Rot-Rot in Brandenburg
Gewählte LINKE, gelinke Wähler

von Janosch Janglo

12/09

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Die Linkspartei sitzt nun auch in Brandenburg an den Futtertrögen bürgerlicher Regierungsposten. Am 4. 11. unterzeichnete sie einen Koalitionsvertrag, welcher mit gebrochenen Wahlversprechen und der Weiterführung der Vorgängerpolitik von CDU und SPD ein Schlag ins Gesicht der Lohnabhängigen ist. Nach dem Motto „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ opferte die Linkspartei in den Verhandlungen ihren Kredit bei den Sozial- und Umweltverbänden, um als Scharnierpartei der SPD den Kapitalismus mitzuverwalten.

Die erneute Beteiligung an einer Landesregierung und die daraus resultierende Verpflichtung, bürgerliche Politik zu betreiben, also gerade in Krisenzeiten auf Kosten der Lohnabhängigen zu sparen bis es quietscht, wird der Linkspartei - wie schon in Berlin - Stimmen, Ansehen und Verankerung in den sozialen Bewegungen kosten. Das Kalkül von Ministerpräsident Platzeck dürfte indes aufgehen: Schon die Koalition in Berlin hat gezeigt, dass der Sozialabbau bei Einbindung der Linkspartei leichter ist und diese dabei geschwächt wird.

Sozialabbau

DIE LINKE gibt ihren Wählern viele Kröten zu schlucken. Stellt sich DIE LINKE auf Bundesebene (noch) gegen den „Lissabon-Vertrag“, bekennt sich die Brandenburger Koalition nun ausdrücklich zu diesem neoliberalen Vertrag mit seinem Sozialabbau, seiner Aufrüstung u.a. Maßnahmen zur Stärkung der imperialistischen EU. Diese 180 Grad-Wendung zeigt den völligen politischen Ausverkauf der Linkspartei.

Getreu dieser Logik sollen auch in Brandenburg bis 2015 10.000 Stellen im Öffentlichen Dienst abgebaut werden. Da Lehrer - und Polizisten (!) - vom Stellenabbau ausgenommen sind, werden wahrscheinlich Sozialpädagogen, Sozialarbeiter u.ä. Bereiche dran glauben müssen. So wird der Rest an Betreuung von Kindern und Jugendlichen noch weiter ausbluten.

Die Befürworter des Koalitionsvertrages verweisen dann gern auf die im Vertragswerk beschlossenen 8.000 öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnisse.

Doch sieht man genauer hin, erkennt man schnell den Haken: erstens sollen diese nur „angestrebt“ werden und zweitens können sie nur finanziert werden, wenn der Bund 75 Prozent der Kosten übernimmt. Doch das ist bei einer Bundesregierung, die gerade zum Generalangriff auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse bläst, eher unwahrscheinlich. Sicherheitshalber hat man auf jede Tarifbindung verzichtet, so dass am Ende nur befristete Niedriglohn-Jobs, ohne ALG I-Anspruch entstehen würden. So drohen reguläre Arbeitsplätze durch neue mit schlechteren Konditionen ersetzt zu werden.
Brandenburg wird im nächsten Jahr ein Defizit von etwa einer Milliarde Euro haben. Klar, dass im Kapitalismus die Lohnabhängigen dafür bluten müssen, um die Haushaltskonsolidierung fortzusetzen. Alle zusätzlichen Ausgaben, z.B. für ErzieherInnen „sind grundsätzlich durch Einsparungen an anderer Stelle auszugleichen“. Finanzminister Helmuth Markov von der Linkspartei schlägt zynisch vor, sich „vielleicht von Liebgewonnenem“ zu verabschieden.

Studiengebühren und Elite

Hatte sich DIE LINKE beim Bildungsstreik über ihre Vorfeldorganisationen SDS und SOLID noch gegen die Einführung von Studiengebühren und für die Abschaffung indirekter Studiengebühren sowie gegen die Elitenförderung eingesetzt, macht sie nun auch hier eine Rolle rückwärts. Man wolle „keine Studiengebühren für das Erststudium bis zum Master-Abschluss einführen“. Konkret heißt das, die Koalition hält sich ein Hintertürchen offen, um z.B. bei einem Wechsel der Studienrichtung auch im Bachelor Studiengebühren zu erheben.

Die Koalition will weiter Elite-Programme im Schul- und Hochschulbereich fördern. Die Abschaffung indirekter Studiengebühren wurde gleich unter den Tisch gekehrt. Hochschulen sollen außerdem als „geistige Ressource“ für das Kapital stärker auf Naturwissenschaften ausgerichtet werden und die weniger verwertbaren Gesellschafts- und Geisteswissenschaften in den Hintergrund gedrängt werden.

Schönbohms Innenpolitik wird fortgesetzt

Hatte DIE LINKE in der Opposition noch 2008 die Verschärfung des brandenburgischen Polizeigesetzes mit automatischer Kennzeichenerfassung und Handy-Ortung abgelehnt, ist sie in der Regierung nun natürlich nicht bereit, diese Maßnahmen Schönbohms abzuschaffen. Sie sollen - getreu dem Gesetz - erst ab 2012 wieder neu diskutiert werden. Auch in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin hatte die Linkspartei als Koalitionspartner einer Verschärfung des Polizeigesetzes zugestimmt. Alle, die an den Protesten auf dem G 8-Gipfel in Rostock 2007 teilnahmen, konnten diese „Segnungen“ der Linkspartei-Politik am eigenen Leib erfahren.

Auch Jugendliche sollen demnächst stärker gegängelt werden: „Veranstaltungen, die dem Alkoholmissbrauch von Jugendlichen Vorschub leisten, soll es künftig nicht mehr geben.“ Also ade Disco und Kirmes als die oft einzigen Höhepunkte im tristen Dorfleben? „Alle rechtlichen Möglichkeiten sollen geprüft werden, um den Zugang der Jugendlichen zu diesem Gefahrenbereich zu erschweren bzw. zu verhindern“. Nicht die Bekämpfung der sozialen Ursachen von Problemen ist das Anliegen der Linkspartei, sondern das Herumdoktern an Symptomen.

Verkohlte Ökologiebewegung

Einen Nackenschlag erhielten auch die Brandenburger UmweltschützerInnen. Vor der Wahl half DIE LINKE noch beim Sammeln von Unterschriften für das Volksbegehren gegen neue Tagebaue. Im Wahlprogramm stand, dass „unsere Braunkohlevorkommen endlich sind, ihre Erschließung gewaltige Teile unseres Landes zerstört“. Als Regierungspartei leckt man nun brav die Vattenfall-Stiefel und schlussfolgert: „Braunkohle-Nutzung in Deutschland ist solange erforderlich, bis der Industriestandort Deutschland seinen Energiebedarf sicher und zu international wettbewerbsfähigen Preisen aus erneuerbaren Energien decken kann. Die Koalition hält an der Verstromung des wichtigen einheimischen Energieträgers Braunkohle als Brückentechnologie fest“.

Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass diese Brücke so lang sein wird, bis auch das letzte Loch profitabel ausgekohlt wurde. Auch bei der CCS-Technologie (Abscheidung von CO2 und dessen Endlagerung) gab es ein Rollback der Linkspartei. Als Opposition geißelte man sie noch als „Technologie ohne strategischen Ausweg“, die „mit hohen Kosten verbunden“ ist und „selbst viel Energie verschlingt“. Das Wahlprogramm stellte richtig fest: „Nach wie vor gibt es ernsthafte ungeklärte Fragen zum Transport und zur Endlagerung der Gase. Die Risiken sind bisher weitgehend unerforscht“.

Nun beschlossen Linkspartei und SPD, dass die CCS-Technologie „eine wichtige Option ist“ und man „sich für eine Erprobung und Demonstration dieser Technologie in Brandenburg einsetzen wird“. Vom Risiko zum Forschungsbedarf, damit man die Risiken „wegforschen“ kann - natürlich über von Vattenfall bezahlte Drittmittelprojekte an der BTU Cottbus. So sieht Braunkohle-Ausstieg nicht aus!

Einig ist man sich auch darin, „dass der Prozess der Einführung neuer Technologien durch eine verstärkte Moderation der öffentlichen Hand begleitet werden muss, um die sich daraus ergebenden regionalen, sozialen und ökologischen Konflikte minimieren zu können“. Hier erklärt sich die Koalition ehrlicherweise gleich öffentlich als Teil der Public Relation-Abteilung von Vattenfall.

Die Umweltverbände hatten tatsächlich gehofft, dass eine Linkspartei-Regierung dem ständigen Einknicken vor den Profitinteressen der Großkonzerne widerstehen könne. Das hatte man auch von Platzeck als Mitbegründer der „Grünen Liga“ erwartet. Doch Fakt ist, dass Vattenfall mit seinen Milliarden-Umsätzen nur mit dem Finger schnippen muss, damit politische Regionalgrößen springen - egal mit welchem Parteibuch in der Tasche!

Kritik an der Linkspartei

Vor und nach dem Beschluss der Koalition gab es durchaus Kritik in der Linkspartei. Der NRW-Verband kritisiert richtig, dass “ein Politikwechsel mit der neuen (Brandenburger, d.R.) Regierung nicht verbunden“ ist. Für positiv hält er aber, dass auf dem Landesparteitag Brandenburg ein Ergänzungsbeschluss gefasst wurde: „... die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Zahlen versteht DIE LINKE. Brandenburg daher als Aufforderung, gegen Stellenabbau im Öffentlichen Dienst in Brandenburg … zu kämpfen.“ Verwunderlich nur, dass im Koalitionsvertrag, der auf diesem Parteitag mit 86,7 Prozent durchgewunken wurde, der Abbau von 10.000 Stellen beschlossen wurde.

Immerhin hat man die Bundespartei aufgefordert, für künftige Regierungsbeteiligungen „rote Haltelinien“ zu beachten wie z.B. kein Sozialabbau, kein Abbau tariflich bezahlter Beschäftigung, keine Privatisierungen usw. Doch solch einen Versuch, die Linkspartei vor allzu unsozialen Regierungsbeteiligungen zu bewahren, gab es schon beim Zusammenschluss von WASG und PDS. Damals scheiterte dies an der Funktionärselite beider Parteien, die ihre zukünftigen Posten in den Parlamenten gefährdet sahen. Am eisernen Griff dieser Funktionärselite hat sich bisher nichts geändert, dass hat auch dieser Landesparteitag, der jede Kritik unter den Teppich kehrte, erneut deutlich gezeigt.
Auch MARX 21 (ehemals Linksruck) konstatiert richtig, dass Brandenburgs Linkspartei „nun als Oppositionskraft und als Bündnispartner für Protestbewegungen und Gewerkschaften wegfallen wird“. Umso rätselhafter erscheint dann die Einschätzung von MARX 21, dass aus der Linkspartei trotzdem eine neue antikapitalistische Kraft entstehen könne?!

Etwas erregt über den Koalitionsvertrag waren auch SOLID und der SDS. Doch ihre Kritik wurde von den Funktionären und Mandatsträgern schnell als „junges Rebellentum“ abgebügelt. Trotzdem haben die Kritiker dann noch artig der Verhandlungsgruppe „das Vertrauen ausgesprochen und für ihre intensive Arbeit gedankt“, anstatt ihre Absetzung zu fordern!

Auch jene, die kritisieren, dass DIE LINKE sich in den Koalitionsverhandlungen „zu billig“ verkauft, ziehen natürlich nicht den grundsätzlichen Kurs und die politische Logik der Partei in Zweifel. Sie verkennen das Hauptproblem, dass jede Regierung bürgerliche Politik im Interesse des Kapitalismus betreiben muss - ob sie will oder nicht. Sie verkennen, dass eine solche Regierung, auch wenn sie „keinen Sozialabbau“ betreiben würde, tagtäglich die Reproduktion der bestehenden ökonomischen und politischen Verhältnisse sichern würde. Schon allein deshalb, weil der bürgerliche Staatsapparat für andere Zwecke einfach ungeeignet ist, weil das gesamte polizeilichen und sonstigen Beamtenheer weiter der Aufrechterhaltung und Sicherung der Herrschaft des Privateigentums dienen würde. Und auch deshalb, weil eine „sozialere“ Politik nicht möglich ist, ohne das Kapital anzugreifen.
Sie begreifen nicht, dass die einzige Regierung, die wirklich die Interessen der Arbeiterklasse und der Mehrheit vertreten kann, eine Arbeiterregierung ist, d.h. eine Regierung, die sich auf Kampforgane der Klasse und auf Mobilisierungen stützt.

DIE LINKE: Keine Alternative zur SPD

Der Koalitionsvertrag wie auch der schwache Gegenwind in der Partei - v.a. auch in der Brandenburger Linkspartei selbst - zeigen, dass sie keine klassenkämpferische politische Alternative zur SPD ist. Auch der leichte Aufschwung bei Wahlen dürfte bald einen Dämpfer erhalten, wenn sich die Linkspartei auf Landesebene am Sozialkahlschlag beteiligt. Sie und ihre Politik sind nicht das kleinere Übel, sondern mittlerweile das Haupthindernis für die Formierung einer klassenkämpferischen, antikapitalistischen Kraft in Deutschland. Mit der Linkspartei können Widerstand und Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse, der Jugend, der MigrantInnen nicht entwickelt werden!

Für RevolutionärInnen stellen sich daher zwei zentrale Aufgaben, um die Bewegung und den Widerstand weiter zu bringen:

- der Aufbau einer Koordination des Widerstandes, einer Basisbewegung in den Betrieben, in den Gewerkschaften und den Kommunen sowie deren landesweite, ja internationale Verbindung - gegen soziale Angriffe, imperialistische Kriegspolitik, rassistische Attacken und die Unterminierung demokratischer Rechte;

- die Schaffung einer revolutionären Organisation, die in den Kämpfen nicht nur die Notwendigkeit einer koordinierten Verteidigung gegen die Angriffe betont, sondern diese Kämpfe auch mit der Perspektive des Kampfes für die sozialistische Revolution verbindet.

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel über

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 460
17. Dezember 2009

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