Katzenjammer bei den
Rechtsextremen im Europäischen Parlament: Ihre bisherige
21köpfige gemeinsame Fraktion löste sich am 14. November 2007
offiziell auf. Nachdem sechs Abgeordnete (fünf Rumänen von der
„Großrumänienpartei“ PRM oder ‚Romana Mare’, plus die
Italienerin Alessandra Mussolini) ihren Austritt aus der
Fraktion angekündigt hatten, fiel diese unter die Schwelle der
zwanzig erforderlichen Parlamentarier. Dadurch ging sie ihres
Status – und der damit zusammenhängenden technischen und
finanziellen Mittel, über eine Million Euro jährlich –
verlustig. Das Zusammenbleiben der Parlamentarier als Fraktion
war damit gegenstandslos geworden. Die Ankündigung des
Verschwindens der rechtsextremen Abgeordnetengruppe erfolgte
unter dem Applaus der übrigen Europaparlamentarier, auf den der
französische Rechtsaußenpolitiker reagierte, indem er einem
österreichischen Abgeordnetenkollegen, Hans-Peter Martin, eine
obszöne Geste – den „Stinkefinger“ – zeigte.
Letztendlich scheinen die
Widersprüche, die aus dem Nationalismus der Repräsentanten der
rassistischen und ultrachauvinistischen Parteien ihrer
jeweiligen Länder erwuchsen, doch stärker als das Gemeinsame
gewesen zu sein. Zwar bestehen zwischen diesen politische Kräfte
erhebliche Gemeinsamkeiten in der Frontstellung gegen alle
außereuropäischen Immigranten und gegen „den Islam“, für die
Mehrheit der betreffenden Parteien auch in antjüdischen
Verschwörungstheorien. Aber das Pech für die
„Identitätsverteidiger“ besteht darin, dass nicht alle
Einwanderer in der Staaten der EU außereuropäischen Ursprungs
sind. Doch der Reihe nach...
Im November hatten in Italien
massive polizeiliche Maßnahmen, aber auch „Vergeltungsaktionen“
von aufgehetzten Teilen oder Rändern der Gesellschaft gegen
Einwanderer aus Rumänien stattgefunden. Voraus ging die
Ermordung einer italienischen Hausfrau durch einen Kriminellen,
der sich als ein Rom aus Rumänien herausstellte.Die
EP-Abgeordnete Alessandra Mussolini wetterte daraufhin pauschal
gegen Rumänen: Diese hätten „aus der Kriminalität ihres
Lebensstil gemacht“ und seien, anscheinend von Geburt her,
„unfähig, Gesetze zu respektieren“. Sie forderte gar den
sofortigen Abzug des rumänischen Botschafters aus ihrem Land und
dessen Rückgang nach Bukarest. Daraufhin stellten sich die vor
Wut fauchenden Parlamentarier der rechtsextremen
„Großrumänienpartei“ PRM schützend vor ihre beleidigten
Landsleute. Die rumänischen Ultranationalisten haben zwar nichts
dagegen, gegen die diskriminierte Minderheit der Roma zu hetzen,
was sie selbst eifrig tun, wollen Letztere aber deutlich von
sonstigen bzw. „echten“ Rumänen unterschieden wissen. Diesen
Unterschied bei ihren Angriffen nicht aufgemacht zu haben,
werfen sie der Duce-Enkelin und EP-Abgeordneten heftig vor. Die
Attackierte erklärte kurz daraufhin ihren eigenen Austritt aus
der bisherigen gemeinsamen Fraktion. Alessandra Mussolini war
damit die sechste Abgeordnete, die ihr binnen weniger Tage den
Rücken kehrte.
WICHTIGER NACHTRAG: Ein Nachspiel der Affäre?
Am Sonntag, 25. November wählten die
Rumäninnen und Rumänen ihre Vertreter im Europaparlament neu.
Ihre dortigen Repräsentanten waren bisher nicht durch die
Bevölkerung direkt gewählt gewesen, sondern das nationale
Parlament in Bukarest hatte zum Zeitpunkt des rumänischen
EU-Beitritts (am 1. Januar 2007) eine Delegation aus seinen
Reihen nach Strasbourg entsandt. Nunmehr wurden deren Mitglieder
aber durch gewählte EU-Parlamentarier ausgetauscht.
Dabei fiel die „Groß(kotz)rumänienpartei“ dieses Mal bei den
Wählerinnen und Wählern haushoch durch. Konnte sie bis dahin
mitunter bis zu 15, 20 Prozent der Stimmen erreichen, kam sie
nunmehr auf 3,4 Prozent der abgegeben Wähler/innen/stimmen.
Damit scheiterte sie an der bei diesem Urnengang geltenden
Fünf-Prozent-Hürde. Ihr Chef, Vadim Tudor, erklärte daraufhin
seinen Austritt aus dem rumänischen Nationalparlament und gab
sein dortiges Abgeordnetenmandat zurück.
Ob diese Niederlage mit der Affäre um die Hetze gegen rumänische
Einwanderer in Italien aus der früheren gemeinsamen Fraktion
zusammenhängt, und ob die PRM-Parlamentarier eventuell unter dem
Druck des „zu Hause“ ablaufenden Wahlkampfs so energisch gegen
ihre Fraktionskollegen gehandelt haben, wissen wir nicht.
Hingegen steht fest, dass der frühere Fraktionsvorsitzende Bruno
Gollnisch am darauffolgenden Tag (26. November) ein Kommuniqué
in recht hämischem Tonfall herausgab. Darin behauptet er,
„national gesinnte Wähler“ hätten an jenem Sonntag nicht für die
PRM gestimmt, um sie für ihren Austritt und ihr Sabotieren der
rechtsextremen Vertretung im Europaparlament abzustrafen. Das
klingt freilich ziemlich nach Schutzbehauptung. Denn dass die
rumänischen Wähler sich in ihrem Land – zu Hause an der Urne –
die Sorgen rechtsextremer Kader und Parteifunktionäre in
Strasbourg, Brüsssel oder Paris/Wien... zu eigen machen, dürfte
als eher unwahrscheinlich gelten. Die chauvinistischen
Hetzparolen der PRM zogen eine Zeit lang, aber das Schicksal der
Fraktion im fernen Europaparlament dürfte ihren früheren
Sympathisanten eher furzegal gewesen sein.
Editorische
Anmerkungen
Den Artikel in der
vorliegenden Fassung erhielten wir vom Autor am 3.12.2007.