Editorial
Zwischen Wahn und Wut
von Karl Mueller12/10
trend
onlinezeitungNoch nie traten die ökonomischen Klassenverhältnisse des Kapitalismus so deutlich hervor wie seit Beginn dieses Jahrtausends. Gleichsam im reziproken Verhältnis scheinen sie sich in den Metropolen auf der gesellschaftlichen Oberfläche in ein fraktales Patchwork von Milieus, gebildet von gesichtslosen bürgerlichen Monaden, zu atomisieren. Obwohl dies mit der objektiv nachprüfbaren Realität nicht übereinstimmt, scheint das Wesen nun in seiner Erscheinung aufgehoben. In diesem Wald von Bäumen ist es nicht leicht, sich zu orientieren, unter Umständen sieht mensch ihn gar nicht mehr. Einbildungen beginnen solche Denkstörungen und die damit einhergehende Orientierungslosigkeit zu kompensieren.
Solche schon an Wahn grenzende Imaginierungen bilden das Zentralanliegen der Flugschrift "Der kommende Aufstand", ein Text aus angeblich linken Zusammenhängen, womit nach Sarrazin und Stuttgart 21 das bürgerliche Feuilleton derzeit befasst ist. So feierte die FAZ unlängst diese Flugschrift eines so genannten unsichtbaren Komitees als "glänzend geschriebene Zeitdiagnostik" und fabulierte, es werde bald das "wichtigste linke Theoriebuch unserer Zeit" werden.
In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Aufstandstext um eine mit Revoluzzerattitüde in eine Brühe von expressionistischen Methaphern getunkte Untergangsprosa. In sieben esoterischen Kreisen vegetiert das auf sich selbst zurückgeworfene bürgerliche Individuum unter gleichsam infernalen Bedingungen und lässt seinen Hass gegen den Fremden "mit dem Hass gegen sich selbst als Fremden" verschmelzen. Irgendwo zwischen Wahn und Wut entsteht dann im kommenden Aufstand die Kommune - schönen Dank auch.
Trotz alledem verkauft sich das Buch gut. Offensichtlich auch unter Linken. Der Nautilus-Verlag kommt gar nicht hinterher. Wer dieses Buch zwecks Gegnerstudium unbedingt lesen möchte, kann sich das Geld sparen. Die TREND onlinezeitung stellt das Buch "Der kommende Aufstand" als PdF-File kostenlos zur Verfügung.
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Im November waren wir besonders mit der Vorbereitung des Veranstaltungswochenendes anlässlich des 15. Geburtstags am 21. und 22. Januar 2011 unserer Onlinezeitung beschäftigt. Das genaue Programm steht und wird im Laufe des Monats als TREND-Print und hier veröffentlicht. Wir werden das Wochenende mit einem Referat von Harry Waibel beginnen, in dem folgende Fragen angesprochen werden:
Welche programmatischen und organisatorischen Grundlagen sind heute notwendig für eine revolutionäre Organisation und in welchem Verhältnis stünde sie zum Proletariat? Was ist aus den Fehlern und Niederlagen der Vergangenheit zu lernen? Was heißt heute Sozialreform und Revolution?
Eine Vertiefung und eine breitere Erörterung unter verschiedenen Aspekten soll in vier Worksshops erfolgen, die von Anne Seeck (Berlin), Peter Djordjevic (Oldenburg), Peter Nowak (Berlin), Robert Schlosser (Bochum) und Bernard Schmid (Paris) moderiert werden.
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Ohne Selbstüberschätzung können wir die Dezember-Ausgabe als durch und durch gelungen ansehen und danken von dieser Stelle aus dafür unseren AutorInnen. Nichts desto trotz verdienen es drei Texte hervorgehoben zu werden, die jeder für sich eine besondere Art von "Unikat" darstellen.
Da wäre zunächst der material- und informationsreiche Vortrag von Anne Seeck über den Umgang mit Psychiatriebetroffenen in dieser Gesellschaft. Hier geht es nicht einfach um Aufklärung, sondern Aufklärung soll zum Handeln und zwar zum kollektiven Handeln ermutigen.
Von besonderer investigativer Qualität ist Bernard Schmids Artikel über den inneren Zustand der französischen extremen Rechten. Er ist getragen von einer aufwändigen Recherche verbunden mit dem Anspruch ausgesprochen seriös zu berichten.
Und last not least unsere "Headline". Robert Schlossers offener Brief an die legendäre Gruppe um Wolfgang Schaumberg „Gegenwehr ohne Grenzen“ (GoG) bei Opel in Bochum. Die Besonderheit dieses Briefes besteht darin, dass der Autor, der mit der GoG über viele Jahre eng verbunden war, versucht, die drohende (endgültige?) Abkehr der GoG von einer klassenkämpferischen Betriebspolitik durch eine prinzipielle und damit solidarische Kritik aufzuhalten.
Viel Spaß mit der neuen TREND.
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- 368 Will das Kapital die Löhne immer nur senken?
http://www.trend.infopartisan.net/trd1110/t221110.html- 304 Geschlecht, Sprache und soziale Realität
http://www.trend.infopartisan.net/trd1110/t091110.html- 269 Ausgepresst wie die Zitronen
http://www.trend.infopartisan.net/trd1110/t231110.htmlWeitere stark nachgefragte TREND-Artikel aus vorherigen Ausgaben:
- 1.068 Die französischen Trabantenstädte oder Die Ethnisierung des Sozialen
http://www.trend.infopartisan.net/trd1204/t031204.html- 758 Allgemeine Geschichte des Sozialismus und der sozialen Kämpfe (1800—1847)
http://www.trend.infopartisan.net/trd0705/t250705.html- 556 Brasiliens erotischer Sex
http://www.trend.infopartisan.net/trd0603/t230603.html