Ökonomismus und Funktionalismus
Eine Kritik an der Regulationstheorie von J. Hirsch

von Christian Girschner
12/06

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Seit den achtziger Jahren entwickelt der Politikwissenschaftler Joachim Hirsch seine >materialistische Staatstheorie< im Zusammenhang mit der aus Frankreich kommenden Regulationstheorie. Die Regulationstheorie stellt den allgemeinen gesellschaftstheoretischen Rahmen bei Hirsch dar, um die gesellschaftliche Entwicklung des Kapitalismus und des Staates zu interpretieren und zu periodisieren. Vor allem sein Buch (zusammen mit R. Roth) „Das neue Gesicht des Kapitalismus. Vom Fordismus zum Post-Fordismus“ (1986) hat die Regulationstheorie in der kritischen Sozialwissenschaft relativ bekannt gemacht. Zentrale Begrifflichkeiten der Regulationstheorie wie Fordismus, Post-Fordismus, Akkumulationsregime und Regulationsweise stellen deswegen seit etlichen Jahren auch die Grundpfeiler zahlreicher kritischer Studien und Veröffentlichungen dar. Diese beeinflussen inzwischen auch die >linke< politische Diskussion und bilden die Grundlage für weitreichende Urteile über politische Handlungsmöglichkeiten. Beispielsweise verkündete in den achtziger Jahren auf der Grundlage der regulationstheoretischen Thesen über die Krise des Fordismus von Hirsch der damalige  SPD-Vordenker Peter Glotz, dass keynesianische Politikmodelle ausgedient hätten (Glotz 1988). Erst kürzlich wiederholte diese pauschale Auffassung auch J. Hirsch gegenüber dem ehemaligen Kanzlerberater Albrecht Müller, der in einer keynesianisch orientierten Politik eine Alternative zum Neoliberalismus sieht (Hirsch 2006; vgl. Girschner 2006). Eine kritische Auseinandersetzung mit den Grundlagen dieser von J. Hirsch in Deutschland verbreiteten Theorie findet jedoch so gut wie gar nicht mehr statt. Zu gängig und plausibel erscheinen offenbar die verwendeten Begrifflichkeiten und Thesen über die Krise des Fordismus und das Aufkommen eines Post-Fordismus, weshalb sie inzwischen einem inflationären und unkritischen Gebrauch unterliegen. Wie Hirsch die Regulationstheorie und die dazugehörigen Kategorien aufgreift bzw. konstruiert, soll hier nicht nur aufgezeigt, sondern auch grundsätzlich kritisiert werden, indem die dahinter verborgene gesellschaftstheoretische Konstruktion aufgedeckt und hinterfragt wird. 

Das Bestandsproblem der Gesellschaft - das ewige Problem der kritischen Gesellschaftstheorie?  

Die grundlegende Ausgangsbasis der Regulationstheorie ist nach Hirsch Angaben die Frage, „wie Gesellschaft als soziales System angesichts des Fehlens eines übergreifenden Subjekts bzw. eines system-funktionalen Selbststeuerungsmechanismus überhaupt möglich ist“, denn es herrscht ein „soziales Verhältnis“ vor, welches sich „>trotz und wegen seines konfliktorischen und widersprüchlichen Charakters reproduziert< (Liepitz ...)“ (Hirsch 1994, 157; Herv. im Original). Daher richtet die Regulationstheorie ihre „Aufmerksamkeit auf die problematischen Bestands- und Reproduktionsbedingungen einer durch strukturelle Gegensätze zerrissenen kapitalistischen Gesellschaft. Gefragt wird, wie Gesellschaftlichkeit, d.h. die Sicherung der materiellen Versorgung (?; C.G) und des sozialen Zusammenhalts unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen überhaupt möglich und von relativer Dauer sein kann.“ (Hirsch 2005, 84; ders. 1995, 45f.) Schließlich ist bekannt, dass der „Kampf um die Aneignung und Verteilung des Mehrprodukts (...) die Gesellschaft nicht zusammen(hält) , sondern (...) sie tendenziell auseinander(reißt).“ (Hirsch 1994, 189) Der Regulationstheorie geht es also immer, wie die beschwörenden Vokabeln wiederholend heißen, um das unterstellte Problem des „Zusammenhalt(s) der Gesellschaft“, um „Stabilität“, um „Dauerhaftigkeit“, um „Bedingungen des Gesellschaftserhalts“, um die „Bestands- und Reproduktionsbedingungen“ (Hirsch 2005, 43, 84, 87) bzw. wie die Widersprüche und Gegensätze „mit der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtzusammenhangs vereinbar gemacht werden können.“ (Hirsch 1994, 190). In diesem Zusammenhang wird ferner behauptet, dass die für die Regulationstheorie alles entscheidende Frage nach den „Bedingungen des Gesellschaftserhalts“ und der „Stabilität“ auch von der klassischen politischen Ökonomie (Smith, Ricardo) gestellt wurde (Hirsch 2005, 84; ders.  1994, 158) Und von dieser scheinbar alt ehrwürdigen Grundproblematik der Bestandserhaltung einer in sich zerrissenen Gesellschaftsform „entwickelt“ die Regulationstheorie „ihr Kategoriensystem zur Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen und Krisen.“ (Hirsch 1994, 157) Deswegen „arbeitet“ die Regulationstheorie, wie Hirsch hervorhebt,  im Gegensatz sowohl zur Marxschen Theorie als auch der klassischen politischen Ökonomie mit „einem erweiterten Ökonomiebegriff, der die soziale Einbettung ökonomischer Prozesse systematisch berücksichtigt.“ (ebd., 159)[1] Der Marxschen Theorie wird ebenfalls die Beantwortung des aufgeworfenen gesellschaftlichen Ordnungsproblems unterstellt, denn Marx  versucht „im Kapital nachzuweisen (...), (...) weshalb sich der kapitalistische Reproduktionsprozess mittels der fortwährenden Herstellung seiner eigenen Voraussetzungen entfalten kann und dennoch strukturell krisenhaft ist.“ (ebd., 158; ders. 1992, 204) Zugleich wird die Marxsche Theorie als defizitär kritisiert, denn „Marx` werttheoretisches Konzept von >Regulation< (ist) in bestimmter Weise unvollständig (...). Dass diese Begrenztheit der Marx`schen >Kapital<-Analyse nicht verstanden worden ist, hat in der Rezeptionsgeschichte zu erheblichen Missverständnissen und Irrtümern geführt.“ (Hirsch 1994, 158) Dass Hirsch mit dieser eigentümlichen Fragestellung der Regulationstheorie und seiner „materialistischen Staatstheorie“ selbst auch auf „eine gewisse Ähnlichkeit“ bzw. Übereinstimmung mit der Systemtheorie aufmerksam macht, ist nicht verwunderlich (Hirsch 2005, 10 u. 38), denn auch letztere fragt sich, wie sich die Gesellschaft ohne ein „umfassendes und kontrollierendes Zentrum“ reproduzieren kann (ebd., 38). Entsprechend wird diese von Hirsch als erkenntnisfördernde Theorie gelobt: „Dazu gehört, dass Politik nicht einfach eine Angelegenheit des bewussten Handelns ist, sondern von Strukturen bestimmt wird, die sich objektiv, d.h. hinter dem Rücken der Menschen herausbilden. Sie bricht auch mit naiven Annahmen über die politische Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft. >Aufgrund ihrer Selbstreferenzialität< - d.h. dass Systeme sich nur gemäß ihrer spezifischen Codes stabilisieren und ihre Umwelt nur sehr selektiv wahrnehmen können - >beziehen sich komplexe Sozialsysteme in erster Linie auf sich selbst, reagieren auf ihre eigenen Zustände und nehmen ihre Umwelt nur sehr selektiv, nach Maßgabe ihrer eigenen Relevanzen wahr.< (Willke ...)“ (ebd., 10)

Im Unterschied zur Systemtheorie will die Regulationstheorie vor allem die kapitalistische Entwicklung in historisch verschiedene „Formationen“ unterteilen, welche die Bedingungen der Dauerhaftigkeit, Stabilität etc. erfüllen (Hirsch 1994, 198). Infolgedessen  verschiebt sich das Erklärungs- und Erkenntnisziel der gesellschaftskritischen Theorie bei Hirsch fundamental. Denn Hirsch ist vom selbst gestellten und entdeckten Problem der Ordnungserhaltung der Gesellschaft so sehr fasziniert, dass er deshalb nur noch die verborgene und stets gefährdete Funktionalität – und damit die Nützlichkeit - der Institutionen und Handlungen der Akteure für die Bestandserhaltung einer jeweils unterstellten historischen Formation des Kapitals thematisieren will. Gegenüber dieser funktionalistischen Ordnungsfaszination hatte die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie noch das Anliegen, die aus der kapitalistischen Vergesellschaftungsweise entsprungenen Kategorien und die durch das Kapital selbst konstituierten Zusammenhänge ökonomisch-qualitativ zu erklären und zu entwickeln, damit zugleich die bürgerliche Gesellschaft als verkehrte Gesellschaft zu kritisieren, welche aus diesem Grund in der Wirtschaftswissenschaft nicht als solche erfasst und bestimmt wird, sondern auf eine Tauschgesellschaft bzw. einfache Zirkulation reduziert wird. Auf dieser ökonomisch-qualitativen Grundlage wäre dann die historisch zu konkretisierende Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft darzustellen und zu erklären. Hirsch ersetzt demgegenüber mit seinem Rückgriff auf die Regulationstheorie diesen für die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie ausschlaggebenden Ansatz vor allem durch zwei system- bzw. strukturfunktionalistische Fragen. Einerseits: Unter welchen Bedingung bildet das kapitalistische System eine stabile und bestandfähige Gesellschaftsordnung heraus, obwohl es doch kein alles steuerndes Zentrum aufzuweisen hat. Andererseits: Wann geht die Stabilität und Kohärenz  dieser einmal herausgebildeten Gesellschaftsordnung verloren und unter welchen Bedingungen bildet sich wieder eine neue, also bestandsfähige historische Formation heraus. Dementsprechend reduziert sich die Analyse unter der Hand vor allem darauf, nur noch nach den funktionalistischen Voraussetzungen bzw. Bedingungen der Stabilität und Bestandsfähigkeit (bzw. nach Gründen der Instabilität) von angeblich aufzufindenden und voneinander zu unterscheidenden historischen kapitalistischen Formationen zu suchen. Mit dieser aus der systemfunktionalistischen Theorie entnommenen Fragestellung wird m.E. ein völlig neues Erkenntnis- und Erklärungsinteresse in die gesellschaftskritische Theorie eingeführt, welches jedoch mit dieser schwer vereinbar ist. Denn in der strukturfunktionalistischen Theorie wird die kapitalistische Vergesellschaftungsweise als schon immer fertig vorgefundenes ökonomisch-quantitatives Resultat aufgegriffen und strukturfunktionalistisch eingeordnet bzw. umgedeutet, statt diese als ein besonderes ökonomisch-qualitatives Verhältnis zu erklären und zu entwickeln. Aus diesem Grund werden sowohl die kapitalistische Funktionsweise als auch die historischen Herrschafts-, Macht- und politischen Kräfteverhältnisse nur noch unter dem Aspekt wahrgenommen, ob sie einen für die Beteiligten verborgenen Beitrag zur funktionalen Stabilität und Bestandserhaltung einer historischen Periode der bürgerlichen Gesellschaft leisten oder nicht, d.h. sie werden notwendigerweise und damit unter Absehung ihrer politischen und sozialen Besonderheit, Qualität und Bedeutung unterschiedslos auf Funktionen für die >Systemerhaltung< reduziert, welches ja zum Absolutum erhoben wurde, auf das alles bezogen wird. Hierdurch werden insbesondere die unmittelbaren Interessen, Ziele bzw. Zwecksetzungen der handelnden Akteure und die daraus resultierenden Gegensätze oder Gemeinsamkeiten nur noch unter dem Aspekt ihrer funktionalen Leistungserbringung für die Bestandserhaltung der >historischen Formation< gewürdigt und begutachtet. Schon früher wurde die aus der Biologie und Kybernetik abgeleitete funktionalistische Soziologie mit ihrem nie enden wollenden Ordnungsbestandsproblem treffend kritisiert. Für den Historiker Edward P. Thompson lässt beispielsweise die strukturfunktionalistische Theorie „eine alte theologische Denkweise erkennen“, denn „jede Erscheinung“  bzw. Handlung „muss, da sie Ausdruck göttlichen Willens ist, auch eine Funktion haben.“ (Thompson 1978, 124) Bei Hirsch, der sich gerne und häufig rhetorisch vom funktionalistischen Ansatz distanziert, dem man aber schon früher hinsichtlich seiner Analyse der politik-ökonomischen Entwicklung der BRD einen „hemmungslosen Funktionalismus“ (Hübner 1988, 93) vorgeworfen hatte, wird diese systemfunktionalistische Argumentationsweise auf den ersten Blick dadurch verschleiert, dass er nicht nur auf marxistisches Vokabular zurückgreift, wodurch die zum Absolutum erhobene >Systemerhaltung< sprachlich mit der Kapitalreproduktion gleichgesetzt wird, sondern auch dadurch, dass die gesellschaftliche System-Entwicklung und Erhaltung in der Gestalt eines sogenannten Akkumulationsregimes und einer >entsprechenden< Regulationsweise analysiert wird. 

Akkumulationsregime und Regulationsweise als neues Kostüm für die marxistische Basis-Überbau-Dialektik? 

Die Regulationstheorie entwickelte also, um die system- bzw. strukturfunktionalistische Fragestellung nach den Bedingungen der Bestandserhaltung zu beantworten, zwei entscheidend neue Kategorien, die so in die gesellschaftskritische Theorie eingeführt wurden: das Akkumulationsregime und die Regulationsweise. Beide Kategorien sollen im gleichwertigen Zusammenspiel verschieden aufeinander folgende, historisch spezifische >Formationen< innerhalb der kapitalistischen Entwicklung charakterisieren, welche eben eine entsprechende Dauerhaftigkeit, Bestandsfähigkeit, eigene Gesetzmäßigkeit und damit eine gesicherte Reproduktionsfähigkeit trotz aller Widersprüche und Konflikte gewährleisten. Mit diesem „Begriffsinstrumentarium“ soll es nämlich erst möglich sein, „jenseits der allgemeinen Strukturen und Gesetzmäßigkeiten kapitalistischer Gesellschaften ihre konkreten historischen Formationen zu erfassen.“ (Hirsch 2005, 86) Genauer: „Jede historische kapitalistische Gesellschaftsformation erhält ihre vorübergehende Stabilität durch eine einander entsprechende Akkumulations- und Regulationsweise. Dadurch ergibt sich eine bestimmte gesellschaftliche Entwicklungsweise. Diese ist jeweils durch eigene Gesetz- und Regelmäßigkeiten gekennzeichnet.“ (ebd., 89) Bei Hirsch wird unter Bezug  auf A. Lipietz die Kategorie des Akkumulationsregimes wie folgt bestimmt: „Mit dem Begriff Akkumulationsregime wird ein bestimmter Modus der Produktion bezeichnet, >der über eine längere Periode hinweg ein Entsprechungsverhältnis zwischen den materiellen Produktionsbedingungen und ihrer Entwicklung (d.h. dem Volumen des eingesetzten Kapitals, der branchenmäßigen Struktur des Produktionsapparats sowie den Produktionsnormen) sowie dem gesellschaftlichen Verbrauch (Konsumausgaben der Lohnabhängigen und anderer Klassen, kollektiver, d.h. durch >sozial<-staatliche Maßnahmen vermittelter Konsum) gewährleistet.< (...) Abstrakt gesprochen kennzeichnet ein Akkumulationsregime nichts anderes als die >formale Kohärenz< der Wertströme“ (ebd., 88) Ein Akkumulationsregime ist demzufolge ein über Produktion und Konsumtion definierter gleichgewichtiger Kreislauf des Kapitals, weshalb sich dieser erhalten kann. Dieses Akkumulationsregime wird daher als eine in sich geschlossene Reproduktion des Kapitals und damit von politischen bzw. gesellschaftlichen Bedingungen unabhängiger, quasi technischer Prozess bzw. Regelkreis betrachtet. Entsprechend wird die Kategorie der Regulationsweise nur noch in äußerlichem und negativem Bezug zum Akkumulationsregime bestimmt: „Lipietz definiert Regulationsweise demnach als die >Gesamtheit institutioneller Formen, Netze, expliziter oder impliziter Normen, die die Vereinbarkeit von Verhältnissen im Rahmen eines Akkumulationsregimes sichern, und zwar sowohl entsprechend dem Zustand der gesellschaftlichen Verhältnisse als auch über deren konfliktuelle Eigenschaften hinaus< (...). Dazu gehören die Unternehmen und ihre Verbände, Gewerkschaften, Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen, Medien, die gesamte Apparatur des politisch-administrativen Systems und nicht zuletzt die Familie als Ort der Reproduktion der Arbeitskraft. Es umfasst ein komplexes Netzwerk sozialer und kultureller Organisationen und Zusammenhänge, in denen sich die bestimmenden gesellschaftlichen Verhaltensmuster und entsprechende Ordnungs- und Entwicklungsvorstellungen herausbilden.“ (ebd., 89) Die Regulationsweise umfasst damit alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens, welche nicht im Akkumulationsregime enthalten sind. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass die beiden Kategorien des Akkumulationsregimes und der Regulationsweise nur die heute antiquiert wirkenden Marx-Begriffe von der Basis und vom Überbau ersetzen; soweit fällt es schwer, in den beiden Kategorien der Regulationstheorie einen „erweiterten Ökonomiebegriff“ zu sehen, „der die soziale Einbettung ökonomischer Prozesse systematisch berücksichtigt.“ (Hirsch 1994, 159). Entsprechend ist die Aufzählung, was alles zur Regulationsweise bzw. zum Akkumulationsregime gehören soll, sehr allgemein und damit vage bzw. unpräzise. Und es bleibt unklar, warum bestimmte Institutionen oder Verhältnisse entweder dem Akkumulationsregime oder der Regulationsweise zugeordnet werden. Warum gehören „Unternehmen und ihre Verbände“ nicht dem Akkumulationsregime, d.h. als integraler Bestandteil der Kapitalverwertung und –strategien, sondern der Regulationsweise an? Wie soll man sich ein Akkumulationsregime ohne Unternehmen vorstellen? Eine Begründung für die zitierte Zuordnung der Unternehmen zur Regulationsweise wird nicht gegeben oder entwickelt, sondern sie wird einfach gesetzt. Ebenso wenig wird die vorgenommene Aufspaltung der kapitalistischen Vergesellschaftungsweise in ein Akkumulationsregime und eine Regulationsweise begründet. Mit dieser kategorialen Teilung der kapitalistischen Gesellschaft wird diese außerdem in eine theoretische Zwei-Welten-Konzeption überführt, wo die eine Sphäre, welche alle Institutionen, Handlungen, Normen etc. beinhaltet, die Funktionsfähigkeit der anderen Sphäre zu sichern hat, welche als eine Welt der materiellen Produktion und darauf abgestimmter Konsumtion gilt. Nur wenn beide Sphären ihre Aufgaben bzw. Funktionen erfüllen, in dem sie sich >entsprechen<, kann sich trotz aller Konflikte auch eine gesellschaftliche Einheit herausbilden, wodurch die Erhaltung der gesellschaftlichen Ordnung gesichert ist. Damit erfüllen sie ihre einzigartige bzw. funktionale Aufgabe für das ihnen übergeordnete System: die historisch spezifische Formation des Kapitals. Später wird diese Zwei-Welten-Konzeption jedoch vom Autor modifiziert vorgetragen, wenn nun betont wird, dass es zwischen dem Akkumulationsregime und der Regulationsweise ein „Verbindungs- oder Artikulationsverhältnis“ besteht, d.h., sie „müssen als Verknüpfung komplexer und relativ selbständiger Handlungs- und Praxiszusammenhänge betrachtet werden.“ (Hirsch 2005, 90) Aber was soll das bedeuten? Nachdem die kapitalistische Gesellschaft erst in zwei Welten unterteilt wurde, ohne dies zu begründen, wird diese Unterteilung rückwirkend wieder aufgeweicht, wenn von übergreifenden „Handlungs- und Praxiszusammenhängen“ zwischen dem Akkumulationsregime und der Regulationsweise gesprochen wird. Damit wird unter der Hand eingestanden, dass diese vorgenommene Zweiteilung keine in der kapitalistischen Vergesellschaftungsweise liegende Begründung selbst besitzt. Der Sinn und Zweck der Unterscheidung zwischen Akkumulationsregime und Regulationsweise erschließt sich m.E. nur durch die theoretische bzw. funktionalistische Konstruktion, welche die Entwicklung des Kapitalismus in unterschiedliche historische Formationen zwanghaft unterteilen bzw. periodisieren will, um so das zum Dreh- und Angelpunkt erhobene Ordnungsproblem einer in sich zerrissenen Gesellschaft - im Gegensatz zur viel gelobten Systemtheorie - abstrakt zu historisieren. Akkumulationsregime und Regulationsweise sind also keine aus dem Alltag selbst entsprungenen und von den Regulationstheoretikern aufgegriffenen, sondern konstruierte Kategorien, welche einen spezifischen Zweck innerhalb des von den Theoretikern ausgeheckten systemfunktionalistischen Theoriemodells erfüllen, mit dem man der sozialen Wirklichkeit auf die Spur kommen will. Sowohl dieser Theorierahmen als auch die damit konstituierten Begrifflichkeiten werden dann in ihrer Anwendung bzw. Analyse notwendigerweise der fertig vorgefundenen kapitalistischen bzw. empirischen Realität äußerlich übergestülpt. Das empirische Material über die gesellschaftliche Entwicklung erhält dadurch notwendigerweise den Status einer selektiv gehandhabten Illustration zwecks nachträglicher Bestätigung des theoretisch konstruierten Entwicklungsmodells des Kapitals.  

Funktionalistische Modellkonstruktion: alter Hut aufgefrischt? 

So beinhaltet für Hirsch eine „historische Formation“ im Kapitalismus eine Kompatibilität zwischen den beiden regulationistischen Universalkategorien Akkumulationsregime und Regulationsweise und bildet damit „spezifische Praxiszusammenhänge“ heraus, „die durch jeweils eigene strukturelle Bedingungen, Regelmäßigkeiten, soziale Formen und Handlungsmöglichkeiten gekennzeichnet sind.“ (Hirsch 2005, 89; vgl. ders. 1995, 49) Diese Modellkonstruktion der Regulationstheorie ist allerdings nicht neuartig, genauer, sie entspringt einer überarbeiteten und modernisierten systemfunktionalistischen Theorietradition, welcher nun mit gesellschaftskritischen Kategorien und Einsichten ein neues Leben eingehaucht wurde. Denn es gab schon frühere Versuche, die systemfunktionalistische Theorie, welche von ihren Ursprüngen eine auf die Erhaltung der bürgerlichen Gesellschaft bedachter Ansatz war und daher eine politisch konservative Ausrichtung besitzt (vgl. Gouldner 1974), vermeintlich gesellschaftskritisch zu wenden. Eine davon war die Anfang der siebziger Jahre von C. Offe entwickelte Version, welche später in den achtziger Jahren vom selben Autor zur Bestimmung von Dienstleistungsarbeit in modifizierter Fassung wieder herangezogen wurde (Offe 1973 u. 1984; vgl. zur Kritik: Girschner 2003). Grundlegend für diese systemfunktionalistische Theorie mit gesellschaftskritischem Anspruch ist die willkürliche Teilung der kapitalistischen Vergesellschaftungsweise in zwei voneinander zu unterscheidende, aber auf einander angewiesene Sphären bzw. Systemen, weil – so lautete die These - nur so die „Erfordernisse der Systemerhaltung“ unter kapitalistischen Bedingungen hergestellt werden kann (Offe 1973, 33). Ähnlich wie in der Regulationstheorie wird hier zwischen einem System (I) der Ökonomie bzw. des Verwertungsprozesses (Sphäre der „abstrakten Arbeit“) und einem System (II) der >konkreten Arbeit<, d.h. nicht-kapitalistischer Arbeits- und Steuerungsnotwendigkeiten, unterschieden (hierunter wurden u.a. gefasst: liberaler Rechtsstaat, Wahlrecht, sozialstaatliche Sicherung, staatliche Interventions- und Steuerungsinstrumente). Zwecks „Stabilisierung des Verwertungsprozesses“ bedarf es daher in dieser Theoriekonstruktion ein „Verhältnis der funktionalen Komplementarität zwischen ökonomischen System und dessen politisch bestimmten Rahmenbedingungen“ (ebd., 34ff.). Die historisch wachsende Komplexität des ökonomischen Systems (I) bedarf nämlich im wachsenden Maße die „Notwendigkeit, die Kapitalbewegung in allen ihren Phasen zum Gegenstand leitender, verwaltender, verteilender, planender usw. Tätigkeit zu machen.“ (ebd., 49)[2]  Auch hier lautet das zentrale Grundproblem, an dem sich die Theoretiker abarbeiten, wie eine Gesellschaftsordnung überhaupt zustande kommt und sich erhalten kann, wo diese doch aus gegeneinander konkurrierenden Privatproduzenten besteht und damit nur konflikt- und krisenbeladen funktionieren kann, also beständig in ihrem Bestand gefährdet ist. So kann dieser systemfunktionalistische Grundgedanke von Offe auch mit Sätzen von Hirsch ausgedrückt werden: „Der Selbstverwertungsprozess des Werts (...) garantiert keinesfalls Bestand und Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft. Seine inneren und äußeren Widersprüche erzwingen eine auf die materielle Reproduktion, die Ordnung und den Erhalt der Gesellschaft insgesamt gerichtete, außerhalb des Verwertungsprozesses selbst stehende Tätigkeit.“ (Hirsch 1994, 167) Bei Hirsch übernimmt, genauso wie bei Offe, diese „außerhalb des Verwertungsprozesses selbst stehende Tätigkeit“ der Staat (ebd., 168). Der Unterschied zur Regulationstheorie besteht also darin, dass sich Offe mit den recht schlicht geratenen dichotomischen Begrifflichkeiten >abstrakte Arbeit< und >konkrete Arbeit< begnügt, während die Regulationstheoretiker das gelehrig klingende Begriffspaar Akkumulationsregime/Regulationsweise verwenden. Dies ist jedoch nicht der einzige Unterschied zwischen diesen beiden systemfunktionalistischen Ansätzen. Denn in dem Offe`schen Modell der systemfunktionalistischen Erklärung der kapitalistischen Selbsterhaltung wird von einer historisch linearen Entwicklung und Entfaltung des kapitalistischen Verwertungsprozesses ausgegangen, welche wachsende Steuerungs- und Legitimationsprobleme verursacht, während im Gegensatz dazu die Regulationstheorie eine diskontinuierliche Entwicklung des Kapitals in der Gestalt von historisch spezifischen Formationen unterstellt. Letzteres ist die entscheidende Innovation gegenüber dem alten systemfunktionalistischen Ansatz von Offe. Nichtsdestotrotz ist beiden Ansätzen gemein, dass sie die kapitalistische Vergesellschaftungsweise willkürlich in zwei funktional aufeinander angewiesene Teilsysteme aufspalten und sich das selbst gestellte Grundproblem versuchen zu beantworten, wie das kapitalistische Gesamtsystem sich trotz seiner auf Konkurrenz, Individualisierung und Konflikten basierenden Struktur auf Dauer erhalten und reproduzieren kann. Insoweit kann festgehalten werden, dass der regulationstheoretische Ansatz als eine Art Modernisierung bzw. Fortentwicklung früherer systemfunktionalistischer Ansätze mit gesellschaftskritischem Anspruch angesehen werden muss, wo das gleiche theoretische Instrumentarium zur Analyse der kapitalistischen Vergesellschaftungsweise verwendet wird. Dementsprechend wird beispielsweise bei Hirsch die nachstehende systemfunktionalistische Fragestellung als ein ernstzunehmendes Problem der Theorie dargestellt: „Wie also werden die sozialen Akteure dazu veranlasst, in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Reproduktion des Kapitals zu handeln?“ (Hirsch 1994, 185) Diese Frage findet ihre Antwort in der für den Funktionalismus typischen und inhaltlich entleerten Binsenweisheit, dass die Strukturen die Handlungen der Akteure vorweg determinieren, ansonsten würden sie ja  auch nicht mehr in „Übereinstimmung mit den Erfordernissen“ des Kapitals stehen: „Die augenscheinliche Stabilität der kapitalistischen Gesellschaft in ihren jeweiligen historischen Ausprägungen, d.h. das Gelingen von Regulation, beruht darauf, dass subjektive Orientierungen und gesellschaftliche Handlungen immer schon sozial >geformt< und in entsprechende vorgegebene institutionelle Zusammenhänge eingebettet sind.“ (ebd., 186)[3]

Eine Folge dieser funktionalistischen Grundlage der Regulationstheorie bei Hirsch kann man darin sehen, dass die kapitalistische Vergesellschaftungsweise nicht mehr als erklärungsbedürftig gilt, sondern nur noch das Material liefert, die zum Absolutum erhobene Bestandsstabilität oder –instabilität einer >historischen Formation< innerhalb der kapitalistischen Entwicklung zu belegen bzw. zu deuten. Eine allgemeine Untersuchung bzw. Erklärung und historisch-konkrete Darstellung der kapitalistischen Konkurrenzverhältnisse und Akkumulationsbedingungen wird daher weitgehend ersetzt durch eine Auflistung von Merkmalen, die die konstitutive Zerrissenheit der Gesellschaft und damit das Bestandserhaltungsproblem belegen sollen, wie die folgende: So muss „man von der besonderen Art und Weise der Vergesellschaftung im Kapitalismus ausgehen. Sie ist gekennzeichnet durch das Privateigentum an Produktionsmitteln, Lohnarbeit, Privatproduktion, Warentausch und Konkurrenz.“ (Hirsch 2005, 20f.) Oder es wir ausgeführt: „Jede kapitalistische Gesellschaft ist grundlegend durch den Akkumulationsprozess des Kapitals geprägt. Dieser wird durch eine bestimmte Form der Mehrwertproduktion – abhängig von der Produktionstechnik, der Arbeits- und Unternehmensorganisation, den Marktverhältnissen usw. – gekennzeichnet. Er schließt eine spezifische Art und Weise der Verteilung der produzierten Werte auf soziale Gruppen und Klassen, der Lebensweisen und Konsummuster sowie der Verbindung >kapitalistischer< und >nichtkapitalistischer< Produktionsweisen – z.B. kleinhandwerkliche und häusliche – ein. Der Akkumulationsprozess weist dann eine relative Stabilität und Dauerhaftigkeit auf, wenn er in ein Netz gesellschaftlicher Institutionen und Normen eingebettet ist, die dafür sorgen, dass sich die Menschen in Übereinstimmung mit den jeweiligen Bedingungen der Akkumulation verhalten, als entsprechende Arbeits-, Lebens- und Konsumweisen sowie bestimmte Formen der Interessenwahrnehmung praktizieren. Er muss mit einem System der gesellschaftlichen Regulation verbunden sein.“ (Hirsch 1995, 48) Mehr als diese sehr allgemein gehaltenen Aussagen über die Grundlagen der kapitalistischen Konkurrenzverhältnisse und Akkumulationsbedingungen findet man bei Hirsch kaum. Hier werden letztlich nur noch die gesellschaftskritischen Kategorien aus der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie einerseits aufgegriffen und aneinandergereiht, andererseits mit der strukturfunktionalistischen Ordnungsproblematik in Beziehung gesetzt, statt diese ansatzweise ökonomisch-qualitativ und in ihrem Zusammenhang zu entwickeln und zu erklären, um sie so für eine historisch-konkrete Analyse fruchtbar zu machen. 

Omnipotenter Regulationsprozess: immer im Dienste des Kapitals?

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, wenn auch die Kategorien Macht und Herrschaft zu wechselseitig austauschbaren Kategorien werden: So wird der Staat zu einem „Herrschaftsapparat“ (Hirsch 2005, 19), welcher von den „ökonomisch herrschenden Klassen getrennt (ist), politische und ökonomische Herrschaft sind nicht mehr unmittelbar identisch“ (ebd.) Was Macht ist und wodurch diese sich von Herrschaft unterscheidet, kann freilich auf dieser Grundlage nicht mehr erklärt werden, nachdem man den Staat zu einem Herrschaftsapparat erklärt hat. Dementsprechend werden Macht und Herrschaft bei Hirsch an keiner Stelle seiner Publikationen weder definiert noch sozioökonomisch bestimmt. Dies liegt m.E. daran begründet, dass diese Kategorien so gut wie keine Bedeutung sowohl in seiner Theorie als auch in der Beschreibung der politik-ökonomischen Formation des Fordismus bzw. Post-Fordismus einnehmen, weil sie weitgehend zugunsten eines angeblich in der Gesellschaft selbst waltenden, anonym-objektivistischen und alles ergreifenden >Regulationsprozesses< ersetzt wurden. Diese die Herrschafts- und Machtkategorie verdrängende Omnipotenz eines Regulationsprozesses ist vor allem auf die strukturfunktionalistische Positionierung des Autors zurückzuführen ist. Denn dort, wo es nur noch um den Erhalt bzw. Bestand eines in sich zerrissenen >Systems< bzw. einer Gesellschaftsordnung geht, muss unweigerlich die nur inhaltlich zu bestimmende Analyse konkreter und sich verändernder Herrschafts- und Machtverhältnisse dieser objektivistisch-funktionalistischen Betrachtungs- und Analyseweise unterschiedslos untergeordnet werden, wodurch diese zu einer vernachlässigenden Größe zusammenschrumpfen. Dementsprechend heißt es exemplarisch bei Hirsch: „Indem der Prozess der Regulation den Klassenkonflikt in eine mit der Akkumulation des Kapitals verträgliche Form bringt und eben dadurch den materiellen Produktionsprozess stabilisiert, rechtfertigt er sich bei den betroffenen Menschen gewissermaßen von selbst.“ (ebd., 92) Offenbar ist der „Prozess der Regulation“ für Hirsch ein allmächtiger und über den Klassen stehender Mechanismus, welcher die wundersame Eigenschaft besitzt, alle Konflikte vorausschauend mit den Erfordernissen der Kapitalakkumulation - die deshalb jenseits dieser Auseinandersetzungen als eigengesetzliche Sphäre zu begreifen wäre – und so mit den Bestandsbedingungen der jeweiligen historischen Formation des Kapitals in Einklang zu bringen. An anderer Stelle wird diese Äußerlichkeit zwischen den Handlungen der Akteure, einschließlich die damit zum Ausdruck kommenden Herrschafts- und Machtverhältnisse, mit der Kapitalakkumulation wie folgt gerechtfertigt, wenn betont wird, dass die Regulation „erst zu garantieren vermag, dass die in einer fundamentalen Antagonismen geprägten Gesellschaft immer divergierenden Handlungen von Individuen, Gruppen oder Klassen durch politisch-soziale Kämpfe und Konflikte hindurch mit den Bedingungen der Kapitalverwertung kompatibel werden können.“ (Hirsch 1992, 219) Der ominöse und allmächtige Mechanismus der Regulation, so wird später wiederholt, macht die „Gegensätze“ in der Gesellschaft stets „mit der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtzusammenhangs vereinbar“ (ebd., 220), d.h., dass nur über den Mechanismus der Regulation die Gesellschaft „über ihre Antagonismen und Widersprüche hinweg Bestand und Dauer erhält.“ (Hirsch 2005, 96) Letztendlich bleiben viele Fragen unbeantwortet, da ja der Begriff der Regulationsweise wie aus der Pistole geschossen, also ohne Begründung von Hirsch bzw. den Regulationstheoretikern in die Gesellschaftsanalyse eingeführt wurde, d.h. vor allem, weder dessen Genese noch dessen soziale Qualität wird bestimmt. Wer oder was institutionalisiert  bzw. steuert diesen Regulationsprozess? Und seit wann gibt es diesen ominösen wie omnipotenten Steuerungsmechanismus, welcher sich außerdem über alle angeblich sich historisch entwickelnden Formationen des Kapitals erhält? Wie schafft dieser Regulationsprozess es, die gesellschaftlichen Gegensätze stets mit den Erfordernissen des Kapitals >kompatibel< zu machen? Woher weiß der Regulationsprozess im voraus, was die jeweiligen Erfordernisse des Kapitals sind? Wieso stehen sich die gesellschaftlichen Herrschafts- und Machtverhältnisse bzw. –konflikte der Kapitalakkumulation und dessen Erfordernisse überhaupt äußerlich gegenüber und müssen immer erst noch nachträglich mit dieser durch den offenbar allgegenwärtigen >Regulationsmechanismus< miteinander vereinbar gemacht werden? Kurz um, die konkret zu untersuchenden Herrschafts-, Macht- und Kräfteverhältnisse in der kapitalistischen Gesellschaft und damit die verschiedenen miteinander kooperierenden wie gegeneinander kämpfenden >Akteure<, sowie die daraus entspringenden Folgen bzw. Konsequenzen, gehen bei Hirsch in den abstrakten, anonymen, omnipotenten und allgegenwärtigen Mechanismus der Regulation auf bzw. verschwinden darin, weil eben nur dieser die Kompatibilität mit der eigengesetzlich gefassten Sphäre des Kapitals ermöglicht und so den Zusammenhalt und damit den Bestand des Systems sichert. Aus diesem Grund spielen die handlungstheoretisch zentralen Kategorien der Macht und Herrschaft bei Hirsch keine entscheidende Rolle mehr in der Analyse der kapitalistischen Entwicklung, da ja die >Regulation< alles steuert und so den gesellschaftlichen „>Prozess ohne Subjekt<“ (Hirsch/Roth 1986, 38) konstituieren soll.

Ökonomismus oder Klassenkampf? 

Nichtsdestotrotz heißt es bei Hirsch, dass der „Akkumulationsprozess des Kapitals immer Klassenkampf“ ist (Hirsch 2005, 110; ders. 1994, 184; ders. 2002, 70), aber sehr ernst scheint diese „allgemeine Feststellung“ nicht gemeint zu sein. Jedenfalls wird nicht dargestellt, was diese Aussage alles impliziert. Vielmehr wird nur noch ergänzt: Diese >allgemeine Feststellung< „kann somit konkretisiert werden, dass diese Auseinandersetzung eben nicht nur auf dem Feld der Löhne und Arbeitsbedingungen, sondern auch im gesamten politischen Raum stattfinden: Es gibt keinen Politikbereich, der nicht in irgendeiner Weise auf den Akkumulationsprozess des Kapitals bezogen wäre.“ (Hirsch 2005, 110) Diese Aussage ist recht trivial und umgeht das entscheidende Problem in der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Politik und Ökonomie: die Problematik des Werts und Gebrauchswerts der Ware Arbeitskraft für die kapitalistische Ökonomie. So ist es auch nicht verwunderlich, wenn man in seiner Argumentation keine Ausführungen über die Rolle und Bedeutung der Ware Arbeitskraft in der kapitalistischen Produktion findet, d.h. über die schon bei Marx angelegte Problematik der >objektiven< Bestimmung sowohl des Werts der Ware Arbeitskraft als auch des Gebrauchswerts der Ware Arbeitskraft für das Kapital. Dabei sind beide Aspekte zentral für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Politik und Ökonomie in der kapitalistischen Ökonomie. Nur wenn diese Aspekte geklärt sind, kann auch die Aussage von Hirsch, dass die Kapitalakkumulation beständiger Klassenkampf bedeutet, für eine kritische Gesellschaftstheorie in Anspruch genommen und für eine kritische Analyse der Gesellschaft fruchtbar gemacht werden. Man findet bei Hirsch in seinen zahlreichen Publikationen der letzten zwanzig Jahren deswegen auch nur eine kurze Passage zur Bestimmung der Ware Arbeitskraft. Dort heißt es kurzerhand: „Die Besitzer der Produktionsmittel, die Kapitalisten, kaufen Arbeitskraft, um Waren für den Markt zu produzieren. Sie tun dies deshalb, weil die Arbeitskraft in der Lage ist, mehr Wert zu schaffen, als sie selbst wert ist, wobei der Wert einer Ware, auch der Arbeitskraft, durch die unter den jeweiligen historischen Bedingungen zu ihrer (Re-) Produktion durchschnittlich gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt wird.“ (ebd., 21) Soweit geht Hirsch wie Marx völlig unproblematisiert davon aus, dass der Wert Ware Arbeitskraft wie jede andere Ware gebildet wird. In diesem Zusammenhang erscheint eine frühere Aussage von Hirsch höchst interessant, da diese die eben zitierte Aussage über die Bestimmung des Werts der Ware Arbeitskraft unterstreicht. Dort wird ausgeführt: „Die profit-squeeze-Theorie begründet also >strukturelle< Krisenprozesse nicht aus der inneren Widersprüchlichkeit des Kapitalverhältnisses, sondern mit aus >politischen< Klassenkräfteverhältnissen sich ergebenden Verteilungsrelationen. Sie argumentiert also nicht werttheoretisch.“ (Hirsch/Roth 1986, 35) Damit wird ausgedrückt, dass die „im (politischen) Verteilungskampf erreichten materiellen Erfolge der Lohnabhängigen und ihr erfolgreicher Widerstand gegen die Intensivierung der Ausbeutung“ (ebd.) keine Implikationen für die ökonomisch-quantitative Entwicklung des Wertes haben sollen. Diese Aussage klingt auf dem ersten Blick recht verwunderlich, da ja der Autor selbst davon spricht, dass die Kapitalakkumulation beständiger Klassenkampf bedeutet, aber offensichtlich ist oder bleibt dieser Kampf um den Wert und Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft der Verwertung des Werts völlig äußerlich. Letzteres ist wiederum konsequent, da Hirsch ja davon ausgeht, dass der Wert der Ware Arbeitskraft wie jede andere Ware auch gebildet wird. Dies impliziert vor allem eines, dass es einen objektiv gegebenen Wert der Ware Arbeitskraft jenseits des politischen Kampfes geben muss, wobei dann der Klassenkampf nur noch marginal oder kosmetisch den Wert der Ware Arbeitskraft nach oben oder nach unten drücken kann, diesen aber nicht selbst konstituiert. Die kapitalistische Ökonomie oder das jeweilige Akkumulationsregime bildet demzufolge für Hirsch eine autonome, also in sich abgeschlossene ökonomisch-quantitative Sphäre, welche eine entsprechende objektiv-ökonomische Gesetzmäßigkeit konstituiert und damit den Handlungen bzw. Kämpfen stets vorausgesetzt ist. Dies stellt zugleich die Grundlage für die oben zitierte Lobeshymne von Hirsch auf die Systemtheorie dar. Entsprechend wird der profit-squeeze-Theorie vorgeworfen, dass diese „einem quasi handlungstheoretischen bias“ unterliegt und deswegen „übersieht“, „dass es immer noch das Kapital selbst und die von ihm >objektive<, hinter dem Rücken der Akteure gesetzten Strukturen sind, welche entscheidende Bedingungen von Klassenkämpfen und Krisenprozessen setzen.“ (Hirsch/Roth 1986, 36f.) Mit dieser objektivistischen Bestimmung der ökonomisch-quantitativen Struktur des Kapitals ist die oben zitierte Bestimmung des Wertes der Ware der Arbeitskraft wie jede andere Ware unlösbar miteinander verknüpft. Denn mit der objektivistischen Bestimmung des Gebrauchswerts und Werts der Ware Arbeitskraft entgeht Hirsch, dass die ökonomisch-quantitative Seite des Kapitals beständiger politischer Kampf bedeutet, weil die Arbeitskraft nicht eine Ware wie jede andere ist, vielmehr keine Ware ist, höchstens im rein formellen Sinne, denn ihr Wert und Gebrauchswert konstituieren sich nur im und durch den politischen Kampf. Dies bedeutet, dass sich der ökonomisch-quantitative Wert im Gegensatz zu seiner qualitativen Seite nur durch permanente politische Herrschaftsauseinandersetzungen zwischen den Kapitalbesitzenden und der Klasse der Lohnabhängigen konstituiert und erhält. Der selbstzweckhaft vermehrende Wert ist deshalb als innerer >Motor< der kapitalistischen Entwicklung selbst ein politisches Kampf- und Herrschaftsverhältnis zwischen den Klassen und stellt somit eine politische Kategorie dar. Es ist der die ganze Gesellschaft durchziehende und bestimmende andauernde Kampf um die Lebens- und Arbeitsbedingungen, der die Kapitaldynamik von innen antreibt, dieser also nicht äußerlich hinzuaddiert werden kann, weshalb die vermeintlich eherne ökonomische >Struktur<, auch in der Gestalt eines Akkumulationsregimes, als unerbittlicher Sachzwang für das politische Handeln durch diesen Kampf selbst konstituiert und bestimmt ist, damit aber auch ökonomisch-quantitativ völlig unbestimmt bleibt. So wenig es einen von der politischen Kampfsituation unabhängigen oder äußerlichen „Wert der Ware Arbeitskraft“ gibt (Lohnhöhe, Familienform, sozialstaatliche Sicherungs- und Reparatursysteme), so wenig existiert der Gebrauchswert der Arbeitskraft (Extensität und Intensität der Arbeit, Arbeitsbedingungen, -schutz etc.) wie die angewandte Produktionstechnologie und -organisation jenseits dieses politischen Kampfes. Auch die dem Kapital innewohnende Produktivitätssteigerung setzt diese Feststellung nicht außer Kraft. D.h. vor allem, die Kapitalverwertung, einschließlich die damit einhergehende Reichtums- und Einkommensverteilung, und damit die vielfach angeführten ehernen >ökonomischen Gesetze des Kapitals< haben „außerhalb des Klassenkampfes keinen Sinn, keinen angebbaren Inhalt“ (Castoriadis 1990, 56; vgl. Girschner 1999, 279ff.) Da Hirsch all dies gar nicht thematisiert und bestimmt, vielmehr an der Fiktion eines objektiv gegebenen Gebrauchswerts und Werts der Ware Arbeitskraft festhält, kann er weder sein Postulat, das Kapitalakkumulation Klassenkampf ist, einlösen, noch den bei Marx angelegten Ökonomismus überwinden. Kapitalistische Ökonomie und Klassenkampf stehen sich deswegen in der Theorie von Hirsch äußerlich gegenüber, auch wenn rhetorisch oftmals das Gegenteil behauptet wird, weshalb der omnipotente Regulationsprozess den Klassenkampf immer erst nachträglich mit den Erfordernissen der Kapitalverwertung vereinbar machen muss. Die dichotomische Konstruktion eines Akkumulationsregimes und Regulationsweise ist die Folge dieser Äußerlichkeit zwischen kapitalistischer Ökonomie und Klassenkampf bei Hirsch. Dies bildet wiederum die Grundlage für eine ökonomistische Krisentheorie, welche die postulierte Abfolge historisch spezifischer Formationen innerhalb der kapitalistischen Entwicklung erklären, rechtfertigen und garantieren soll.[4]

Dialektik zwischen Akkumulationsregime und Regulationsweise: Geschichtsphilosophische Krisentheorie wiederbelebt?

Da die kapitalistische Entwicklung in historisch spezifischen Formationen periodisiert werden soll, welche unterschiedliche Gleichgewichts- und damit Bestandsbedingungen darstellen, muss es auch eine Krisentheorie geben, die den Untergang einer Formation und die Entstehung einer neuen Formation begründet. Wie gerät also für die Regulationstheorie eine Formation des Kapitalismus in die Krise? Hirsch behauptet, dass jede „historische Formation des Kapitalismus (...) ihre eigene Krise (hat)“ (Hirsch 2005, 111; ders. 1995, 62). Trotzdem entwickelt Hirsch entgegen seines eigenen Postulats eine allgemeingültige Krisentheorie für alle historischen Formationen. Hierbei bleibt er seiner strukturfunktionalistischen Grundargumentation treu. Deshalb ist für ihn eine Krise in erster Linie eine Frage der Inkompatibilität zwischen zwei aufeinander bezogenen, aber von einander unabhängigen Strukturen oder Welten, also zwischen dem Akkumulationsregime und der Regulationsweise. Zuerst wird erneut bei Hirsch darauf hingewiesen, dass sowohl das jeweilige Akkumulationsregime als auch die dazugehörige Regulationsweise „jeweils eigene Strukturen und Entwicklungsdynamiken aufweisen.“ (Hirsch 2005, 108) Dieser Aspekt ist zentral für die Krisenerklärung, denn diese besteht in der These, dass das Akkumulationsregime mit der Regulationsweise kollidiert und damit die Krise einer historischen Formation verursacht. Dabei gilt das Akkumulationsregime als die dynamische, sich entwickelnde und umwälzende Sphäre der Produktion und des Profits, damit den oben kritisierten Ökonomismus bestätigt und fortsetzt, während die Regulationsweise mit dieser Dynamik nicht mit halten kann, vielmehr eine institutionelle „Starrheit“ und „Trägheit“ besitzt (Hirsch 1994, 201), also immer dem Akkumulationsregime hinterherhinkt, bis es deswegen zur „Kollision“ und damit zur „großen Krise“ der Formation kommen muss: „Das heißt, dass die jeweils bestehende Form der Institutionalisierung von Klassenbeziehungen und sozialen Kräfteverhältnissen nicht unbeschränkt flexibel und anpassungsfähig sein kann. Dies muss früher oder später dazu führen, dass die Profitabilität des Kapitals im Rahmen der bestehenden Akkumulations- und Regulationsweise abnimmt, das kapitalistische Wachstum ins Stocken gerät und damit eine Krise der ganzen gesellschaftlichen Formation entsteht.“ (Hirsch 2005, 109) Auf den Punkt gebracht heißt es später auch: „Die Kapitalakkumulation stockt, wenn ihre Dynamik mit dem bestehenden Regulationssystem in Kollision gerät und dadurch der Verwertungsprozess in Frage gestellt wird. Die dadurch ausgelöste Krise untergräbt die bestehenden gesellschaftlichen Übereinkünfte.“ (ebd., 111; vgl. ders. 1994, 200f.) Krisen des Kapitalismus gelten damit als „>Entkoppelung< von Akkumulationsregime und Regulationsweise“ (Hirsch 1994, 200). Ein krisenfreier Kapitalismus wäre nach dieser Interpretation aber durchaus möglich, wenn eben die Regulationsweise flexibel auf die Veränderungen innerhalb des Akkumulationsregimes reagieren könnte, also eine größere Anpassungsfähigkeit besitzen würde: „Ungeachtet der umwälzenden Dynamik des Akkumulationsregimes wäre eine relativ störungsfreie Entwicklung des Kapitalismus unter der Bedingung denkbar, dass sie von kontinuierlichen Veränderungen der institutionellen Konfiguration und Klassenverhältnisse – (...) – begleitet wäre.“ (Hirsch 2005, 110) Jedoch ist dies nur theoretisch der Fall, da daran festgehalten wird,  dass das „institutionelle regulative System (...) eingebaute(n) Inflexibilitäten“ besitzt. Allerdings entwickelt Hirsch noch eine weitere krisentheoretische Variante, die diesmal davon ausgeht, dass die vorher als inflexibel und starr bezeichnete Regulationsweise auf einmal auch eine unverhoffte „Eigendynamik“ entfalten kann, welche deshalb mit dem Akkumulationsregime kollidiert und damit eine Formationskrise verursacht: „Auf der anderen Seite gibt es Prozesse im regulativen System etwa die Eigendynamik sozialstaatlicher Regelungen, ideologische Auseinandersetzungen oder Formen der Parteikonkurrenz, die, wenn nicht krisenverursachend, so doch krisenauslösend und –verschärfend wirken können.“ (ebd., 111) Was aber der inhaltliche Unterschied zwischen krisenauslösend und krisenverursachend sein soll, wird leider nicht benannt.

Die Ursache einer Krise einer historischen Formation des Kapitals soll nach Hirsch also vor allem in der Kollision zwischen dem sich dynamisch entwickelnden Akkumulationsregime und der vergleichsweise trägen Regulationsweise liegen. Jedoch kollidiert diese Krisendiagnose mit Postulaten von Hirsch über das Verhältnis zwischen Akkumulationsregime und Regulationsweise, welche er vor der Darlegung seiner Krisentheorie benannte. Denn dort heißt es unmissverständlich: „Mit Akkumulationsregime und Regulationsweise werden demnach nicht in sich abgeschlossene und nur äußerlich miteinander verbundene gesellschaftliche Räume oder Ebenen bezeichnet, sondern spezifische Praxiszusammenhänge, die durch jeweils eigene strukturelle Bedingungen, Regelmäßigkeiten, soziale Formen und Handlungsmöglichkeiten gekennzeichnet sind.“ (ebd., 89) Wenn man den Autor hier richtig versteht, wird behauptet, dass das Akkumulationsregime und die Regulationsweise nicht äußerlich miteinander verbunden sind, sondern vielmehr miteinander verzahnte „spezifische Praxiszusammenhänge“ bilden. Aber nimmt man diese Aussage ernst, kann dies ja nichts anderes bedeuten, dass einerseits implizit eingestanden wird, dass es unmöglich ist, die kapitalistische Vergesellschaftungsweise zwischen einem Akkumulationsregime und einer Regulationsweise, also in zwei voneinander getrennte Sphären aufzuteilen (wozu also dann diese Unterscheidung erst einführen?), andererseits wird zugleich der oben dargestellten Krisentheorie die Grundlage genommen. Denn, wenn Akkumulationsregime und Regulationsweise zwei miteinander verzahnte Praxiszusammenhänge bilden, wie sollen diese dann plötzlich miteinander in Kollision geraten und damit eine Krise einer historischen Formation auslösen. Letzteres setzt eben voraus, dass das Akkumulationsregime und die Regulationsweise, wie dies Hirsch in seiner Krisentheorie selbst betont, zwei eigenständige und sich äußerlich gegenüberstehende Sphären oder Strukturen mit eigenen und deshalb voneinander unabhängigen Entwicklungsverläufen darstellen. Welche der beiden Aussagen über das Verhältnis zwischen Akkumulationsregime und Regulationsweise soll man denn nun bei Hirsch ernst nehmen? Darüber hinaus folgt diese allgemeine Krisentheorie einem alten und recht bekannten Erklärungsmuster. Denn: Das der allgemeinen Krisentheorie zugrunde liegende Schema von Hirsch wurde schon mit etwas anderen Begrifflichkeiten von einem Autor als „Leitfaden“ für historische Untersuchungen entwickelt, wenn dieser formulierte: „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. (...) Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen (...), innerhalb deren sie sich bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.“ (Marx 1859, 8f.) Ersetzt man hier die von Marx verwendeten Begriffe der Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse, Überbau, welche den sogenannten „Historischen Materialismus“ als Dialektik zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen konstituieren (zur Kritik: Reichelt 1983; Kunkel 1987), durch die Begriffe Akkumulationsregime, Regulationsweise und hegemoniales Projekt, so erhält man mehr oder weniger die von Hirsch konzipierte allgemeingültige Krisentheorie in ihrem Grundschema (bzw. in ihrer ahistorischen Mechanik) für jede historische Formation des Kapitalismus. Ebenso wiederholt sich in der zitierten Passage von Marx der funktionalistische Sprachgebrauch der Regulationstheorie in der Gestalt von „entsprechen“ und >bedingen<, bis es eines Tages zum „Widerspruch“ zwischen den sich entwickelnden Produktivkräften und zurückbleibenden Produktionsverhältnissen bzw. zwischen Akkumulationsregime und Regulationsweise kommen muss. Auch der „Überbau“ besitzt - ähnlich wie bei Hirsch die Regulationsweise bzw. das hegemoniales Projekt – entweder eine >Starrheit< und >Trägheit< oder eine eigene >Dynamik< (Hirsch) bzw. wälzt sich „langsamer oder rascher um“ (Marx). Entsprechend seines von Marx übernommenen krisentheoretischen Schemas der Dialektik zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnis sah Hirsch beispielsweise die Ursache der Krise der fordistischen Formation in der Erschöpfung des Produktivitätswachstums bzw. der Produktivkräfte: „Die grundlegende Krisenursache ist darin zu sehen, dass die in der tayloristischen Arbeitsorganisation liegenden Produktivitätsreserven und damit die Möglichkeit zur kontinuierlichen Erhöhung der relativen Mehrwertrate (?; C.G.) sich mehr und mehr erschöpft hatten“ (Hirsch/Roth 1986, 79; ders. 1995, 84; zur grundsätzlichen Kritik an dieser empirisch und theoretisch schwer haltbaren Krisenerklärung: Hübner 1988). Der entscheidende Unterschied zwischen der Krisentheorie von Marx und Hirsch besteht dann nur noch darin, dass Marx seinen Ansatz für die gesamte Menschheitsgeschichte für gültig erachtete, während Hirsch diese historisch begrenzt, nämlich als das Periodisierungskriterium für die kapitalistische Entwicklung schlechthin. Mit dieser weitgehend aus dem Historischen Materialismus übernommenen, ahistorischen und begrifflich veränderten Krisenerklärung für die kapitalistische Entwicklung bzw. für die Entstehung und den Untergang von historischen Formationen des Kapitalismus wird Hirsch freilich seinem eigenen Anspruch nicht mehr gerecht, der eben davon ausging, dass jede historische Formation ihre eigene bzw. besondere Krise besitzt, deshalb diese im einzelnen untersucht werden müsste. Das Fehlen einer allgemeinen bzw. formationsübergreifenden Krisentheorie wäre jedoch mit der behaupteten Abfolge von historisch spezifischen Formationen des Kapitals unvereinbar, denn damit würde auch der diese Abfolge garantierende bzw. ewig bürgende  Mechanismus fehlen. Freilich würde dann die theoretische Konstruktion über die Entwicklungsweise des Kapitalismus in historisch besondere und unendlich aufeinander folgende Formationen des Kapitals wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen; damit hätte sich dann auch die Regulationstheorie erledigt. So stellt sich darüber hinaus die Frage, ob Hirsch mit seiner allgemeingültigen Krisen- und Entwicklungstheorie der kapitalistischen Entwicklung nicht einen bei Marx angelegten und nun in leicht veränderter Fassung mitgeschleppten geschichtsphilosophischen Ansatz reproduziert und damit neben der ökonomistischen Bestimmung der kapitalistischen Ökonomie einen weiteren fragwürdigen Traditionsbestand des >Marxismus< in neuer Gestalt zum Leben wiedererweckt hat.

Historische Formationen: Frage des allgemeinen Bewusstseins? 

Des Weiteren bleibt für Hirsch die Frage nach der Existenz einer großen Krise einer historischen Formation merkwürdigerweise nicht von ökonomisch-objektiven bzw. nachprüfbaren Daten und Kriterien abhängig, sondern ist vor allem ein Problem der Legitimation: „große gesellschaftliche Krisen werden dann Realität, wenn die bestehenden Lebens- und Arbeitsweisen, Institutionen, sozialen Konsens, Leitbilder und Wertevorstellungen umfassend in Frage gestellt werden, ihre Legitimation und Gültigkeit verlieren. Dieser Vorgang ist es, der vorhandene Akkumulations- und Regulationsweisen schließlich zum Zusammenbruch bringt“ (Hirsch 2005, 113). Auf dieser Grundlage wird die >große Krise< einer Formation und das Entstehen einer neuen für Hirsch zu einer Frage des allgemeinen Bewusstseins bzw. der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Subjekte erhoben: „Insofern (...) ist es müßig, die Frage nach dem Ende oder dem Weiterbestehen des fordistischen Nachkriegskapitalismus an objektiven Daten festzumachen. Entscheidend ist vielmehr das sich allgemein durchsetzende Bewusstein, dass das bis dahin herrschende Gesellschaftsmodell ausgedient hat, seine Grundlagen entfallen sind und dass es keine Perspektive mehr zu bieten vermag.“ (ebd., 113) Deshalb soll oder darf man nicht harte „Faktoren“ wie „etwa“ den „Fortbestand tayloristischer Produktionsorganisationen oder keynesianischer Staatsinterventionsmodi“  für die Bestimmung einer historischen Formation des Kapitalismus heranziehen (Hirsch 1994, 204), welche jedoch nach der ursprünglichen Intention der Regulationstheorie ein historisch spezifisches Akkumulationsregime mit entsprechender Regulationsweise auszeichnen sollte. Kurz, es wäre vielmehr „eine Frage der Selbstinterpretation der Gesellschaft“ (ebd., 204), ob es eine neue historische Formation des Kapitalismus gibt oder nicht. Schließlich wurde der Leser davor in Kenntnis gesetzt, dass jedes „Akkumulationsregime und jede Regulationsweise (...) einer hegemonialen Abstützung (bedarf), um Kontur und relative Stabilität zu gewinnen.“ (Hirsch 2005, 98) Mit dieser Argumentation entzieht man sich jedoch bewusst jeder empirischen Überprüfbarkeit und öffnet der Willkür Tür und Tor. Denn so bereitet man einerseits den Weg für eine selektive Darstellung und Interpretation der politik-ökonomischen Entwicklung, andererseits immunisiert man sich gleichzeitig gegen jede Kritik an der vorgenommenen Periodisierung des Kapitalismus in historisch unterschiedliche Formationen, da es letztendlich nur noch eine sehr subjektive Deutungs- und Auslegungsfrage des empirischen Materials ist, ob sich schon eine historische Formation des Kapitals herausgebildet hat oder nicht.

Wie man allerdings unter dieser Prämisse überhaupt noch historisch unterschiedliche Akkumulationsregime klar und eindeutig voneinander unterscheiden soll, ohne in beliebige Annahmen und Behauptungen abzugleiten, bleibt das große Geheimnis des Autors. Es unterminiert zugleich die eigene Basis der Regulationstheorie, wonach der Kapitalismus sich historisch eindeutig in der Gestalt unterschiedlicher Formationen der Produktion, Distribution und Konsumtion fortentwickelt. Dies ist ja der entscheidende Ausgangspunkt der Regulationstheorie gewesen, um auf dieser Grundlage die Kategorien des Akkumulationsregimes einzuführen. Nun erfährt man aber, dass man dies nicht allzu wörtlich nehmen soll. Letzteres ist das indirekte Eingeständnis, dass die krisentheoretisch begründete Mechanik einer unendlichen Abfolge von historisch verschiedenen Formationen des Kapitalismus eines fehlt: die eindeutigen Unterscheidungskriterien. Diese Problematik spiegelt sich auch in den gebrauchten Formationsbegrifflichkeiten Fordismus/Post-Fordismus wider. Dieses dürre und letztlich hilflose, aber in der Literatur inzwischen inflationär verwendete Dualismusstrukturmodell des Fordismus und Post-Fordismus zeigt sich u.a. darin, dass die Autoren selbst nach einer mehr als zwanzigjährigen Theorieentwicklung nicht in der Lage sind, den Akkumulationsregimes, die es vor und nach dem Fordismus gegeben haben sollen, einen eigenständigen Namen zu geben. Wie widersprüchlich und schwankend Hirsch selbst argumentiert, wenn es darum geht, den Post-Fordismus gegenüber dem Fordismus abzugrenzen, kann aus den nachstehenden Zitaten entnommen werden. Noch 1995 war er der Auffassung, dass sich keine post-fordistische Formation herausgebildet hatte: „Ein überzeugendes Regulationsmodell für den nachfordistischen Kapitalismus ist weder auf nationaler noch internationaler Ebene erkennbar. Sichtbar sind bestenfalls einige Entwicklungen und Tendenz, die aber einen höchst widersprüchlichen Charakter tragen. (...) Der in der wissenschaftlichen Diskussion ebenso geläufig gewordene wie inflationär gebrauchte Begriff der >Postfordismus< bezeichnet also keine neue und kohärente kapitalistische Formation, sondern eher das inzwischen recht lang anhaltende Fortdauern einer globalen kapitalistischen Krise.“ (Hirsch 1995, 174 u. 178) Einige Jahre später wird das glatte Gegenteil behauptet, wenn er ausführt, dass seit „den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts (...) sich eine neue, wenngleich durch eigene Widersprüche und Krisentendenzen gekennzeichnete >postfordistische< Formation des Kapitalismus herausgebildet (hat). (...) Die postfordistische Reorganisation der Verwertungsbedingungen hat zu einer nachhaltigen Erhöhung der Profitrate geführt.“  (Hirsch 2002, 99)  Die >globale kapitalistische Krise< ist damit quasi über Nacht verschwunden und einige Jahre später, wird auch der eben gerade zitierte Befund wieder eingeschränkt, wenn es heißt: „Schon der Begriff >Post-Fordismus< macht die Schwierigkeiten deutlich, die gegenwärtig bestehende Phase genau zu charakterisieren. Wenn hier von der Existenz einer spezifischen postfordistischen Formation des Kapitalismus ausgegangen wird, dann geschieht dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dieser keineswegs eine geschlossene und kohärente Akkumulations-, Regulations- und Hegemonialstruktur aufweist. Davon kann man allerdings bei genauerer Betrachtung auch in Bezug auf den Fordismus kaum sprechen.“ (Hirsch 2005, 130) Aus den verschiedenen Zitaten wird eine gewisse Beliebigkeit in der Frage deutlich, ob es schon einen Post-Fordismus gibt oder nicht, was wohl daran liegen wird, dass es auf der einen Seite keine klaren und eindeutigen Kriterien hierfür gibt. Auf der anderen Seite entwickelt sich der Kapitalismus offenbar nicht nach den strengen Modellvorgaben der Regulationstheorie, sondern besitzt eine andere Entwicklungsweise, was freilich nie eingestanden wird, denn dann hätte sich die Regulationstheorie ganz und gar von selbst erledigt. Allerdings kann man den letzten Satz aus dem letzten Zitat von Hirsch in dieser Hinsicht kaum anders deuten, nämlich als eine indirekt eingestandene theoretische und empirische Selbstdemontage der regulationistischen Periodisierungstheorie, wenn zugegeben wird, dass man das mit der fordistischen oder postfordistischen Formation nicht so wörtlich nehmen sollte, wie es die vom Autor selbst vorgetragene und geteilte Theorie historisch unterschiedlicher Formationen des Kapitalismus beinhaltet. Insoweit beruht das Festhalten an der geschichtsphilosophisch inspirierten Periodisierungsmechanik des Kapitals und das unfreiwillige Herumeiern hinsichtlich der Abgrenzung zwischen den post/fordistischen  Formationen allein auf die suggestive Versicherung des Autors, dass sich der Kapitalismus so und nicht anders entwickeln wird. Eine solide gesellschaftstheoretische Grundlage sieht aber anders aus.

Ist die Regulationstheorie eine gesellschaftskritische Theorie?
Ein kurzes Fazit
 

Angesichts der hier entwickelten Kritik an der von Hirsch vertretenen Regulationstheorie ist es mehr als verwunderlich, weshalb diese in der gesellschaftskritischen Sozialwissenschaft eine recht große Zustimmung und Beliebtheit erfahren hat. Die inflationäre Verwendung der Kategorien Akkumulationsregime, Regulationsweise, Fordismus bzw. Postfordismus in zahlreichen Beiträgen vieler Autoren verdeckt offensichtlich, dass diese ach so plausibel daherkommende Theorie über die kapitalistische Ökonomie, welche stets die diskontinuierliche Entwicklung des Kapitals in der Gestalt von aufeinander folgenden historischen Formationen betont, einen strukturfunktionalistischen Zugriff auf die kapitalistische Wirklichkeit besitzt. Anstatt die besondere Qualität und die Funktionsweise des Kapitals und die daraus entspringenden Herrschafts- und Machtverhältnisse zu entwickeln und für eine historisch konkrete Analyse fruchtbar zu machen, wird die kapitalistische Vergesellschaftungsweise mit samt ihren Kategorien nur noch oberflächlich bzw. als fertig vorgefundenes Resultat aufgegriffen und in ein strukturfunktionalistisches Theoriebett gepresst, um diese dann als ein permanentes Bestandsordnungsproblem einer historischen Formation des Kapitals entsprechend zu thematisieren und umzudeuten. Die Kategorien des Akkumulationsregimes und der Regulationsweise sind des Weiteren nur modernisierte Ausdrücke einer alten strukturfunktionalistischen Theoriekonzeption der kapitalistischen Gesellschaft, wie sie früher schon von C. Offe vorgelegt wurde, und sie dienen vor allem als Mittel zur recht willkürlichen historischen Periodisierung der kapitalistischen Entwicklung in historisch unterschiedliche Formationen der Produktion, Distribution und Konsumtion. Neben einer durchgehend ökonomistischen Bestimmung der kapitalistischen Ökonomie - welche nicht nur die Äußerlichkeit zwischen Politik und Ökonomie, sondern auch die Vorherrschaft von ehernen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten bzw. Strukturen gegenüber den handelnden Akteuren postuliert - sichert in dieser Theoriewelt der omnipotente Regulationsprozess - von dem man nicht weiß, wie dieser entstanden ist und sich Wundersamerweise über alle historischen Formationen des Kapitals in seiner Funktionsweise erhält - die Vereinbarkeit aller sozialen und politischen Phänome mit den Erfordernissen des Kapitals. Macht- und Herrschaftsverhältnisse bzw. –konflikte degenerieren deshalb zu theoretischen Randerscheinungen. Und die sogenannten großen ökonomischen Krisen sind daher immer eine Folge einer Unvereinbarkeit bzw. Kollision zwischen der dynamischen kapitalistischen Ökonomie und der inflexiblen Regulationsweise. Dies leitet den Niedergang einer historischen Formation des Kapitals ein. Aber Dank einer überhistorisch geltenden ökonomistischen wie geschichtsphilosophisch inspirierten Krisenmechanik zwischen Akkumulationsregime und Regulationsweise entspringt daraus stets eine neue historische Formation des Kapitals, diese ist für Hirsch jedoch in >letzter Instanz< vor allem eine Frage des allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstsein. Freilich bereitet dies alles fundamentale, also empirisch und theoretisch ungelöste Probleme, und dies nicht nur dann, wenn es darum geht, den Fordismus vom Postfordismus abzugrenzen. Aber suggestive Versicherungen, dass die kapitalistische Entwicklung so und nicht anders verlaufen wird, dürfen dann den Leser wieder beruhigen. Das dies die Grundlage für eine gesellschaftskritische Theorie sein soll, wie dies Hirsch betont, sollte man daher grundsätzlich in Zweifel ziehen. Letztendlich dürfte die strukturfunktionalistische Regulationstheorie von Hirsch der Versuch sein, eine quasi alles erfassende Strukturtheorie der kapitalistischen Entwicklung zu konzipieren, um sowohl rückblickend als auch vorausschauend die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft endlich in den - von den Theoretikern lang ersehnten oder erträumten - >Griff< zu bekommen. Eine solche ökonomisch-quantitative Strukturtheorie der Entwicklung des Kapitals, welche von den ökonomisch-qualitativen Grundbedingungen absieht, ist jedoch unvereinbar mit der Rolle und Bedeutung der andauernden politischen Auseinandersetzungen bzw. Kämpfe innerhalb des >kapitalistischen Motors< selbst, sie sind eben dem Kapital und seiner Entwicklungsdynamik nicht äußerlich. Dieser von Hirsch ignorierte Tatbestand setzt zugleich die Grenze für eine allgemeine Theorie des Kapitals, welche deswegen nur eine ökonomisch-qualitative sein kann.  

Literatur 

Castoriadis, Cornelius 1990: Gesellschaft als imaginäre Institution; Frankfurt/M.

Girschner, Christian 1999: Politische Ökonomie und Weltmarkt. Allgemeine  Weltmarktdynamik in der Marxschen Kritik der  politischen Ökonomie; Köln

Ders. 2003: Die Dienstleistungsgesellschaft. Zur Kritik einer fixen Idee; Köln

Ders. 2006: Das Ende des Keynesianismus im >Post-Fordismus<. Einige Einwände an J.   Hirschs Kritik an A. Müllers Buch „Machtwahn“; in: www.nachdenkseiten.de (28.08.06)

Glotz, Peter 1988: Aggressiver Traditionalismus oder Ausbruch aus der Wagenburg; in:   Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 12

Gouldner, Alvin W. 1974: Die westliche Soziologie in der Krise; 2 Bände, Reinbek bei   Hamburg

Hirsch, J./Roth, R. 1986: Das neue Gesicht des Kapitalismus. Vom Fordismus zum Post-  Fordismus; Hamburg

Hirsch, Joachim 1992: Regulation, Staat und Hegemonie; in: Demirovic, A./Krebs, H.-  P./Sablowski, T. (Hg): Hegemonie und Staat; Münster

Ders. 1994: Politische Form, politische Institutionen und Staat; in: Esser, J./Görg, C./Hirsch,   J. (Hg): Politik, Institutionen und Staat; Hamburg

Ders. 1995: Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen   Kapitalismus; Berlin-Amsterdam

Ders. 2002: Herrschaft, Hegemonie und politische Alternativen; Hamburg

Ders. 2005: Materialistische Staatstheorie; Hamburg

Ders. 2006: „Eliten“: dumm oder korrupt? Über Albrechts Müllers „Machtwahn“; in:   www.links-netz.de

Hübner, Kurt 1988: Neue Gesichtszüge des Kapitalismus. – Anmerkungen zu der Fordismus-  Postfordismus-Analyse von Hirsch/Roth; in: Hübner, K./Mahnkopf, B.: Ecole de la   Régulation. Eine kommentierte Literaturstudie; Berlin

Kunkel, Wolfgang 1987: Geschichte als Prozeß? Historischer Materialismus oder   marxistische Geschichtstheorie; Hamburg

Marx, Karl 1859: Vorwort. Zur Kritik der Politischen Ökonomie; in: MEW 13 (Marx-Engels-  Werke), Berlin/Ost

Offe, Claus 1973: Strukturprobleme des kapitalistischen Staates; Frankfurt/M., Zweite   Auflage

Ders. 1984: Arbeitsgesellschaft; Frankfurt/M.

Reichelt, Helmut 1983: Zur Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen.   Versuch einer Rekonstruktion; in: Reichelt, H./Zech, R. (Hg): Produktivkräfte und   Produktionsverhältnisse; Frankfurt/Berlin

Thompson, Edward P. 1980: Das Elend der Theorie: zur Produktion geschichtlicher  Erfahrung; Frankfurt/M.


Fussnoten

[1] Denn eine „Grundannahme der Regulationstheorie besteht also darin, dass der historische Entwicklungsprozess der bestehenden Gesellschaft nicht allein mit Hilfe allgemeiner kapitalismustheoretischer Begriffe und Kategorien untersucht und erklärt werden kann.“ (Hirsch 1995, 48)

[2] Bei Hirsch wird diese Grundthese wie folgt ausgedrückt: „Ein bestimmtes Akkumulationsregime kann nur Bestand haben, wenn es in einer seiner Struktur und Dynamik entsprechenden Weise sozial reguliert wird“ Hirsch 1995, 49).

[3] Die bisher bei Hirsch aufgezeigt Dualität zwischen Akkumulationsregime und Regulationsweise wird - im Vergleich zur Theorie von Offe - deshalb durch eine weitere Kategorie ergänzt bzw. innovativ erweitert, denn die Bestandssicherung einer historischen Formation bedarf offensichtlich noch einen weiteren, dritten Hebel, um die funktionale >Vereinbarkeit< der Handlungen der Individuen oder Akteure mit der >historischen Formation< bzw. mit den Kapitalerfordernissen zu >gewährleisten<: „Die Durchsetzung relativ stabiler Akkumulations- und Regulationszusammenhänge ist daher an eine politisch-ideologische Hegemonie gebunden.“ (Hirsch 2005, 92) Deswegen wäre eine historische Formationen des Kapitalismus auch „immer mit >hegemonialen Projekten< (...) verbunden, die die jeweilige Akkumulations- und Regulationsweise zu einer spezifischen Entwicklungsweise oder einem >historischen Block< (Gramsci) zusammenfügt.“ (Hirsch 2005, 97) „Für den Zusammenhalt und die Reproduktion der Gesellschaft bedarf es vielmehr eines verallgemeinerbaren Konsens hinsichtlich ihrer Ordnung und der Entwicklung, der Herrschaft legitimiert und eine die Heterogenität der Apparate zusammenbindende >politische Führung< untermauert. Historische Formationen des Kapitalismus gründen daher auf >hegemonialen Projekten< (...), die sie zu einem integralen >historischen Block< (Gramsci) zusammenfügen.“ (Hirsch 1994, 205; vgl. ders. 1992, 225ff.)

[4] Dies bildet zudem die Grundlage für eine schematische und mechanische Bestimmung des Verhältnisses zwischen Politik und Ökonomie für die historische Formation des Postfordismus. Hirsch ist nämlich der Auffassung, dass mit der postfordistischen Formation bzw. mit der Krise des Fordismus auch das Ende der keynesianischen Politik unwiederbringlich eingeläutet wurde, d.h., dass dieser seitdem nur noch erfolglos praktiziert und deshalb notwendigerweise vom Neokonservativismus bzw. Neoliberalismus abgelöst wurde. Die vom Autor unterstellte „Krise der keynesianisch-staatsreformistischen Regulationsweise“ ist für ihn nicht durch eine Verschiebung des politischen Kräfteverhältnisses zu erklären, sondern diese ist vielmehr „an ihren eigenen Widersprüchen zerbrochen. Erst die Krise des Fordismus und damit verbundene Scheitern des sozialdemokratischen Politikprojekts hat schließlich den Siegeszug des Neoliberalismus (...) möglich gemacht.“ (Hirsch 2006) Entsprechend des aufgezeigten Ökonomismus in der Bestimmung der kapitalistischen Ökonomie bei Hirsch zeigt sich hier, dass er mit seinem Periodisierungsmodell der kapitalistischen Entwicklung das heutige Verhältnis von Politik und Ökonomie notwendigerweise auf ein Verhältnis zwischen zwei sich äußerlich gegenüberstehenden Welten reduziert, um sein pauschalisierendes Urteil über das Ende einer keynesianisch orientierten Politik zu untermauern: Im Postfordismus schwingt so die Welt der Ökonomie den Taktstock unerbittlich gegenüber der hilflosen und machtlosen Welt der Politik. Die Politik hat nur noch die Funktion, sich der gnadenlosen und nicht mehr zu beeinflussenden bzw. unbeherrschbaren Ökonomie in der Gestalt des Neoliberalismus zu unterwerfen. Mit der Krise des Fordismus hat sich ganz gemäß der von Hirsch vertretenen Periodisierung des Kapitalismus ein radikaler Bruch in der gesellschaftlichen Entwicklung ereignet, welcher das Verhältnis zwischen Politik und Ökonomie so grundlegend umwälzte, dass eine keynesianische Wirtschaftspolitik, welche noch im Fordismus relativ erfolgreich eingesetzt wurde, in jeder Hinsicht völlig wirkungslos und damit aussichtslos wurde. Eine linke Opposition, die noch an keynesianische Steuerungsmöglichkeiten festhält, ist nach Hirsch nicht nur zur Erfolglosigkeit verdammt, sondern würde auch „in die falsche Richtung“ zielen (Hirsch 2006). Der Neoliberalismus ist damit für Hirsch, wie es die Protagonisten dieser >Bewegung< selbst behaupten, für die bürgerliche Gesellschaft alternativlos geworden, legitimiert und feiert sich damit selbst (dazu meine ausführliche Kritik an Hirsch: Girschner 2006).

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde uns vom Autor am 10.12.2006 zur Verfügung gestellt.