John Lennon über Subversion, Geld,
Bürger-Kinder und guten Rock’n Roll
Zitate anlässlich seines 30.Todestages am
8.12.2010
zusammengestellt von Karl-Heinz Schubert
12/10
trend
onlinezeitung
Vor 30 Jahren am 8.12.1980 streckte
der Lennon-Fan, Mark David Chapman aus Honolulu, 25, John
Lennon, 40, mit fünf Pistolenschüssen vor dessen Wohnung in
New York nieder. Der diesjährige Jahrestag wird von den
Medien erneut genutzt werden, um John Lennon ein wiederholtes
Mal nach ihren Zwecken zu formen. Die Generallinie dafür gab
bereits der Spiegel 1980 unmittelbar nach John Lennons
Ermordung aus:
„Lennon war der "Beatle für die
Intellektuellen"; ihnen machten seine Kritzelbilder und
skurrilen Kalauertexte in den Büchern "In His Own Write" und
"A Spaniard In The Works" Spaß. Lennon war der Beatle mit
"Engagement". Er provozierte das puritanisch frömmelnde
Amerika, als er 1966 in einem Interview verkündete, die
Beatles seien populärer als Jesus; er schockte die Fans, als
er sich als Happening-Künstler versuchte; und er nahm keine
Rücksicht auf Image-Kosmetik, als er Ende der 60er, Anfang der
70er Jahre Englands Engagement im nigerianischen Bürgerkrieg
und den Vietnam-Krieg verurteilte…. Aber, so bekannte Lennon
in seinem Todesjahr, der Radikalismus und die theatralischen
Demonstrationen von damals waren Ausdruck von Schuldgefühlen.
‚Ich hatte mich immer schuldig gefühlt, weil ich Geld machte,
deshalb musste ich es ausgeben oder es verlieren.’ " (Der
Spiegel 51/1980)
Doch wie wollte John Lennon selber von den
Medien gelabelt werden? Dazu einige markante Zitate aus
Interviews mit ihm.
1) Interview mit dem Kunststudenten
Maurice Hindle aus dem Jahr 1968, auszugsweise veröffentlicht am
17.12.2009 in der Baseler Zeitung
«Was bringt es, ein paar alte Tories
fertig zu machen? Was würde das schon ändern? Natürlich taugt
das System nichts, aber es reicht nicht, es einfach kaputt zu
schlagen.»
«Ich werde mich nicht kreuzigen
lassen, tut mir leid, und also gut, ich bin Kompromisse
eingegangen. Aber zeigen Sie mir jemanden, der das nicht getan
hat und immer noch am Leben ist. Ich habe immer gesagt: Klink
dich nicht aus, Mann, bleib drinnen und unterwandere das
System.»
2) Interview mit Abram DeSwaan,
auszugsweise abgedruckt im Spiegel 31/1969
„Es wäre mir gleich, wenn ich kein
Geld hätte oder Geld verlieren würde. Aber viele Leute haben
uns ausgenutzt. wie Künstler immer ausgenutzt werden, und der
Gedanke, daß man versucht, uns hereinzulegen, ist mir zuwider.
Dann würde ich das Geld lieber in den Abfluß werfen oder es an
die Torys, die Faschisten oder die Linksradikalen verteilen.“
„Mit 19 oder 20, als ich im College
war, trat ich auch immer für die völlige Zerstörung ein.
Damals wäre ich auch unter die Plünderer gegangen, nur um zu
zerstören. Ich weiß nicht, ob ich nicht heute noch Spaß daran
hätte, aber ich tu es nicht, weil ich keinen Ärger will.“
3) Interview mit dem Spiegel, abgedruckt
in der Nr. 5/1971
„Ich verstehe nichts von Geschichte,
aber die Leute, die die Macht haben, und das Klassensystem und
die ganze beschissene Bourgeoisie sind immer noch dieselben.
Nur läuft heute ein Haufen Bürger-Kinder mit langen Haaren und
modischen Klamotten durch London, und Kenneth Tynan verdient
(mit seiner Revue "Calcutta") einen Haufen Geld mit dem Wort
ficken. Aber sonst hat sich nichts geändert. Es werden immer
noch Waffen nach Südafrika verkauft und Schwarze auf der
Straße umgebracht. Die Leute leben immer noch in fucking
Armut, und die Ratten laufen über sie weg. Nichts hat sich
geändert, bloß bin ich jetzt 30, und
ein Haufen Leute läuft mit langen Haaren herum.“
„Wenn wir aber guten Rock'n
Roll wollen, dann müssen wir ihn machen und mit dem
ganzen heuchlerischen Schwindel aufhören -- mit dem
revolutionären Image und den langen Haaren. Das ist es,
weshalb wir uns die Mähnen abschneiden müssen, Jetzt kommt es
darauf an festzustellen, wer wirklich Musik macht und wer nur
Scheiße absondert.“
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Nach der
"Theorie" nun die Praxis
John Lennon - Letztes Livekonzert "One to One" 30. August 1972, Madison Square Garden, New York City. Der Film des Konzerts erschien 1985 - zusammengeschnitten
von Yoko Ono.
Darüber vermerkt der Lennon Biograf
Albert Goldman:
Das Video von One to One, das 1985 unter dem Titel
John Lennon-Live in New York City herauskam, ist ein
wichtiges Dokument, nicht nur als
Aufzeichnung von Lennons letztem großen Bühnenauftritt, sondern auch weil es deutlich zeigt,
wie Yoko Ono ihre Arbeit als Verwalterin des Lennon-Archivs
versteht. Obwohl das Konzert ursprünglich' Steve Gebhardt nach
Lennons Anweisungen geschnitten und am 15.Dezember
1972 gesendet wurde, verwarf Yoko diese autorisierte Fassung
und schnitt die Bänder um, kürzte Lennon in dem Umfang, in dem
sie sich selber einbaute. Als erstes
ersetzte sie die beeindruckende Abendvorstellung
durch die weniger gute Matinee, die John als «Probe» abgetan
hatte, tauschte also einen guten Lennon-Auftritt gegen einen
schlechteren aus(*)
Dann stahl sie John die Show, indem sie ihn durch
Zwischenschnitte ständig ausblendete, selbst in seinen größten
Momenten, die Zwischenschnitte zeigten
sie, wie sie auf einem elektrischen Keyboard
herumhämmerte. Nachdem Sony das Video herausgebracht hatte, wurde
Yoko von Adam Ippolito, dem Keyboarder von Elephant's Memory
verklagt, der behauptete, daß sie nicht eine Note der Musik, die
sie angeblich spielt, selbst hervorgebracht hätte, weil ihr
Keyboard nicht angeschlossen gewesen sei. (Albert Goldman, John Lennon, Ein Leben,
Reinbeck 1989, S. 602)
*) Das lässt sich anhand der nachfolgenden
Version nicht nachvollziehen,