Kapitalistischer Stadtumbau & Stadtteilkämpfe

Die Immobilie als Leihkapital
Grundsätzliches zum Leihkapital

von Karl Marx

12-2012

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Vorbemerkung: In den 1970er Jahren wurde unter marxistischen Ökonomen die Immobilie dem Grundstück zugerechnet und beides zusammengenommen als ökonomische Basis des Profits bestimmt. David Harvey(1) nannte diese Profitquelle "Klassenmonopolrente". Wir gehen stattdessen davon aus, dass es sich bei Immobilien - egal ob sie privat oder gewerblich genutzt werden, um Leihkapital handelt. Wie dem folgenden Text zu entnehmen ist, spielt die Form, in der das Leihkapital auf den Plan tritt, für die Frage des Einverleibens von Zins keine Rolle. Was zu dieser grundsätzlichen Bestimmung nicht dazugehört ist die Frage, die im wirklichen Leben sehr wohl die entscheidende ist,  nämlich wodurch die Höhe des Zinses bestimmt wird. / AKKA

Jeder Stellenwechsel des Geldes im wirklichen Produktionsprozeß des Kapitals drückt ein Moment der Reproduktion [aus], sei es Verwandlung von Geld in Arbeit, sei es Verwandlung der fertigen Ware in Geld (Schluß des Produktionsakts), sei es Rückverwandlung des Geldes in Ware (Erneurung des Produktionsprozesses, Wiederbeginn der Reproduktion). Der Stellenwechsel des Geldes, wenn es als Kapital verliehn wird, also nicht in Kapital verwandelt wird, sondern als Kapital in die Zirkulation eintritt, drückt nichts aus als transfer desselben Geldes aus einer Hand in die andre. Der Eigentumstitel bleibt in der Hand des Verleihers, aber der Besitz geht in die Hand des industriellen Kapitalisten über. Für den Verleiher aber beginnt die Verwandlung des Geldes m Kapital von dem Augenblick, wo er es, statt als Geld auszugeben, es als Kapital ausgibt, d.h. in die Hand des industriellen Kapitalisten gibt. (Es bleibt für ihn Kapital, wenn er es auch nicht dem Industriellen, sondern dem Verschwender leiht, oder wenn er einem Arbeiter leiht, der seine Miete nicht zahlen kann. Die ganze Pfandhausgeschichte.) Allerdings verwandelt der andre es in Kapital, aber das ist eine Operation jenseits der, die zwischen Verleiher und Leiher vorgeht. In ihr ist diese Vermittlung ausgelöscht, nicht sichtbar, nicht unmittelbar einbegriffen. Statt der wirklichen Verwandlung von Geld in Kapital zeigt sich hier nur die inhaltslose Form derselben. Wie beim Arbeitsvermögen wird der Gebrauchswert des Geldes hier der, Tauschwert zu schaffen, größren Tauschwert, als in ihm selbst enthalten ist. Es wird als sich verwertender Wut verliehn, [als] Ware, nur [als] Ware, die sich eben durch diese Eigenschaft von der Ware als solcher unterscheidet und daher auch eine eigentümlich Form der Veräußerung besitzt.

Der Ausgangspunkt des Kapitals ist der Warenbesitzer, Geldbesitzer, kurz, der Kapitalist. Da bei ihm Ausgangspunkt und Rückgangspunkt zusammenfallen, kehrt es zum Kapitalisten zurück. Hier aber existiert der Kapitalist doppelt, der Eigentümer des Kapitals und der industrielle Kapitalist, der wirklich Geld in Kapital verwandelt. Faktisch strömt ||894| das Kapital von ihm aus und kehrt zu ihm zurück. Aber nur als dem Besitzhalter. Der Kapitalist existiert doppelt. Juristisch und ökonomisch. Als Eigentum kehrt es daher auch zu dem juristischen Kapitalisten, [dem] left handed Sam1, zurück. Aber die Rückkehr des Kapitals, die die Erhaltung seines Werts einschließt, es als sich erhaltenden und verewigenden Wert setzt, ist wohl vermittelt für Kapitalist Nr. II, aber nicht für Kapitalist Nr. I. Die Rückkehr drückt sich hier daher auch nicht aus als Konsequenz und Resultat einer Reihe ökonomischer Prozesse, sondern infolge einer besondren juristischen Transaktion zwischen Käufer und Verkäufer; daß es verliehn, statt verkauft, also nur temporär Veräußert wird. Was in der Tat verkauft wird, ist sein Gebrauchswert, der hier der ist, Tauschwert zu setzen, Profit zu produzieren, mehr Wert zu produzieren, als es selbst enthält. Als Geld ändert es sich nicht durch den Gebrauch. Aber als Geld wird es ausgegeben, und als Geld strömt es zurück.

Die Form, worin es zurückströmt, hängt von der Reproduktionsweise des Kapitals ab. Wird es als Geld verliehn, so retourniert es in der Form des zirkulierenden Kapitals, sein ganzer Wert + Surpluswert, hier den Teil des Surpluswerts oder Profits, der sich in Zins auflöst: die ausgehehne Geldsumme + der aus ihr entsprungnen Zuwachssumme.

Wird es in der Form von Maschinerie, Baulichkeiten etc. ausgeliehn, kurz, in einer stofflichen Form, worin es im Produktionsprozeß als fixes Kapital funktionieren muß, so retourniert es in der Form des fixen Kapitals, als Annuite (jährliche Zahlung), d.h. z.B., jährlich = dem Ersatz für das dechet (den Verschleiß), = dem Wertteil desselben, der m Zirkulation getreten ist, + dem Teil der surplus value, der als Profit (hier Teil des Profits, Zins) auf das fixe Kapital berechnet ist (nicht soweit es fixes Kapital, sondern soweit es Kapital von bestimmter Größe überhaupt ist).

Anmerkungen:

1) Siehe dazu seinen Aufsatz: Klassenmonopolrente, Finanzkapital und Urbanisierung, in: Mayer, Roth, Brandes, Stadtkrise und soziale Bewegungen. Frankfurt/Main 1978. Der Begriff der Klassenmonopolrente stellt den Versuch dar,
eine vermeintliche theoretische Lücke, da sich angeblich die Marx'schen Aussagen zur Grundrente nicht einfach auf das Problem der städtischen Bodenrente übertragen lassen, zu schließen. In seiner aktuellen Broschüre/ Flugschrift: Kapitalismuskritik - die urbanen Wurzeln der Finanzkrise, Hamburg 2012, findet sich diese definitorische Bestimmung der Profitquelle einer Mietimmobilie nicht mehr, geht es ihm heute doch um privatgenutzte Eigenheime und nicht wie damals um Mietimmobilien. Eigenheime oder Eigentumswohnungen sind jedoch nicht vergleichbar mit Mietimmobilien. Erstere waren einmal Handelskapital. Nun sind sie übergegangen in die private Konsumtion und - wenn nicht voll  bezahlt - Kreditpfand. Zweitere sind Leihkapital und die Wohnungmiete enthält Zins und Tilgung.

Editorische Hinweise

Der Texte wurde entnommen: MEW 26,3, Berlin, 1968, Seite 449ff / OCR-Scan red. trend

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