Der ideologische Manipulierungsapparat im staatsmonopolistischen Kapitalismus
Ein modifizierter Quellenauszug.

von Reinhold Schramm

12/11

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»Institutionen wie das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung oder die Bundeszentrale für politische Bildung weisen darauf hin, dass im zentralen staatlichen Exekutivmechanismus der BRD Einrichtungen wirksam sind, deren Tätigkeit in hohem Maße auf ideologische Systemsicherung gerichtet ist. Aussagen zu ihnen und überhaupt zum ideologischen Manipulierungsapparat im Rahmen einer Analyse des zentralen staatlichen Exekutivmechanismus erfordern, einige Erwägungen voranzustellen, die eine präzisere Sicht auf den Platz ermöglichen, den solche im Bereich der zentralen staatlichen Exekutivorgane angesiedelten Institutionen bei der Realisierung der ideologischen Funktion des Staates im staatsmonopolistischen Kapitalismus der BRD einnehmen.«  

Bildungssystem  

»So muss erstens in Betracht gezogen werden, dass die ideologische Funktion weder von spezifischen, mit „Öffentlichkeitsarbeit“ oder „politischer Bildung“ beauftragten Organen und Einrichtungen verwirklicht wird, noch von Institutionen und Organen, die nur dem Exekutivbereich oder gar dem zentralen Exekutivmechanismus zuzurechnen sind. Schon ein flüchtiger Blick beispielsweise auf den Bundestag, auf die parlamentarische Prozedur in ihm und in den Landesparlamenten kann das systemnützliche ideologische Potential nicht übersehen, das von dort aus aktiviert wird. Das Stichwort Bildungssystem, um nur noch ein zweites Beispiel anzudeuten, also vor allem Schulen und Hochschulen, die in ihrer Masse staatliche Einrichtungen sind, zeigt noch anschaulicher die Breite des Feldes, in dem sich die ideologische Funktion des Staates realisiert.«  

Ideologische Ausrichtung  

»Damit wird zweitens schon offenkundig, dass die ideologische Funktion des Staates auch die staatliche Regulierung des geistig-kulturellen Lebens erfasst, sich nicht ausschließlich im propagandistisch-manipulativen Wirken entsprechender staatlicher Institutionen erschöpft. Deren Agieren ist in höchstem Grade Manipulierung, ideologische Ausrichtung der Masse des Volkes, mit der die Werktätigen entgegen ihren objektiven Interessen zu einem systemerhaltenden Denken, Fühlen und Verhalten veranlasst werden sollen.«

Apparat der Monopolverbände und systemtragenden Parteien  

»Drittens ist schließlich zu beachten, dass nicht nur der Staat, sondern auch andere Bestandteile des politischen Herrschaftssystems der BRD-Monopole ebenso ständig wie zielstrebig die vielfältigsten Aktivitäten entwickeln. Das trifft auf die Monopolverbände, die sich hierzu ihres Apparates und ihm angeschlossener Institute bedienen, genauso zu wie auf die systemtragenden Parteien. Diese sind - abgesehen von den monopolistischen Massenkommunikationsmitteln, deren bedeutendste Funktion die Manipulierung ist - letztlich gleichfalls darauf abgestellt, der großen Bevölkerungsmehrheit ein solches Denken einzuimpfen, dass sie sich zur Systemerhaltung mobilisieren lässt oder sich wenigstens systemkonform oder -loyal verhält.« 

Apparat der manipulativen Steuerung  

»Dennoch ist es geboten, an dieser Stelle auf den ideologischen Manipulierungsapparat einzugehen; bestätigt sich doch in der Bundesrepublik Deutschland sehr prägnant die für den staatsmonopolistischen Kapitalismus charakteristische Tendenz wachsender ideologischer Aktivitäten im Bereich der zentralen Exekutive, insbesondere in der bei der Exekutivspitze konzentrierten Festlegung von Strategien zur ideologischen Einflussnahme im eigenen Herrschaftsbereich und zur ideologischen Diversion {...} Diese Tendenz zur Konzentration schließt die von der Exekutivspitze ausgehende Leitung massiver ideologischer Einflussnahme über entsprechende Ministerien und ein Geflecht spezieller Institutionen ein. Außerdem spiegelt sich gerade in der Bundesrepublik Deutschland wie kaum sonst in vergleichbaren Ländern der Zusammenhang von unmittelbarer Repression, ideologischen Druck und geistiger Manipulation auch institutionell-organisatorisch wider, ist in ihr doch das für den bürgerlichen Staat typische Repressionsministerium zugleich eine der entscheidenden zentralen Instanzen für die Steuerung manipulativer ideologischer Aktivitäten und ihre Durchsetzung.«  

Rolle des Bundesinnenministeriums  

»Über diese Rolle des Bundesministeriums des Innern gibt schon dessen Struktur Auskunft. Danach gehört zu seiner Abteilung V eine Unterabteilung, [- Quelle 1985 -] die sich gemäß ihrer Referategliederung mit folgenden Aufgaben befasst: grundsätzliche Fragen im Medienbereich, Presserecht; Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen); Angelegenheiten der Medienstruktur, Wettbewerbsangelegenheiten im Medienbereich; internationale Zusammenarbeit im Medienbereich. [1/70] - 

Die in diese Aufgaben eingeschlossenen Steuerungskompetenzen liegen auf der Hand; sie sind in ihrer Tragweite um so besser abzuschätzen, je weniger die von ihnen erfassten Grundprobleme vor einer breiten Öffentlichkeit verborgen werden können, wie das bei den neuen Kommunikationstechniken verbundenen Projekten einflussreicher Kreise der Monopolbourgeoisie und ihrer Regierungsrepräsentanten der Fall ist. -  

Das Gewicht des Bundesinnenministeriums bei der Einflussnahme auf ideologierelevante Bereiche, z. B. über den „Auswahlausschuss zur Förderung des deutschen Films“, [- 1985 -] zeigt sich auch in spektakulären Vorgängen, wie der öffentlich verkündeten reaktionäre-konservativen Positionsbestimmung des [früheren] Bundesinnenministers Zimmermann zur Förderungswürdigkeit - und damit auch finanziellen Unterstützung - von Filmvorhaben.«  

Bundeszentrale für politische Bildung 

»Seine zentrale Rolle bei der staatlich organisierten und betriebenen Steuerung ideologischer Prozesse in den Bahnen der Systemkonformität und Systemsicherung und der geistigen Manipulierung der Volksmassen übt das Bundesinnenministerium zu einem ganz wesentlichen Teils mittels einer speziellen Institution aus, der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie gehört seinem Geschäftsbereich an und ist juristisch als nicht rechtsfähige Bundesanstalt organisiert. Der Charakter der Bundeszentrale als ideologisches Steuerungsinstrument drückt sich sehr sinnfällig darin aus, dass ihr differenziertes Vorgehen überwiegend Multiplikatoren zum Adressaten hat. Dazu zählen Beschäftigte im Medienbereich, für die sie „Angebote berufs- und berufsfeldbezogener Fortbildung“ [2/71] bereithält, Lehrer, Erzieher und Erwachsenenbildner in Schulen und Einrichtungen der Lehrerbildung, in Volkshochschulen und öffentlichen Unternehmen, in der Bundeswehr usw. -  

Sie wird auch dadurch tätig, dass sie etwa 150 Träger politischer Bildung [- 1985 -] (z. B. als Stiftungen organisierte nichtstaatliche, mit ideologischer Indoktrinierung befasste Einrichtungen) in deren Wirken, insbesondere bei der Durchführung von Seminaren, finanziell unterstützt. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Landeszentralen für politische Bildung und, soweit die Multiplikatoren zum Bereich der allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen gehören, in Kooperation mit der Konferenz der Kultusminister der Länder. Die Herausgabe verschiedenster Publikationen, einige davon in relativ hohen Auflagen, ist ein anderes Tätigkeitsfeld der Bundeszentrale. [3/72] Dazu gehört z. B. die Wochenschrift „Das Parlament“, [- 1985 -] die - wie andere Schriften - kostenlos an Schulen, Jugendverbände, kirchliche Organisationen usw. abgegeben wird.«  

Immunisierung gegen die marxistische Weltanschauung  

Zur Immunisierung gegen die marxistisch-leninistische Weltanschauung und zur antikommunistischen Propaganda und Desinformation unterhielt die Bundeszentrale für politische Bildung ein „Ostkolleg“. In diesem Kolleg sollten, wie es (damals) offiziell hieß,  „durch Gegenüberstellung und Vergleich die Strukturen, Möglichkeiten und Probleme freiheitlich-demokratischer Ordnungen bewusst gemacht werden“ [4/73]. „Entscheidend“, so ließ der frühere Bundesminister Maihofer wissen, „ist das Vertrauen und die Überzeugung des Bürgers, dass der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat die für ihn freieste und sicherste Lebensform ist.“ (Vgl.) -  

»Damit wird erkennbar, dass im Sprachgebrauch der in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Kreise „politische Bildung“ lediglich die Worthülse für die staatlich verordnete Form der Ideologisierung {...} im Sinne der mit der sogenannten freiheitlich-demokratischen Grundordnung identifizierten staatsmonopolistischen Herrschafts- und Gesellschaftsverhältnisse abgibt.«  

Öffentlichkeitsbearbeitung  (Public Relations)  

»Auf ihre tatsächliche Substanz zurückgeführt, sieht es mit der Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) in der Bundesrepublik Deutschland und anderen Ländern der Kapitalherrschaft nicht anders aus, gleichgültig ob sie vom Staat, von Konzernen, Monopolverbänden, systemtragenden Parteien usw. geleistet wird. Sie ist manipulativ betriebene ideologische Beeinflussung. -  

Mit ihr soll die Bevölkerung „planvoll loyalisiert oder abgewiegelt“ werden. [6/75] Ihre Wirkungen zeigen sich in Systemkonformität und Mobilisierung für das Funktionieren des Systems: „Widerstände können durch Public Relations in Zustimmung und Unterstützung umgepolt werden“ [7/76], schrieb ein erfahrener früherer Public-Relations-Manager des Krupp-Konzerns.«  

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung  

»Öffentlichkeitsarbeit im erläuterten Sinn weist unter dem Aspekt des staatlichen ideologischen Manipulationsapparates in der Bundesrepublik Deutschland auf jene Einrichtung hin, die dabei eine Spitzenposition innehat, das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA). [- 1985 -] Das BPA ragt unter allen auf geistige Manipulierung und Steuerung ideologischer Prozesse ausgerichteten staatlichen Instanzen insofern heraus, als es ideologische Steuerungs- und Schaltzentrale der Exekutivspitze ist.« Es ist der/dem Bundeskanzler/in unmittelbar unterstellt, [8/77] »verfügt über einen Personalbestand (1980: 716 Beamte, Angestellte und Arbeiter) [9/78], der den des Bundeskanzleramtes weit übersteigt [- 1985 -] und über einer Reihe von Ministerien liegt; es ist [war - ist] mit einem außerordentlich hohen Etat (1980: 188,5 Mill. DM) ausgestattet. [10/79]«  

»Zu den Aufgaben des BPA, die in einem mit Wirkung vom 18. Januar 1977 in Kraft getretenen Organisationserlass des Bundeskanzlers [11/80] zusammengefasst sind, gehören offiziell die „Erforschung und Darstellung der öffentlichen Meinung als Entscheidungshilfe für die politische Arbeit der Bundesregierung“ sowie die „Unterrichtung der Bürger und der Medien über die Politik der Bundesregierung durch Darlegung und Erläuterung der Tätigkeit, der Vorhaben und der Ziele der Bundesregierung“.« -

Meinungsforschung 

»Diese Aufgaben verdienen im gegebenen Zusammenhang besondere Beachtung. Die intensive Meinungsforschung des BPA ermöglicht eine kontinuierliche Beobachtung des allgemeinen Bewusstseinsstandes und die rechtzeitige Aufnahme von Signalen sich anbahnender Trendveränderungen. -  

Das analysierte Ergebnis dieser und anderer Formen der Informationsbeschaffung ist einer der Ausgangspunkte des BPA für die Beeinflussung des Meinungsbildes in der Bundesrepublik Deutschland. Der mit ihm verflochtene zweite Ausgangspunkt sind die ideologischen Leitlinien der Bundesregierung, in die die herrschenden Strömungen der bürgerlich-imperialistischen Ideologie eingewoben wird. -  

Sie werden der Bevölkerung in verschiedenen Formen direkt, doch im wesentlichen über die Massenmedien vermittelt nahegebracht. Deshalb ist das, was offiziell „Unterrichtung der Medien“ heißt, von gravierender Bedeutung; der Kontakt des BPA zu ihnen und die Zusammenarbeit mit ihnen vervielfältigen die Potenzen, die gemeinsam dafür eingesetzt werden, um die Vorherrschaft bürgerlicher Ideologie aufrechtzuerhalten und zu stabilisieren.«  

Kooperation zwischen BPA und Medien 

»Kontakte und Kooperation zwischen BPA und Medien können nicht so gedeutet werden, als wären die Massenmedien einem rigorosen Dirigismus des BPA unterworfen. Überdies werden Lenkung, Aufsicht oder Kontrolle durch den staatlichen Apparat sowieso nur in bestimmten Teilen der monopolistischen Bewusstseinsindustrie wirksam, so etwa in den öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunk- und Fernsehanstalten {...} Die Presse- und „Kultur“-Konzerne sowie die mit ihnen verflochtenen Nachrichten-, Werbe- und Vertriebsorganisationen werden in ihrer Mehrzahl, ohne dass es einer Zwischenschaltung des Staates bedarf, in einem flexiblen, die Illusion von Presse- und Meinungsfreiheit fördernden System verschiedenartiger Organisationsformen vom Monopolkapital unmittelbar gelenkt. [12/81]«  

Die Dimensionen dieses Apparates nicht übersehen  

»Die hier gebotene Beschränkung auf die herausragenden Institutionen des auf zentraler staatlicher Ebene bestehenden ideologischen Manipulierungsapparates und die fragmentarisch-skizzenhafte Darstellung ihrer Rolle bei der ideologischen Sicherung des Systems dürfen nicht dazu verleiten, die tatsächlichen Dimensionen dieses Apparates zu übersehen.« -  

»Es sei deshalb wenigstens noch angemerkt, dass die Bundesministerien über eigene Pressestellen und andere Formen, teilweise auch mittels ihnen zugeordneter spezieller Institutionen, massive ideologische Aktivitäten entwickeln.« - Unter ihnen hatte das Bundesministerium für sogenannte innerdeutsche Beziehungen einen besonderen Platz: als ein Zentrum konzentrierter Verbreitung revanchistischer Ideologie. - Das Verteidigungsministerium hat (weiterhin) seine Aufgabe, »als jenes Spitzenorgan, das seine ideologische Tätigkeit darauf orientiert, der Masse der BRD-Bürger die „Einsicht“ zu vermitteln, „dass die militärischen und existenziellen Erfordernisse des kapitalistischen Systems die ureigenen Interessen jeden Bürgers repräsentieren“ [13/82].« -  

»Der Stellenwert der Ideologieverbreitung durch beide Ministerien spiegelt [spiegelte] sich auch in der Höhe der dafür bereitgestellten Mittel wider. Das Volumen der allein auf Bundesebene für „Öffentlichkeitsarbeit“ verausgabten Haushaltsmittel (1980 rund 626 Millionen DM) [14/83] weist auf die [- bereits schon vor 1989/90 bzw. 2011/12 - ] Dimensionen der propagandistisch-ideologischen Aktivitäten des Staates hin.«

 

Anmerkungen  

1/70  Vgl. Die Bundesrepublik Deutschland. Staatshandbuch. Teilausgabe Bund. Hrsg. E. Schiffer, Köln 1980, S. 114.  

2/71  Vademecum Deutscher Lehr- und Forschungsstätten. Hrsg. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Essen 1978, S. 3. 

3/72  Vgl. Der Staat im staatsmonopolistischen Kapitalismus der Bundesrepublik, a. a. O., S. 303 ff.  

4/73  „Aus § 2 des Erlasses über das Ostkolleg der Bundeszentrale für politische Bildung vom 1.11.1975", in: Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1978, S. 35.  

5/74  W. Maihofer, „Hilfe zur politischen Orientierung“, in: Bundeszentrale für politische Bildung, a. a. O., S. 8.  

6/75  Vgl. O. Kempen, Grundgesetz, amtliche Öffentlichkeitsarbeit und politische Willensbildung, Berlin (West) 1975, S. 11.  

7/76  G.-V. Graf Zedtwitz-Arnim, Tu Gutes und rede darüber, Berlin (West)/Frankfurt/Main/Wien 1961, S. 18.  

8/77  Es wurde mit Wirkung vom 30.07.1958 aus dem Bundeskanzleramt ausgegliedert. Vgl. H. O. Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Frankfurt/Main 1982, S. 81.  

9/78  Angaben nach: H. O. Walker, a. a. O., S. 100; vgl. auch a. a. O., S. 97.  

10/79  Angaben nach: H. O. Walker, a. a. O., S. 112.  

11/80  Vgl. A. A. O., S. 398f.  

12/81  Vgl. hierzu P. Hamann, Medien der Manipulation, Struktur und Steuerung des imperialistischen Journalismus in der BRD, Leipzig 1979, S. 25ff.   

13/82  Der Staat im staatsmonopolistischen Kapitalismus der Bundesrepublik, a. a. O., S. 309.  

14/83  Vgl. H. O. Walker, a. a. O., S. 115.  

Quelle: Das politische System der BRD. Geschichte und Gegenwart. Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1985. Vgl.: 4. Der zentrale staatliche Exekutivapparat. 4.4. Der ideologische Manipulierungsapparat der BRD. Studien zum politischen System des Imperialismus, Band 3. Institut für Theorie des Staates und des Rechts der Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.