Anti-Semitismus bei deutschen Anti-Imperialisten
„Sie nennen es Antizionismus, aber es ist Antisemitismus“ (Claude Lanzmann)
Von Harry Waibel12/09
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onlinezeitungDas Hamburger Programmkino B-Movie wollte, zusammen mit der Gruppe Kritikmaximierung, den Film „Warum Israel?“ von Claude Lanzmann zeigen. Doch die Aufführung, sie war für den 25. Oktober 2009 geplant, wurde von ca. 30 bis 40 Hamburger anti-faschistischen Anti-Imperialisten (Sozialistische Linke, Tierrechtsaktion Nord) aus dem benachbarten Zentrum B5, mit Gewalt verhindert.1 Ihr Ziel war es, eine „pro-zionistische Veranstaltung“ und „Hetze“ zu verunmöglichen, um damit auf die rassistische Unterdrückung der Palästinenser durch „Apartheid“ aufmerksam zu machen. Jedoch soll, laut taz-Nord, gerufen worden sein: „Judenschweine“, was von den Tätern bestritten wird. Eine Gruppierung des Hamburger Landesverbands der Partei Die Linke hatte das krude Rechtfertigungsschreiben der Anti-Imperialisten auf ihre Homepage gestellt, sich später jedoch davon distanziert. Warum ist die Behauptung von deutschen Linken anti-semitisch, Israel sei ein „zionistischer und rassistischer Staat“ und wie sind sie zur Ideologie des Anti-Zionismus gekommen?
Ich nehme diesen anti-semitischen Vorfall in Hamburg zum Anlass, um die Entstehung der Ideologie des Anti-Zionismus zeithistorisch und anhand öffentlich zugänglicher Texte zu reflektieren. Gegenstand dieser historisch-politischen Wahrnehmung ist der Staat Israel und der Konflikt mit den arabischen Nachbarn und die Zuschreibungen, die von radikalen und marxistisch-leninistischen Linken seit 1967 vorgenommen worden sind. Zu Beginn der Gründung des Staates Israel (1947), der auf einen Teilungsbeschluss der UN zurück zu führen ist, befanden sich alle großen Mächte (USA, UdSSR, GB etc.) auf der Seite des jungen jüdischen Staates. Nicht zuletzt auch deshalb, um das leidige Problem der vielen heimatlosen Juden (displaced persons) damit lösen zu können, womit klar ist, dass die Gründung Israels mehr als eine Reaktion auf die faschistischen Massenmorde bis 1945 ist. Bis in die 1960er Jahre hinein gab es im linken Spektrum in Deutschland, ausgeprägte Sympathien für Israel und besonders für die sozialistischen Kibbuzim. Diese traute Harmonie endete abrupt mit dem „6-Tage-Krieg“, bei dem die israelische Armee einem konzentrierten Angriff vereinter arabischer Heere zuvorgekommen war und siegte. Seit und mit diesen kriegerischen Eroberungen der Israelis wird Israel von Teilen der deutschen Linken, in der Regel sind das Anti-Imperialisten verschiedener Couleur, als „zionistischer und rassistischer Staat“ angegriffen und die zionistischen Israelis als Faschisten dargestellt, deren Ziel es angeblich sein soll, Araber und Palästinenser auszurotten. Unter der Vokabel „Anti-Zionismus“ versammeln sich seit über 40 Jahren einzelne Linke und verschiedene linke Gruppen und dies deshalb, weil hier ein Feld aufgetan worden ist, in das der, in beiden deutschen Gesellschaften, virulente Anti-Semitismus einfließen konnte. Mit diesen unreflektierten Grundlagen entwickelte sich bis in die Gegenwart hinein eine intensive Solidarität mit den Palästinensern und ihren politischen und militärischen Gruppen. Wie war das möglich? Wie konnte es sein, dass die falschen Anschauungen zum historischen Konflikt im Nahen Osten scheinbar unverändert erhalten geblieben sind? Zu Beginn der Entwicklung des Anti-Zionismus als ideologische, politische und militärische Grundlage aus dem Fundus der Pseudo-Theorie des Marxismus-Leninismus, wurde er von Staaten wie der Sowjet-Union oder DDR öffentlich vertreten und gaben diesen Anschauungen damit ein Gewicht, zu dem sich legale oder illegale Gruppen im Westen orientieren konnten. Dieses sage ich auch deshalb, weil der politischen und militärischen Unterstützung der Feinde Israels durch Staaten eine andere Bedeutung beizumessen ist, als den radikalen und revolutionären Gruppen und Parteien der Linken im Westen. Es zeigt sich an der Geschichte der Ideologie des Anti-Zionismus, wie sehr deutsche Linke sich in gewichtigen Teilen, mit dem autoritären Gestus sich verbandelt fühlen, anstatt mit undogmatischen oder gar anti-autoritären Elementen, die es nachgerade nach 1968 zuhauf zu finden gab. Der Anti-Zionismus war ein Ausdruck der ungebrochenen, weil nur unterdrückten anti-semitischen Werte in den beiden deutschen Staaten. Jedoch bereits zu Stalin-Zeiten, setzte 1948 eine anti-semitische Verfolgung ein, und die unter dem Tarnbegriff „Wurzellose Kosmopoliten“ durchgeführten Maßnahmen eskalierten im Verbot des „Jüdischen Anti-Faschistischen Komitee“ und erreichten ihren Höhepunkt im „Ärzte-Prozess“, die mit dem Tod von Stalin im März 1954 abrupt endeten. Bei den Prozessen 1952 in Ungarn gegen Láslo Raik (1909-1949) und in der CSSR gegen Rudolf Slánský (1901-1952) und in der DDR die Verhaftung von Paul Merker (1894-1969) ist Anti-Semitismus in der Führung der KPdSU sichtbar geworden sind.
Dieser Anti-Semitismus, der in den 1950er Jahren im sowjetischen Imperium sichtbar geworden war, setzte sich in der Form eines „anti-semitischen Anti-Zionismus“ seit dem „6-Tage-Krieg“ 1967 und seit der militärischen Invasion der CSSR durch Truppen des Warschauer Vertrages 1968 fort. Mit dem Anti-Zionismus ist eine Propaganda entwickelt und politisch verbreitet worden, mit der schon von Anfang eine Gleichsetzung Israels mit den deutschen Nazi-Faschisten vorgenommen worden ist.2 Diese Ereignisse waren für die SED die Voraussetzung dafür, dass die anti-zionistische Propaganda gegen das „imperialistische Israel als aggressiver Juniorpartner des Imperialismus“ nach außen und als anti-semitische Feindschaft gegen die Juden im Land selbst, entfacht werden konnte. Diese Entwicklung eskalierte in staatlichen Vereinbarungen mit Ägypten oder Syrien über die Lieferung von Flugzeugen und militärischer Ausrüstung durch die DDR. Als braves Pendant der Politik der Sowjet-Union hat die Führung der DDR ihre Außenpolitik an dieser sowjetischen Maxime ausgerichtet und sie haben damit einen öffentlichen Raum geschaffen, in den der in der ost-deutschen Gesellschaft virulente Anti-semitismus, einfließen konnte. Für Albert Norden (1904 – 1982), er war Mitglied des Politbüros der SED, waren die Zeitungsberichte über den Krieg im Nahen Osten zu wenig zugespitzt und er forderte deshalb, in einem internen Schreiben vom 9. Juni 1967, den ihm untergebenen Werner Lamberz (1929 – 1978) auf, dafür Sorgen zu tragen, dass die israelischen Militäroperationen in der Öffentlichkeit der DDR so dargestellt werden, dass der Vergleich mit dem Überfall der Nazi-Wehrmacht auf die Sowjet-Union naheliegend wäre.3 Als Kandidat und später Mitglied des ZK der SED war Lamberz zuerst Leiter der Kommission für Agitation und Propaganda und später Leiter der Abteilung für Agitation im Zentralkomitee der SED und er war damit zuständig für eine wöchentlich stattfindende „Argumentationssitzung“ mit den Chefredakteuren der Presse. Die Anweisung von A. Norden an W. Lamberz belegt zweierlei: Erstens zeigt sie, dass die autoritären Strukturen der marxistisch-leninistisch formierten SED in einem erheblichen Maß Übereinstimmungen zeigt, mit denen in militärischen Verbänden, so dass hier von einer Ausschaltung dialektischer Vorgänge per se gesprochen werden muss, die diskursive Kommunikation von vornherein verunmöglicht. Zweitens ist hier eine, quasi zeitnahe, historische Quelle zu erkennen, von der aus die Infizierung großer Teile der linksradikalen und revolutionären Linken mit einem falschen Gedankengut begann. Mit dieser anti-zionistischen Argumentation verbindet sich eine unvollständige, eine ideologische Aufarbeitung des NS-Faschismus, sowohl in West- als auch in Ost-Deutschland, d. h. das die in diesem Vergleich vorgenommene, stillschweigende Verharmlosung den Versuch darstellt, die Deutschen und Deutschland von der psychischen Last der NS-Verbrechen zu entlasten. Diese Ideologie entfaltet ihre Suggestion in der Weise, das sie die Israelis zu Tätern, ja zu faschistischen Verbrechern erklärt, die entweder genau so geworden sein sollen wie es die Nationalsozialisten waren oder noch schlimmer. Diese propagandistische Offensive der SED zur neuen Beurteilung des Konflikts im Nahen Osten, fand im Westen erstaunlich schnell Resonanz und es weist hin auf die vielschichtigen kommunikativen Chancen der SED Führung über den Rahmen der DDR hinaus, in die linke Szene West-Deutschlands einzuwirken. Insofern hat Karl-Heinz Schubert den Nagel auf den Kopf getroffen, als er die 68er Bewegung gegenüber den anti-zionistischen Anti-Imperialisten in Schutz nimmt.4
Der empirische Beleg für die Existenz anti-semitischer Anti-Zionisten im Westen ist mit dem Datum 9. November 1969 verbunden. Albert Fichter, Mitglied der im Untergrund agierenden linken Gruppe „Tupamaros – Schwarze Ratten“ deponierte eine Bombe, sie war eingehüllt in einen Mantel, im Jüdischen Gemeindehaus der West-Berliner. Fichter, ein Bruder von Tilman Fichter, will die Anleitung dafür von D. Kunzelmann erhalten haben, der der Initiator und Kopf der Gruppe war. Die Bombe selbst, sie stellte sich als nicht funktionstüchtig heraus, stammte von Peter Urbach, einem geheimoperierenden Mitarbeiter des Berliner Inlandsgeheimdienstes (LfV) und Freund von D. Kunzelmann.5 Diese Bombe, mit dem entsprechenden Bekennerschreiben, markiert den Paradigmenwechsel, den einige Linke, Angehörige der ansonsten vielfältigen außerparlamentarischen Opposition der 1960er Jahre, öffentlich vollzogen hatten. Das Bekennerschreiben der „Schwarzen Ratten TW“ listet die zentralen Begriffe dieses Anti-Zionismus auf und diffamiert die Israelis als Faschisten, die zu bekämpfen sind: „Am 31. Jahrestag (9. November 1969, HW) der faschistischen Kristallnacht wurden in Westberlin, mehrere jüdische Mahnmale mit ‚Shalom und Napalm’ und ‚El Fatah’ beschmiert. Im Jüdischen Gemeindehaus wurde eine Bombe deponiert“. Diese Angriffe auf Überlebende des Holocaust „sind nicht mehr als rechtsradikale Auswüchse zu diffamieren, sondern sie sind ein entscheidendes Bindeglied internationaler sozialistischer Solidarität“ und „Der wahre Antifaschismus ist die klare und einfache Solidarisierung mit den kämpfenden Feddayin. … Aus vom Faschismus vertriebene Juden sind selbst Faschisten geworden, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das palästinensische Volk ausradieren wollen“.6
Von D. Kunzelmann existiert ein de facto Bekennerschreiben, als er in einem „Brief aus Amman“, mitteilte: „Wenn wir endlich gelernt haben, die faschistische Ideologie ‚Zionismus’ zu begreifen, werden wir nicht mehr zögern, unseren simplen Philo-Semitismus zu ersetzen durch eindeutige Solidarität mit Al Fatah, die im Nahen Osten den Kampf gegen das Dritte Reich von Gestern und Heute und seine Folgen aufgenommen hat.“7
Wenige Monate davor, also im Sommer 1969, reisten mehrere Frauen und Männer aus linken Gruppen oder Zusammenhängen, z. B. Tupamaros, bzw. Haschrebellen, die genaue Anzahl steht nicht fest, , über Ost-Berlin und den DDR-Flughafen Schönefeld, in ein Ausbildungslager der Al Fatah, in den Libanon, um sich dort an Waffen und Sprengstoff ausbilden zu lassen. Die zeitliche, dichte Abfolge dieser beiden Ereignisse lässt keinen Raum für zweideutige Aussagen, denn der Inhalt des Flugblattes, das sogenannte Bekennerschreiben, lässt dies nicht zu.
Erneut, im Frühsommer 1990, reiste eine Gruppe, ca. 20 Frauen und Männer aus linken Zusammenhängen West-Berlins, über Ost-Berlin und den DDR Flughafen Schönefeld nach Amman, um sich in einem Ausbildungslager der Al Fatah ca. 2 Monate an Waffen und Sprengstoff ausbilden zu lassen. Darunter befanden sich so prominente Personen wie z. B. die Journalistin Ulrike Meinhof, die Doktorandin Gudrun Ensslin, der Rechtsanwalt Horst Mahler oder der berufs- und ausbildungslose Andreas Baader.8 Ihre politischen Einstellungen und Bewertungen und die ihrer Nachfolger zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern blieben über die Jahrzehnte, also von 1970 bis zu ihrer Auflösung 1997, ohne substanzielle Veränderung. In der Erklärung der Roten Armee Fraktion (RAF) von 1972 zu der Geiselnahme israelischer Sportler bei den Olympischen Spielen durch ein bewaffnetes Kommando der palästinensischen Gruppe Schwarzer September bewertete sie die barbarischen Vorgänge wie folgt: „Die Aktion des Schwarzen September in München hat das Wesen imperialistischer Herrschaft und des antiimperialistischen Kampfes auf eine Weise durchschaubar und erkennbar gemacht wie noch keine revolutionäre Aktion in West-Deutschland und Westberlin“.9 „Die Aktion des Schwarzen September war antifaschistisch. Sie hat den Zusammenhang zwischen dem alten NS-Faschismus und dem entfalteten Imperialismus als dem erst durch und durch faschistischen System hergestellt.“10 „So wie der Imperialismus seinem Wesen nach faschistisch ist, war der Antifaschismus seiner Tendenz nach antiimperialistisch“.11 „Israel vergießt Krokodilstränen. Es hat seine Sportler verheizt wie die Nazis die Juden – Brennmaterial für die imperialistische Ausrottungspolitik.“12 „Entlarvend ist auch das ungebrochene und geradezu obsessive Bedürfnis nach Aufrechnung und Gleichsetzung der NS-Verbrechen mit der Politik Israels im Konflikt mit den Palästinensern.“13 „An der Aktion des Schwarzen September in München gibt es nichts mißzuverstehen. Sie haben Geiseln genommen von einem Volk das ihnen gegenüber Ausrottungspolitik betreibt“.14
Die „Revolutionären Zellen“ (RZ) waren von den 1970er bis in die 1990er Jahre aktiv und anders als die Mitglieder der RAF lebten sie legal und gingen sozusagen nur zeitweilig in den bewaffneten Untergrund. Im Dezember 1987 wurde Gerd Albartus, ein Guerilla der deutschen Revolutionären Zellen, in einem Camp einer palästinenserischen Gruppe, liquidiert, d. h. zum Tode verurteilt und erschossen. Mitglieder der RZ, die die Meldung über den Tod von Albaruts verbreiten, verwerfen darin ihre seit den 1970er Jahren betriebenen anti-imperialistischen und anti-zionistischen Aktionen und sie bezeichnen die Selektion der in Geiselhaft genommenen Touristen in Juden und Nicht-Juden als anti-semitisch!15 Dass ist ein Unikum in der Geschichte der deutschen Linksradikalen und Revolutionäre. Eine deutsch-palästinensischen Gruppe, sie bestand aus etwa acht Personen, hatte im Juli 1976 Passagiere eines französischen Flugzeugs als Geiseln genommen. Diese Gruppe bestand aus Frauen und Männern der Revolutionären Zellen, der Bewegung 2. Juni und der Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP). Offenbar hatte der Deutsche Wilfried Böse die Selektion durchgeführt, bei der die jüdischen von den nicht-jüdischen Passagieren getrennt wurden.
Bei einem Sprengstoffanschlag auf einen Bus mit jüdischen Auswanderern in Ungarn im Dezember 1991 wurden vier Migranten leicht und zwei ungarische Polizisten schwer verletzt. Die Reisegruppe, es waren vorwiegend Familien mit kleinen Kindern, blieb deshalb vor größeren Verletzungen verschont, weil das dem Bus voraus fahrende Polizeifahrzeug von der Bombe getroffen worden ist. Dem Kommando gehörte u. a. der im Untergrund agierende Anti-Imperialist Horst Ludwig Meyer an, der angeblich, nach Aussagen seiner Lebensgefährtin Andrea Martina Klump, an der Vorbereitung beteiligt gewesen sein soll, in Zusammenarbeit mit bzw. im Auftrag einer palästinensischen Gruppe.16
Die 1970er Jahre, als die Führung der SED auf eine in großen Teilen der Linken in West- und Ost-Deutschland durchgesetzten Ideologie des Anti-Zionismus blicken konnte, „waren die Zeit der Hochkonjunktur, in der Israel mit dem Nationalsozialismus verglichen wurde und Israel mit dem südafrikanischen Apartheidregime gleichgesetzt wurde“.17 Die antiimperialistische SED war ideologisch und logistisch eng verflochten mit legalen und illegalen politischen antiimperialistischen Gruppen der Linken in der BRD. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren konnten wir bereits wissen, das die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und die Sozialistische Einheitspartei Westberlin (SEW), zusammen mit ihren Massenorganisationen und Publikationsorganen, aus Ost-Berlin gesteuert und bezahlt worden sind. Von Anfang hatte die DDR, mit dem Ministerium der Staatssicherheit (MfS), dafür gesorgt, dass die Beweglichkeit der angehenden bewaffneten Gruppen über den Ost-Berliner Flughafen Schönefeld garantiert war, auch und gerade als es zu Beginn ihrer Aktivitäten darauf ankam, in der Handhabung von Waffen und Sprengstoff ausgebildet zu sein. Nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums wurde diese enge Zusammenarbeit der beiden doch so unterschiedlichen deutschen Organisationen, im Osten die Offiziere des MfS – im Westen die Kämpfer der Guerilla. Einige Linke, wie z. B. Barbara Heinrich, Dirk Schneider oder Till Meyer waren als „Informelle Mitarbeiter“ (IM) für die Geheimpolizei der DDR tätig und auch sie belegen die Behauptung über eine enge Zusammenarbeit zwischen antiimperialistisch orientierten Linken aus der DDR und der BRD.18 Obwohl es die DDR seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gibt, kann man sagen, dass ihre außenpolitischen Direktiven in Bezug auf die Bewertung des Konflikts zwischen Israel und Palästinensern nach wie vor gültig sind, jedenfalls bei anti-imperialistischen Gruppen, wie z. B. der Gruppe aus Hamburg, die die Aufführung des Films „Warum Israel“ von Claude Lansmann verhindert hat und dabei haben sie ihr anti-semitisches Urteil öffentlich gezeigt. Dieser Artikel richtet sich gegen diese Aktion und gegen diejenigen die sie vorbereitet und durchgeführt haben. Ich habe diesen Artikel geschrieben um diesen Leuten entgegen zu treten und weil ich nicht einsehen will und kann, dass die Pseudotheorie vom „faschistischen und rassistischen Zionismus“ nach wie vor Anhänger, auch in der radikalen und revolutionären Linken findet. Die von Marxisten-Leninisten verkündete Propaganda, Israel sei per se deshalb faschistisch, weil der Imperialismus faschistisch ist, und Israel als Brückenkopf des US-Imperialismus angesehen wird, ist als Strickmuster so einfach ausgelegt, dass jeder Mann und jede Frau in der Lage ist, zu erkennen, dass die Dinge so nicht stimmen, dass die Existenz des Staates Israels eine Antwort darstellt auf die Massenmorde der Deutschen an den Juden und der jahrhundertlangen Verfolgung und Entrechtung der Juden Europas. Es ist falsch den Anti-Faschismus als anti-zionistisch auszugeben, weil es falsch ist, die Opfer der Nazi-Massenmorde zum Feind zu erklären, wo in Deutschland die Aufarbeitung des NS-Faschismus noch immer in den Anfängen stecken geblieben ist und wo die faschistischen Täter noch immer ungestraft frei sind. Tatsache ist weiterhin, dass der Staat Israels, der einzige Staat in der Region ist, bei dem von einem gewissen Grad an demokratische Rechte durchgesetzt sind. Die islamischen Regimes rings um Israel können solche kulturellen und politischen Strukturen nicht aufweisen und ihre autoritären Herrschaftsstrukturen sind kein Ausdruck für eine emanzipatorische Gesellschaft die wir ansteuern. Allein der bewaffnete Männlichkeitswahn und die damit verbundene Minderbehandlung der Frauen und Mädchen sowie das Verbot von gleichgeschlechtlicher Liebe, die mit dem Tod bestraft wird, zeigen klar und deutlich das gesellschaftlicher Fortschritt nicht von dort kommt, nicht von dort kommen kann, solange die bestehenden Machtstrukturen unverändert bleiben. Hier bei uns in Deutschland hat sich gezeigt, dass die Verhältnisse in der Linken selbst kaum verändert sind, sieht man einmal davon ab, dass es keinen bewaffneten Untergrund mehr gibt. Das liegt eben auch an dem Gehalt dieses Themas, dass es einen solchen Untergrund nicht mehr gibt, wie er ab Anfang der 1970er Jahre und bis in die 1990er Jahre existierte. Die Dinge sind nun mehr an der Oberfläche und deshalb sichtbar geworden. Die deutsche Gesellschaft hat sich seit der Fusion der DDR und der BRD nach rechts entwickelt, nationalistische, rassistische und anti-semitische Einstellungen haben in der Bevölkerung Mehrheiten gefunden. „Mit der Auflösung des sowjetischen Machtblocks begann 1989 eine orientierungslos gewordene Restlinke zur Subkultur zu werden – mit allen Symptomen der Versektung. Doch hat das Amalgam aus antisemitischen und antizionistischen Ressentiments längst auch in der Mitte der Gesellschaft Einzug gehalten. Nach einer Umfrage der EU-Kommission 2003 sahen 65% der Deutschen in Israel eine ‚Gefahr für den Weltfrieden’.“19 Nach einer Umfrage der (British Broadcasting Corporation“ (BBC) haben 77% der Deutschen eine ablehnende Einstellung zu Israel. In Europa soll das die höchste Prozentzahl sein. Eine Mehrheit der Deutschen glaubt das Israel die größte Gefahr für die Weltsicherheit darstellt.20 Einzelne Mitglieder und Arbeitsgemeinschaften von Attac setzen israelische Militäraktionen mit den Verbrechen von Nazis gleich und sie bekunden Sympathien mit dem anti-israelischen Terrorismus, indem sie Islamisten als ‚Partner im Kampf’ hofieren.21 Die Eingangs schon erwähnte Nachfolgepartei der SED, die Partei Die Linke erweist sich bei näherem hinsehen, als widersprüchliche Partei, weil in ihr eingefleischte Propagandisten zu Wort kommen, die die anti-semitische Politik der SED noch heute gutheißen und die kein Jota abgegangen sind von den „missratenen“ Bewertungen Israels und der Palästinenser. So hat H. Dierkes, Kandidat dieser Partei und ein langjähriger Aktivist der Linken, bei der Oberbürgermeisterwahl in Duisburg zum Boykott Israels aufgerufen. Trotz massiven Drucks von innerhalb und außerhalb der Partei, hielt er diese Forderung aufrecht, weil „die fortgesetzte Komplizenschaft bei der Unterdrückung der Palästinenser“ nicht länger hinnehmbar sei.22 Drei Autoren, die der Partei Die Linke angehören, bringen es tatsächlich fertig, sich kritisch mit den Kritikern des anti-semitischen Anti-Zionismus auseinanderzusetzen und dabei kein Wort über den Kern dieser relativierenden Geschichtsklitterung zu verlieren, das sich der Vorwurf des Anti-Semitismus daraus ergibt, das aus den Opfern des Holocaust Faschisten gemacht werden, die die Palästinenser so oder noch schlimmer als die deutschen Faschisten behandeln. Noch einmal: Dieser Vorwurf ist deshalb anti-semitisch, weil er die weitreichende Bedeutung der verbrecherischen und rassistischen Massenmorde der NS-Faschisten durch Relativierung verkleinert. Deshalb ist es falsch zu sagen, das per se und allgemein eine kritische Haltung gegenüber dem Staat Israel als anti-semitisch verurteilt wird. Dass diese Politiker der Linkspartei die Diskussion auf dieses falsche Gleis führen wollen ist deshalb ungeschickt, weil diese verlogene Haltung so nackt daher kommt und jeder und jede die sich mit dieser Materie intensiver beschäftigt, weiß was tatsächlich hinter einer solchen Argumentation steckt.
In diesem zu Ende gehenden Jahr 2009 hat es schon mehrfach Vorfälle mit anti-semitischen Anti-Zionisten aus der Partei Die Linke gegeben. So in der öffentlichen Hetze gegen den „Bundesarbeitskreis Shalom“ (BAK) der Jugendorganisation solid der Linkspartei. Sie wurde angegriffen, weil Vertreter des BAK Shalom immer wieder auf den anti-semitischen Gehalt von Aussagen von Vertretern der Linkspartei im Bundestag (z. B. Gehrcke, Paech) in Bezug zu Israel hingewiesen haben.23 Ein Jahr später entstand eine öffentliche und interne Hetze gegen eine von Stipendiaten der Linkspartei nahen „Rosa-Luxemburg-Stiftung“ organisierten Tagung. Bei der jährlich stattfindenden Ferienakademie hatten sie Autoren wie Thomas von der Osten-Sacken und Stefan Grigat, von den Kritikern denunziert als „zwei passionierte Kriegsapologeten“ sowie Sebastian Voigt vom BAK Shalom eingeladen, ihre Thesen zum Konflikt im Nahen Osten zu referieren.24 Dagegen wurde am 10. Juli 2009 in der junge Welt eine Stellungnahme von anderen Stipendiaten lanciert, in der gefordert wird, die beiden Referenten wieder auszuladen. Die Begründung war, sie würden „rassistische, nationalistische Positionen vertreten“ und sie würden eine kritische Diskussion zu Israel unterdrücken, weil sie „antinationalistische und antiimperialistische Argumente mit dem Vorwurf des Antisemitismus“ tabuisieren würden.25 Am 13. Juli 2009 war die Lage so angespannt, dass sich mehrere Bundestagsabgeordnete (Monika Knoche, Norman Paech, Wolfgang Gehrcke, Hüseyin Aydin) der Linkspartei über die junge Welt zu dem Konflikt äußerten. Sie erklären, dass die eingeladenen Referenten wieder auszuladen seien, da sie nicht mit dem Selbstverständnis der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu vereinbaren wären, dass hier als „antirassistisch, antikolonialistisch, emanzipatorisch, pazifistisch etc.“ bezeichnet wird und das sie damit nicht mit „unseren politischen Grundlagen übereinstimmen“.26
Wie weit die anti-semitischen Feindseligkeit in der Linkspartei bereits gediehen ist, zeigt eine Stellungnahme von Dieter Dehm (MdB) auf der großen Demonstration „Wir zahlen nicht für eure Krise“ am 28. März 2009 in Frankfurt/M. Der Vorsitzende der Linkspartei O. Lafontaine wurde dort bei seiner Rede aus dem Schwarzen Block mit Eiern beworfen. Daraufhin denunzierte D. Dehm in einer Presseerklärung diesen Vorgang mit den Worten: „Militante fanatisierte Anhänger von israelischer Regierung und Geheimdienst haben gestern den Vorsitzenden der Partei DIE LINKE in Frankfurt am Main gewalttätig angegriffen.“27 Was soll man zu so einem Unsinn noch sagen?
Wie kompliziert die Lage ist, zeigt eine Stellungnahme der Redaktion der wildcat in ihrem neuesten Heft. Unter der Überschrift „Nur wenn wir das antiimperialistische Erbe überwinden …“ machen sie es möglich über vier Seiten über das Scheitern des bisherigen Anti-Imperialismus und der Mangel eines revolutionären Ausblicks zu schwadronieren, ohne den nucleus des bestehenden anti-semitisch verfassten Anti-Zionismus auch nur mit einem Wort zu erwähnen.28 So wie die Dinge liegen, werden radikale und revolutionäre Linke in diesem Land nicht an der Analyse und der Kritik dieser verdorbenen Ideologie vorbeikommen.
Jürgen Elsässer, ehemaliger linker Journalist, hat sich mit seinen Sympathien für den anti-semitischen Präsidenten der islamischen Republik Iran, Ahmadinedschad, sich nicht nur von der Linken, sondern auch gleich vom Anti-Faschismus verabschiedet. Er wird jetzt wahrgenommen als ein Anti-Semit, als ein Volksverhetzer gegen Demokratie und den Staat Israel, wenn er die Protestierer vor dem linken Club Voltaire als „zionistisch/antideutsche Faschisten“ denunziert. Er hat alle vernünftigen Maßstäbe in seiner verdorbenen Argumentation verloren, die er höchst wahrscheinlich gehabt haben muss, wie sonst wäre seine langjährige Karriere durch linke Medien zu verstehen.29
Und damit komme ich zurück zum Kern dieser Studie über den anti-semitischen Anti-Zionismus deutscher Anti-Imperialisten. Durch ihre phantasierte Transformation der Opfer der Shoa zu faschistischen und rassistischen Massenmördern, müssen die Palästinenser als Opfer dargestellt werden, denen die Anti-Imperialisten als Anti-Faschisten zur Hilfe eilen. Dies ist der Kern der Ideologie des Anti-Zionismus, wie er von Marxisten-Leninisten in die Welt gesetzt wurde und wie er bis heute praktiziert wird.
Anmerkungen
1 Der Tagesspiegel vom 22.11.2009; Jungle World Nr. 45 vom 5.11.2009 und Nr. 47 vom 19.11.2009; Spiegel Online vom 19.11.2009
2 Timm, Angelika: Hammer Zirkel Davidstern. Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel. Bonn Bouvier 1997, S. 209.
3 Timm, S. 219.
4 Karl Heinz Schubert: Kraushaars Enthüllungen, Teil 5, in: trend 02/06, S. 2; www.trend.infopartisan.net/trd0206/t400206.html.
5 Stefan Reinecke: Das abgespaltene Attentat, in die tageszeitung vom 1. Juli 2005 und ein Interview mit Tilman Fichter vom 25. Oktober 2005.
6 Schalom + Napalm, in: Agit 883, Nr. 40 vom 13.11.1969.
7 Dieter Kunzelmann: Brief aus Amman, in: Agit 883 Nr. 42 vom 27. November 1969.
8 Martin Kloke: Israel – Alptraum der deutschen Linken? In: www.compass-infodienst.de
9 texte: der raf, Überarbeitete und aktualisierte Ausgabe 1983, S. 411-422.
10 Ebenda, S. 433.
11 Ebenda, S. 435.
12 Ebenda, S. 441.
13 Martin Kloke: Vor vierzig Jahren …, S. 9.
14 Ebenda, S. 446
15 Gerd Albartus ist tot, Revolutionäre Zellen im Dezember 1991, nach: Die Früchte des Zorns. Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionären Zellen und der Roten Zora, ID-Archiv im IISG (Hg.), ID-Verlag.
16 Süddeutsche Zeitung vom 28. September 2004.
17 Peter Ullrich: Dem Volk nicht zugehörig, in: Jungle World Nr. 19, 8. Mai 2008.
18 Vgl. Ivo Bozic: Das Ohnsorg-Theater, in: Jungle World Nr. 22 vom 28.Mai 2009.
19 Martin Kloke: Vor vierzig Jahren …, S. 8.
20 Benamin Weinthal: Bye, bye, German left!, in: Jungle World Nr. 17 vom 25. April 2007.
21 Martin Kloke, S. 14.
22 Junge Welt vom 6. April 2009, S. 10.
23 Knut Mellenthin: Rabiater Fanclub, in: junge Welt vom 18.7.2008.
24 junge Welt vom 10.6.2009.
25 Protest gegen Gestaltung der RLS-Ferienakademie, in: junge Welt vom 10.7.2009.
26 junge Welt vom 13.7.2009.
27 Presseerklärung Die Linke. Niedersachsen, 29. März 2009.
28 Wildcat 85, Herbst 2009, S. 20-23.
29 Carsten Hübner: Politische Sackgasse, in: www.neues-deutschland.de/artikel/159855.politische-sackgasse.html und Elsässer halt’s Maul: http://www.trend.infopartisan.net/trd0609/t640609.html
Editorische Anmerkungen
Wir erhielten den Artikel von dem Autor.