Texte
zur antikapitalistischen
Organisations- und Programmdebatte

12/11

trend
onlinezeitung

Es gibt einen Überblick über alle bei TREND 2011 veröffentlichten Texte zur Debatte über Organisation und Programm, angeregt durch die "Sozialistische Initiative Berlin" (vormals Berlin-Schöneberg)

»Geht was links von der Linkspartei?«
Berlin: Kontroverse Diskussion über Vorschlag für »neue antikapitalistische Organisation«
Von Johannes Schulten

Gründung der »27. Kleingruppe« oder ernstzunehmender Versuch einer Vereinigung der zersplitterten radikalen Linken«? Man weiß es noch nicht. Im März hatte eine Berliner Initiative unter dem Titel »Neue Antikapitalistische Organisation? Na endlich!« ein 35seitiges Diskussionspapier veröffentlicht, das in linksradikalen Kreisen auf recht reges Interesse stieß. Die »Sozialistische Initiative Berlin-Schöneberg«, ein Kreis um den langjährigen Berliner Polit­aktivisten Michael Prütz, sollte ein Versuch sein, »eine solidarische und kontroverse, ergebnisoffene und zielgerichtete Debatte« über den Aufbau einer antikapitalistischen Organisation links von der Linkspartei zu führen. Sechs Monate, einige Vernetzungstreffen und unzählige vor allem auf einschlägigen Internetforen geführte kontroverse Debatten später, sollte eine »Zwischenbilanz« gezogen werden.

Wie sich bei einer Veranstaltung der »Sozialistischen Initiative Berlin« (wie es jetzt heißt) am Donnerstag abend in der »Werkstatt der Kulturen« in Berlin-Neukölln zeigte, wird immer noch das Terrain sondiert. Mit rund 60 Interessierten diskutierten SIB und Gäste, was links von der Linken geht.

Manuel Kellner von der Internationalen Sozialistischen Linke (ISL) bewertete den Gründungsversuch als sympathisch, wenngleich er die Chancen für ein langfristig erfolgreiches Projekt »eher pessimistisch« einschätzte. Zumindest auf der parlamentarischen Ebene sei der Platz einer linken Opposition von der Linken besetzt, die sich mit Ausnahme von Brandenburg in absehbarer Zeit in keiner Regierung wiederfinden werde.

Für Michael Prütz, der für die SIB sprach, macht gerade diese Aussicht eine neue Organisation nötig. Die Gründung der Linken sei zwar ein »Fortschritt«. Gleichwohl bezeichnete er deren Politik als »Reformismus ohne Reformen«: Wo die Partei in Regierungsverantwortung käme, betreibe sie schlicht Krisenmanagement: »Das gilt sowohl für die Länder wie für die Kommunen.« Als »unverhandelbare« Haltelinien für eine neue Organisation definiert die Gruppe: ein »Konzept des revolutionären Bruchs«, »keine Mitverwaltung der kapitalistischen Krise«, eine Orientierung auf die Lohnabhängigen, das Prinzip der »Einheitsfront« mit Linkspartei und Gewerkschaften sowie »ein Mindestmaß an organisatorischer Verbindlichkeit«.

Absichtlich habe die SIB keinen Vorschlag für ein politisches Programm vorgelegt, betonte Prütz. Man wolle keine »fertigen Weisheiten verkaufen«. Dem pflichtete auch Jan Weiser vom Revolutionär Sozialistischen Bund (RSB) bei. Eine Überwindung des deutschen Kleingruppenwesens sei überfällig.

Nelli Tügel von der Sozialistischen Alternative (SAV) warf der SIB dagegen vor, »ein Sammelbecken ohne Grundlage« zu sein, da es momentan keine »Arbeiterklasse in Aufbruchstimmung« gebe. »Wenn 800 Linksradikale auf Grundlage von schwammigen Positionen zusammenkommen«, entstehe noch lange keine handlungsfähige Organisation. Fazit: Man streitet sich, aber immerhin darüber, wie man mittelfristig etwas gemeinsames aufbauen könnte. Ein bescheidener Fortschritt

Editorischer Hinweis

Mit dem Artikel "Fragen an TrotzkistInnen" verwiesen wir in der Nr. 11/2011 auf eine Diskussionsveranstaltung der SIB. Die JUNGE WELT berichtete am 5.11.2011 über den Verlauf der Veranstaltung. Wir über nahmen aus Dokumentationsgründen diesen Artikel als Spiegelung von
http://www.jungewelt.de/2011/11-05/047.php

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