Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Nachtrag zu ihrer nun definitiv erfolgten Implosion
Die rechtsextreme Fraktion im Europaparlament ist jetzt „wirklich“ dahin

12/07

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Katzenjammer bei den Rechtsextremen im Europäischen Parlament: Ihre bisherige  21köpfige gemeinsame Fraktion löste sich am 14. November 2007 offiziell auf. Nachdem sechs Abgeordnete (fünf Rumänen von der „Großrumänienpartei“ PRM oder ‚Romana Mare’, plus die Italienerin Alessandra Mussolini) ihren Austritt aus der Fraktion angekündigt hatten, fiel diese unter die Schwelle der zwanzig erforderlichen Parlamentarier. Dadurch ging sie ihres Status – und der damit zusammenhängenden technischen und finanziellen Mittel, über eine Million Euro jährlich – verlustig. Das Zusammenbleiben der Parlamentarier als Fraktion war damit gegenstandslos geworden. Die Ankündigung des Verschwindens der rechtsextremen Abgeordnetengruppe erfolgte unter dem Applaus der übrigen Europaparlamentarier, auf den der französische Rechtsaußenpolitiker reagierte, indem er einem österreichischen Abgeordnetenkollegen, Hans-Peter Martin, eine obszöne Geste – den „Stinkefinger“ – zeigte.  

Letztendlich scheinen die Widersprüche, die aus dem Nationalismus der Repräsentanten der rassistischen und ultrachauvinistischen Parteien ihrer jeweiligen Länder erwuchsen, doch stärker als das Gemeinsame gewesen zu sein. Zwar bestehen zwischen diesen politische Kräfte erhebliche Gemeinsamkeiten in der Frontstellung gegen alle außereuropäischen Immigranten und gegen „den Islam“, für die Mehrheit der betreffenden Parteien auch in antjüdischen Verschwörungstheorien. Aber das Pech für die „Identitätsverteidiger“ besteht darin, dass nicht alle Einwanderer in der Staaten der EU außereuropäischen Ursprungs sind. Doch der Reihe nach... 

Im November hatten in Italien massive polizeiliche Maßnahmen, aber auch „Vergeltungsaktionen“ von aufgehetzten Teilen oder Rändern der Gesellschaft gegen Einwanderer aus Rumänien stattgefunden. Voraus ging die Ermordung einer italienischen Hausfrau durch einen Kriminellen, der sich als ein Rom aus Rumänien herausstellte.Die EP-Abgeordnete Alessandra Mussolini wetterte daraufhin pauschal gegen Rumänen: Diese hätten „aus der Kriminalität ihres Lebensstil gemacht“ und seien, anscheinend von Geburt her, „unfähig, Gesetze zu respektieren“. Sie forderte gar den sofortigen Abzug des rumänischen Botschafters aus ihrem Land und dessen Rückgang nach Bukarest. Daraufhin stellten sich die vor Wut fauchenden Parlamentarier der rechtsextremen „Großrumänienpartei“ PRM schützend vor ihre beleidigten Landsleute. Die rumänischen Ultranationalisten haben zwar nichts dagegen, gegen die diskriminierte Minderheit der Roma zu hetzen, was sie selbst eifrig tun, wollen Letztere aber deutlich von sonstigen bzw. „echten“ Rumänen unterschieden wissen. Diesen Unterschied bei ihren Angriffen nicht aufgemacht zu haben, werfen sie der Duce-Enkelin und EP-Abgeordneten heftig vor. Die Attackierte erklärte kurz daraufhin ihren eigenen Austritt aus der bisherigen gemeinsamen Fraktion. Alessandra Mussolini war damit die sechste Abgeordnete, die ihr binnen weniger Tage den Rücken kehrte.  

            WICHTIGER NACHTRAG: Ein Nachspiel der Affäre? 

            Am Sonntag, 25. November wählten die Rumäninnen und Rumänen ihre Vertreter im Europaparlament neu. Ihre dortigen Repräsentanten waren bisher nicht durch die Bevölkerung direkt gewählt gewesen, sondern das nationale Parlament in Bukarest hatte zum Zeitpunkt des rumänischen EU-Beitritts (am 1. Januar 2007) eine Delegation aus seinen Reihen nach Strasbourg entsandt. Nunmehr wurden deren Mitglieder aber durch gewählte EU-Parlamentarier ausgetauscht.  

            Dabei fiel die „Groß(kotz)rumänienpartei“ dieses Mal bei den Wählerinnen und Wählern haushoch durch. Konnte sie bis dahin mitunter bis zu 15, 20 Prozent der Stimmen erreichen, kam sie nunmehr auf 3,4 Prozent der abgegeben Wähler/innen/stimmen. Damit scheiterte sie an der bei diesem Urnengang geltenden Fünf-Prozent-Hürde. Ihr Chef, Vadim Tudor, erklärte daraufhin seinen Austritt aus dem rumänischen Nationalparlament und gab sein dortiges Abgeordnetenmandat zurück. 

            Ob diese Niederlage mit der Affäre um die Hetze gegen rumänische Einwanderer in Italien aus der früheren gemeinsamen Fraktion zusammenhängt, und ob die PRM-Parlamentarier eventuell unter dem Druck des „zu Hause“ ablaufenden Wahlkampfs so energisch gegen ihre Fraktionskollegen gehandelt haben, wissen wir nicht. Hingegen steht fest, dass der frühere Fraktionsvorsitzende Bruno Gollnisch am darauffolgenden Tag (26. November) ein Kommuniqué in recht hämischem Tonfall herausgab. Darin behauptet er, „national gesinnte Wähler“ hätten an jenem Sonntag nicht für die PRM gestimmt, um sie für ihren Austritt und ihr Sabotieren der rechtsextremen Vertretung im Europaparlament abzustrafen. Das klingt freilich ziemlich nach Schutzbehauptung. Denn dass die rumänischen Wähler sich in ihrem Land – zu Hause an der Urne – die Sorgen rechtsextremer Kader und Parteifunktionäre in Strasbourg, Brüsssel oder Paris/Wien... zu eigen machen, dürfte als eher unwahrscheinlich gelten. Die chauvinistischen Hetzparolen der PRM zogen eine Zeit lang, aber das Schicksal der Fraktion im fernen Europaparlament dürfte ihren früheren Sympathisanten eher furzegal gewesen sein.

Editorische Anmerkungen

Den Artikel in der vorliegenden Fassung erhielten wir vom Autor am 3.12.2007.