainer Lacombe beruft sich darauf, eine bewusste Politik der Verjüngung als « Vorbereitung für die Zukunft » zu verfolgen. Das wird ihm aber immer weniger geglaubt, zumal seine Rechtfertigungsversuche nach verlorenen Auswärtsspielen – der Gegner habe sich so defensiv gezeigt, dass kein lebendiges Spiel zustande gekommen sei – reichlich fadenscheinig klangen.

Am Donnerstag verlor der PSG denn auch gegen Hapoël Tel Aviv, die israelische Mannschaft setzte sich mit 4 zu 2 klar durch. Daraufhin kam Bewegung in die Menge. Viele Fans setzen sich in Bewegung, nach ersten Bekundungen zunächst, um Vereinslokale zu zertrümmern oder um von ihren Spielern Rechenschaft einzufordern. Im Stadion, wo mit 600 Ordnern so viele eingesetzt waren wie bei den besonders « heiben » Spielen gegen Marseille, konnten die Dinge jedoch schnell unter Kontrolle gebracht werden. Nicht so drauben vor der Tür.

 ...Und ein unverkennbarer Lynchmob

Draußen rotteten sich mehrere hundert aufgebrachte Personen zusammen, deren Absichten (zumindest für einen Teil von ihnen) durchaus auf den Begriff « Pogrom » gebracht werden können. Mehrere Augenzeugen berichteten seit dem Wochenende mehrfach, Rufe wie « Wo sind die Juden ? » gehört zu haben.  

Vier junge französische Juden gerieten in diese feindselige Umgebung, und beschlossen daraufhin, sich zu trennen. Einer von ihnen war der 23jährige Yanniv Hazout, Wirtschaftstudent im Raum Paris und französischer Jude aus der Pariser Vorstadt Sarcelles. Inzwischen kann man einem Interview mit ihm, das am Sonntag auf der Webpage Sport.fr publiziert wurde, entnehmen, wie die feindseligen Spaliersteher überhaupt auf ihn und seine Freunde aufmerksam wurden. Entgegen ersten Meldungen trug er keine israelische Fahne oder erkennbare Abzeichen des Clubs aus Tel Aviv bei sich. Und nach eigenen Angaben « unterstützte (er) an diesem Abend beide Clubs gleichermaben », da er von Jugend auf PSG-Fan gewesen sei, aber sich zugleich über das Gastspiel des Clubs aus Tel Aviv gefreut habe. Im konkreten Geschehen, so schildert er es, hörten er und seine Freunde mehrere antisemitische Beschimpfungen und Schmährufe und wandten deshalb die Köpfe in die Richtung, aus der die unflätigen Äußerungen kamen. « Es war, als ob wir uns selbst geoutet hätten » schildert der junge Mann die Reaktion darauf, dass sie sich umgedreht hatten. Deshalb also « wussten » die Verfolger, ihrer eigenen Auffassung nach, nunmehr Bescheid über ihr Jüdischsein. Es setzte daraufhin Beschimpfungen und erste Schläge, so dass die vier jungen Leute möglichst rasch in unterschiedliche Richtungen zu entkommen versuchten. 

Alsbald hatte Yanniv jedoch zwei Verfolger direkt auf den Fersen, und erblickte in kleinem Abstand eine Meute von rund 150 Personen hinter sich. Möglicherweise war ein Teil dieser kleinen Menschenmenge aufgrund von Schaulust und Gruppendynamik mitgezogen worden, aber unter den 150 Leuten befanden sich nach polizeilichen Analysen mindestens 20 aktive Gewalttäter. Andere Berichte sprechen von einem « harten Kern von Faschisten ». Doch dem jungen Yanniv kam ein Polizist in Zivil zu Hilfe, der sich allein in der Nähe seines Wagens befand.

Ein Polizist mit Zivilcourage

Der 32jährige Antoine Granomort ist ein schwarzer Franzose, der von den Antillen , also aus einem französischen « Überseebezirk » stammt. Er wies den bedrohten jungen Mann an, hinter seinem Rücken zu bleiben. Man hat sich im Nachhinein gefragt, wie es passieren konnte, dass der Zivilbeamte völlig allein der Meute gegenüber stand. Das Rätsel lässt sich insofern aufklären, als der junge Beamte gar nicht zur Aufsicht über die Fußballfans eingesetzt, die an dieser Stelle zur nahe gelegenen Endstation der Métro strömten -  sondern auf seine Kollegen wartete, die zu einer Kontrolle in die Untergrundbahn gegangen waren. Er war der Fahrer des gemeinsamen Wagens. Gleichzeitig scheint die Polizei ansonsten aber die, voin vielen erwarteten,  Probleme im Zusammenhang mit dem Spiel auf die leichte Schulter genommen zu haben. Sie hatte 700 Beamte zur Aufsicht über die Zuschauermenge im Einsatz, während sie bei als « heib » geltenden Spielen zwischen PSG und OM oft bis zu 2.200 Mann abstellt. 

Angesichts der massiven Bedrohung des jungen Yanniv wollte der Polizist in Zivil, obwohl er nicht für das Spiel eingesetzt war, nicht untätig bleiben. Dass es ein Schwarzer war, der ihn schützte, steigerte die Wut der Meute, aus der heraus Rufe erschallten : « Dreckiger Neger, dreckiger Jude ! » Andere Fans lieben affenartige Rufe ertönen, wie häufig auf den Spielfeldern, wenn ein schwarzer Spieler den Ball hat.           

Was danach passierte, ist noch nicht genau geklärt, insbesondere die Frage, ob die Angreifer wussten, dass Granomort Polizist war. Dieser setzte zunächst Tränengasspray ein, um die Angreifer abzuwehren. Das konnte den Lynchmob jedoch nicht abhalten. Darauf stürzte er und verlor dabei seine Brille. Laut einer Schilderung in der Sonntagszeitung ‘JDD’ konnte er deshalb nicht mehr viel erkennen, mit Ausnahme einer bedrohlich näher rückenden schwarzen Masse, als er -- um sich zu befreien -- einen einzigen Schuss aus seiner Dienstwaffe abfeuerte. Schon deshalb wird man wohl kaum von einem gezielten Todesschuss sprechen dürfen.

Tatsächlich traf die Kugel jedoch den 25jährigen Julien Quemenner tödlich, ins Herz, nachdem sie zuvor bereits einen anderen Fan in die Lunge getroffen und seinen Körper durchquert hatte. Es handelt sich um den 26jähriger Franzosen marokkanischer Herkunft Mounir B.. (Er liegt derzeit in einem Pariser Krankenhaus, aber sein Leben ist nicht in Gefahr.) Die Rolle des Franzosen migrantischer Herkunft ist nicht genau geklärt : Er gehörte dem Fanclub « Kop Boulogne » (d.h. der Stehtribüne auf der Südflanke, Richtung Boulogne)  an, in dem auch viele rechte Schläger Mitglied sind. Innerhalb des Kop gehört er allerdings nicht den so genannten « Unabhängigen » (Indépendants) an, wo sich die Rechtsradikalen konzentrieren, sondern dem weniger politisch vorbelasteten Zusammenschluss « Gavroches ». (Gavroche ist eine Figur aus Victor Hugos Roman « Die Elenden », und symbolisiert einen Unterschichtsjungen.) An jenem Abend wollte er zuerst zusammen mit seiner (französischen) Frau ins Stadion, letztere hatte jedoch keine Karte mehr bekommen und wartete drauben auf ihn ; das klingt nicht sehr nach Gewalttäter. Was den getöteten Julien Quemmener betrifft, so bleiben hingegen wenig Platz für Zweifel. Er zählte zu den so genannten » Unabhängigen », unter denen sich die Rechtsradikalen massieren, und war bereits wegen Waffenbesitzes (2002), wegen des Einschmuggelns von Rauchbomben ins Stadion (2004) und zusätzlich wegen des Anzündens von Autos (so L’Equipe) vorbestraft.

Antoine Granomort flüchtete sich daraufhin zusammen mit seinem Schützling in einen nahen gelegenen MacDonalds, wo der Polizist in den erster Stock eilte, während Yanniv sich in den Toiletten einschloss und es ihm nach 10 Minuten zu entkommen gelang. Der Lynchmob schlug daraufhin die Türen und Fenster des Fastfoods-Restaurants ein, um der beiden habhaft zu werden, zerstreute sich jedoch rasch, als die Verstärkung der Polizei –- die der bedrohte Beamte nun endlich auf seinem Funkgerät herbei rufen konnte -- eintraf und Tränengas einsetzte. Der Inhaber eines benachbartn Tabakladen hatte zugleich jungen Fans von Hapoël Tel Aviv seinerseits Unterschlupf gewährt, daraufhin jedoch sofort Türen und Fenster verschlossen.

Erste Konsequenzen

Am Freitag wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Antoine Granomort wegen Schusswaffeneinsatzes eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft Paris gab jedoch am Samstag an, dass sein Handeln höchstwahrscheinlich durch Notwehr gerechtfertigt sei, da er in Abwehr einer drohenden Gefahr für Leib und Leben (von sich selbst und eines Anderen) handelte. Sein Anwalt Bertrand Burman wird in der Montags-Ausgabe der Tageszeitung ‘Le Parisien’ mit den klaren Worten zitiert : « Als er schoss, dachte er, ‘er selbst oder die seien dran’ ». Und Antoine Granomort selbst wird mit den Worten wiedergegeben : « Ich dachte, dies sei das Ende. »

Ab dem Wochenende wurde Granomort daher nicht mehr als Beschuldigter vernommen, sondern als « Zeuge mit Beistand » (das ist ein Zeuge, gegen den selbst kein Strafverfahren lauft, aber eines eröffnet werden kann, weshalb er das Recht hat, sich einen Beistand zu nehmen). Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Paris sprach zugleich anerkennend von dem « auberordentlichen Mut », mit der Polizist – allein – gehandelt habe. Dieselben Worte, « auberordentlicher Mut », benutzte auch die jüdische Studentenunion UEJF in einem Kommuniqué. 

12 Fans des PSG wurden am Freitag in Polizeigewahrsam genommen, wegen rassistischer und antisemitischer Schmähungen oder aufgrund des Zeigens des Hitlergrubes. Am Abend war die Hälfte von ihnen vorläufig wieder auf freiem Fuß. In der Politik wurden aber unterdessen die Töne lauter, die eine strikte Kontrolle des PSG über seine Fans und eine endlich erfolgende, klare Trennung von den Rechtsradikalen forderten. Der konservative Abgeordnete Alain Marsaud (UMP) forderte gar die Auflösung des Fubballclubs PSG, ähnlich wie auch « aufgebrachte Anwohner », die Zeugen der Vorfälle geworden waren und verschiedentlich in den Medien zu Wort kamen.  

Der rechtsextreme Front National (FN) seinerseits drohte damit, gegen jeden in Strafanzeige zu erstatten, der ihn mit den Ereignissen in Zusammenhang bringe. Aber einige der an den Ausschreitungen Beteiligten hatten auch « Le Pen, Präsident ! » gerufen.

Am Samstag Vormittag empfing Innenminister Nicolas Sarkozy an seinem Amtssitz mehrere Fanclubs des PSG. Dies rief im Vorfeld heftige Kritik bei Sozialdemokraten und Grünen hervor, die am Freitag Nachmittag im Parlament erklärten, Sarkozy empfange jene, die für die Äuberungen rechtsextremer Gesinnung die Verantwortung trügen. Aus den Reihen der Parlamentsopposition wurde eher die Auflösung bestimmter Fanclubs gefordert, ebenso wie vom konservativ-liberalen Abgeordneten Claude Goasguen. So weit wollte der Innenminister noch nicht gehen. Er setzte die Fanclubs und den Verein aber unter Druck und forderte wirksame Mabnahmen gegen die Gewalt von ihnen. Am Samstag wurde nach dem Treffen angekündigt, künftig werde es vor Spielen regelmäbige Beratungen zwischen Fan-Vereinigungen und Polizei, eine stärkere Kontrolle des Kartenverkaufs und zusätzliche Stadionverbote für negativ aufgefallene Zuschauer geben. Falls es zu weiteren Gewalttaten komme, werde ein Verein wie der PSG zukünftig auch Spiele ohne Zuschauer absolvieren müssen, kündigte der Innenminister unterdessen an. Der PSG-Vorsitzende Alain Cayzac erklärte sich am Samstag Nachmittag « einverstanden » mit den Forderungen des Ministers und gab zugleich an, sein Verein als « bedroht ».

Heftige Erregung und Kritik bei mehreren Antirassismus- und Menschenrechtsgruppen rief unterdessen eine offizielle Stellungnahme des PSG vom Freitag hervor. Darin drückt die Vereinsspitze « ihr tiefes Mitleid für die Familie des verstorbenen Fans » aus, aber erwähnt die vorausgegangene Gewalt, den Rassismus und Antisemitismus des Lynchmobs mit keinem Wort. Ganz so, als ob der zu Tode gekommene Angehörigen des Mobs lediglich ein Opfer sei. Am Freitag hatte der Club, Paris-Saint Germain, auch damit begonnen, Fanvereinigungen anzuhören. Auch dabei sorgten die konkreten Modalitäten aber für böses Blut, da der PSG seine Anhörungen ausgerechnet mit den « Unabhängigen », die für ihren besonderen Anteilen an Rechtsextremen bekannt-berüchtigt sind, begonnen hatte. Auch wenn es dabei letztendlich (zumindest auch) darum ging, ihnen schärfere Verhaltensvorschriften einzuimpfen, so sah es doch zugleich nach einem besonderen Näheverhältnis zu ihnen aus. Die jüdische Studentenunion UEJF rügt deshalb in einer eigenen Erklärung die « Komplizenschaft » des PSG und begrübt zugleich « die Courage des Polizeibeamten » Antoine Granomort.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde uns vom Autor am 29.11.2006 zur Veröffentlichung überlassen. Eine leicht gekürzte Fassung erschien am Mittwoch (29. 11.) auf der Sportseite der ‘Jungle World’.