Nationalistische Barbarei oder Weltrevolution?
Ante Ciliga (1898-1992) - Lebensweg eines Kommunisten aus Kroatien

von Philippe Bourrinet

12/10

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Nur mit äußerster Zurückhaltung und in wenigen mageren Zeilen ist in der französischen Presse ("Le Monde" vom 28. Oktober 1992) der Tod Ante Ciligas am 21. Oktober 1992 in Zagreb erwähnt worden, ohne dabei ein genaues Todesdatum dieses "ehemaligen Führers der jugoslawischen kommunistischen Partei" anzugeben, der sowohl Stalins Lager als auch die Lager der faschistischen kroatischen Ustascha gekannt hat.

Ante Ciliga wurde durch sein 1938 erschienenes Buch "Au pays du grand mensonge" ("Im Land der großen Lüge")[1] zum Sinnbild der Opposition gegen den Stalinismus und das unter Lenin, Trotzki und Stalin errichtete "bolschewistische System" des Staatskapitalismus. Mit diesem Buch, das später erneut veröffentlicht sowie in mehrere Sprachen übersetzt wurde, ist Ciliga so sehr identifiziert worden, daß es den letzten Endes zwiespältigen Weg seines gesamten politischen Lebens, das nicht auf die Erfahrungen der zwanziger und dreißiger Jahre reduziert werden kann, hat vergessen lassen.

Seit den dreißiger Jahren ist der Name Ciligas für die antistalinistische Opposition, aber auch für Historiker der Arbeiterbewegung mit dem Kampf der Linken gegen den Stalinismus verbunden. Noch bevor man in der Zeit des Kalten Krieges durch das Zeugnis Victor A. Kravchenkos und anderer die sozialen Realitäten der UdSSR "entdeckte" und aus manchen "Weggefährten" virulente Gegner des "Kommunismus" wurden, ließ sich mit Ciliga eine Stimme vernehmen, die links vom Stalinismus und Trotzkismus das von Lenin und Trotzki errichtete und von Stalin und seinem Regime vollendete System des Staatskapitalismus heftig kritisierte.

Redaktioneller Hinweis:

Die wieder aufgelegten Aufsätze über die politische Lage in der ehemaligen SU von Ante Ciliga in dem Buch Im Land der verwirrenden Lüge aus dem Jahre 1938 beflügeln zur Zeit speziell in linksradikalen Kreisen Diskussionen über den Weg des Sozialismus. Dankenswerterweise hat Peter Nowak in seiner Buchbesprechung daraufhin gewiesen, um welch schillernde Figur es sich bei Ante Ciliga handelt.
Wir möchten dies zum Anlass nehmen, um ein wenig mehr  Licht in die Biografie des Ante Ciliga zu bringen. Daher reprinten wir virtuell den nebenstehenden 1994 erschienenen Aufsatz.
Desweiteren möchten wir noch auf die erste deutschsprachige Veröffentlichung von Im Land der verwirrenden Lüge hinweisen. Sie erfolgte in Köln 1953 im Verlag "
Rote Weißbücher".
Dieser Verlag war ein gemeinsames Projekt des Gesamtdeutschen Ministerium und des
Verlags Kiepenheuer & Witsch. In ihm wurden vornehmlich Agitationsschriften über das  Herrschaftssystem der "Ostzone", Lagerberichte entlassener Stalinopfer, Erlebnis- und Erfahrungsberichte enttäuschter und verbitterter Exkommunisten veröffentlicht.. "Was von der Sache und auch vom Geschäft her nützlich, aber für das Etikett K&W nicht anspruchsvoll genug aussah", so Verlagslektorin Carola Stern, erschien bei den "Roten Weißbüchern"

An diesen historischen Kontext zu erinnern, darf jedoch nicht von der Aufgabe entbinden, eine umfassende Biographie Ciligas zu erstellen. Für den Historiker der Arbeiterbewegung, der die Beziehungen zwischen "internationalistischem" Engagement und alten "nationalistischen" Reflexen bei bekannten kommunistischen Aktivisten untersucht, ist Ciligas Lebensweg mit seinen ambivalenten Ausrichtungen äußerst lehrreich. Ciliga symbolisierte auf seine ihm eigene "linkskommunistische" Weise  zwischen 1931 und 1935 links vom Trotzkisinus und nahe dem Anarchismus angesiedelt diese Ambivalenzen der mittel- und osteuropäischen Militanten, die nach dem Ersten Weltkrieg revolutionär geworden waren, und dabei zugleich  bewußt oder unbewußt nach einer nationalen Identität suchten. In dieser Hinsicht wirft der Lebensweg Ciligas auch Fragen über das "kommunistische" Engagement in den Balkanländern auf.

I. Vom kroatischen Nationalismus zur Weltrevolution

Neben den von Ciliga selbst  allerdings in kroatischer Sprache  berichteten autobiographischen Einzelheiten[2]  liegt eine in französischer Sprache verfaßte Autobiographie aus dem Jahr 1983 vor, die allerdings nie veröffentlicht wurde[.3]

Ciliga wurde am 20. Februar 1898 in Segotici geboren, einer Stadt in Istrien, einer Provinz der österreichisch-ungarischen Monarchie, in der sich italienische, kroatische und slowenische Bevölkerungs-anteile vermischten. Der Zufall der Geschichte wollte es, daß Ciliga, nach Sprache und Kultur ein Kroate, bis 1919 österreichischer und dann bis 1945 italienischer Staatsbürger war. Ciliga entstammte einer kroatischen Bauernfamilie und teilte mit seinem Großvater "das Interesse für die kroatische Kultur und für die nationalen Aufstände gegen die städtische italienische Bourgeoisie und die deutsch-österreichische Verwaltung".

Nachdem er bis zum Alter von sieben Jahren für die Familie als Schäfer gearbeitet hatte, wurde Ciliga seinem Onkel anvertraut, einem Tierarzt in Mostar (Herzegowina), wo er zuerst die Grundschule und anschließend bis 1914 das Gymnasium besuchte. Im Jahr 1912 während des Balkankrieges  nahm er, sich als "Kroate mit jugoslawischer Tendenz" definierend, an Straßendemonstrationen teil, die sich gegen das österreichisch-ungarische Regime richteten, das in Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina herrschte.

Bereits zu dieser Zeit interessierte er sich für die französische Literatur und insbesondere für die Französische Revolution  in Rousseau, Voltaire, Diderot, Robespierre und Marat fand er seine ersten Helden. Als Slawe, der sich zugleich als Franzose fühlte, öffnete sich Ciliga mehreren Vaterländern: "Kroatien, Jugoslawien, Rußland und die siawische Welt im allgemeinen waren mein erstes Vaterland, Frankreich wurde mein zweites."[4]

Bis zum Krieg tat sich der junge Oberschüler Ciliga durch seine anti-österreichische Agitation am Gymnasium hervor, was ihm einen Schulverweis eintrug, der nur aufgrund der Intervention eines bosnischen Abgeordneten aufgehoben wurde. Nach dem Attentat von Sarajewo durfte er jedoch in Bosnien keine Schule mehr besuchen und mußte nach Istrien zurückkehren. Dort wurde er erneut vom Gymnasium verwiesen, weil er Ernest Renans "La vie de Jésus" gelesen und anderen Schülern weitergegeben hatte, was in diesem katholischen Land offensichtlich als gefährlich angesehen wurde.

Der Kriegseintritt Italiens zog seine Evakuierung nach Mähren nach sich, wo er, in tschechischer Sprache, das Gymnasium in Brünn abschloß. In diesem "österreichischen Manchester", wo sich die Arbeiterfrage in aller Schärfe stellte, gelangte er zu der Überzeugung, "das Ende des Kapitalismus und das Aufkommen des Sozialismus als logisch und wahrscheinlich anzusehen". Er dachte dabei an einen radikalen, nicht nationalistischen Sozialismus: "Meine Übereinstimmung mit dem Sozialismus zielte von Anfang an auf einen internationalistischen Sozialismus, der in erklärtem Widerspruch zum nationalen Egoismus stand, wie er in den europäischen sozialistischen Parteien vorherrschte, die sich im Krieg engagiert hatten. " Das hieß für Ciliga, daß der tschechische Nationalismus, wie jeder andere auch, nichts anderes als eine reaktionäre Ideologie der tschechischen Bourgeoisie war, die sich ansonsten nicht scheute, ihre "nationalen" Bauern und Arbeiter zu unterdrücken.

II.  Von der russischen Revolution zum Kommunismus (1917-1926)

Als im Februar 1917 die russische Revolution ausbrach, war Ciliga, der zu dieser Zeit seinen Militärdienst in der österreichisch-ungarischen Armee leistete, begeistert: "Die Position der Bolschewiken  gegen den imperialistischen Krieg und für den allgemeinen Frieden ohne Annexionen und ohne Reparationen  hatte meine Sympathie gefünden". Aber die eigentliche Machtübernahme der Bolschewiki, der "Kraftakt vom 7. November", hinterließ Zweifel und insbesondere der bald darauf abgeschlossene Frieden von Brest-Litowsk beunruhigte ihn: "Ich fragte mich: Ist Lenin nicht vom Widerstand gegen den imperialistischen Krieg zum Frieden mit dem deutschen und österreichischen Imperialismus übergegangen, indem er uns österreichische Slawen unter dem Joch der Deutschen und Ungarn beließ?"[5]

Während seiner Universitätsstudien wurde Ciliga zu genau der Zeit Mitglied der Kroatischen Sozialistischen Partei, als sich der neue Staat Jugoslawien herausbildete, der nicht nur ein bürgerlicher Staat war, sondern zudem von den Serben dominiert wurde, von denen Ciliga als guter kroatischer Patriot sagte, "daß sie in gewisser Hinsicht die Stelle der alten österreichischen und ungarischen Unterdrücker einnahmen". Trotz dieser "kroatischen Ader" entwickelte sich Ciliga zu einem radikalen Internationalisten. Als zu Beginn des Jahres 1919 (26-27 Januar) in Zagreb die Konferenz der Kroatischen Sozialistischen Partei stattfand, gehörte er zu den radikalsten Teilnehmern und gründete unmittelbar anschließend eine autonome Linksfraktion, aus der 1920 die kroatische Sektion der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) entstand. Vom 20. bis 23. April 1919 schlossen sich in Belgrad die linke Minderheit der kroatischen Partei sowie die sozialdemokratischen Parteien Bosniens und Serbiens zu einer jugoslawischen sozialistischen Arbeiterpartei zusammen, die den Anschluß an die Kommunistische Internationale (Komintern) forderte.[6]

Seit dieser Zeit  möglicherweise handelt es sich aber auch um eine aus späteren Erfahrungen resultierende rückwirkende Projektion  war Ciliga davon überzeugt, daß der jugoslawische Staat zerfallen würde: "Seit Februar-März 1919 war ich zu dem Schluß gekommen, daß der erste jugoslawische Staat aufgrund des mangelnden Verständnisses zwischen Serben und Kroaten zusammenbrechen würde, obwohl dieser gemeinsame Staat im objektiven Interesse beider gelegen hätte." Er dachte damals, daß die Lösung dieser nationalen Gegensätze durch die KPJ erfolgen würde.

Als radikaler Linker geriet Ciliga sehr schnell ins Visier der Polizei und mußte Kroatien verlassen. Er erwog, seine Universitätsstudien in Frankreich fortzuführen, schloß sich aber schließlich einer Abteilung jugoslawischer Freiwilliger an, die sich an den Auseinandersetzungen während der ungarischen Revolution vom Frühjahr 1919 beteiligte. Schon bald jedoch wurde er durch die mangelnde Radikalität im Bereich der Landwirtschaftspolitik, durch den "Respekt vor dem großen Landeigentum" enttäuscht:

"Eine Revolution, die das Großeigentum während der ersten sechs Monate nicht an-rührt, ist keine wirkliche Revolution; sie ist zum Untergang verurteilt. " Diese Uneritschlossenheit, in der er den beschwichtigenden Einfluß der ungarischen Sozialdemokratie sah,[7] ließ ihn im Mai 1919  kurz vor der Zerschlagung der Revolutionsräte durch die Armeen der Entente  nach Jugoslawien zurückkehren, wo er, unter dem Decknamen Rogic und getarnt als Kolporteur der Arbeiterpresse, damit beauftragt wurde, in Siowenien aus dem Untergrund heraus Organisationsarbeit zu leisten.

Der Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie hatte aus dem in Istrien geborenen Ciliga seit 1919 einen italienischen Staatsbürger gemacht. Im Sommer 1920 beteiligte er sich an der Organisierung der maximalistischen Fraktion der italienischen Sozialistischen Partei in Istrien. Wie er später schrieb, machte er dabei allerdings die gleichen Erfahrungen mit der sozialdemokratischen Unentschlossenheit, die er bereits in Ungarn bei Sozialisten und Kommunisten hatte beobachten können. Im Zusammenhang mit Fabrikbesetzungen mußte er feststellen, daß sich Maximalismus und Demagogie aufs wunderbarste mit Opportunismus und Feigheit verbanden. Im Herbst 1920 wurde er festgenommen und verbrachte den Winter in Gefängnissen in Triest und Capo-dâIstria.

Nachdem er im Februar 1921 aus dem Gefängnis entlassen worden war, machte er seine ersten Erfahrungen mit der faschistischen Reaktion. Der Versammlungsort der Gewerkschaften in Pola war abgebrannt und die dortigen Arbeiterorganisationen waren aufgelöst worden. Zusammen mit den Bauern seines Geburtskreises organisierte er den Widerstand gegen die faschistischen "squadristi", die nicht nur von der Armee unterstützt wurden, sondern auch von der Hilfe der dalmatischen Behörden profitierten, die im Einklang mit dem italienischen Staat handelten. Bereits in dieser Zeit interpretierte Ciliga das Scheitern der Räte in Ungarn "als das Ende der revolutionären Welle von 1917-1919". Der Aufstieg des Faschismus bestärkte ihn in dieser Überzeugung.

In den Jahren zwischen 1919 und 1924 setzte Ciliga  neben seinen revolutionären Aktivitäten in Ungarn, Italien und Slowenien  sein Universitätsstudium in Prag, dann in Wien und zuletzt in Zagreb fort. In der jugoslawischen studentischen Emigration, zuerst in Prag, später in Wien, baute Ciliga kommunistische Zellen auf. In Prag organisierte er einen "Marxistischen Club", später eine "Internationale Föderation marxistischer Studenten". Der Tscheche Rudolf Slansky, bekannt aus dem Prager Prozess des Jahres 1952, sollte sein Nachfolger werden. Da er die tschechische Sprache perfekt beherrschte, wurde er Mitarbeiter der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift "Sociálni Demokrat" (später: "Kommunist") sowie der Tageszeitung "Rudé Pravo".

Von Wien aus arbeitete er weiterhin mit der tschechischen kommunistischen Presse zusammen. Vor allem ergriff er  als Delegierter der kommunistischen Studenten im Ausland  dabei die Gelegenheit, sich entschlossen gegen eine "Taktik des Terrorismus" zu stellen, die von einem Teil der KPJ seit 1921 angewendet worden war. Diese "Taktik" wurde schließlich offiziell aufgegeben, um stattdessen zu illegalen konspiratiyen Organisationsformen überzugehen.

Zwischen September 1922 und 1925 übernahm Ciliga zunehmend Verantwortung in der jugoslawischen kommunistischen Bewegung. 1922 wurde er in Zagreb Parteisekretär für Kroatien und Leiter der Wochenzeitung "Borba" ("Der Kampf")[8], S dem legalen und offiziellen Organ der KPJ. Im Winter 1924/1925 schließlich wurde er als Vertreter der kroatischen Partei Mitglied des Zentralkomitees der KPJ.[9]

Im Jahr 1920 hatte die KPJ 60.000 Mitglieder und direkten Einfluß auf rund 200.000 in Gewerkschaften organisierte Arbeiter, wobei der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung Jugoslawiens rund 76% betrug. Nach dem Ausschluß der rechten Fraktion schloß sich die KPJ auf dem Kongreß von Vukovar im Juni 1920 der Komintern an. In zahlreichen Städten, darunter in Belgrad, wo man bei den Kommunalwahlen 59 Sitze gewonnen hatte, verfügte die neue Partei über entscheidenden politischen Einfluß.

In einer insbesondere durch den Streik der Eisenbahnarbeiter vom April 1920 angespannten sozialen Situation übernahm die Regierung die Offensive: Sie löste den kommunistisch dominierten Stadtrat Belgrads im August 1920 auf und verjagte die kommunistischen Gemeinderäte in Zagreb. Am 29. Dezember 1920 wurden alle kommunistischen und gewerkschaftlichen Organisationen durch eine Sonderverordnung aufgelöst und die Redaktionsbüros der KPJ geschlossen; zugleich wurden den Sozialdemokraten die kommunistischen Klubs unentgeltlich übereignet.[10] Ein Gesetz vom 30. Juli 1921 verschärfte die Situation noch: Es stellte die KPJ außerhalb des Gesetzes und vertrieb sie aus dem Parlament und den von ihnen kontrollierten Kommunen. Für kommunistische Propaganda konnte die Todesstrafe angewendet werden.

1921 hatte sich unter dem Namen "Revolutionäre Organisation der Kommunisten" eine Linksfraktion gebildet, die Kontakt mit der "Kommunistischen Arbeiter Partei Deutschlands" aufgenommen hatte, um den opportunistischen Kurs der Parteien der Komintern heftig zu kritisieren.[11] Auch die Führung der Komintern übte Kritik an der Schwäche und dem Opportunismus der KPJ. Diese hatte noch nicht einmal die auf dem zweiten Kongreß der Komintern vom Sommer 1920 verabschiedeten "Eindundzwanzig Punkte", die Beitrittsbedingungen zur Komintern und auch nicht die "Thesen über den revolutionären Parlamentarismus" veröffentlicht. Für einen Redner auf dem vierten Kongreß der Komintern (1922) "konzentriert(en)" die jugoslawischen Parteiführer ihre ganze Aufmerksamkeit "auf Wahlerfolge der Partei... und hütete(n) sich wohl, den kleinbürgerlichen Elementen das Wesen der Kommunistischen Partei und ihrer Kampfinethoden zu zeigen und sie dadurch abzuschrecken".[12] Zudem  auch dies wurde ihr angekreidet  verfügte die KPJ über keinerlei Untergrundorganisationen. Alles in allem war die Partei zersplittert und kaum noch existent. Nach offiziellen Angaben sank die Zahl der Mitglieder von 60.000 auf 3.000 im Jahr 1928, um 1941 wieder auf 12.000 anzusteigen, wobei sie allerdings stalinistische "groß-serbische" Positionen vertrat.[13]

Es ist bemerkenswert, daß Ciliga weder in seiner Autobiographie noch in Interviews auch nur ein Wort über diese internen Probleme, über die parlamentarische Frage oder über die Linksopposition innerhalb der Partei verlor. Tatsächlich aber wurde Ciliga durchaus mit dem heiklen Nationalitätenproblem des jugoslawischen Staates konfrontiert. Zu dem Zeitpunkt, als sich die KPJ fast auflöste, so daß sie 1923 bei den allgemeinen Wahlen keinen einzigen Vertreter mehr stellte, hatte die bulgarische Partei die Führung der Komintern angeklagt, die nationale Frage zu vernachlässigen.

Tatsächlich aber war die Komintern in den Konzessionen, die sie unter dem Druck der russischen Partei gegenüber den "nationalistischen" Tendenzen in den Balkanländern gemacht hatte, sehr weit gegangen. Die "Kommunistische Föderation der Balkanländer", die 1920 gebildet worden war und griechische, bulgarische, rumänische, jugoslawische und türkische Kommunisten zusammenbringen sollte, wurde nach 1922 zum Ort der Auseinandersetzung zwischen Bulgaren und Jugoslawen in der Frage der nationalen Zugehörigkeit Mazedoniens. Der fünfte Kongreß der Komintern (1924) hatte die nationale Frage auf die Tagesordnung gesetzt. Sinowjew erklärte, daß Jugoslawien "ein multinationaler Staat" sei, "der von der serbischen Bourgeoisie" beherrscht werde "und sich aus mehreren unterdrückten Völkern zusammensetze". Als Konsequenz befürwortete er "den Austritt Kroatiens, Sloweniens und Montenegros aus dem Staat Jugoslawien und ihre Bildung als unabhängige Republiken".[14] Mit diesem Kongreß begann auch die "Bolschewisierung" der Parteien der Komintern, über die Ciliga ebenfalls kein Wort verlor.

Zu dieser Zeit stimmte Ciliga, gegen die "Rechte" in der Partei, die die "Bildung einer begrenzten Autonomie der Provinzen" befürwortete,[15] und gegen die "Linke", die es vorzog, "der zukünftigen sozialistischen Revolution die Aufgabe der Regelung der nationalen Frage zu überlassen",[16] mit der offiziellen Linie der Komintern überein. Als anerkannter Führer an der Spitze der Partei machte er in "Borba" einen "radikalen" Gegenvorschlag, der auf die Umgestaltung des monarchistischen und zentralistischen Staates Jugoslawien in eine föderative Republik hinauslief, die aus fünf nationalen Republiken (Slowenien, Kroatien, Serbien, Montenegro und Mazedonien) sowie aus zwei national gemischten Republiken (Bosnien-Herzegowina, Woiwodina) bestehen sollte. Er verteidigte diesen Vorschlag gegen den kommunistischen Führer Sima Markovic, der die groß-serbischen Optionen zu verteidigen schien, indem er sich auf Positionen des Austro-Marxismus sowie auf Stalins Position aus dem Jahr 1912 stützte.[17] Ciliga, nach eigenem Urteil zu dieser Zeit außerhalb Serbiens sehr populär, erhielt aus Moskau wegen seiner "Radikalität" volle Unterstützung und wurde in das Zentralkomitee der KPJ gewählt.[18]

Der Vorschlag des fünften Kongresses der Komintern, drei unabhängige Republiken zu bilden, stieß bei Ciliga allerdings auf Skepsis, denn Bosnien-Herzegowina, Montenegro und die Woiwodina blieben dabei unerwähnt. In den Augen Ciligas "zerstörten" diese Pläne "Jugoslawien geradezu". Die Politik der "nationalen Selbstbestimmung", die sich auch auf Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Woiwodina bezog, wurde bis 1926 beibehalten. Ciliga wurde zum Drahtzieher dieser Politik, sowohl als Parteisekretär Kroatiens wie auch als Leiter der "Borba". In einem Artikel verurteilte er die Versklavung von neun Millionen Nicht-Serben, die der herrschenden serbischen Nation unterworfen seien, die nur drei Millionen Personen zählte.[19] Da die Politik der Komintern zu diesem Zeitpunkt den groß-serbischen Tendenzen feindlich gegenüberstand zweifellos, um sich enger an die Politik der bulgarischen kommunistischen Partei anzuschließen, wurde Ciliga während des Winters 1924/1925 ebenfalls Mitglied des jugoslawischen Politbüros.

Zur gleichen Zeit ließ die Komintern auf Veranlassung von Sinowjew die Kroatische Bauernpartei (Hrvatska Seljaka Stranka, HSS) von Stjepan Radic in die Krestintern (Bauerninternationale) aufnehmen. An dieser Politik, die selbst Antonio Gramsci schädlich erschien, scheint Ciliga niemals den geringsten Zweifel geäußert zu haben. Mehr noch: Er forderte eine gemeinsame Front mit einer Partei, die von der Komintern in ihren Anfängen als bürgerliche Partei eingeschätzt worden war.[20]

Im April 1925 wurde Ciliga unter dem Vorwand, daß er als in Istrien Geborener eigentlich ein italienischer Staatsbürger sei, aus Jugoslawien ausgewiesen. Er wurde der faschistischen italienischen Polizei übergeben und wegen der bewaffneten Aktivitäten aus dem Jahre 1921 inhaftiert, alsbald aber zusammen mit 120 Bauern, mit denen er seinerzeit den "squadristi" Widerstand geleistet hatte, aufgrund einer unerwarteten Amnestie freigelassen. Er emigrierte nach Wien, wo er als Repräsentant der jugoslawischen Partei im Kontext von Komintern, Kommunistischer Föderation der Balkanländer und dem Moskauer "Zentrum" tätig war. Im Herbst 1926 schließlich wurde er nach Moskau geschickt, "um an der Schule der jugoslawischen Partei zu unterrichten und an der Arbeit der jugoslawischen Sektion der Komintern mitzuwirken". Zu dieser Zeit hätte sich Ciliga wohl nicht vorstellen können, die ihm richtig erscheinenden Orientierungen der Komintern jemals in Frage zu stellen; es scheint, daß er alle Linksströmungen, die die offizielle Linie der Komintern bekämpften, ignorierte, obwohl er über die in slowenischer Sprache erscheinende Zeitschrift der italienischen kommunistischen Partei "Delo" ("Die Arbeit") z.B. von Amadeo Bordiga und Karl Korsch Kenntnis hätte nehmen können.

III.  In Rußland: Im Land der großen Lüge (1926-1935)

Als Ciliga nach Moskau kam, hatten sich wichtige Veränderungen au der Spitze des Apparats der Komintern ergeben. Bucharin hatte sich mit Stalin verbunden und Sinowjew, der sich mit Trotzki zusammengetan hatte, an der Spitze der Komintern ersetzt. Die Veränderungen schlugen sich auch darin nieder, daß die Theorie der "Befreiung der unterdrückten Völker" Jugoslawiens aufgegeben worden war. In der Folge gewann die "Rechtsfraktion" der jugoslawischen Partei, die serbische nationalistische Tendenz, die Oberhand. Durch eine Reihe von Manövern wurde der Serbe Sima Markovic an die Spitze der KPJ gestellt. Nachdem 1927 die nationalen Konflikte erneut aufflammten, wurde er jedoch aller seiner Aufgaben entbunden und durch Djuro Cvijic ersetzt, ein Vertreter einer moderaten "Linksfraktion", die mit den Syndikalisten verbunden und insbesondere in Zagreb stark vertreten war. Bucharin ließ die Führung der Linken jedoch eigenmächtig absetzen und forcierte mit Hilfe des Bosniers Josef Cizinsky (bekannt unter dem Namen "Milan Gorkic") die Bolschewisierung, wobei er ein politisches Zentrum aufbaute, das sich aus Jugoslawen zusammensetzte, die in Moskau lebten.

Aus Rußland, wo er sich seit 1915 zuerst als Gefangener, dann als Kämpfer der Roten Armee aufgehalten hatte, kehrte Ende 1925 ein gewisser Josip Broz nach Jugoslawien zurück, der bis 1928 als Mann Bucharins, dann, nach dessen Verhaftung im gleichen Jahr, als Mann Stalins einen raschen Aufstieg in der Partei erleben sollte. Hier kreuzten sich die Wege zweier Personen ohne direkt aufeinander zu treffen: der von Ciliga, der sich nach Moskau begab und dort die russischen Gefängnisse kennenlernte, und der von Tito, der nach Jugoslawien zurückkehrte, und dort einen langsamen, aber sicheren Aufstieg zur Macht erlebte.[21]

Ciliga scheint sich der Risiken, die er angesichts der politischen Säuberungen in der jugoslawischen Partei einging, bewußt gewesen zu sein: "Unter diesen Bedingungen riskierte ich im Fall einer Reise nach Moskau den Verlust meiner Bewegungsfreiheit. Aber der brennende Wunsch, an Ort und Stelle die Erfahrungen der großen russischen Revolution zu studieren, siegte über alle Bedenken. Die wiederholten Schlappen, die die kommunistische Bewegung in Europa erlitt, bewiesen die Notwendigkeit, die Taktik zu verbessern und zu vertiefen."[22]

Die Schicksalsschläge, Enttäuschungen, Hoffnungen, Verhaftungen und politischen Aktivitäten Ciligas sind aus seinem Buch, das er zwischen Januar 1936 und Juli 1937 in Frankreich schrieb und das 1938 unter dem Titel "Au pays du grand mensonge" erschien, gut bekannt; sein sibirisches Exil und die Geschichte seiner Ausreise aus der Sowjetunion sind in einem zweiten, zwischen 1938 und 1941 verfaßten Band beschrieben, der 1950 unter dem Titel "Sibérie, terre de lâexil et de lÎindustrialisation" erschien.[23]

Als Ciliga Anfang Oktober 1926 in Moskau ankam, war er von der herrschenden Not und der Rückständigkeit im "Vaterland des Sozialismus" erschüttert, bemerkte aber zugleich "den Aufstieg ganzer sozialer Gruppen". Zu dieser Zeit endete die Neue Ökonomische Politik mit einer zunehmend gelähmten Wirtschaft und 2,2 Millionen Arbeitslosen in einem Debakel.[24] Ausländer wie er, Mitglieder der Komintern, lebten in den Augen der in Not steckenden russischen Arbeiter wie die "Maden im Speck".

Da Ciliga 1924 an der Universität von Zagreb in Philosophie promoviert worden war, war er dafür vorgesehen, an der jugoslawischen Sektion der "Kommunistischen Universität für westliche nationale Minderheiten" Geschichte zu unterrichten. Jedes Jahr traten 25 neue Schüler in diese 1925 errichtete Schule der KPJ ein, um vier Jahre lang Unterricht zu erhalten, der vor allem in serbo-kroatischer Sprache erteilt wurde.[25] Ciliga betrachtete sich jedoch nicht als "roter Akademiker" und Funktionär der Komintern. Nach seiner Ankunft in Moskau war er Mitglied der KPdSU geworden, deren Leben ihm weitaus interessanter schien als das der Komintern. Die Komintern erschien ihm nicht als "Generalstab der Weltrevolution", sondern als bloße und unwichtige, der Propagandaabteilung angeschlossene Filiale der russischen Partei. Als er im Dezember 1926 an der VIII. Tagung des erweiterten Exekutivkomitees der Komintern teilnahm, wurde ihm klar, daß der 1919 von Trotzki beschworene "Konvent der Weltrevolution" schon in den Händen von Stalin war. Während er den Reden von Trotzki, Sinowjew und Kamenev beiwohnte, war er besonders von Kamenev beeindruckt, der darauf hinwies, daß die Rechtsgefahr in der russischen Partei vor allem "eine logische Folge des kleinbürgerlichen Charakters des Landes und des Nachlassens der revolutionären Entschlossenheit im westlichen Proletariat" sei.[26]

Während er alle Auseinandersetzungen innerhalb der russischen Partei und vor allem die Diskussionen unter russischen Arbeitern verfolgte, registrierte er die Unterdrükhing von Arbeitern mit anarcho-syndikalistischen Tendenzen, die schon Verdächtigungen ausgesetzt waren, wenn es lediglich darum ging, Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in ihrer Fabrik einzufordern. Ciliga wurde sehr pessimistisch, was die Zukunft des "sozialistischen Vaterlandes" anging; während er nach seinem eigenen Eingeständnis bis dahin keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Politik der Sowjetunion hegte, kam er nun zu dem Schluß, daß zumindest in der Sowjetunion "die Entwicklung zum Sozialismus hin definitiv gestoppt, die Revolution tot und damit alles verloren" sei.[27]

Seit 1927 nahm Ciliga Beziehungen zur russischen trotzkistischen Opposition auf, deren Einfluß "auf die Parteikader von Tag zu Tag zu(nahm)".[28] Allerdings scheint seine Opposition sehr zurückhaltend gewesen zu sein, denn an den Arbeiten zum VI. Kongreß der Komintern (August 1928) konnte er  kurz bevor Trotzki aus der UdSSR verwiesen wurde  teilnehmen.[29]

Es waren speziell die jugoslawischen Angelegenheiten, die Ciliga an die Seite der trotzkistischen Linksopposition führen sollten. In Moskau gab es rund 120 aktive Anhänger der KPJ  in der Mehrzahl Arbeiter , die sich eher mit russischen Problemen als mit denen der jugoslawischen Partei beschäftigten.

Während sich Ciliga in Moskau aufhielt, hatten sich in der KPJ große Umgestaltungen vollzogen, über die er in seiner Isolierung an der Moskauer Schule nur wenige Informationen gehabt zu haben scheint. Das Triumvirat Bucharin-Gorkic-Manuilski hatte, so seine Worte, eine wahre "Unterwelt" angeworben, "die niemals etwas mit der jugoslawischen Bewegung zu tun gehabt hatte" und die geschickt worden war, die Partei vollständig zu "bolschewisieren". Auf der VIII. Konferenz der KPJ in Zagreb übernahm die Fraktion Djakovic-Tito gegen den von der Linken repräsentierten sogenannten "Fraktionismus" die Macht in der Partei. Bald darauf, im August 1928, wurde Tito verhaftet und für fünf Jahre inhaftiert.

Die Lage der KPJ verschlechterte sich zunehmend, insbesondere aufgrund der Konzessionen, die man gegenüber der antiserbischen kroatischen nationalistischen Bewegung machte und vor allem aufgrund des abenteuerliches Kurses "Klasse gegen Klasse", wie er von Stalin nach dem VI. Kongreß der Komintern angeordnet worden war.[30]

Die Ermordung des Abgeordneten Radic, Führer der kroatischen Bauernpartei und seit 1925 an der Regierung beteiligt, im Juni 1928 mitten im Parlament und deren offene Befürwortung durch den jugoslawischen König und die nationalistischen serbischen Parteien führte endgültig dazu, daß der nationale Faktor gegenüber dem sozialen Faktor an Bedeutung gewann.[31] Die an den Mord sich anschließenden Unruhen in Kroatien hatten zur Folge, daß der jugoslawische König im Januar 1929 eine Diktatur errichtete; er löste das Parlament auf und verbot die politischen Parteien, zuallererst die KPJ. All dies geschah mitten in der sogenannten "Dritten Periode" der Komintern, der Periode des kalkulierten "Abenteurertums", in der mit dem Gedanken an bewaffnete Aufstände gespielt wurde.[32] Die Führung der KPJ, die von russischen Agenten geleitet wurde, von denen einige als Provokateure im Dienst der Polizei fungierten,[33] erklärte, daß "die einzige Lösung der Krise für die Arbeiterklasse und die Bauernschaft der bewaffliete Kampf der Bürgerkrieg gegen die Herrschaft der hegemonialen Bourgeoisie der Serben aus Serbien" sei. Diese Politik schlug sich  außer in der Verstärkung der anti-serbischen nationalistischen Gefühle  in Revolverduellen zwischen Kommunisten und Polizisten nieder. Nach Angaben von Ciliga und der KPJ führte die Unterdrückung zu Hunderten toter Kommunisten. Auch wenn es in Wirklichkeit nur rund dreißig Tote gab,[34] schrumpfte die Partei zu dieser Zeit auf einige hundert Mitglieder zusammen. Das eigentliche Grundübel der KPJ bestand aber wohl darin, daß sie zumindest seit 1928 mit nationalistischen Organisationen zusaminenarbeitete, so mit den mazedonisehen Nationalisten von der VRMO[35] und den Ustascha-Terroristen.[36]

Im Februar 1929 lehnten die jugoslawischen Kommunisten in Moskau auf einer Versammlung eine Resolution zur Unterstützung der Politik der Komintern in Jugoslawien mit großer Mehrheit (90 Stimmen gegen fünf) ab. Zugleich leistete die Linke der KPJ eine Selbstkritik an ihrer nationalen Politik: "Was die nationale Frage angeht, stehen wir in Jugoslawien vor folgendem Dilemma: sozialistische oder bürgerliche Revolution. Die Fraktion der Linken hatte früher propagiert, das Nationalitätenproblem im Interesse der Revolution auszunutzen. Aber diese Ausnutzung. hat schließlich damit geendet, daß die kommunistische Partei und die Arbeiterbewegung dabei soweit eingeschränkt wurden, daß sie nur dem bürgerlichen Nationalismus der unterdrückten Völker Jugoslawiens dienten. Noch bevor man in Frankreich die Versöhnung von Roter Fahne und Trikolore, der ­InternationaleÎ und der ­MarseillaiseÎ erlebt hat, war man in Dalmatien zum Bündnis von kroatischer Trikolore und Roter Fahne, der Jnternationalen und der Nationalhymne ­Unser schönes VaterlandÎ gekommen. Die revolutionäre und internationalistische Arbeiterbewegung lief Gefahr, sich in ebensoviele bloß ­radikale' Bewegungen aufrulösen, wie es in Jugoslawien Nationalitäten gibt."[37]

Ciliga hatte zu dieser Zeit mit anderen eine etwa zwanzig Personen umfassende illegale trotzkistische Gruppe gebildet. Ein Zentrum von sechs Personen umfaßte vier Jugoslawen (Stanko Dragic, Hauptverantworthicher der Gruppe und ehemaliges Mitglied des Zentralkomitees der KPJ; Mustafa Dedic, früherer Sekretär des Gewerkschaftskomitees in der Herzegowina; Stepan Heberling, der aus der Woiwodina kam und Ante Ciliga) und zwei Russen (Viktor Zanicov und Oreste Glibovskij).[38] Zu dieser Gruppe gesellte sich, bis zu ihrer Festnahme und ihrem Verschwinden 1934/35 die Frau von Tito, Pelegea Denisov-Belusova.[39]

Diese Untergrundgruppe hatte zum einen Kontakte zur trotzkistischen Organisation in Moskau, von der sie Briefe und Dokumente von Trotzki und Christian G. Rakovski erhielt, zum anderen auch Beziehungen zu russischen Fabrikarbeitern. Nachdem die Aktivitäten der Gruppe von der GPU entdeckt worden waren, entschied eine Kommission der Komintern (nach ihrem Vorsitzenden "Kommission Soltz" genannt) mit beflissentlicher Unterstützung des jugoslawischen Politbüros, Ciliga und zwei aktive Mitarbeiter der Gruppe für ein Jahr (mit Bewährungsfrist!) aus der Partei auszuschließen. Zwanzig andere mußten Moskau verlassen. Einer geläufigen Praxis des Stalinismus in seinen Anfängen entsprechend, versuchte der Apparat, Ciliga zu "kaufen", indem man ihm eine gut entlohnte Arbeit als Archivar und Lehrer in Leningrad anbot. Nachdem er persönlich mit Sergei M. Kirov gesprochen hatte, vor seiner Ermordung als "Pate" bekannt, erhielt er eine Stelle als Lehrbeauftragter an der Universität Leningrad, ohne sich jedoch an die neue "rote" Bourgeoisie zu verkaufen.

Im Laufe seiner Diskussionen mit trotzkistischen Intellektuellen entwickelte Ciliga ernsthafte Zweifel an den Positionen Trotzkis. In seinen Augen setzte Stalin, wenn auch mit mehr Brutalität, "das Wesentliche des Programms der Opposition" durch, die sich letzten Endes wenig für die wirkliche Lage der Arbeiterklasse interessierte. 1930 war Ciliga zu dem Schluß gekommen, daß sich in der Sowjetunion der Staatskapitalismus durchsetzte, der sowohl von Stalin als auch von Trotzki und den oppositionellen Intellektuellen bejaht wurde: "Stalinisten und Trotzkisten (identifizierten) Staatskapitalismus mit Sozialismus und Bürokratie mit Proletariat. Trotzki gab  ebenso wie Stalinden Staat für das Proletariat aus, die Diktatur der Bürokratie über das Proletariat als Diktatur des Proletariats und den Sieg des Staatskapitalismus über den Privatkapitalismus und den Sozialismus als einen Sieg des letzteren."[40]

Am 21. Mai 1930, seine Divergenzen mit den Trotzkisten noch unterschätzend, wurde Ciliga in Leningrad verhaftet, nachdem er zuvor in Moskau gewesen war und sich dort weitaus mehr an unmittelbaren Aktivitäten in den Fabriken als an langfristigen theoretischen Reflexionen interessiert gezeigt hatte.

IV.  Gefängnisse, Straflager und sibirisches Exil (1930-1935)

Während Stanko Dragic zeitweise der GPU entkommen konnte, lernte Ciliga das Gefängnis von Leningrad keimen. Jeden Tag wurden Gefängnisinsassen erschossen, ohne daß die zum Tode Verurteilten "einen Schrei der Revolte gegen die Regierung, die sie in den Tod schickte", von sich gaben. Für Ciliga war diese soziale Demoralisierung ein Zeichen dafür, daß die Kräfte der Revolution und der Linken erschöpft waren. Trotzdem war zu der damaligen Zeit "das Gefängnis der einzige Ort in Sowjetrußland, an dem sich die Leute auf mehr oder weniger ernsthafte und offene Weise ausdrücken" konnten.[41]

Im November 1930 wurde Ciliga in das Lager von Werchne-Uralsk verlegt, nördlich von Magnitogorsk, am Rande des Ural gelegen. Dieses Lager war ein Ort, an dem man frei sprechen konnte und an dem es eine interne Presse- und Versammlungsfreiheit gab.[42] Die 250 Häftlinge (etwa 180 Kommunisten und 70 Anarchisten) hielten regelrechte politische Versammlungen ab, mit Vorsitzendem und Sekretär. Die meisten übten sich im Verfassen von Artikeln für Manuskriptzeitungen, die über die "inneren Posten" (Verbindungsleute zwischen den Zellen) zirkulierten. Es gab sogar eine Bibliothek mit politischen Büchern. Eine starke Mehrheit der Gefangenen war trotzkistisch (ca. 120-140) und erhielt Broschüren und Rundschreiben von Trotzki. Daneben gab es Menschewisten, linke Sozialrevolutionäre, sechzehn Dezisten (Gruppe "Demokratischer Zentralismus") und drei Anhänger von Gabriel Miasnikov, so daß man "ein wahres illegales Parlament Rußlands" vor sich hatte.[43]

Ciliga zufolge waren die meisten Inhaftierten Intellektuelle, nur knapp 15% waren Arbeiter. Unter den Kommunisten fanden sich 43% Juden, 27% Kaukasier (Georgier und Armenier) und 30% Russen und Vertreter anderer Nationalitäten. Russen und Arbeiter waren vor allem in der extremen Linken vertreten, bei den Dezisten, den Anhängern von Miasnikov und bei den Anarchisten. Unter den Trotzkisten fand sich eine große Mehrheit von jungen jüdischen Intellektuellen und Technikern, die aus dem Kleinbürgertum der Ukraine und Weißrußlands stammten. Als beunruhigend wurde empfunden, daß unter ihnen "eine starke Gruppe ehemaliger Militärs und Tschekisten war", die direkt aus dem Apparat kamen.

In Werchne-UralÎsk traf Ciliga seine jugoslawischen und russischen Genossen wieder: Stanko Dragic, Viktor Zankov, Oreste Glibovskij. Sie schlossen sich dem "Kollektiv der Bolschewisten-Leninisten" an, das in drei Tendenzen zerfiel:

  •  eine "rechte" Tendenz mit den Professoren Eleasar Solnstsev, Grigori lakovin und Grigori Stopalov an der Spitze; dieser Gruppe, die die "Thesen der Drei" verfaßte, schloß sich Fjodor Dingelstedt an. Diese wichtigste Fraktion setzte sich für eine "Reform von oben" und für die Industrialisierung ein (Fünf-Jahres-Pläne etc.); sie wollte "das gleiche wie Stalin", nur unter einer "menschlicheren" Form,[44]

  •  eine kleine, "Zentrum" genannte Gruppe, die vom Schwiegersohn Trotzkis, Man-Nivelson, und Aaron Papermeister geleitet wurde und sich kaum von den Rechten unterschied, mit denen zusammen sie eine gemeinsame Zeitung (als Manuskript) herausgab, die sich "Pravda v tiurâme" ("Die Wahrheit im Gefängnis") nannte;

  •  die Fraktion der "Linken", zu denen Ciliga und seine Freunde gehörten und die eine "Reform von unten" anstrebte, die sich auf die Arbeiterklasse stützen sollte. Ihre theoretische Schwäche lag nicht nur darin, daß sie Fünf-Jahres-Pläne als "Bluff" bezeichnete, sondern auch darin, daß sie die weltweite Wirtschaftskrise verneinte. Sie gab die Zeitung "Voinstvuiuchtchij Bolâchevik" ("Der militante Bolschewist") heraus.

Außerhalb dieser Fraktionen war es allein der Trotzkist V. Densov, der, sich auf Lenin stützend, von der sowjetischen Wirtschaft als Staatskapitalismus sprach.

"Der militante Bolschewist", in dem Ciliga unter dem Pseudonym Richard schrieb, erschien monatlich oder zweimonatlich und umfaßte zehn bis zwanzig Artikel in getrennten Heften und in jeweils drei Exemplaren (eines für jeden Gefängnisflügel).[45] Ciliga gehörte zu jenen "Linksbolschewisten", die sich sehr schnell von trotzkistischen Argumentationen wegbewegten, für die "ein Zitat von Trotzki bereits einen Beweiswert hatte".[46] Er stellte fest, daß die stalinistische Bürokratie "langsam zum Kern einer neuen herrschenden Klasse" wurde und daß man daher wie in jedem beliebigen kapitalistischen Land einen Kampf mit entsprechenden Forderungen führen und sich auch mit sozialistischen und anarchistischen Fabrikarbeitern verbinden müßte. Für einen neuen revolutionären Klassenkampf benötige man "eine neue revolutionäre Partei".

Die zunehmend radikalere Entwicklung von Ciliga wurde in erster Linie durch die Haltung der trotzkistischen Mehrheit des Lagers bestimmt, die einen monolithischen Block forderte. Die "militanten Bolschewisten" sollten sich als Gruppe auflösen und die Veröffentlichung ihrer Zeitung einstellen, andernfalls würden sie ausgeschlossen. Die "Gruppe der 30"  Linkstrotzkisten (darunter Ciliga)  schlug ein neues Redaktionskomitee vor, das sich aus einem Vertreter jeder Tendenz zusammensetzen und ein einziges Organ für alle Kommunisten veröffentlichen sollte und in dem die "militanten Bolschewisten" nicht vertreten gewesen wären. Die sogenannten "Rechtstrotzkisten" und die Trotzkisten der "Mitte" schlossen diese jedoch aus und zwar mit Methoden, die bewiesen, "daß es zwischen Trotzkismus und Stalinismus viele Gemeinsamkeiten" gab.[47] Tatsache war aber auch, daß die GPU über Spitzel im Gefängnis verfügte, die auf eine Spaltung drängten.

Seit dem Sommer 1931 gab es folglich zwei trotzkistische Organisationen:

  •  das Kollektiv der "Bolschewisten-Leninisten" (die Mehrheit) mit 75-78 Mitgliedern;

  •  das Kollektiv der "linken Bolschewisten-Leninisten" mit 51 oder 52 Mitgliedern, das die Zeitschrift "Bolâchevik-Leninist" mit Artikeln von V. Densov, N.P. Gorlov, M. Kamenetski, O. Puchas und Ciliga herausgab.[48]

Die Radikalisierung Ciligas und der linken Bolschewisten-Leninisten läßt sich zum einen durch die Schrecken der Kollektivierung und der Fünf-Jahres-Pläne, zum anderen durch die Positionen von Trotzki selbst erklären. In dem Maße, in dem neue Gefangene im Lager ankamen, erfuhren die Inhaftierten von der Ermordung und Vertreibung ukrainischer Bauern, von dem Schicksal der nach Sibirien Verbannten, deren Lebenserwartung zwei Jahre nicht überschritt und von der Sklaverei, unter der mindestens ein Drittel der Arbeiterklasse für die pharaonischen Arbeiten Stalins (der Baltikum-Weiß-meer-Kanal usw.) litt. Die trotzkistische extreme Linke, vertreten durch Ciliga und seine Freunde, reagierte dementsprechend auf die lobpreisenden Stellungnahmen Trotzkis im Jahr 1932 über den "wirklich beispiellosen gegenwärtigen Erfolg" der stalinschen Wirtschaftspolitik äußerst unzufrieden.[49]

Unter den trotzkistischen Gefangenen gab es scharfe Auseinandersetzungen über den Charakter der Sowjetunion im Jahr 1932. Man verabschiedete Resolutionen für oder gegen den "Arbeiter-Charakter" der Sowjetunion; in derjenigen der übrig gebliebenen "militanten Bolschewisten" war die Rede von der Notwendigkeit einer "politischen Revolution" auf der Basis der "ökonomischen Grundlagen des Oktober"; das stalinistische Regime stand demzufolge "über den Klassen", die "Diktatur des Proletariats" war verschwunden. Ciliga gehörte zu einer Minderheit, in deren Augen die Bürokratie zu einer wirklichen neuen Klasse geworden war, die dem Proletariat feindlich gegenüberstand, so daß nur eine soziale Revolution zum Sozialismus führen könne.

1932, bei der Lektüre der letzten Schriften Trotzkis, wurde der Bruch Ciligas und zehn seiner aktiven Anhänger mit dem trotzkistischen Kollektiv endgültig vollzogen. In einer Deklaration wurde darauf verwiesen, daß Trotzkis Programm "die Illusionen des westlichen Proletariats" über den Stalinismus verstärke. In der Konsequenz wurde der Trotzkismus als eine linke Strömung des Stalinismus zurückgewiesen: "Trotzki und seine Anhänger sind dem bürokratischen Regime in der UdSSR zu eng verbunden, um den Kampf gegen dieses Regime bis zur äußersten Konsequenz führen zu können". Trotzki sei "im Grunde der Theoretiker eines Regimes, dessen Verwirklicher Stalin ist".[50] Ein Artikel von Ciliga mit dem Titel "Bürokratische oder proletarische Opposition" markierte seinen Übergang zur extremen Linken.

In der Tat gewann die nicht trotzkistische extreme Linke entscheidend an Einfluß im Lager. Die Dezisten waren in drei oder vier Fraktionen aufgesplittert. Zu Beginn Leniisten, die allerdings gegen den bürokratischen Zentralismus waren, standen sie 1920 gegen die "Arbeiteropposition". Viele hatten angesichts des ersten Fünf-Jahres-Plans kapituliert, da er ihnen den Sieg über die Neue Ökonomische Politik zu bedeuten schien. Im Lager, und zweifellos auch woanders, hatten sie sich, allerdings geprägt durch Konfusion und Spaltung, sehr radikalisiert. Die Anhänger Miasnikovs definierten den Trotzkismus als eine "Opposition von Spitzenfunktionären" der Bürokratie. Sie kritisierten grundsätzlich den Leninismus und die "Diktatur der Partei". Für sie war entscheidend, daß die Arbeiter die Freiheit hatten, zwischen konkurrierenden Arbeiterparteien inmitten des Arbeitermilieus zu wählen. Seit 1923 waren sie nach und nach zu der Überzeugung gekommen, daß in der UdSSR ein bürokratischer Staatskapitalismus herrsche.[51]

Die Dezisten, deren Führer Sergei Medvedev (1885-1937) 1935 ins Lager kommen sollte, während Ciliga in Sibirien war, hatten sich im großen und ganzen den Thesen der "Arbeitergruppe" Miasnikovs angeschlossen, deren Führer in Werchne-UralÎsk Sergei Tjunov war.[52] Für den Dezisten Jak Kosman hatte Lenin die Industrie in die Hände der Bürokratie gegeben; für Michail Chapiro, einen anderen Dezisten, hatte die "Arbeiteropposition" 1921 nicht die Interessen des Proletariats vertreten, sondern "die der Gewerkschaftsbürokratie". Volodia Smirnov, ebenfalls Dezist, behauptete dagegen in der Maier deutscher und holländischer Rätekommunisten: "In Rußland hat es niemals eine proletarische Revolution und niemals eine Diktatur des Proletariats gegeben. Was stattgefunden hat, ist bloß eine Revolution von unten und eine bürokratische Diktatur von oben gewesen. " Lenin selbst, der Heilige der russischen Revolution, wurde vom Sockel geholt: "Lenin ist niemals ein Ideologe des Proletariats gewesen. Von Anfang bis Ende war er immer ein Ideologe der Intelligentsia".

Der Bolschewismus war für Volodia Smirnov  ebenso wie für Otto Rühle[53] , wie die von Mussolini, Hitler, Atatürk und Roosevelt repräsentierten Systeme, Ausdruck einer allgemeinen Tendenz zum Staatskapitalismus. Solche Thesen stießen bis in die extreme Linke auf Ablehnung und Smirnov wurde aus der Gruppe ausgeschlossen. Trotzdem war damit über diese Frage eine äußerst wichtige Auseinandersetzung eröffnet, in der sich Ciliga, der diese Tendenz als für Rußland "relativ progressiv" beurteilte, und Sergei Tjunov, der darin ein "bloß parasitäres" Phänomen sah, gegenüberstanden.[54]

Ciliga entwickelte sich weiter in linkskommunistischer Richtung. Nachdem sein zuvor positives Bild von Trotzki zerstört war, in dem er  insbesondere nach einem Bericht, den ihm ein Marinesoldat aus Kronstadt über Trotzkis Verantwortung für die 10.000 von der Tscheka nach dem März 1921 Erschossenen gegeben hatte  nunmehr nichts als einen Unterdrücker sah, begann er, seine Verehrung für Lenin zu hinterfragen. Obwohl dieser einen "Ehrenplatz im Herzen der Arbeiter und im Pantheon der Geschichte" habe, sei er zum "Flaggenträger der sowjetischen Bürokratie" geworden, indem er den Sozialismus im ökonomischen Bereich zerstört und letzten Endes "den Weg zu Stalin eröffnet" habe.

Als Ciliga  zusammen mit Stanko Dragic  Werchne-Ural'sk verlassen mußte, weil er nach Sibirien deportiert werden sollte, wurde 1933 im Lager eine "Föderation der Linkskommunisten" gegründet, die 20-25 Mitglieder stark war und die Arbeitergruppe von Tjunov, Dezisten und einige ehemalige Trotzkisten umfaßte.

Angesichts der Machtübernahme Hitlers und des Bankrotts des Stalinismus in Deutschland wurde die Frage einer neuen Internationale aufgeworfen. Die linken Trotzkisten sahen in dieser Forderung eine "frühreife und demagogische Parole". Smirnov sprach sich für eine Verbindung von Sozialdemokraten und Kommunisten aus. Tjunov lehnte, wie die deutschen und italienischen Linkskommuisten, jede "Neuauflage der III. Internationale" ab. Ciliga selbst vertrat die These, daß die "Vereinigung von zwei Leichnamen (Sozialdemokratie und Stalinismus) noch keinen lebenden Körper erzeugen würde".

Am 18. Mai 1933 mußte Ciliga, obwohl er sich mit einem Hungerstreik und einem Selbstmordversuch gegen eine Verlegung wehrte, das Lager verlassen, wobei seine Haftzeit von der GPU mit dem Einverständnis des Politbüros der KPJ um zwei Jahre verlängert worden war. Für nahezu drei Jahre wurde er nach Sibirien verbannt (Irkutsk, lenisseisk, Krasnoiarsk), wo er zuerst einen Posten in einer Bank, dann in der Waldverwaltung "Sevpolarles" inne hatte.

Nach vielen vergeblichen Versuchen, einen italienischen Pass zu erhalten, gelang es Ciliga schließlich mit Hilfe seiner in Italien lebenden Familie als Ausländer aus der Sowjetunion ausgewiesen zu werden. Ohne daß er bis zum letzten Moment wußte, ob er an den Polarkreis geschickt, erschossen oder in einem Lager eingesperrt werden sollte, fand er sich am 3. Dezember 1935 nach dem Aussteigen aus dem russischen Zug an der Grenze zu Polen wieder. Dies war das Ende seiner Odyssee durch das "Land der großen Lüge", der er durch seine Analysen des politischen Lebens der extremen Linken in den Gefängnissen und in den Lagern des Archipel Gulag immerhin noch instruktive Aspekte abgewinnen konnte. Sein Genosse Stanko Dragic verschwand nach einem mißlungenen Fluchtversuch nach Polen im Jahr 1934 auf den schrecklichen Inseln von Solovki.

V.  Die zweite Odyssee Ciligas (1936-1945)

Auf der Fahrt durch die Tschechoslowakei nahm Ciliga Kontakt zu den Trotzkisten Vladislav Burian und Jan Frankel auf.[55] Ohne Zeit zu verlieren, schrieb er bereits einige Tage, nachdem er die Sowjetunion verlassen hatte, an Trotzki selbst, der ihm auch antwortete,[56] und an das in Paris bis 1940 erscheinende "Biulletenâ oppositsii" ("BiulletenÎ der Opposition"). Seine Zeugnisse wurden von der trotzkistischen Presse sofort in russischer und französischer Sprache publiziert. Ciliga forderte materielle und politische Unterstützung, um den Deportierten "unter dem Druck der europäischen Arbeiter und der demokratischen Bewegung" Hilfe zu leisten. Diese Idee wurde von Trotzki im Dezember 1935 mit dem Ziel zur Gründung eines "Komitees Ciliga" aufgegriffen, um die politischen Gefangenen zu verteidigen.[57]

Aber die Divergenzen mit der trotzkistischen Bewegung traten nun sehr schnell zu Tage. Während Ciliga ein Komitee vorschlug, das nicht nur die "Bolschewisten-Leninisten", sondern auch die Sozialrevolutionäre und die Menschewisten verteidigen sollte, lehnte Trotzki einen gemeinsamen Block mit den Menschewisten und den Sozialrevolutionären ab, da dies im Ausland insofern schädlich wäre, als man sich damit den Angriffen der Stalinisten aussetzen würde.

Nachdem sich Ciliga Ende Januar 1936 in Paris niedergelassen hatte, veröffentlichte er Artikel im "Biulletenâ oppozitsii", eine Zusammenarbeit, die allerdings bereits im Mai endete, da er das unverzeihliche "Verbrechen" begangen hatte, zugleich Artikel informativer Art an das von Theodor Dan herausgegebene menschewistische Organ "Sotsialistitcheskij Vestnik" ("Der Sozialistische Bote") zu schicken.[58]

Ciliga näherte sich in der Folge nach und nach sozialdemokratischen Positionen an. Es waren allerdings nicht seine Positionen zum Staatskapitalismus, die aus Ciliga einen "Menschewisten" machten, wie bestimmte Trotzkisten behaupteten, die damit Linkskommunisten und Menschewisten gleichsetzten,[59] sondern seine von demokratischem Idealismus geprägten Überzeugungen. Trotzki konnte am 22. Juni 1936 nicht zu Unrecht schreiben, daß Ciliga kein Marxist sei, sondern eine Person, die "semi-liberal in ihrem Denken, humanistisch, idealistisch und auf ihre Weise sehr anständig" sei. Er fügte  was sicherlich falsch ist  hinzu, daß Ciliga "selbst im Lager das geblieben ist, was er immer war: ein idealistischer und schwärmerischer Demokrat, der vom Stalinisten, der er war, zum Antistalinisten wurde, ohne aber damit zum Marxisten zu werden".[60]

Neben der Arbeit an seinem Buch schrieb Ciliga weiterhin Artikel für "Sotsialistitcheskij Vestnik",[61] für die liberale Zeitschrift "Nova Evropa",[62] und für die revolutionären Syndikalisten der "Révolution prolétarienne", wo er sich in einem Artikel  zur gleichen Zeit wie Victor Serge  mit der Rolle Trotzkis bei der Niederschlagung des Aufstandes in Kronstadt 1921 beschäftigte.[63] Für Ciliga "bedeuteten die Unterdrückung in Kronstadt, die Abschaffung der Arbeiter- und Sowjetdemokratie auf dem 10. Parteitag der russischen kommunistischen Partei~ die Entfernung der Arbeiter aus den Führungsebenen der Industrie und die Einführung der Neuen Ökonomischen Politik bereits den Tod der Revolution".[64]

Im Sommer 1937 war Ciliga in seine Geburtsstadt nach Istrien zurückgekehrt, wo er von der faschistischen Polizei überwacht wurde. Bei seiner anschließenden Ankunft in Jugoslawien war er verhaftet und für sechs Monate inhaftiert worden, seiner Einschätzung zufolge auf Betreiben der jugoslawischen Stalinisten, die die politische Polizei infiltriert hatten, deren Chef ein Kommunist war. Es gelang ihm dennoch, wieder nach Paris zu kommen, was den "titoistischen" Kommunisten erlaubte, ihn 1952 in stalinistischer Manier anzuklagen, schon in der Sowjetunion ein Agent der OVRA, der Geheimpolizei Mussolinis, gewesen zu sein.[65]

1939, am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, schloß sich Ciliga dem von den beiden Deutschen Arkadij Maslov und Ruth Fischer, dem Russen Gavril Miasnikov, ehemaliger Führer der "Arbeitergruppe", der seit 1930 in Frankreich lebte, und der linken Menschewistin Vera Alexandrova, Literaturkritikerin des "Sotsialistitcheskij Vestnik", gegründeten Diskussionskreis an. In diesem Kreis herrschte eine große Desorientierung. Maslov zeigte sich in bezug auf das von "Provinzialismus" geprägte deutsche Proletariat pessimistisch, während sich Miasnikov, ein "Energiebündel" und "genialer Autodidakt", nach dem Krieg der Sowjetunion mit Finnland zunehmend auf einen "sowjetischen Patriotismus" hin orientierte.[66]

Während es Ruth Fischer und Arkadij Maslov 1940 gelang, Frankreich in Richtung amerikanischen Kontinent zu verlassen, stellte sich Ciliga die Frage, ob er sich nach den USA einschiffen oder im Lande bleiben sollte, um "eine Rundreise durch das vom Krieg überzogene Europa zu unternehmen und sich mit eigenen Augen von der Krise und der Dekadenz des europäischen Kontinents zu überzeugen".[67]

Zu diesem Zeitpunkt hatte Ciliga bereits jeden Bezug zur marxistischen und proletarischen Bewegung aufgegeben. Nach eigenem Bekunden von John Maynard Keynes und Oswald Spengler beeinflußt, ging er davon aus, daß die Revolution der Vergangenheit angehöre und das ins Stadium der Dekadenz eintretende Europa den Platz für "die Bestrebungen des Kreml, Europa zu kolonialisieren" räume.[68]

Nachdem er im August 1941 sein Buch "Sibérie, terre dâexil et de lâindustrialisation" beendet hatte, kehrte Ciliga, angetrieben von einem ihm seit seiner Jugend anhaftenden Patriotismus, in seine kroatische "Heimat" zurück. Er reiste von Paris aus über Turin, Triest und Pola in Istrien, wo er zwei Monate im Haus seiner Familie wohnte, nach Bosnien-Herzegowina und von dort aus nach Kroatien, wo er im Dezember 1941 ankam.[69]

Um die Odysee Ciligas zu verstehen und um Punkt für Punkt auf verleumderische Anschuldigungen zu antworten, denen er zu Zeiten Titos ausgesetzt war, ist es notwendig, an bestimmte historische Fakten zu erinnern. Nach der Invasion Jugoslawiens durch die Armeen Hitlers im April 1941 wollten die Deutschen den Vorsitzenden der Kroatischen Bauernpartei (HSS) und ehemaligen Vizepräsidenten der durch den pro-alliierten Staatsstreich vom 27. März gestürzten Regierung, Vladimir Macek, der sich für ein Bündnis mit Hitler und Mussolini entschieden hatte, an die Macht bringen. Dieser weigerte sich jedoch, Führer eines kroatischen Staates zu werden, den die Nationalsozialisten nach der Zerstückelung Jugoslawiens bilden wollten. Zudem orientierten sich die Deutschen an der Ustascha-Bewegung, deren Führer in Zagreb, Oberst Kvaternik, im Rundfunk die Schaffung eines unabhängigen Staates Kroatien und die Machtübernahme im Namen des Ustascha-Führers Ante Pavelic proklamiert hatte. Macek gab seine Zustimmung und rief dazu auf, mit der neuen Regierung zusammenzuarbeiten.

Der Führer der Ustascha, als Flüchtling in Italien lebend, konnte, nachdem er Mussolini versprochen hatte, ihm Dalmatien zu überlassen, am 15. April 1941 mit seinen Leuten nach Zagreb zurückkehren. Er erklärte sofort Großbritannien den Krieg, später auch der Sowjetunion und den USA. Im Austausch für seine Haltung stimmte Deutschland zu, Kroatien Bosnien-Herzegowina zuzuschlagen, während es selbst in Serbien eine Marionettenregierung einsetzte, Italien Slowenien mit dem Reich teilte, Bulgarien den größten Teil Mazedoniens und Ungarn die "ungarische" Woiwodina erhielt.

Fast direkt nach der Machtübernahme begann das Ustascha-Regime angesichts von zwei Millionen Serben in seinem Staat (gegenüber 3,3 Millionen Kroaten und 700.000 bosnischen Muslimen) eine "ethnische Säuberung" durchzuführen. Serben, Juden und Zigeuner wurden zu "minderwertigen Rassen" deklariert. Das Ergebnis war ein unerhörter Terror: 600.000 Serben wurden direkt oder in Todeslagern umgebracht, 30.000 Juden wurden ermordet und es entstanden Ausnahmegerichte, deren Todesurteile innerhalb von drei Stunden vollstreckt wurden. Diese Massaker dauerten, und zwar mit der Segnung der katholischen Kirche und der kroatischen Franziskaner, bis zum Sommer 1942.[70]

Das nun italienische Dalmatien wurde zum Asylland für verfolgte Serben und Kroaten, aber auch für die serbischen Tschetiks, die sich aufgrund ihres Einsatzes im Kampf gegen die Partisanen Titos ab und zu mit den Italienern verbündeten und ihrerseits die Kroaten Dalmatiens massakrierten. Angesichts des Erfolges der Propaganda der Stalinisten und der Partisanenbewegung Titos bei den Arbeitern sowie den serbischen und kroatischen Bauern in Kroatien unterbanden Italien und Deutschland aus reinem Eigeninteresse die Massaker an den orthodoxen Serben.[71]

Unter diesen Umständen wurde Ciliga, kaum daß er über Bosnien-Herzegowina in Zagreb angekommen war  und zwar nicht als Begleiter von Ante Pavelic, wie es die titoistische Propaganda behauptete,[72]  aufgrund eines Haftbefehls aus dem ehemaligen Jugoslawien inhaftiert. Nach Ciliga steckte hinter dieser Festnahme Tito selbst, dessen Agenten den gesamten Polizeiapparat der Ustascha-Bewegung unterwandert hatten; die Stalinisten legten der Polizei nahe, daß Ciliga "der politische Vertreter Moskaus für Jugoslawien und Tito bloß ein militärischer Fachmann der Guerilla sei".[73]

Nach Ablauf seiner Haft, während der er ein kurzes Gespräch mit Ante Pavelic führte und ihm erklärte, daß er kein Kommunist mehr sei,[74] wurde Ciliga im Juni 1942 in das Vernichtungslager Jasenovac gebracht und zum Tode verurteilt, ein Urteil, dessen Vollstreckung allerdings aufgeschoben wurde.[75]

Seine Rettung verdankte Ciliga, wie er selbst eingestand, seinem "anglophilen" Ruf. Die absehbare Niederlage der deutschen Truppen in Stalingrad hatte das Ustascha-Regime verunsichert. Im Innen- und im Verteidigungsministerium hatte sich eine Verschwörung entwickelt, die darauf abzielte, analog zu den Ereignissen in Italien im Jahre 1943, in das Lager der Alliierten überzuwechseln. Man wartete  sogar Pavelic, der Kontakte mit der Sowjetunion und Großbritannien aufgenommen hatte, scheint dies getan zu haben  auf eine Landung der Alliierten in Dalmatien, um endgültig das Lager zu wechseln.

Ciliga wurde am 1. Januar 1943 aus dem Lager entlassen. Ob dies auf Intervention des Erzbischofs Alois Stepinac und mit dem Ziel, den kroatischen Staat in verschiedenen Publikationen zu verherrlichen, geschah, wie später die titoistische Propaganda behauptete, ist nicht sicher.[76] Sicher ist allerdings, daß Ciliga zu jener Zeit kein Marxist und kein Internationalist mehr war, sondern ein nationalistischer, offensichtlich auf Seiten der Alliierten stehender Kroate. Es ist auch richtig, daß Ciliga während des ganzen Jahres 1943 und bis zum Sommer 1944 in Zagreb vieles veröffentlichte. Er schrieb für die an Intellektuelle gerichtete katholische Zeitschrift "Spremnost" ("Vorbereitung"), u.a. über seine Erfahrungen in Rußland.[77] Am 19. September 1943 veröffentlichte er in "Spremnost" einen Artikel, in dem er nach der italienischen Niederlage zur Integration Istriens in den Ustascha-Staat aufrief, "um die politischen und kulturellen Positionen der Ustascha in Istrien wiederherzustellen und zu stärken".[78]

Ob er wirklich auch im offiziellen Organ der Ustascha "Hrvatski narod" ("Kroatische Nation") geschrieben hat, wie es ihm seine titoistischen Gegner vorwarfen, muß verifiziert werden.[79] Darüber, sowie über einige Artikel in "Spremnost" schweigt sich Ciliga in seinen Erinnerungen und in Interviews völlig aus. Ohne direkten Zugang zu kroatischen Archiven wird es sehr schwierig sein, sich über die von Ciliga damals eingenommenen Positionen klar zu werden.

1944 veröffentlichte Ciliga in "istrischem Dialekt"(!) eine Erzählung über seine Odyssee durch Istrien und seinen Aufenthalt im Konzentrationslager von Jasenovac.[80] Im Frühjahr 1944 entschloß er sich, Zagreb zu verlassen und nach Österreich und Deutschland zu gehen, um "die komplexen Beziehungen zwischen Hitler und dem deutschen Volk" zu untersuchen.[81] Tatsächlich war seine Lage sehr heikel geworden; er wurde verdächtigt, im Dienst irgendeiner Regierung oder irgendeines Geheimdienstes zu stehen. Nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Sommer 1944 war sich Ante Pavelic darüber im klaren, daß sie nicht mehr in Dalmatien landen würden. Die anglophile Opposition (die beiden Minister Lorkovic und Vokic) wurde im September 1944, nach dem Attentat auf Hitler, entmachtet.

Ciliga zufolge verdankte er paradoxerweise der Tatsache, daß man ihn für einen Agenten der Alliierten hielt, die Aushändigung eines Visums für Wien. Im Mai 1944 hatte er es abgelehnt, sich einer kroatischen Delegation anzuschließen, die an einem von Goebbels in Wien vorbereiteten "Europäischen Antibolschewismus-Kongreß" teilnehmen sollte. Zwischenzeitlich wurde er zum Professor für Geschichte und Soziologie an der Universität von Zagreb ernannt.[82]

Zur gleichen Zeit wurde er zweimal eingeladen, sich den Partisanen Titos anzuschließen, die ganz Dalmatien und die ländlichen Gebiete Kroatiens kontrollierten. Er lehnte dies aus Furcht vor einer Falle ab, da er annahm, er könne aufgrund einer Denunziation der Titoisten von der Polizei der Ustascha verhaftet und hingerichtet werden.

Tatsächlich konnte er schließlich dank des Chefs der lokalen Gestapo, Konrad Klaser, einem ehemaligen österreichischen Kommunisten, der sich ganz besonders für ihn interessierte, Zagreb in Richtung Wien verlassen.[83] Später wurde enthüllt, daß Klaser ein Agent Titos war, der im Mai 1945 zu den Titoisten überlief und 1948 wegen prosowjetischer Tendenzen hingerichtet wurde. Dieser "Maulwurf" Titos hielt Ciliga offensichtlich für einen "kommunistischen Agenten" wie er selbst einer war. Vom Juli 1944 bis zum Februar 1945 reiste Ciliga mit dem Visum, das für Wien und Berlin gewährt worden war, durch Österreich und Deutschland; in seinen Erinnerungen beschreibt er die in beiden Landern herrschende Atmosphäre. Das Kriegsende erlebte er in der Schweiz, nachdem er sich in Bayern aufgehalten hatte, wo er auf amerikanische Truppen getroffen war. Er hatte Glück: Im Mai 1945 töteten die Titoisten in Bleiburg 70.000 tatsächliche oder angebliche Anhänger der Ustascha. Nach 1948 waren die pro-sowjetischen Kommunisten an der Reihe, die Lager und den Tod kennenzulernen.

VI.  Doppelgesichtiger Janus (1945-1992)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lebte Ciliga in Paris und Rom. In Frankreich, Italien und anderen Ländern wurde er durch seine beiden Bücher über seine Erfahrungen in der Sowjetunion, seine Schrift über Lenin[84] und seine Bücher über Jugoslawien bekannt: "La Yougoslavie sous la menace intérieure et extérieure" (1951), "La Crise d'Etat dans la Yougoslavie de Tito" (1972) und  sein letztes, nur in italienischer Sprache erschienenes Buch zu diesem Thema  "II Labirinto yugoslavo" (1983).

Ciligas starkes Interesse an dem von Tito errichteten Jugoslawien zeigte sich auch in seinem Engagement am "linken Flügel" der kroatischen nationalistischen Bewegung. Gegen Ende seines Lebens  1983  schrieb er, aufgrund seines Antistalinismus habe er "niemals gezögert, die Außenpolitik Titos zu unterstützen, aber umso mehr seine Innenpolitik" bezüglich des Nationalitätenproblems "kritisiert".[85] Tatsächlich schlug Ciliga in seinen in serbokroatischer Sprache veröffentlichten Schriften einen deutlich anti-serbischen, kroatisch-nationalistischen Ton an. "Wie lange noch", fragte er, "wird das kroatische Volk unter dem serbischen Joch stöhnen?"[86] Und zwei Jahre zuvor stellte er in der syndikalistisch-revolutionären Zeitschrift "La Révolution prolétarienne" die Frage, ob Tito das nationale Problem durch eine wirkliche Gleichheit "zwischen den Südslawen" lösen könne und wer "der wirkliche große Mann in der Politik unseres Landes" sei.[87] 1952 schien er ihn, trotz einiger Kritik, im Vorsitzenden der Kroatischen Bauernpartei (HSS), Vladimir Maèek, gefunden zu haben, der in die USA emigriert war.[88] Er schlug ihm vor, zu der "Befreiung des kroatischen Volkes" beizutragen und die Führung eines Pan-Balkan-Komitees zu übernehmen.[89]

Ciligas Einbindung in die Vielfalt der kroatischen Emigrantenorganisationen führte zu vielen Veröffentlichungen, u.a. in der in Buenos Aires  hier lebte der Ustascha-Führer Ante Pavelic in der Emigration  erscheinenden politisch-kulturellen Zeitschrift "Hrvatska Revija" ("Kroatische Revue"), in der auch Vertreter der Ustascha publizierten.[90] Im Namen des "Kroatischen Nationalrats" ("Hrvatski narodni odbor", HNO), der seine Basis in der Bundesrepublik Deutschland unter der Obhut von Ivan Jelic hatte,[91] veröffentlichte Ciliga von 1958 bis 1960 ein Bulletin ("Bilten Hrvatskog Narodnog Odbora u Italiji"), das durch das 1961 bis 1973 erscheinende sozialdemokratisch orientierte "Bulletin der demokratischen und sozialen kroatischen Aktion" ("Bilten Hrvatske Demokratske i Socijalne Akcije") ersetzt wurde, für das er als offizieller politischer Sekretär arbeitete.[92] Von 1974 bis Anfang der achtziger Jahre erschien anstelle des per Matnze vervielfältigten Bulletins eine von Ciliga als Herausgeber und Redakteur verantwortete gedruckte Vierteljahreszeitschrift mit dem Titel "Na pragu sutrasnjice" ("An der Schwelle der Zukunft"), die sich für "einen Dialog über demokratische, nationale und soziale Probleme des kroatischen Kampfes" einsetzte und sich an die "kroatische Öffentlichkeit von links bis rechts" richtete.

1975 kandidierte Ciliga vergeblich für den 1974 gegründeten, in den USA beheimateten und prowestlichen "Kroatischen Nationalkongreß" ("Hrvatsko Narodno Vijece", HNV),[93] in dem alle möglichen politischen Strömungen, von moskautreuen Kommunisten bis zur Ustascha, mit dem Anspruch versammelt waren, die 1,5 Millionen außerhalb der Grenzen Jugoslawiens lebenden Kroaten im Namen der Einheit des "emigrierten kroatischen Volkes" politisch zu repräsentieren. Die Entwicklung einer starken, vor allem kroatischen jugoslawischen Emigration und insbesondere die politischen Ereignisse Ende der sechziger und in den frühen siebziger Jahren führten zu einer zunehmenden Anerkennung Ciligas in den sehr stark nationalistisch geprägten Emigrantenmilieus.

Während im Jahre 1960 in Westdeutschland weniger als 10.000 Jugoslawen arbeiteten, waren es 1972 bereits 400.000 und 1976 rund 640.000. Daneben waren viele auch nach Australien, nach Kanada, in die USA, nach Schweden und in die Schweiz emigriert. Die Mehrheit dieser Arbeiter und Emigranten waren Kroaten, unter denen es ein dichtes Netz von nationalistischen Gruppen und Vereinen  von der stalinistischen Linken bis zur extremen Rechten von der Ustascha , sowie entsprechender Zeitschriften gab. Allein für Schweden lassen sich unter den ungefähr 43.000 Jugoslawen rund 100 Vereine nachweisen und weltweit wurden mehr als 80 kroatische Monatszeitschriften herausgegeben.

Daneben gab es seit 1971, von Ciliga als "Kroatischer Frühling" bezeichnet, in Zagreb Studentendemonstratjonen mit kroatischen Fahnen und Parolen. Diese Demonstrationen wurden von der kroatischen Kommunistischen Partei unterstützt, die zudem Kontakte mit der nationalistischen kroatischen Emigration  einschließlich der Ustascha unterhielt. Der eigentliche Grund dafür ist in der Tatsache zu suchen, daß Kroatien innerhalb des jugoslawischen Bundesstaates eine wirtschaftlich führende Rolle spielte, so daß es immer wieder zu Spannungen zwischen Zagreb und Belgrad kam. Auf die Unruhen in Kroatien folgte eine von Tito angeordnete sehr strenge Säuberungsaktion. In der Folge gingen eine Reihe von Schriftstellern und Intellektuellen ins Exil und verstärkten dort die kroatische Opposition. An diesem Punkt ist der tatsächliche Beginn der Auflösung des jugoslawischen Bundesstaates zu lokalisieren.[94]

Ciliga hat in seinen Schriften seit 1971 die Möglichkeit der Auflösung Jugoslawiens vorhergesehen; der Mann, der die Lage nach dem Tode Titos hätte bewältigen können, wäre in seinen Augen Milovan Djilas gewesen. Falls Serbien die herrschende Macht in Jugoslawien bliebe, "würde es unvermeidlich zu gefährlichen Spannungen kommen, die im Bürgerkrieg, Nationalitätenkrieg, Religionskrieg enden" und "zum Zerfall des gegenwärtigen Jugoslawiens und zu einer Teilkonföderation führen (würden), die Kroatien und die anderen Republiken des zentralen und westlichen Jugoslawiens, die ihr angehören wollen, umfassen würde; Kosovo würde wahrscheinlich zu Albanien übergehen und Mazedonien zu Bulgarien."[95] Wie man heute weiß, hat sich diese Voraussage in wesentlichen Punkten bewahrheitet.

Psychologisch und politisch charakteristisch für Ciliga auf seinem Weg vom Kommunisten zum Sozialdemokraten war die Suche nach einer "Einheitsfront" aller politischen Parteien, einem gemeinsamen Bündnis im Namen des Pluralismus, wobei sich dies im letzten Teil seines Lebens allerdings nur noch auf die "kroatische Nation" bezog.[96] Als er nach dem Tod des "Vorsitzenden" Tito das Ende des 1945 entstandenen Jugoslawien vorhersagte, strebte er die Schaffung eines kroatischen Staates an, der allerdings in eine "Konföderation von sechs souveränen Nationalstaaten" eingebunden sein sollte.[97]

Man kann von Ciliga als einer doppelgesichtigen Janusfigur sprechen: nationalistisch in der kroatischen Emigration, aber "weltoffen" in solchen Beiträgen, die sich nicht auf Kroatien oder Jugoslawien bezogen. Seit 1945 hat Ciliga die These vertreten, daß die Entdeckung der Atomenergie und ein drohender Dritter Weltkrieg eine "weltweite politische Einheit und den Aufbau einer planetarischen sozialistischen Gesellschaft" erforderten; zugleich aber ging er davon aus, daß "die alten wie die neuen Nationalstaaten Grundeinheiten, autonome und egalitäre Zellen einer neuen Synthese und einer neuen weltweiten und übernationalen Einheit (bilden müssen)"[98]

[Übersetzung aus dem Französischen: Rolf Löper]

Anmerkungen:

1. Ante Ciliga, Au pays du grand mensonge, Paris 1938. 1977 erschien, zusammen mit dem zuerst 1950 erschienenen Band "Sibérie, terre de lâexil et de lÎindustrialisation", eine Neuausgabe unter dem Titel "Dix ans au pays du mensonge déconcertant" (Editions Champ Libre, Paris 1977). Der Titel "Au pays du grand mensonge" war im gleichen Jahr, nach "Le Monde" vom 14. Oktober 1977 (S.16) auf Verlangen Ciligas, in der editions 10/18 erschienen. Eine englische Übersetzung von "Au pays du grand mensonge" erschien bereits 1940 unter dem Titel "The Russian Enigma" in London bei Routledge und im Labour Book Service. Eine zweite englische Ausgabe, mit einer zusatzlichen Übersetzung von "Sibérie, terre de lÎexil et de lÎindustrialisation", erschien, ebenfalls unter dem Titel "The Russian Enigma", 1979 bei Ink Links in London. Eine italienische Ausgabe ("Dieci anni dietro il sipario di ferro". 1. "Al paese della menzogna e dellÎenigma". 2. "Sibiria") erschien 1951 in Rom, eine spanische 1951 in Buenos Aires und eine japanische 1953 in Tokio. Bei der in der Bundesrepublik unter dem Titel "Im Land der verwirrenden Lüge. Zehn Jahre hinter dem Eisernen Vorhang" (o.O., o.J.; Köln 1953) erschienenen Ausgabe handelt es sich um eine sehr stark gekürzte und insofern weitgehend unbrauchbare Fassung der beiden Bücher Ciligas.

2. Ante Ciliga, Sam kroz Evropu u ratu (Allein im Krieg durch Europa), Paris 1954. Eine erheblich erweiterte Ausgabe erschien 1978 unter dem Titel "Sam kroz Evropu u ratu (1939-1945)" im Verlag "Na pragu sutrasnjice" in Rom.

3. Diese Autobiographie von 21 Seiten, die einfach "Ante Ciliga" heißt (im folgenden auch so zitiert), vom 25. Mai 1983 datiert und auf der weder Ort noch Verlag angegeben sind, wurde mir von Arfé Marchadier zur Verfügung gestellt. Sie beruht im wesentlichen  neben einigen Ergänzungen  auf dem Interview, das Minima und Pier Paolo Poggio in der italienischen Zeitschnft "LÎUmana Avventura" in drei Teilen (Januar und Mai 1979, Januar 1980) veröffentlicht haben. Eine Kopie dieses Interviews stellte mir dankenswerterweise Arturo Peregalli von der Zeitschrift "Laboratorio storico" zur Verfügung. Nicht näher nachgewiesene Zitate im Text entstammen dieser Autobiographie.

4. Ante Ciliga, S. 2.

5. Ebd., S. 3-6. Diese Punkte werden in dem italienischen Interview von 1979 nicht erwähnt.

6. Zur Geschichte der jugoslawischen kommunistischen Partei vgl. Ivan Avakumovic, History of the communist Party of Yugoslavia, Aberdeen 1964; Paul Shoup, Communism and the Yugoslav National Question, London/New York 1986; Milovan Bosic, Izvori za istoriju Kommunisticke partije Yugoslavije (1919-1941), Belgrad 1984. Das letzte Buch enthält eine sorgfältige Bibliographie und listet die Nachdrucke der Parteitagsprotokolle, die Publikationen der KPJ sowie die Memoiren der Parteiführer auf.

7. Ante Ciliga, S. 8.

8. Ein Nachdruck von "Borba" (1922-1923) erschien 1972 und 1980 in Belgrad bzw. Zagreb. Ciliga hat seine in "Borba" erschienenen Artikel zur nationalen Frage wieder veröffentlicht, s.u. Anm. 17.

9. Es ist bemerkenswert, daß weder in dem Buch von Bosic noch in anderen in Jugoslawien erschienenen Büchern, die sich mit dem kroatischen Kommunismus beschäftigen, Ciligas Name im Zusammenhang mit den Zentralorganen der kommunistischen Partei Jugoslawiens erwähnt wird.

10. Vgl. J. Schärf, La révolution dÎOctobre et le mouvement ouvrier des pays balkaniques, in: La Révolution dÎOctobre et le mouvement ouvrier européen, EDI, Paris 1967, S. 206-213.

11. Diese Fraktion wurde von Grulovic geleitet. Vgl. "Protokoll des außerordentlichen Parteitages der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands vom 11. bis 14.9 1921 in Berlin". Herausgegeben und eingeleitet von Clemens Klockner, Darmstadt 1986, S. 29 und 61 (Anm. 123).

12. Vgl. Ivan Avakumovic, a.a.O., S. 65. Das Zitat aus der "Resolution zur Jugoslavischen Frage" findet sich im "Protokoll des Vierten Kongresses der Kommunistischen Internationale", Hamburg, 1923, S. 942.

13. Vgl. Jacques Droz (Hrsg.), Histoire générale du socialisme, Bd. 3, Paris 1977.

14. Vgl. Paul Shoup, a.a.O., S. 26.

15. Ante Ciliga, S. 9.

16. Zumindest behauptet das Ciliga. Gegenüber der "Rechten" um Sima Markovic verteidigte die von Djuro Cvijic vertretene "Linke" die Idee einer Föderation von Arbeiter- und Bauernregierungen jeder nationalen Region, wobei revolutionäre und nationale Faktoren verbunden werden sollten. Wie man sieht, begaben sich beide Flügel auf ein nationalistisches Terrain, auf dem es nicht mehr um Klassenkampf ging.

17. 1923 veröffentlichte Sima Markovic eine Schrift mit dem Titel "Nacionalno pitanje u svetlosti marksizma" ("Die nationale Frage im Licht des Marxismus"), Beograd 1923. Ciliga antwortete unter der Pseudonym "Mbt" in "Borba" (Nr.

29, 37, 38, 44, 45, August-Dezember 1923). Einen Nachdruck von Auszügen aus der Schrift von Markovic und der Artikel von Ciliga findet sich in dessen Zeitschrift "Na pragu sutratnjice" ("An der Schwelle der Zukunft"), Rom, Nr. 213, August 1974, S. 253-306 unter dem Titel: "Sima Markovic, Ante Ciliga: polemika o nacionalnom pitanju, 1923 g." ("Polemik über die nationale Frage"). Es ist interessant festzuhalten, daß Ciliga, wenn er von einer "Föderation von Arbeiter- und Bauernregierungen" spricht  eine Parole der Komintern , zugleich davon ausgeht, daß der Streit zwischen Serben und Kroaten ein Streit zwischen zwei getrennten Nationen und zwei Kapitalismen ist. Aber er verneint, daß eine dieser beiden Nationen in bezug auf die andere imperialistisch werden könnte.

18. Ante Ciliga, S. 10. Die Nominierung erfolgte Ende 1923. Sima Markovic (Pseudonym: Semic) wurde von Stalin am

30. März 1925 in der ³Jugoslawischen Kommission" der Exekutive der Komintern heftig angegriffen, weil er sich auf eine seiner Schriften aus dem Jahr 1912 stützte, um seine Position zu rechtfertigen. Vgl. "Konkresi i zemaljske konferencije KPJ 1919-1937", Bd. 2, ³Istorijskog arhiva KPJ", Belgrad 1950, S. 421-424.

19. Ante Ciliga, S. 11.

20. Vgl. G. Somai, Gramsci a Vienna, Urbino 1979. Gramsci, Mitglied des Wiener Büros der Kommunistischen Föderation der Balkanländer, hatte 1923 geurteilt, daß Radic zwar ein schlauer und gerissener Politiker und Experte in Kompromissen, aber kein "Stratege" sei (s. S. 77 und S. 114). In einem Artikel in "Borba" ( Nr. 38, 18. Oktober 1923) forderte Ciliga dagegen zu einer "Einheitsfront von Arbeitern und Bauern" mit der "Kroatischen Bauernpartei" (HSS) von Radic auf.

21. Für diesen Zeitraum vgl. Ciligas Aufsatz "Come Tito si impadronì del partito comunista yugoslavo" ("Wie Tito zum Führer der KPJ wurde"), in: "Corrispondenza Socialista", Nr. 7, Juli 1961, 5. 393-399. Ein Nachdruck mit einer Einleitung von Paolo Casciola (S. 1-8) erschien in: "Quaderni del Centro Studi Pietro Tresso", serie Studi e Ricerche, Nr. 12, Februar 1989. Außerdem gibt es einen wichtigen Artikel Ciligas über "Die Rolle und das Schicksal der kroatischen Kommunisten in der KPJ" (­Uloga i sudbina hrvatskih komunista u KPJÎ), in: "Bilten Hrvatske Demokratske i Socijalne Akcije" ("Bulletin der demokratischen und sozialen kroatischen Aktion"), Nr. 67, 1972, S. 1-68.

22. Ante Ciliga, Dix ans au pays du mensonge déconcertant, Paris 1977, S. 22-23 (Ante Ciliga, Im Land der verwirrenden Lüge, a.a.O., S. 8; so weit sich Zitate Ciligas in der gekürzten deutschen Ausgabe finden, wird nach dieser Übersetzung zitiert).

23. Ante Ciliga, Sibérie, terre de lÎexil et de lÎindustrialisation, Paris 1950. Der Verlag "Les Iles dÎOr", in dem dieses Buch erschien, veröffentlichte u.a. auch Texte von Angelo Tasca und Victor Serge.

24. Ante Ciliga, Dix ans..., a.a.O., S. 45 (deutsche Ausgabe, S. 21).

25. In der Sowjetunion gab es mehrere spezialisierte "kommunistische Universitäten"; andererseits bestand eine der Konsequenzen der "Bolschewisierung" darin, in anderen Ländern "kommunistische Schulen" zu gründen.

26. Ante Ciliga, Dix ans..., a.a.O., S. 26-27 (deutsche Ausgabe, S. 13). Zur Rede Trotzkis im Namen der Opposition am 9. Dezember 1926 vgl. "La Correspondance internationale", Nr. 6, 14. Januar 1927.

27. Ebd., S.31.

28. Ebd., 5. 42 (deutsche Ausgabe, S. 24).

29. Ciliga hielt die Sitzungen, bei denen alles "hinter den Kulissen entschieden wurde", für langweilig und "leeres Geschwätz" (deutsche Ausgabe, S. 26). In dem erwähnten Buch von Milovan Bosic werden (auf Seite 328) als Mitglieder der offiziellen Delegation genannt: I. Zorga, G. Vukovic, M. Brezovic und A. Hlebec. Ragic ergriff für die jugoslawische Delegation das Wort, um Bucharin dafür zu danken, daß er den Fraktionskampf in der KPJ beendet hatte; er sprach sich für "eine einheitliche kommunistische Partei mit leninistischer Führung und stählerner Disziplin" und für eine "Föderation der selbständigen Arbeiter- und Bauernrepubliken auf dem Balkan" aus. Von irgendeiner Opposition war nichts zu hören. Vgl. "Internationale Presse-Korrespondenz", Nr. 75, 31. Juli 1928, S. 1346.

30. Die Ausrichtung auf den "bewaffneten Aufstand" wurde vor allem anläßlich der X. Vollversammlung im Juli 1929 auf die Tagesordnung gesetzt.

31. Für einen kurzen Überblick über diesen Zeitraum vgl. Natacha Rajakovic, ³Les ambiguïtés du yougoslavisme," in: De Sarajevo à Sarajevo, Bruxelles 1992, S. 21-49.

32. Seit dem Frühjahr 1928 beschäftigte sich die Führung der Komintern mit der "Militärfrage". S. (A. Neuberg)/Hans Kippenberger/M.N. Tuchatschewskij, Ho Chi Minh, Der bewaffnete Aufstand. Versuch einer theoretischen Darstellung. Eingeleitet von Erich Wollenberg, Frankfurt am Main 1971 (zuerst 1928 erschienen). Im Mai 1929 setzte das Politbüro des Zentralkomitees der KPJ den "bewaffneten Aufstand" auf die Tagesordnung. Im Oktober 1929 erklärte das Zentralkomitee, daß man "von der Defensive zur Offensive übergehen... und die Massen und die Partei auf den bewaffneten Aufstand vorbereiten müsse". Vgl. "Pregled istorije Saveza Komunista Yugoslavije" ("Abriß der Geschichte des Kommunistischen Bundes Jugoslawiens"), Belgrad 1963, S. 175-177.

33. Vgl. Ivan Avakumovic, a.a.O., S. 94-95.

34. Ante Ciliga, Crise d'Etat dans la Yougoslavie de Tito, Paris 1974, S. 165. Avakumovic, a.a.O., S. 96, erwähnt dreißig Tote, weniger als die Anzahl der von Stalin einige Jahre später getöteten jugoslawischen Kommunisten.

35. Die "Innere (vereinigte) mazedonische revolutionäre Organisation" wurde im September 1925 aus den Resten der mazedonischen terroristischen Bewegung ORIM geschaffen. Die VMRO (so ihre Abkürzung im bulgarischen Mazedonien), von mazedonischen "Kommunisten" geleitet, war eine rein nationalistische Schöpfung. Aus der "historischen" ORIM entwickelte sich nach 1929 die Ustascha Ante Pavelics.

36. Ivan Avakumovic, a.a.O., S. 108-109.

37. Ante Ciliga, Dix ans au pays ..., a.a.O., S. 67-68.

38. Ebd. S. 69.

39. Die Frau von Tito, die russischer Herkunft war, war wahrscheinlich 1935 im Gefängnis. Sie konnte überleben.Über die Festnahme seiner Frau sowie über sein anschhießendes komplizenhaftes Schweigen hat Tito nie ein Wort verloren.

40. Ante Ciliga, Dix ans au pays..., a.a.O., S. 110.

41. Ebd., S. 179.

42. Ciliga erwähnt auch die Lager von Tcheliabinsk, Yaroslav und Suzdal. Im letztgenannten Lager befand sich der Führer der Dezisten, V.M. Smimov, der 1937 hingerichtet wurde. Vgl. dazu "Lettre du camarade Ciliga" (9. Dezember 1935), in: A bas! la répression contre-révolutionnaire en URSS, Paris, Anfang 1936, Editions Quatrième Internationale, S. 6-16.

43. Die Analyse der politischen Kräfteverhältnisse in Werchne-UralÎsk wurde durch den Brief von zwei orthodoxen Trotzkisten an Trotzki vom 11. November 1930 aus diesem Gefängnis bestätigt (T.D. Ardachehia und G. lakovin, in: "Cahiers Léon Trotsky", Nr.7/8, 1981, S. 184-193). Die von Ciliga für diese Tendenz erwähnten "Thesen der Drei" wurden in den "Cahiers Léon Trotsky", Nr. 6, 1981 unter dem Titel "La crise de Ia Révolution" neu veröffentlicht.

44. Ante Ciliga, Dix ans au pays..., S. 288. Eleasar Solistsev (1900-1936), Grigori Iakovin (1869-1938) und Fjodor Dingelstedt (1890-1938) wurden später in Kolyma hingerichtet.

45. Der genannte Brief von Ardachehia und Iakovin erwähnt zwar nicht die "Pravda v tiurâme" des trotzkistischen Zentrums, dafür aber die "Sbornik o Sovremennom Poloõeniiã (äDokumente zur aktuellen Situationä) der orthodoxen trotzkistischen "Rechten". Die beiden Unterzeichner des Briefes bestätigen, daß die "Voinstvuiuchtchij Bolchevik" im Januar 1930 von Saakian und Kvatchadze gegründet und sich seit der zweiten Nummer unter der Leitung von Puchas, Perevertsev und Emelianov auf den "Dezismus" hin orientierte.

46. Ante Ciliga, Dix ans au pays..., a.a.O., S. 222.

47. Zu dieser These vgl. das Buch von Willy Huhn, Trotzki der gescheiterte Stalin. Mit einer Einleitung: Paul Mattick, Bolschewismus und Stalinismus, Berlin, 1973.

48. Ante Ciliga, Dix ans au Pays..., a.a.O., S. 209.

49. In einem im Oktober 1932 veröffentlichten Text Trotzkis kann man eine Verteidigung der Sowjetunion lesen, die seine gefangenen Anhänger und mehr noch die Arbeiter in den Arbeitslagern und Straflagern sicherlich hat aufheulen lassen: "Wir akzeptieren den Arbeiterstaat so wie er ist und wir sagen: Dies ist unser Staat. Trotz aller Rückschläge, trotz der Hungersnot; trotz der Menschenschlangen und der Irrtümer und sogar trotz aller bürokratischen Schandtaten müssen die Arbeiter der ganzen Welt diesen Arbeiterstaat als ihr zukünftiges sozialistisches Vaterland mit Klauen und Zähnen verteidigen. " Und der ehemalige Führer der Bolschewisten fügte noch hinzu: "Der Sozialismus als System hat sein Anrecht auf den historischen Sieg nicht nur in den Hauptstädten des Kapitals, sondern auch durch den Bau von Wasserkraftwerken und Hochäfen bewiesen." (Leon Trotsky, Oeconomie sovtique en danger au seuil du deuxieme plan quinquennal, in: Ders., Ecrits 1928-1940, Bd. 1, Paris 1955, S. 111). Diese Gleichsetzung von Kapitalakkumulation und Sozialismus, bereits 1926 von E. Preobrashenskij in seinem Buch "Die neue Ökonomik" vorgestellt, wurde von Trotzki mehrfach verteidigt.

50. Ante Ciliga, Dix ans au pays..., a.a.O., S. 258-259 (deutsche Ausgabe, S. 139/140).

51. Zur Position Miasnikovs 1923 vgl. das "Manifest der Arbeitergruppe der russischen KP (Bolschewisten)", das in deutscher †bersetzung von der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands veräffentlicht wurde.

52. Vgl. Roberto Sinigaglia, Mjasnikov e Ia rivoluzione russa, Milano 1973.

53. Vgl. Carl Steuermann (Pseudonym von Otto Rühle), Weltkrise Weitwende. Kurs auf Staatskapitalismus, Berlin 1931.

54. Ante Ciliga, Dix ans au pays..., a.a.O., S. 285.

55. Vgl. Leon Trotsky, Oeuvres, Bd. 8, Paris 1980, 5. 34. Pierre Broué gibt dort als Geburtsjahr Ciligas 1896 statt 1898 an.

56. Ebd., S.34-35, Brief vom 2. Januar 1936.

57. Ebd, S.54, 7. Januar 1936. Ciliga war nicht der einzige, der 1935 die UdSSR verließ. Arven Davtian, genannt Tarov (1895-1943), hatte ebenfalls vom "Leben" in Werchne-UralÎsk, von Hungerstreiks, von "450" (?) Bolschewisten-Leninisten berichtet und er erwähnte die Aktivitäten von drei Tschechen, in Wirklichkeit Ciliga und seine Freunde. S. "DÎune lettre de Tarov sur son Žvasion", in: "Bulletin d'information et de presse sur lâ URSS", Nr. 1, Januar 1936, herausgegeben vom ³SecrŽtariat International" der ³Ligue Communiste Internationale (Bolcheviks-Léninistes)", S. 10-12.

58. Stalinskie repressiiv SSSR (Die stalinistische Repression in der UdSSR), in: Biulletenâ oppositsii, Nr. 47, Januar 1936, S. 1-4; v borâbe za vyezd iz SSSR (Mein Kampf, um die UdSSR zu verlassen), in: Ebd., Nr. 48, Februar 1936, S. 11-12; Fortsetzung in: Ebd., Nr. 49, April 1936, S. 7-12. Zu den Artikeln Ciligas in der "Sotsialistitcheskij Vestnik" aus den Jahren 1936 und 1937 vgl. "Tables de Ia revue russe ³Le Messager socialiste 1921-1963", Paris, Institut dâEtudes Slaves, 1992.

59. So schreibt der trotzkistische Historiker Pierre Broué, ohne z.B. die Positionen der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands, Karl Korschs oder Miasnikovs zu erwähnen, daß "die Konzeption, derzufolge die UdSSR ein ­StaatskapitalismusÎ geworden sei, wie es Ciliga behauptet, schon lange die Konzeption der Menschewisten war". S. Leon Trotsky, Oeuvres, Bd. 8, a.a.O., S. 65.

60. Brief Trotzkis vom 22. Juni 1936, in: Ders., Oeuvres, Bd. 10, Paris 1981, S. 123-125. Trotzki forderte, trotz anderer Ansicht seines Sohnes, daß im "BiulletenÎ oppositsii" keine Texte von Ciliga mehr veräffentlicht werden sollten.

61. S. "Sotsialistitcheskij Vestnik", Nr. 7/8 vom 27. April 1937 und Nr. 11 vom 4. Juni 1937. In der Nr. 7/8 ließ Ciliga seine zwischen August 1936 und April 1937 geschriebenen Briefe an das "Biulleteni oppositsii" abdrucken. Er erklärte sich mit den "ultralinken Kommunisten" einverstanden und wies darauf hin, daß er selbst kein "Bolschewist-Leninist", sondern ein " Unorganisierter" sei und sich am "Aufbau einer Einheitsfront aus oppositionellen Kommunisten, Sozialisten und Anarchisten gegen den stalinistischen bürokratischen Terror" beteiligen wolle (S. 24). Dieser Ruf nach einer Einheitsfront machte deutlich, daß er sich von den klassischen Positionen des Linkskommunismus entfernte, zu deren Charakteristika die Zurückweisung jeder Einheitsfront gehörte.

62. "Nova Evropa" war eine seit Anfang der zwanziger Jahre erscheinende Zeitschrift, in der "intellektuelle" Anhänger der nationalen Einheit Jugoslawiens zu Wort kamen. 1938 ließ Ciliga ihr einen Artikel zukommen, in dem er behauptete, daß in nächster Zukunft kein Krieg ausbrechen würde. Vgl. Ante Ciliga, Sam kroz Evropu u ratu, Paris 1954, S. 6.

63. Ante Ciliga, L'insurrection de Cronstadt et Ia destinŽe de la RŽvolution russe, in: La Revolution proletarienne Nr. 278, 10. September 1938.

64. Ante Ciliga, L'insurrection de Cronstadt et Ia destine de Ia Revolution russe, Paris 1983, S. 16-17.

65. Ein angebliches "Komitee jugoslawischer Journalisten im Exil" behauptete in einer auf Franzäsisch abgefaßten Flugschrift (Paris, 22. April 1952): "Während (Ciliga) sieh in Sowjetrußland aufhielt, wurde er aus der (jugoslawischen) Partei ausgeschlossen, weil er zum einen einer trotzkistischen Gruppe angehärte und zum anderen an Dienst der jugoslawischen Geheimpolizei gestanden hat. Von den Sowjets ins Gefängnis geworfen, hat er sich daraus mit Hilfe des italienischen Konsuls in Moskau 1937 befreien kännen. Mit welchem Tauschgeschäft es dem italienischen Konsul gelang, Ciliga zu befreien, ist immer noch ein im Kreml gehütetes Geheimnis. Als er befreit war, ging Ciliga nach Jugoslawien, wo er unter dem Schutz der Polizei lebte. Dann ging er nach Italien und pendelte zwischen Rom und Paris als Agent der OVRA (politische Polizei Mussolinis)." Der Schlüssel für diese Schrift (Bibliotheque de documentation internationale contemporaine [BDIC], Nanterre, Q 7230) liegt in der Schlußfolgerung: "(Ciliga verleumdet) die Serben und die orthodoxe Religion". Wenn dieses Komitee von "Journalisten" "titoistisch" war, so beweist dies, daß der vom Trotzkismus nach 1948 glorifizierte "Titoismus" es gut mit dem Stalinismus aufnehmen konnte.

66. Zu Miasnikov s. Ante Ciliga, Sam kroz Evropu u ratu, a.a.O., S. 13-20. In der Zeitschrift von Arkadij Maslov, Cahiers d' Europe. Revue mensuelle critique et littŽraire  Europäische Monatshefte", veröffentlichte Ciliga den Text "Les matres du Pays" (Nr. 1, Januar 1939, S. 29-33).

67. Ante Ciliga, S. 14.

68. Ebd.

69. Ante Ciliga, Sam kroz Europu u ratu, Rom 1978, Teil 2, "u balkanskom vrtlogu: In godine u NDH".

70. Vgl. dazu Ladislaus Hory/Martin Broszat, Der Kroatische Ustascha-Staat 1941  1945, Stuttgart 1964. K. Meneghello-Dincic, LâEtat ,oustacha de Croatie (1941-1945), in: Revue dÎhistoire de Ia IIe Guerre mondiale, Nr. 74, April 1966. F. Jelic-Butic, Ustase i Nezavisna Drzava Hrvatska 1941-1945 (Die Ustascha und der unabhängige Staat Kroatien 1941-1945), Zagreb 1977. Zur wenig rühmlichen Rolle des Vatikans und der katholischen Kirche vgl. H. Laurière (Branko Miljus), Assassins au nom de Dieu, Paris 1951.

71. Von den 1,7 Millionen Kriegstoten waren zwei Drittel Opfer anderer Jugoslawen. Zum italienisch gewordenen Dalmatien siehe O.Talpo, Dalmazia. Una cronaca per Ia storia (1941), Rom 1985. Aus deutschen Berichten geht hervor, daß die 40.000 Eisenbahner Kroatiens prokommunistisch waren, daß die Bauern, die 80% der Bevölkerung ausmachten, dem Ustascha-System feindlich gegenüberstanden und daß die "Muslime" Bosniens, nach Ante Pavelic die "Blume der kroatischen Nation", zur Partisanenbewegung Titos hielten.

72. In der bereits zitierten Schmähschrift wird behauptet, daß Ciliga "Pavelic in seinem Triumphzug" nach Kroatien "begleitet" habe. Tatsächlich gehörte eine Person gleichen Namens, em Tierarzt, zu Pavelics Begleitung. Vgl. dazu die "Erinnerungen" eines ehemaligen hohen Funktionärs des Ustascha-Staates: V. Vrancic, Branili smo Drzavu (³Wir haben den Staat verteidigt"), Index Bd. II, Barcelona/München 1985. Ein anderer Fall von Gleichnamigkeit betrifft Ante Pavelic, das Mitglied der serbokroatischen Koalition aus dem Jahr 1919 (1869-1938), die die provisorische Regierung der südslawischen Provinzen bildete, darf nicht mit dem Führer der Ustascha-Bewegung (1889-1959) verwechselt werden.

73. Ante Ciliga, S. 15.

74. Diese Version findet man im Interview Ciligas in "L'Umana Avventura", Nr. 9, Januar 1980, S. 38.

75. Vgl. R. Trivuncic, Jasenovac i jasenovacki logori (Jasenovac und die Lager von Jasenovac), Jasenovac 1974.

76. In der bereits zitierten Schmähschrift wird behauptet, daß die Gestapo die Festnahme von Ciliga als Agent der OVRA forderte und daß ihn der Erzbischof von Zagreb, Alois Stepinac, aus dem Gefängnis befreien ließ (während Ciliga in Wirklichkeit in einem Vernichtungslager war). Unter anderem wird von diesem mysteriösen "Komitee jugoslawischer Journalisten im Exil" behauptet, daß Ciliga "Herausgeber der Ustascha-Zeitschriften ­SpremnostÎ und ,Hrvatski NarodÎ gewesen sei und daß er im Februar 1943 "nicht gezögert hat, die Teilnahme des ­unabhängigen kroatischen StaatesÎ am Kampf gegen die Alliierten und die jugoslawischen Widerstandskämpfer zu verherrlichen". Die Überprüfung dieser Zeitschriften und Zeitungen in den Archiven Zagrebs sollte es ermöglichen, die Anklagen zu entkräften. Sicher ist, daß die politische Ambiguität Ciligas während des Krieges den Boden für solche Anschuldigungen bereitete. Was den Erzbischof Stepinac betrifft, der 1956, nachdem ihn Tito 1946 zu sechzehn Jahren Haft hatte verurteilen lassen, zum Kardinal ernannt wurde, so hat dieser während der Ustascha-Herrschaft eine zwiespältige Haltung eingenommen; im Unterschied zum offen der Ustascha angehörenden Erzbischof von Sarajewo, Saric, hat er individuell verfolgten Serben, Juden und Kroaten geholfen.

77. Ante Ciliga, Deset godina u Sovjetskoi Rusiji (Zehn Jahre in Sowjetrußland), Zagreb 1943. Dieses Buch enthält eine Reihe von Ciligas Artikeln aus der Zeitschrift "Spremnost" ("Vorbereitung") mit einer lobenden Einleitung des Faschisten Aleksander Seitz.

78. Zit. nach F. Jelic-Butic, a.a.O., S. 273.

79. "Hravtski Narod" war eine zweimal täglich erscheinende Zeitung, die, wie alle anderen Zeitungen auch, von der Ustascha kontrolliert wurde.

80. Ante Ciliga, Storice iz prostine, Zagreb 1944.

81. Ante Ciliga, Sam kroz europu u ratu, Rom 1978, Teil 3, "u Becu, Berlinu i Bavarskoj".

82. Vgl. Ante Ciliga, Crise dâEtat dans Ia Yougoslavie de Tito, a.a.O., S. 145. Ciliga berichtet, daß er nach dem September 1944 während der politischen Säuberung des Ustascha-Staates in Zagreb von der Gestapo vernommen wurde. In der bereits zitierten Schmähschrift wird behauptet, daß "Ciliga in Berlin zum Kulturattaché des ­unabhängigen kroatischen StaatesÎ ernannt wurde und bis zur Niederlage Hitlers in Berlin blieb". Kein Beweis und keine Zeugenaussage stützen den Realitätsgehalt dieser Anschuldigungen.

83. Ante Ciliga, Crise dâEtat dans Ia Yougoslavie de Tito, a.a.O., S. 144-145. Vgl. auch Ante Ciliga, S. 16.

84. Ante Ciliga, Lénine et Ia Révolution, Paris 1948. Geschrieben wurde dieser Text zweifellos 1938.

85. Ante Ciiga, S. 17.

86. Ante Ciliga, Dokle cé hrvatski narod stenjati pod srpskim jarmom? Diskusija o suvremenim problemina hrvatske politike (Wie lange noch wird die kroatische Nation unter dem serbischen Joch stöhnen? Diskussion über die Hauptprobleme der kroatischen Politik), Paris 1952.

87. Ante Ciliga, "Les Slaves du Sud déchirés entre lÎEst et IâOuest", in: La Révolution prolétarienne, Paris, November 1950. Ciliga behauptete an dieser Stelle auch, daß "die Krise der serbischen Hegemonie der zentrale Kern der gegenwärtigen jugoslawischen Situation" sei.

88. Vladimir Macek (1879-1964) hat Memoiren in englischer Sprache hinterlassen: In the struggle for freedom, New York 1957.

89. Ante Ciliga, Dokle cé hrvatski narod stenjati pod srpskim jarmom?, a.a.O. S. 81. Man muß festhalten, daß in dieser Broschüre mehr als zweifelhafte Formulierungen über die Ustascha-Bewegung stehen, während Ciliga andererseits unterstreicht, daß die Politik von Pavelic durch einen "irrealen antiserbischen Chauvinismus" zur Katastrophe geführt habe. Aber handelt es sich um bloßen Chauvinismus, wenn es um Massaker an 600.000 Serben und um die " Unterwerfung unter Italien und Deutschland" geht? Ciliga schrieb weiter: "Trotz allem haben Pavelic und die Ustascha eine grundsätzlich positive Rolle in der Geschichte des kroatischen Volkes gespielt." (S. 40)

90. Ante Ciliga, Nacionalizam i komunizam u hrvatsko-srpskom sporu (Nationalismus und Kommunismus im serbisch-kroatischen Konflikt), in: ­Hrvatska RevijaÎ, Nr. 4, März 1951, S. 365-396.
Dieser Artikel erschien im März des gleichen Jahres im Feuilleton der in Rom erscheinenden Zeitschrift "Libertà". Die Zeitschrift "Hrvatska Revija" wurde von Anton Bonifacic und Vinko Nikolic geleitet, die der Ustascha-Bewegung nahestanden oder ihr gar angehörten.

91. Zur kroatischen Emigration, die von der extremen Ustascha-Rechten bis zum moskautreuen kroatischen Nationalkommunismus reichte, vgl. Stephen Clissold, Croat Separatism: Nationalism, Dissidence and Terrorism, in: Conflict Studies, Nr. 103, Januar 1979. Zur kroatischen Emigrantenpresse in aller Welt siehe ³Hrvatska Revija", "Jubilarnia Zbornik 1951-1975", München/Barcelona 1976, S. 358-369. Ivan Jelic gab in München ein "H.N.O. Bulletin" heraus. Sein Bruder Branko Jelic, der die Zeitschrift ,,Hrvastka Drzava" ("Kroatischer Staat") herausgab, war dagegen prosowjetisch und trat für die Unabhängigkeit Kroatiens mittels Überlassung von Stützpunkten für die Sowjetunion ein.

92. Vgl. Bilten HDSA, Nr. 37-38, 1965, S. 10 (Brief an Branko Jelic).

93. S. Na pragu sutrasnjice, Nr. 5, Dezember 1975, S. 129-144.

94. Stephen Clissold, a.a.O., S. 17. Das Spektrum reichte von der Ustascha-HOP (Hrvatski OslobodiIacki Pokret, Kroatische Befreiungsbewegung) über die HSS (Hrvatski SeIjacka Stranka, Kroatische Bauernpartei), die HRS (Hrvatski Republikarska Stranka, Kroatische Republikanische Partei), die sozialistischen und kommunistischen Parteien bis hin zu den jungen flüchtlingen des angeblichen "Kroatischen Frühlings" von 1971. Clissold zufolge verurteilte die HNV zwar terroristische Gewalt, ließ aber verhafteten kroatischen Terroristen moralische und fmanzielle Hilfe zukommen. Zur kroatischen Opposition vgl. die unveröffentlichte Pariser Dissertation von D.S. Stefanovic, Les Origines de Ia crise croate de 1971, E.H.S.S., Juni 1979.

95. Ante Ciliga, Crise dâEtat dans Ia Yougoslavie de Tito, a.a.O., S. 344.

96. Diese Suche nach einer "Einheitsfront" aller kroatischer Parteien von der Rechten bis zur Linken schlug sich in den Aktivitäten Ciligas bei der HNV nieder, in der sich aber die Spaltungen zwischen der Ustascha, den Republikanern und den Sozialisten verschärften. In der Nr. 13 (November 1979) der Zeitschrift "Na pragu sutrasnijce" (S. 157-158) forderte Ciliga angesichts der "gegenwärtigen Krise der HNV" einen politischen Pluralismus mit "Alt-Nationalisten", "Jung-Nationalisten", Mitgliedern der Bauernpartei HSS und den "demokratisch und national orientierten kroatischen Kommunisten".

97. Ante Ciliga, Izjava PetnaestoviceKonac Titove Yugoslavije i zadati Hrvastske politike (Erklärung der 15 Das Ende von Titos Jugoslawien und die Aufgaben der kroatischen Politik), Lund (Schweden), 10. Juli 1983.

98. Ante Ciliga, S. 20-21. Im gleichen Sinn eines Apells an eine Weltgemeinschaft lassen sich die folgenden Zeilen aus Ciligas Buch ³Crise dâEtat dans Ia Yougoslavie de Tito" (a.a.O., S. 208) lesen: "Der Internationalismus und der Universalismus sind Konkretisierungen menschlicher Solidarität und eine unverzichtbare Grundlage zur Verwirklichung einer weltweiten Vereinigung und der zukünftigen sozialistischen Gesellschaft."
 

Editorische Anmerkungen

Der Aufsatz erschien in gedruckter Form  in der Zeitschrift Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Nr. 13, 1994

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