Band 14 der "Kasseler Schriften zur Friedenspolitik" erschienen.

Vorwort und Inhaltsverzeichnis
von Ralph-M. Luedtke und Peter Strutynski

12/07

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Vorwort

Sechs Jahre nach dem 11. September 2001, womit der Beginn des seither andauernden „Kriegs gegen den Terror“ datiert, und vier Jahre nach Beginn des Irakkriegs ist die Welt um keinen Deut stabiler oder gar friedlicher geworden. Im Gegenteil. In Afghanistan, dem vermeintlichen Hort des internationalen Terrorismus à la Bin Laden und al Qaida, erleben wir das Wiedererstarken der Taliban, die man schon Ende 2001 nach einem knapp dreimonatigen Luftkrieg für endgültig geschlagen wähnte.

Ralph-M. Luedtke, Peter Strutynski (Hrsg.)

Von der Verteidigung zur Intervention. Beiträge zur Remilitarisierung der internationalen Beziehungen.

Jenior Verlag 2007, Kasseler Schriften zur Friedenspolitik Bd. 14, 240 Seiten, EUR 15,- (ISBN 978-3-934377-21-9)

So vollständig war eben der militärische Sieg nicht geschweige denn der mit viel Elan und noch mehr Verheißungen im Gefolge der Petersberg-Konferenz begonnene Wiederaufbauprozess. Noch verheerender sieht die bisherige Bilanz des Krieges in Irak aus. Das Land scheint in eine endlose Abwärtsspirale aus Chaos, Bürgerkrieg, Terror, Gewalt und Kriminalität zu stürzen, die von der Hilflosigkeit und Inkompetenz der Besatzungsmächte eher noch befördert wird. Eine nach ethnisch-konfessionellen Grenzen (die es so vor dem Krieg nicht gegeben hat) vorgenommene Dreiteilung des Landes ist ebenso wenig auszuschließen wie das Eingreifen der Regionalmacht Türkei in den nördlichen, vorwiegend von Kurden bewohnten Teil des Landes. Während 2006/2007 eine Reihe von Alliierten der USA sich aus Irak zurückzog, versuchte die US-Administration gegen den Willen der Kongressmehrheit mit einer Aufstockung ihrer Truppen das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen – ohne sichtbaren Erfolg.

Mit dem „Krieg gegen den Terror“ haben die USA und die ihnen verbundenen Mächte der NATO und der EU ein neues Kapitel der Weltpolitik aufgeschlagen. Die Bekämpfung des Terrorismus, vormals eine Angelegenheit von zivilen Ermittlungsbehörden, Justiz Polizei, wurde zur vordringlichen Aufgaben des Militärs erklärt. Die Nationale Sicherheitsstrategie des US-Präsidenten vom September 2002 und ihre Fortschreibung im März 2006 räumen dem Terrorismus, insbesondere in Form des „islamistischen Fundamentalismus“, einen ähnlichen Platz ein wie zur Zeit des „Kalten Kriegs“ dem Kommunismus. Sowohl die Europäische Sicherheitsstrategie (Dezember 2003) als auch z.B. die Verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai 2003 sowie das Weißbuch 2006 des Bundesverteidigungsministers haben sich in ihrer Bedrohungsanalyse und in ihren therapeutischen Vorschlägen dem Vorbild USA angepasst. Entsprechend werden die Bundeswehr und die EU-Eingreiftruppen einschließlich der berüchtigten Battle groups zu Streitkräften transformiert bzw. neu gebildet, die sich zum schnellen Kampfeinsatz in allen Weltregionen eignen sollen.

Damit nicht genug, scheint sich ein neues Paradigma der internationalen Beziehungen nun endgültig Bahn zu brechen: Militär und Krieg werden wieder zum Mittel der Außenpolitik. Damit werden die Ergebnis des modernen Völkerrechts, wie sie sich z.B. im Gewaltverbot der UN-Charta von 1945 materialisieren, wieder in Frage gestellt. Für Deutschland, das mit seinem Grundgesetz von 1949 auf vorbildliche Weise den Vorrangs des Völkerrechts vor staatlichem Recht und Handeln postulierte (Art. 25 GG), ist der Bruch mit der Vergangenheit noch viel dramatischer als für Länder wie Großbritannien oder Frankreich, die auf militärische Optionen außerhalb des Völkerrechtsrahmens nie ganz verzichtet hatten. Auslandseinsätze der Bundeswehr sind demnach auch längst nicht so selbstverständlich, wie es sich die Bundesregierungen des späten Kohl, Schröder und Merkel wünschen mögen. Mit jeder Bundestagsentscheidung für die Verlängerung z.B. des Afghanistan-Einsatzes entfernt sich die politische Klasse noch weiter von der Bevölkerung, die mehrheitlich den Bundeswehreinsätzen nicht viel abgewinnt. Die Remilitarisierung der Politik scheint weder hier zu Lande noch anderswo auf nennenswerte Zustimmung der Menschen zu stoßen.

Der vorliegende Band enthält neben den Referaten des „Friedenspolitischen Ratschlags“ vom Dezember 2006 auch eine Reihe von Vorträgen, die im Rahmen der „Friedensvorlesungen“ an der Uni Kassel im Wintersemester 2006/07 gehalten wurden. Die Reihe stand unter dem Motto: „Die Re-Militarisierung der Politik. Von der ‚humanitären Intervention’ zum Krieg um Rohstoffe“. Entsprechend breit gefächert sind auch die Themen, die in diesem Buch behandelt werden.

Wie immer darf an dieser Stelle der Dank an die Autoren nicht fehlen, die ihre Manuskripte für die Publikation aufbereitet und zum Teil aktualisiert haben. Der Dank geht außerdem an Mirjam Wolfstein-Lätsch von der AG Friedensforschung, für die technische Umsetzung der Texte in das gegebene Layout. Alle noch vorhandenen Fehler haben indessen allein die Herausgeber zu verantworten.

Kassel, den 11. Oktober 2007
Ralph-M. Luedtke und Peter Strutynski

Inhaltsverzeichnis

  • Vorwort
  • Peter Strutynski:
    Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik auf dem Prüfstand
  • Wolfgang Schreiber:
    Kriege, Konfliktherde und Kriegsursachen im 21. Jahrhundert
  • Ulrike Borchart:
    Migrations- und Flüchtlingspolitik der EU im Spannungsfeld von Sicherhheit, ökonomischer Notwendgkeit und Menschenrechten
  • Thomas Roithner:
    Konfliktfeld EU versus Völkerrecht
  • Norman Paech:
    UNO und Völkerrecht stehen auf dem Spiel
  • Ernst Woit:
    Die Legitimation imperialistischer Kriege verhindern!
  • Detlef Bald:
    Von der Verteidigung zur Intervention. Die Bundeswehr – das staatliche Mittel der Macht
  • Lühr Henken:
    Das neue Strategiebuch für die Bundeswehr
  • Heiko Humburg:
    PR-Strategien der Bundeswehr in Zeiten der Jugendarbeitslosigkeit und „Harz IV“
  • Joachim Guilliard:
    Irak: Wie weiter nach dem gescheiterten Krieg
  • Werner Ruf:
    Islamische Bedrohung?
  • Arne C. Seifert:
    Anti-iranische Offensive: Mehr als ein Atomstreit
  • Lühr Henken:
    Nächster Interventionskandidat Sudan?
  • Rolf Verleger:
    Ist Nächstenliebe antisemitisch?
  • Im Wortlaut: Shalom 5767
  • Bernd Hahnfeld:
    Wege zu einem Atomwaffenfreien Deutschland
  • Tanja Ernst:
    Die Neugründung Boliviens?
  • Erhard Crome:
    Globalisierung – von oben oder von unten?
  • Alois Reisenbichler:
    Denken – diskutieren – beten – handeln für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung

Bezugsadressen
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