Guantanamo auf griechisch
Zeitgenössische Folter im Rechtsstaat“

Buchvorstellung mit Heike Schrader

12/07

trend
onlinezeitung

Veranstaltet von Internationale KommunstInnen
Mittwoch, 12.12.07, 19.30, Infoladen X-Beliebig,
Liebigstraße 34, 10247 Berlin

Erstmalig meldet sich mit Savvas Xiros  ein Zeitzeuge aus einem Land der EU zu Wort, der Geschehnisse berichtet, wie wir sie alle von den Geheimgefängnissen der CIA, von Abu Graib und Guantanamo, von anderen Orten, wie den erst kürzlich in den USA genehmigten Sondergerichten,  an denen Recht und Gesetz jede Gültigkeit verloren haben, kennen oder dort vermuten. Das Mitglied der „Revolutionären Organisation 17. November, 17N“  Savvas Xiros  berichtet über seine Erfahrungen mit der europäischen Variante von Guantanomo, die er nach seiner Verhaftung erlebte.

Die in Athen lebende Journalistin Heike Schrader ist  Übersetzerin  der deutschsprachigen Auflage, das im Pahl-Rugenstein-Verlag erscheint. Heike Schrader wird das Buch vorstellen, dass auch zur Diskussion über Solidaritätsstrategien einlädt.

Aus dem Vorwort zum Buch:

Am 29. Juni 2002: Bei dem Versuch einen Verkaufskiosk einer griechischen Schifffahrtsgesellschaft zu sprengen, explodiert ein Bombe in den Händen von Savvas Xiros. Der Schwerverletzte wird im Hafen von Piräus von Beamten der Antiterrorpolizei aufgegriffen und auf die Intensivstation des staatlichen Krankenhauses Evangelismos verbracht.

Noch auf der Intensivstation wird das Mitglied der „Revolutionären Organisation 17. November, 17N“ von Antiterrorspezialisten verhört. Ohne Beisein eines Anwaltes und anfänglich sogar ohne offiziell verhaftet worden zu sein. Die dem Schwerverletzten in nächtlichen Verhören mit CIA Methoden abgerungenen Aussagen sind Grundlage für Anklagen seiner selbst und anderer im Frühjahr 2003 vor Gericht gestellter mutmaßliche Mitglieder der 17N. Sowohl im Verfahren in erster Instanz, als auch im Berufungsverfahren  2006 wurden die Aussagen von Savvas Xiros auf der Intensivstation trotz schwerster juristischer und medizinischer Einsprüche als verwertbar anerkannt und dienten der Verurteilung von 15 Menschen zu langjährigen bis mehrmals lebenslänglichen Gefängnisstrafen.

Savvas Xiros hat bis heute vergeblich versucht, die Spuren der erlittenen Folter ärztlich feststellen zu lassen. Untersuchungen, die einen direkten Einlauf von auf das Hirn wirkenden Chemikalien durch die Halsschlagader nachweise könnten, wurden ihm verweigert. Unerklärt bleibt auch eine Klammerung der Schädeldecke für die es keinen Eingriff in den Krankenblättern gibt.

Die Aufzeichnungen von den Verhören auf der Intensivstation werden geheimgehalten. Kein Wunder, wie das Beispiel von Hermann Feiling zeigt, dessen in vergleichbarer Situation abgerungene Aussagen Anfang der 80er Grundlage der Verurteilung zweier GenossInnen bildeten.[i]

Der in erster Instanz zu 6 Mal lebenslänglich verurteilte Savvas Xiros hat Monate gebraucht, bis er nach seinem Krankenhausaufenthalt Halluzination und Wirklichkeit wieder auseinander zu halten lernte. Im Jahr 2005 hat er begonnen, seine Erlebnisse auf der Intensivstation schriftlich festzuhalten. Das Ergebnis ist ein überraschend spannend und literarisch geschriebenes Dokument, nicht nur aufgrund der Ungeheuerlichkeit seiner Geschichte einem Roman gleichend. Das Buch lässt einen nicht mehr los, wenn man es einmal begonnen hat.

Allein die packende persönliche Geschichte und die gute Verarbeitung wäre eine Herausgabe des Buches auch in deutscher Übersetzung wert. Viel wichtiger ist aber die aktuelle und geschichtliche Bedeutung der Ereignisse. Erstmalig meldet sich hier ein Zeitzeuge aus einem Land der EU zu Wort, der Geschehnisse berichtet, wie wir sie alle von den Geheimgefängnissen der CIA, von Abu Graib und Guantanamo, von anderen Orten, wie den erst kürzlich in den USA genehmigten Sondergerichten,  an denen Recht und Gesetz jede Gültigkeit verloren haben, kennen oder dort vermuten. Die Legalisierung von Folter steht auf der Tagesordnung. In Europa genauso wie in den USA. Das Buch von Savvas ist ein wichtiger Beitrag im Kampf dagegen.

Fußnoten:

[i] Hermann Feiling war 1978 Opfer eines schrecklichen Unfalls: ein Sprengsatz explodierte ihm beim Zusammenbauen auf dem Schoß. Er verlor beide Augen, die Beine mußten ihm amputiert werden. Bereits einen Tag später - der behandelnde Arzt sprach noch von Lebensgefahr - begannen LKA-Beamte die Verhöre. Viereinhalb Monate dauerten die Befragungen, ohne Haftbefehl und ohne Anwalt - unter Einwirkung starker Schmerzmittel und Psychopharmaka hielt Hermann Feiling den verhörenden Staatsanwalt für seinen Rechtsanwalt. In seiner Prozeßerklärung im September 1980 sagte er dazu: „Den jahrelang (..) frustrierten Fahndern kam mein lebensgefährlicher Zustand, die Traumatisierung nach der Erblindung, meine völlige Hilfs- und Orientierungslosigkeit gerade richtig. 1300 Seiten Vernehmungsprotokolle, die von mir stammen sollen, sind Ergebnis dieser Situation. Da werden dann auch Personen aus meiner damaligen phantastischen Traumwelt in RZ-Zusammenhänge gebracht, bzw. es werden Personen belastet, die ich nie kannte.“
Das Verfahren gegen Hermann Feiling wurde später eingestellt. Die illegalen Vernehmungsprotokolle aber hatten Bestand: eine Frau wurde zu 15 Monaten auf Bewährung zu verurteilt, im Prozeß gegen Gerd Albartus und Enno Schwall wegen Brandanschlägen auf Kinos, die den Film „Unternehmen Entebbe“ zeigten, führten sie zu Verurteilungen von 4 Jahren und 9 Monaten bzw. 6 Jahren. Heute treffen die damals erpreßten „Aussagen“ Sonja S. und Christian G.

Editorische Anmerkungen

Savvas Xiros
Guantanamo auf griechisch – Zeitgenössische Folter im Rechtsstaat

Erscheint im Pahl-Rugenstein Verlag im Dezember 2007