Wow, was für ein Erfolg
Vorstellung des Hartz IV-Roman von Peter Hetzler

von Anne Seeck

12-2013

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Der Autor dieses Romanes ist Journalist und Mitarbeiter einer Erwerbslosengruppe. Viele der geschilderten Situationen haben sich so oder ähnlich tatsächlich zugetragen.

Die große Stärke dieser 153 Seiten umfassenden Erzählung aus „Facts“ und „Fiction“, wie der Autor schreibt, ist ihre Authentizität, verbunden mit hingetupfter Detailfreude und Leichtigkeit der Darstellung. Im Mittelpunkt dieses überaus informativen Buches steht – was zu erwarten war – der hoch sachkompetente Dauerclinch mit dem übergriffigen Jobcenter und dem Formular- und Vorschriftendschungel der Hartz-IV-Gesetze. Mit herkömmlichen Aktionsformen allein scheint da nur begrenzt etwas zu machen zu sein. Die Gegenmittel der Viererbande Sansan, Biggi, Kurt und „10 %“, dem intellektuellen Kopf der Gruppe, heißen Solidarität und Ausdauer, Einfallsreichtum und – subversive List. “, so Eva Petermann in der UZ.

Der Roman beginnt mit dem Besuch von Sozialdetektiven bei SanSan, die Hartz IV-Aufstockerin ist. Eine Woche später folgt ein Brief. Da sie Lebensmittel geschenkt bekommen habe, sei sie nur eingeschränkt bedürftig. 70 Euro sollen im kommenden Monat vom Arbeitslosengeld einbehalten werden.

SanSan ist Mitglied einer Erwerbslosengruppe. Wie Mister 10%, der sich in den Paragraphendschungel von Hartz IV eingearbeitet hatte. Bei Widersprüchen nahm er für den Erfolgsfall zehn Prozent des Gewinns als Honorar. Das fand Müller (48, verheiratet, ehemaliger Verkäufer) nicht gut, der immer mit Anzug und gestreifter Krawatte erschien. Kurt (56, verheiratet, als Drucker entlassen) war der nächste im Bunde. Weitere sechs Leute standen auf einer Liste.

Oft wurde die Gruppe „Hartz 5“ um Begleitung zum Jobcenter gebeten, wo sie die Sachbearbeiter kirre machen. Ihre erste Aktion im Roman sind Flugblätter „Achtung: Das Füttern von Erwerbslosen ist verboten!“, die sie bei einer Veranstaltung verteilen. Als sie aus dem Saal entfernt werden sollen, wirft SanSan die Flugblätter in die Luft, in dem Moment klickten die Kameras der anwesenden Presse. Im Lokalteil der Modtstädter Nachrichten fanden sie den Schnappschuss als Titelbild mit der Überschrift: Hartz 5 mischt Podiumsdiskussion auf. Der Telefon der Gruppe stand nicht mehr still. Auch der Blog der Hartz 5- Gruppe hatte täglich über 100 Besucher auf der Seite, wenn Aktionen liefen; ansonsten zwischen 40 und 60 Besucher. Sie vermuteten, dass sich die Fallmanager von Otterjobs informierten. Stellten sie einen Fall Online, hatte zum Beispiel zwei Tage später die Frau die Genehmigung für die Spezialnahrung.

Beim Empfang des Sozialdezernenten baut sich die Hartz 5 Gruppe vor dem Büffet mit einem Transparent „Sanktionen für alle“ auf und 10% verliest eine Erklärung:

„ Während unser ehrenwerter Sozialdezernent für zehn Jahre konsequenten Sozialabbau mit Blumen und einem 800-Euro-Buffet aus der Staatskasse geehrt wird, werden Erwerbslose, die ein paar Lebensmittel geschenkt bekommen haben, mit 70 Euro Arbeitslosengeldkürzung bestraft. Wir finden es ungerecht, dass nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen Sozialschnüffler Winter Zeit hatte, die Küche auf den Kopf zu stellen. Auch wir haben heute- die Anwesenden sind Zeuge- geschenkt bekommene Lebensmittel zu uns genommen und bitten der Gerechtigkeit halber, auch sanktioniert zu werden.“ (S.53) Fotos wurden geschossen, ein TV- Beitrag ist im Kasten.

Als die Gruppe schließlich die Rücknahme der Sanktionen für SanSan fordert, ansonsten würden sie das Büffet „Schlemmen wie Gott in Frankreich“ stürmen, werden diese tatsächlich ausgesetzt.

Neben so viel Erfolgen, türmt sich ein weiteres Problem im Roman auf. Biggi und Bernd schreiben der Gruppe eine Mail, dass sie in einer Zeitarbeitsfirma ein Praktikum machen müssen- im Lager einer Supermarktkette Cent+Cent, von Otterjob vermittelt, von Wendel koordiniert, die Zeitarbeitsfirma heißt Step forward. Dauer zwei Monate. Es sollen Waren auf eine Palette gepackt werden. Vom Jobcenter bekommt die Zeitarbeitsfirma 650 Euro pro Monat für jeden, von Cent+cent nochmal 28 Euro pro Stunde und Arbeitskraft, damit verdienen sie an jedem 4100 Euro im Monat netto. Bei zwölf Leuten ca. 50 000 pro Monat. Bei zwei Monaten Praktikumsdauer waren das 100 000.

Zum Schluß wird der Roman zum Krimi: Biggi entwendet das Auto des Sozialschnüfflers Winter, dort findet sie eine Liste von Erwerbslosen, die Winter aufsuchen will, sie verständigen die Leute. Schließlich brechen sie in Emailaccounts, eine Autowerkstatt ein und eignen sich 45 000 Euro an. Mehr soll nicht verraten werden.

„Sie, die sich mit dem permanenten Generalverdacht des Betrugs und anderer Gesetzesverstöße herumschlagen müssen, drehen den Spieß um. (…) Nun geht es ans Umverteilen, andersherum.(...) Es gelingt diesem verschworenen Völkchen immer wieder, wichtigtuerische Fallmanager oder Politiker auflaufen zu lassen oder gar reale Verbesserungen zu erkämpfen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Dass die Vier nicht jederzeit auf jeden Buchstaben des bürgerlichen Gesetzbuchs Rücksicht nehmen können, leuchtet ohne weiteres ein. Und dass die Hartz-IV-Gesetze schleunigst abgeschafft gehören. Der kleine, originelle Band verdient ein breites Publikum.“, so Eva Petermann in der UZ.

Immer wieder flechtet der Autor Informationen über Hartz IV ein, über Anrechnung, Ortsabwesenheit, Antragsstellung usw. Das größte Problem sind Mieten, jeder Vierte im Kreis muß die Differenz zwischen tatsächlichen und von Otterjob gezahlten Miete ausgleichen. Die sozialen Kontakte verloren sich, „Hartz IV als Entsolidarisierungs- und Vereinzelungs-Maschine“.

Und er gibt wertvolle Tipps: Leitfaden ALG II/Sozialhilfe von A-Z, Tacheles Sozialhilfe, gegen-hartz.de etc.

Es ist unglaublich, so viel Erfolg hat eine Erwerbslosengruppe mit ihren spaßigen Aktionen. Und das mit 4-6 Leuten. Wer sich durch die absurde Hartz IV- Maschenerie zermürbt fühlt, sollte diesen Roman lesen. Es geht auch anders.
 

Peter Hetzler
Hartz 5 – Ein Hartz IV-Roman
(in jedem Buchladen und in vielen Onlineshops)
Printausgabe: 153 Seiten
Paperback, 9,90 Euro,
ISBN 978-3-7322-3790-6, BoD
E-Book: 4,99 Euro, ISBN 9783848282784
(z. B. für ePub, iBook, Kindle)