Die Reichen sollen für die Krise zahlen
Für eine breite Bewegung - bundesweite Demo als erster Schritt
 
Vorschläge der SAV

12/08

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onlinezeitung

Der Kapitalismus steht weltweit am Beginn der schwersten Krise seit den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts. Auch für Deutschland bedeutet das die tiefste Rezession seit dem Bestehen der Bundesrepublik. Regierung und Kapital ergreifen nur Maßnahmen, um ihr System zu retten und die Krise abzumildern, verhindern können sie sie nicht mehr. Für die Folgen der Krise, für Banken-Rettungspakete etc. soll die Masse der Bevölkerung zahlen. Für Millionen von Lohnabhängigen, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen stehen in den nächsten Jahren harte Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne, Sozialleistungen etc.an. Wenn wir nicht zusehen wollen, wie die Krise auf dem Rücken der Mehrheit abgeladen wird und die Verursacher und Profiteure ungeschoren davon kommen, dann ist es höchste Zeit eine Bewegung der Mehrheit gegen diese Minderheit in den Chefetagen der Banken und Konzerne und in der Regierung aufzubauen.

Wir unterstützen deshalb die verschiedene Ansätze und Vorschläge zeitnah einen bundesweiten Massenprotest auf die Beine zu stellen. Wir rufen zur Teilnahme am von ver.di Stuttgart und attac eingeladenen Koordinierungstreffen am 6. Januar auf und fordern gleichzeitig die TeilnehmerInnen des Berliner Bündnistreffens vom 11.12.2008 und die EinladerInnen für das Treffen am 31. Januar 2009 dazu auf, daran teilzunehmen und die Kräfte zu bündeln.

Wir sprechen uns für die Durchführung einer bundesweiten Demonstration vor Ostern 2009 aus, um ein Zeichen gegen das kapitalistische Krisenmanagement zu setzen, verstehen eine solche Demonstration aber nur als Anfang für den Aufbau einer breiten Widerstandsbewegung. Die Folgen der Krise werden ganz andere Anforderungen an den sozialen Widerstand stellen, als wir es in den letzten Jahren gewohnt waren. Eine Demonstration bzw. Demonstrationen alleine werden nicht ausreichen, um die zu erwartenden Angriffe zurück zu schlagen. Massenentlassungen und Betriebsschließungen werfen die Frage nach Streiks und Betriebsbesetzungen auf. Eine koordinierte Streik- und Betriebsbesetzungsbewegung und ein zunächst eintägiger Generalstreik zur Bündelung und Steigerung des Widerstands werden auf der Tagesordnung stehen. Hinzu kommen der Kampf gegen Lohnraub, Kurzarbeit, die Bewegungen von Jugendlichen gegen das miese Bildungssystem in Deutschland und von Krankenhausbeschäftigten gegen die Unterfinanzierung des Gesundheitswesens.

Die SchülerInnen haben mit dem bundesweiten Schulstreik am 12. November 2008 ein Zeichen gesetzt. Sie haben gegen eine radikal schlechte Situation an den Schulen die radikale Schlussfolgerung gezogen, dass man manchmal Regeln und Gesetze brechen muss, um zu seinem Recht zu kommen. Nehmen wir uns daran ein Beispiel, bringen wir ihre Forderungen zum Ausdruck und geben wir den SchülerInnen und Studierenden in der aufzubauenden Bewegung einen Raum, den sie selbständig ausfüllen können! Denn die Jugend ist die Zukunft – auch des Widerstands!

All das zeigt: das Potenzial für eine breite und verallgemeinerte Oppositionsbewegung ist da bzw. wird sich schnell entwickeln. Die Frage ist: wer nutzt dieses Potenzial und verwandelt es in Widerstand?

Diese Aufgabe würde natürlicherweise vor allem den Gewerkschaften zufallen, die mit über sieben Millionen Mitgliedern weiterhin die potenziell stärkste Kraft in der Gesellschaft sind. Deshalb halten wir es für dringend nötig, in die Gewerkschaften hinein zu wirken und ihre Führungen zur Unterstützung und Organisierung der angedachten Demonstration aufzurufen und entsprechenden Druck innerhalb der Gewerkschaften auszuüben, auch dafür die aktuellen Tarifrunden kämpferisch und offensiv zu führen und mit dem Widerstand gegen die Folgen der Krise zu verbinden. Aber wir wissen, dass die derzeitigen Gewerkschaftsführungen nicht für eine Politik des Widerstands stehen und wir deshalb nicht darauf warten dürfen, bis diese sich bewegen. Es ist nötig und möglich die Initiative für eine Demonstration von unten zu ergreifen und diese in Gewerkschaftsgliederungen auf allen Ebenen hinein zu tragen und gleichzeitig andere soziale Bewegungen zu mobilisieren.

Mehr als zuvor in den letzten Jahren stellen sich für eine Protestbewegung scharfe politische Fragen. Es reicht nicht aus, zu formulieren, wogegen wir auf die Straße gehen wollen. Deshalb muss die Demonstration auch positive Forderungen formulieren, aber vor allem auch den Startschuss für eine politische Debatte über Alternativen zur kapitalistischen Krise in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen bedeuten. Wir sind davon überzeugt, dass man Arbeitsplätze und Lebensstandard nicht verteidigen kann, wenn man in den anstehenden Auseinandersetzungen nicht offensiv die Eigentumsfrage stellt und auch Alternativen zum kapitalistischen System formuliert. Wenn Gewerkschaften und linke Bewegungen das nicht tun, werden Neofaschisten nationalistische Pseudo-Alternativen zum „globalisierten Kapitalismus“ propagieren und damit Unterstützung mobilisieren können. Das muss verhindert werden.

Wir sind davon überzeugt, dass diese kapitalistische Krise die Offenheit für sozialistische Ideen in breiten Teilen der Bevölkerung deutlich wachsen lässt. Es kommt darauf an, den Kampf für die unmittelbaren Interessen der Mehrheit mit einer sozialistischen Perspektive zu verbinden. Das kann und muss vor allem dadurch geschehen, dass eine Protestbewegung deutlich macht, dass das kapitalistische Privateigentum an Banken und Konzernen kein Heiligtum ist und dass der gesellschaftliche Reichtum weiterhin vorhanden ist, um allen Menschen ein würdevolles Leben zu garantieren.

Natürlich ist uns bewusst, dass die Diskussionen und der Bewusstseinsprozess in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen noch nicht so weit sind, eine breite Demonstration unter sozialistische Parolen zu stellen. Das schlagen wir auch nicht vor, wenn wir auch selber mit sozialistischen Parolen auf der Demonstraion auftreten werden, wie viele andere Gruppen hoffentlich auch (und wenn wir auch der Meinung sind, dass eine offensive sozialistische Politik durch die Gewerkschaften und DIE LINKE dem Aufbau einer starken Widerstandsbewegung nutzen und nicht schaden würde). Wir sind aber der Meinung, dass wir die Debatte darüber als integralen Bestandteil der aufzubauenden Protestbewegung verstehen müssen und dass auch jetzt schon weiter gehende Forderungen formuliert werden müssen, als in der Vergangenheit.

Wir sind auch der Meinung, dass die Partei DIE LINKE nicht aus der Verantwortung gelassen werden darf. Diese Partei tritt mit dem Anspruch an, politische Vertretung der außerparlamentarischen Bewegungen zu sein. Sie soll und muss auch einen Beitrag zum Erfolg außerparlamentarischer Proteste leisten und kann eine wichtige Rolle bei der Formulierung politischer Alternativen zur kapitalistischen Krise spielen. Offensichtlich schlagen in der Partei zwei Herzen: während einige Landesparteitage im Westen die Verstaatlichung aller Banken unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung fordern, beschränkt sich die Parteiführung auf systemimmanente keynesianische Vorschläge und exekutiert die LINKE im Berliner Senat weiter pro-kapitalistische Kürzungspolitik. Diese Widersprüche werden sich zwangsläufig durch den Verlauf der Krise und durch die Entwicklung von Kämpfen und Bewegungen verschärfen. DIE LINKE wird sich auf allen Ebenen entscheiden müssen, auf welcher Seite sie steht. Wir sind der Meinung, dass dies eine Bedeutung für die Entwicklung einer Widerstandsbewegung und politischer Alternativen im Bewusstsein der Massen hat. Wenn sich in der LINKEn der Flügel durchsetzt, der auf pro-kapitalistische Regierungsbeteiligung setzt, wird das für die gesamte linke und gewerkschaftliche Bewegung ein schwerer Schlag sein, so wie der Niedergang der Rifondazione Comunista in Italien die Ausgangsposition für erfolgreiche Kämpfe insgesamt geschwächt hat. Deshalb sollten wir DIE LINKE in die Pflicht nehmen, sie auffordern, Teil einer Widerstandsbewegung zu werden und Einfluss auf sie nehmen.

Als zentrale Losung für die Demonstration schlagen wir vor:

"Die Reichen sollen für die Krise zahlen! - Stoppt Entlassungen und Kürzungen"

Als gemeinsame Hauptforderungen für das Bündnis schlagen wir vor:

1. Die Reichen sollen zahlen

* Für eine Millionärssteuer von zehn Prozent und die Einführung eines einfachen Steuersystems mit starker Progression auf Gewinne und Vermögen. Abschaffung der Mehrwertsteuer.

2. Arbeitsplätze schaffen statt vernichten!

* Für ein staatliches Investitionsprogramm von 100 Milliarden Euro jährlich zur Schaffung sinnvoller Arbeitsplätze in den Bereichen Bildung,Umwelt, Gesundheit und Soziales.

* Für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich als erstem Schritt zur Verteilung der Arbeit auf alle Arbeitsfähigen.

* Rücknahme der Rente ab 67 und Einführung der vollen Rente ab 58.

* Betriebe, die Entlassungen oder Schließung androhen, sollen ihre Geschäftsbücher offen legen und zur Rettung der Arbeitsplätze in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung überführt werden. Das bietet auch die Voraussetzung zur Umstellung der Produktion, z.B. in Teilen der Autoindustrie, auf gesellschaftlich sinnvolle, umweltschonende und benötigte Produkte.

3. Den Lebensstandard verteidigen – Umverteilung von oben nach unten - Geld ist immer noch genug da, nur in den falschen Händen!

* Abschaffung von Hartz IV und Einführung einer Mindestsicherung für alle von 750 Euro plus Warmmiete.

* Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 10 Euro pro Stunde als erstem Schritt zu zwölf Euro.

* Einführung einer automatischen Anpassung von Löhnen und Gehältern an die Inflation. * Feststellung der realen Steigerung der Lebenshaltungskosten für die Masse der Bevölkerung durch unabhängige Komitees aus VertreterInnen von Gewerkschaften, Verbraucherschutzorganisationen und Erwerbslosenvertretungen.

4. Bildungsblockaden einreißen!

* Verkleinerung der Klassen auf maximal 20 SchülerInnen

* Einstellung von 100.000 LehrerInnen

* Einführung der Gemeinschaftsschule als Regelschule

* Kostenlose Bildung für Alle – Nein zu allen Gebühren an Kitas, Schulen, Unis oder Volkshochschulen

5. Verstaatlicht die Banken

* Sofortige Verstaatlichung aller Banken unter Kontrolle und Verwaltung von gewählten VertreterInnen der Belegschaften, Gewerkschaften und allgemeinen Bevölkerung zur Beendigung profitgetriebener und risikoreicher Spekulationsgeschäfte und Begrenzung von Bankentätigkeit auf die gesellschaftlich sinnvollen und notwendigen Aufgaben, wie Regelung des Geldverkehrs und Vergabe von Krediten an Unternehmen und Privatpersonen.

Aus unserer Sicht sind dies für die gegenwärtige Situation einer tiefen Rezession die Mindestforderungen, die nötig sind, um eine Antwort auf das Entlassungs- und Kürzungsszenario zu geben, das vor uns liegt. Entscheidend ist, deutlich zu machen, dass es keinen Grund gibt auch nur eine Entlassung, eine Betriebsschließung oder eine Sozialkürzung zu akzeptieren. Die Sachzwänge der kapitalistischen Profitlogik sind nicht unsere! Unsere Sachzwänge sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen!

Gleichzeitig beantworten diese Forderungen nicht nur Fragen, sondern werfen eine entscheidende Frage auf: unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen sind sie dauerhaft durchzusetzen? Unsere Antwort darauf ist, dass sie erstens nur durchzusetzen sind, wenn es eine massenhafte und konstante Mobilisierung der arbeitenden Bevölkerung gibt und zweitens, wenn diese zur Überwindung der kapitalistischen, profitgetrieben Produktionsweise führt und diese durch eine demokratisch geplante Wirtschaft ersetzt wird, in der sich die entscheidenden Wirtschaftsbereiche in öffentlichem Eigentum befinden und durch demokratisch gewählte Organe der arbeitenden Bevölkerung kontrolliert und verwaltet werden. Für eine solche sozialistische Perspektive trtt die SAV in der aufzubauenden sozialen Widerstandsbewegung ein und setzt sich gleichzeitig für größtmögliche Einheit in diesem Kampf gegen Regierung und Kapital ein.

 

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir von der SAV zur Zweitveröffentlichung.

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