Soziale Kämpfe Weltweit
Bankenkollaps in Guatemala

Von pirata (25.12.06)

12/06

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Hunderttausende von Guatemalteken und einige tausend Touristen muessen diese Weihnachten ohne Geld auskommen. Das Bankensystem in dem mittelamerikanischen Land ist praktisch zusammengebrochen. Alle Bankautomaten sind leer, vor den Banken bildeten sich auch am heutigen Samstag lange Schlangen, viele Fillialen schlossen bereits am Freitag mittag. Die wichtigste Zeitung des Landes, „Prensa Libre“, spricht in ihrer Samstagsausgabe vom groessten Kundenansturm auf die Banken in der Geschichte Guatemalas.

Die meisten Kleinsparer und Unternehmer gingen dabei nahezu leer aus. Die staatliche Bank „CHN“ erlaubte am Freitag keine Barabhebungen mehr. Nur noch Einzahlungen waren moeglich oder Scheckauszahlungen von maximal 500 Quetzal (umgerechnet 50 Euro). Auch Steuern durften vom eigenen Konto noch bezahlt werden. Die halbstaatliche „Banrural“ hatte bereits am Donnerstag die Barabhebungen auf maximal umgerechnet 250 Euro reduziert. Die private mexikanische Bank „Banex“ schloss am Freitag mittag gleich ganz ihre Schalter in allen Fillialen des Landes.

Ausgeloest hatte den Ansturm auf die Fillialen eine Geldknappheit, die seit rund zehn Tagen an den Geldautomaten im ganzen Land herrscht. Zunaechst gingen die zeichnerisch hoechsten Banknoten (100 Quetzal, ca. 10 Euro) aus. Die Zentralbank lieferte daraufhin eiligst 50er Noten an die Banken aus, doch auch die waren flugs vergriffen. Es folgten 20er- und 10er Noten (zwei, bzw. ein Euro). Die wenigen Bankautmaten, die noch Bares hatten, wurden auf einen Hoechstauszahlungsbetrag von maximal umgerechnet zehn Euro programmiert. Seit Donnerstag sind nun alle Bankautomaten leer, der Ansturm auf die Fillilaen begann...

Die Regierung und die Staatsbank versuchen derweil zu beruhigen. Nach Weihnachten, spaetestens im laufe des Januars wuerde sich die Geldscheinknappheit wieder beruhigen. Diese sei uebrigens durch das starke Wirtschaftswachstum von ueber 5 Prozent des BIP hervorgerufen. Die plumpe Regierungs-Botschaft: Uns geht es so gut, dass die Gelddruckereien schlicht nicht mehr hinterherkommen, uns den neuerworbenen Wohlstand ausbzubezahlen. Im Januar wuerden deshalb auslaendische Gelddruckereien Banknoten im Nennwert von insgesamt 8.7 Milliarden Quetzal (rund 870 Millionen Euro) liefern.
Doch schon vor einem Jahr hatten Experten das fuer Lateinamerika ingesamt moderate Wirtschaftswachstum hervorgesagt und es ist im Vergleich zu 2005 auch nur um gut ein Prozent gewachsen.

Sehr viel wahrscheinlicher sind andere Gruende verantwortlich fuer die Misere. Vor rund zwei Monaten ging die viertgroesste Bank des Landes, die „Bancafé“ bankrott. Die Guatemalteken bekamen es mit der Angst und leerten auch die Konten bei den anderen Banken. Ausserdem kursierten anonyme Flyer und e-mails, wonach auch die private Bank G&T vor dem Ende stehe. Pikant am Bancafé-Bankrott. In dessen Aufsichtsrat sass bis vor kurzem der Praesidentschaftsanwaerter der Regierungskoalition GANA. Er musste aufgrund des Bancafé-Bankrotts bereits seine Kandidatur-Absichten zurueckziehen. Jetzt wollen womoeglich dunkle Finanz-Kreise mit der kuenstlich herbeigefuehrten Geldscheinknappheit gleich noch die ganze Regierung in die Wueste schicken. Oder aber: Die konservative Regierung will die Landeswaehrung bewusst destabilisieren, um danach den US-Dollar als segensreiche Neuerung und alleiniges Zahlungsmittel einzufuehren.

Unmoeglich derzeit zu sagen, welche der Theorien die Wahrscheinlichste ist. Und unklar ist auch, wie die Guatemalteken auf eine weitere Verschaerfung der Finanzkrise reagieren werden. Die „Prensa Libre“ berichtete in ihrer Samstagsausgabe, dass es in dem Kuestenort Jalapa am Pazifik zu Unruhen aufgebrachter Bankkunden gekommen sei. Viele Firmen konnten bereits am Wochenende die Loehne nicht mehr ausbezahlen. Nach einem fuer viele Guatemalteken tristen Weihnachten ohne Geld koennte es in den naechsten Tagen durchaus auch zu Unruhen kommen.

Unter den zigtausenden von Touristen im Land verbreitet sich die Nachricht von der Finanzkrise nur langsam. Aus der Touristenhochburg Antigua wurden vermehrt Ueberfaelle gemeldet, nachdem die Geldautomaten vier Tage lang nichts ausspuckten. Zunehmend akzeptieren einfache Hotels und Restaurants im ganzen Land nun auch den Dollar als Zahlungsmittel. Erste Touristen planen die Abreise nach Mexiko, sollten sie auch am Dienstag nach Weihnachten weiter kein Bargeld bei den Banken bekommen. Der Tourismus ist die wichtigste Deviseneinnahmequelle des Landes.

Auch am Dienstag (26.12.06) zeichnet sich keine Entspannung der prekaeren Geldsituation in Guatemala ab. Die Banken oeffneten zwar, tauschten allerdings lediglich Traveller-Schecks oder Bardollars in die Landeswaehrung Quetzal um. Barauszahlungen kleiner Betraege von Konten blieben die Ausnahme. Auch mit Kreditkarten gab es kein Geld.

Derweil zeichnet sich ein neues Problem ab. Nachdem die Rentner, Privatkunden und viele Beschaeftigten seit vergangener Wochen kein Geld ausbezahlt bekamen, wird nun auch die Bezahlung mit Kreditkarten in vielen vornehmeren Geschaeften zum Problem.
Wahrennachschub gibt es nur gegen Bargeld, doch das fehlt, weil nun zu viele Kunden mit Kreditkarte bezahlen. Selbst Engpaesse beim Benzin werden nun nicht mehr ausgeschlossen.

Auch die Kafeeernte ist betroffen. Vielen Haendlern geht das Geld aus, um direkt von den Kleinbauern die Kaffeeernte aufzukaufen. Wenn sich die Situation nicht schnell aendert, werden die Kaffeebohnen in diesem Jahr an der Straeuchern haengen bleiben.

Die Nationalbank kuendigte derweil in einer Presseerklaerung an, vereinfacht Geldtransfers in US-Dollar anzubieten. Sie will wohl den Dollar an Zweitwaehrung etablieren.

Hunderte von Touristen riefen derweil bei ihren Botschaften an oder verliessen fluchtartig das Land. „Ich rief heute morgen bei der spanischen Botschaft an, weil ich mit nicht einem Centavo in San Marcos la Laguna/Lago Atitlán festsitze. Den 1. Weihnachtsfeiertag verbrachte ich und mein Freund damit, Avocados in den Bergen zu sammeln. Wir hatten schlicht kein Geld mehr, aber Hunger“, erzaehlt Julia aus Barcelona. Selbst das Telefonat zur Botschaft musste ihr ein deutscher Tourist sponsern. Doch die diplomatische Vertretung hatte auch keine schnelle Loesung fuer die Gestrandeten. Sie notierten lediglich den Namen der Landsleute und die Adresse des Hotels. Womoeglich wird man morgen einen Geldboten losschicken. Bis dahin bleibt Avocadosammeln angesagt. Die deutsche Botschaft in Guatemala-Stadt machte es derweil vielen Banken nach. Sie blieb einfach geschlossen!

Editorische Anmerkungen

Der Texte wurde von Indymedia gespiegelt.
Quelle:
 http://prensalibre.com/pl/2006/diciembre/24/159340.html