Betrieb & Gewerkschaft
Opposition tritt an
Bei Daimler in Sindelfingen und Berlin wollen linke Gewerkschafter mit eigener Liste zur Betriebsratswahl kandidieren. IG Metall droht mit Ausschluß

von Karl Neumann

12/09

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Im Daimler-Werk Untertürkheim haben sich die Wogen im Konflikt zwischen Betriebsratsmehrheit und linker Opposition etwas geglättet. Nach einem monatelangen Diskus­sionsprozeß kann die »Alternative«, die mit zehn Mandaten im Betriebsrat vertreten ist, ihre gleichnamige Zeitung weiterführen. Anders als 2006 wird sie daher bei der im März kommenden Jahres anstehenden Wahl nicht eigenständig, sondern auf der offiziellen IG-Metall-Liste zum Betriebsrat kandidieren. Anders sieht es an den Standorten Sindelfingen und Berlin aus: Hier wollen linke Gewerkschafter mit eigenen Listen antreten.

Daimler-Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm, der auch der Beschäftigtenvertretung im Stammwerk Sindelfingen vorsitzt, bekommt Konkurrenz: Bei der nächsten Betriebsratswahl will eine Gruppe kritischer Gewerkschafter gegen ihn und die offizielle IG-Metall-Liste antreten. Kollegen, die die Betriebsratsmehrheit offen kritisierten, würden von dieser »verfolgt, schikaniert und mundtot gemacht«, beklagen sie in ihrer seit kurzem erscheinenden Zeitung Alternative. Daher hätten sie die Schlußfolgerung gezogen, bei der im März anstehenden Wahl als Gruppe zu kandidieren. In der Sindelfinger Beschäftigtenvertretung sind außer der IG-Metall-Fraktion bislang nur noch unternehmensnahe Gruppierungen wie die »christliche« CGM und die »unabhängige« AUB vertreten.

Auch im Berliner Daimler-Werk sieht sich die örtliche Betriebsratsspitze mit einer linken Gegenkandidatur konfrontiert, die ebenfalls unter dem Namen »Alternative« firmiert. Unter den 16 Beschäftigten, die sich bislang als Unterstützer der Gruppe »geoutet« haben, sind auch zwei aktuelle Betriebsräte. Einer von ihnen ist Mustafa Efe, der die Vorbereitung einer separaten Liste gegenüber jW so begründet: »Es gibt zwei Linien in der IG Metall: Die der Betriebsratsmehrheit steht für Comanagement und kampflosen Verzicht, wir für kämpferische Gegenwehr.« Zwischen diesen beiden Richtungen müßten sich die Beschäftigten entscheiden können, wofür die Listenwahl das geeignete Mittel sei, argumentiert Efe. »Bei einer Listenwahl stehen die Inhalte und Programme im Vordergrund, nicht die Personen.«

»Eine Alternative zur IG-Metall-Politik ist zwangsläufig gegen die Interessen der Beschäftigten gerichtet«, heißt es hingegen in einem Infoblatt des gewerkschaftlichen Vertrauenskörpers. Eine Gruppierung oder einzelne Mitglieder des Betriebsrats dürften die unterschiedlichen Meinungen innerhalb des Gremiums nicht nach außen tragen. Efe hält dem entgegen: »Nicht offene und kontroverse Debatten über die richtige Strategie schaden der Belegschaft und der IG Metall, sondern die Politik des kampflosen Verzichts und der Versuch, jede Kritik daran mundtot zu machen.«

Efe und seine Mitstreiter – wie ihre Kontrahenten allesamt IG-Metall-Mitglieder – haben die Berliner Verwaltungsstelle ihrer Gewerkschaft aufgefordert, angesichts der unterschiedlichen Positionen zwei Gewerkschaftslisten im Werk zu unterstützen. Dies lehne der Ortsvorstand »grundsätzlich ab«, heißt es in dem jW vorliegenden Antwortbrief. »Gegenüber dem Arbeitgeber ist für eine erfolgreiche Interessenvertretungsarbeit ein geschlossenes gewerkschaftliches Auftreten unverzichtbar«, so die Begründung. Dann folgt die Drohung: Für den Fall, daß die linken Aktivisten dennoch mit einer »nicht genehmigten« Liste antreten, sei die Einleitung eines Ausschlußverfahrens aus der IG Metall »satzungsgemäße Folge«.

ANLAGEN ZUM ARTIKEL

Verzicht und Maulkorb schaden der IG-Metall


Für eine demokratische Interessenvertretung


In der letzten Alternative haben wir unseren Vorschlag abgedruckt: zwei IG Metall-Listen im Werk. Die Antwort: der IG Metall-Ortsvorstand lehnt ab.Trotzdem werden wir mit eigener Liste kandidieren.  Es gibt zwei Linien in der IG Metall: Die derzeitige BR-Mehrheit steht für Co-Management und Zustimmung zu Verzicht. Die Alternative steht für kämpferische Gegenwehr. Wenn wir weiter verzichten, wird uns am Ende alles weggenommen.
Nötig ist eine offene Diskussion in der Belegschaft. Die derzeitige BR Mehrheit blockt das ab. Opposition wird ausgegrenzt. Uns wird gewerkschaftsschädigendes Verhalten vorgeworfen.....

In Großbetrieben ist Listenwahl demokratisch

Das Betriebsverfassungsgesetz sieht die Listenwahl als Normalfall vor (§14 Abs. 2).
Die jetzige BR Mehrheit behauptet: Listenwahl sei weniger demokratisch als Persönlichkeitswahl. Die Persönlichkeitswahl benachteiligt in Großbetrieben weniger bekannte Kollegen. Sie müssen sehr viele Stimmen erlangen. Da reichen die zweihundert Kollegen aus dem eigenen Bau nicht aus. Langjährige Betriebsräte sind im Vorteil. Sie sind bekannter als Kollegen, die ganz normal arbeiten. Es geht aber darum, für welche Inhalte wersteht und wie er sie umsetzt. Bei der Listenwahl müssen sich dazu alle Kandidaten klar äußern. Die Kollegen können dann auf dieser Grundlage entscheiden. Eine starke Minderheit bekommt bei der Persönlichkeitswahl unter Umständen keinen Vertreter in den BR gewählt. So bei BMW in Spandau bei der BR-Wahl 1984: nicht ein Kandidat der kämpferischen Fraktion wurde Betriebsrat. So wurde die Meinung ihrer vielen Wähler ignoriert. Nach der Listenwahl 1988 war die kämpferische Gruppe mit 43% im BR vertreten. Diese oppositionelle Liste wurde von der IG-Metall als ihre zweite Liste akzeptiert. So bleibt es bis heute.
 

Editorische Anmerkungen

Wir spiegelten von der Website der Betriebszeitung "Alternative" bei Daimler Berlin.