Betrieb und Gewerkschaft 

Officine Bellinzona: Una nuova fase di mobilitazione / Eine neue Phase der Mobilisierung / une nouvelle phase de mobilisation commence

von Netzwerk Arbeitskämpfe

12/11

trend
onlinezeitung

Der Streik der Arbeiter der SBB-Werkstätten (Officine) in Bellinzona im Frühjahr 2008 geht wohl in die Geschichte ein: Nach 33 Tagen Streik und Besetzung der Werkstatt, einer breiten Mobilisierung von Gesellschaft
und Politik konnten die über 400 Beschäftigten die Restrukturierungspläne der SBB-Direktion erfolgreich bekämpfen und somit den Standort erhalten.

Darüber hinaus konnten gar Forderungen durchgesetzt werden wie z.B. die Festanstellung von ca. 50 Temporärarbeitern.

Inzwischen hat sich gezeigt, dass die SBB-Spitze den Frontalangriff nur hinaus schob. Zwar wurden die Bedürfnisse der Werkstatt in Bellinzona regelmässig zwischen der Direktion des Unternehmens und dem Streikkomitee an einem sogenannten "Runden Tisch" besprochen, die wichtigen Entscheide wurden aber anderswo gefällt.

Mitte 2011 verhandelte die SBB mit den Gewerkschaften SEV und transfair und über die Köpfe der über 27'000 SBB-Beschäftigten hinweg die Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrages (GAV).

Wesentlicher Bestandteil des neuen Vertrages war der Übergang vom Lohnsystem ESP (29-Lohnklassen) zu ToCo (15-Lohnklassen), was eine massive Effektivlohnreduktion (bis zu 20'000 CHF jährlich in gewissen Fällen) und eine krasse Öffnung der Lohnschere innerhalb der SBB bedeutet.

Immerhin weigerten sich über 6000 Beschäftigte schweizweit, den neuen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen. Ob dieser "individuelle Protest" in eine kollektive Mobilisierung mündet, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Sicherlich könnten die Beschäftigten der Officina Bellinzona hier eine Vorreiterrolle spielen.

Nachdem in den letzten beiden Jahren wieder vermehrt Temporärarbeiter angestellt wurden, um die stark gestiegenen Aufträge von SBB Cargo bewältigen zu können, soll das Arbeitsvolumen beim Unterhalt der Güterwagen nun ganz kurzfristig und massiv reduziert werden. Dieser Entscheid von SBB Cargo im November 2011 ist ein eigentlicher Frontalangriff auf die Werkstatt in Bellinzona, der früher oder später zu einer Schliessung des Werkes führen würde - die gleichen Pläne also, welche die SBB-Direktion schon 2008 umsetzen wollte und die zum bekannten Widerstand führten, werden neu aufgegleist.

Die Belegschaftsversammlung der Offinica Bellinzona hat als erste Antwort auf diesen Angriff eine Resolution verabschiedet und die SBB-Direktion aufgefordert, den Entscheid zurückzunehmen. Wir haben diese Resolution auf Deutsch und Französisch übersetzt, damit die neueste Entwicklung über die kantonalen Grenzen hinaus bekannt gemacht wird und sich eine breite Solidarität mit der Belegschaft der Officina Bellinzona organisieren kann.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir  durch das Forum Betrieb, Gewerkschaft und Soziale Bewegung Berlin

Siehe dazu auch den Artikel aus TREND 4/2008: SBB-Cargo Streik - Kein Ende in Sicht