Europaparlamentswahl 2014
Wahlbündnis zwischen sechs rechtsextremen Parteien vereinbart

von Bernard Schmid

12-2013

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Bei einem Treffen in Wien wurde ein Pakt zwischen u.a. der FPÖ, dem französischen FN, dem belgischen Vlaams Belang und der italienischen Lega Nord geschlossen. Zwei Tage zuvor traf Marine Le Pen in Den Haag mit dem niederländischen Rassisten Geert Wilders zusammen.

Sage mir, mit wem Du koalierst, und ich sage Dir, was Du bist! Ungefähr so lässt sich die Problematik zusammenfassen, vor der verschiedene Kräfte der extremen Rechten in Europa derzeit stehen. Ihr Umgang damit fällt allerdings unterschiedlich aus. Denn manchen der betreffenden Parteien kommt es durchaus gelegen, in die Nähe ihrer Geistesverwandten im Rest des Kontinents gerückt zu werden, um daraus ein Gefühl der Stärke und einen vermeintlichen Bedeutungszuwachs abzuleiten. Andere wiederum scheuen den Vergleich oder glauben, durch eilfertige Distanzierungsversuche von anderen Formationen alle Vorwürfe des Rassismus auf diese abladen zu können.

Dieses Spiel ist nicht neu. Spätestens, seitdem Jörg Haider und Jean-Marie Le Pen 1989 am Genfer See zusammentrafen und der Österreich wenige Jahre später den Franzosen in Le Figaro und Le Monde als „Rassisten“ kritisiert, kennt man die Ambivalenz der Beziehungen zwischen den Rechtsparteichefs. Heute heißen die Protagonisten jedoch nicht mehr Jörg Haider und Jean-Marie Le Pen, denn der Erstgenannte ist tot, und der heute 85jährige Le Pen senior führt seine Partei nicht mehr persönlich, sondern übergab den Vorsitz im Januar 2011 an seine Tochter Marine. Allerdings hat er noch das Amt eines „Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeit“ inne.

Am 15. November 2013 trafen sechs europäische Parteien in Wien zusammen, wie am darauffolgenden Montag durch die FPÖ bekannt gegeben wurde, und vereinbarten ein Wahlbündnis für die Europaparlamentswahlen im Mai 2014. Neben der österreichischen Partei von Heinz-Christian Strache gehören dazu der französische Front National (FN) der Le Pens – dieses Mal vertreten durch seine 23jährige Abgeordnete Marion-Maréchal Le Pen -, die italienische Lega Nord, der belgische Vlaams Belang (VB), die „Schwedendemokraten“ (Svergidemokraterna, SD) und die slowakische „Nationalpartei“ SNS.

Als ihr Ziel geben die vereinigten Rechtsextremen aus, zur drittstärksten Kraft nach Christ- und Sozialdemokraten im nächsten Europaparlament zu werden. Inhaltlich heißt es in ihrem gemeinsamen Kommuniqué, man wolle für „die Bewahrung der kulturellen Identitäten der europäischen Völker, gegen eine Masseneinwanderung und eine Islamisierung Europas“ kämpfen. Bei allen sonstigen Unterschieden können alle betreffenden Parteien damit leben, ob sie nun mehr oder minder unmittelbare Wurzeln im historischen Faschismus aufweisen wie die FPÖ und auch Frankreichs FN, beziehungsweise im Neonazismus wie die Sverigedemokraterna bei ihrer Gründung 1988 (obwohl sie sich von diesen Ursprüngen inzwischen distanziert haben) - oder nicht direkt, wie die 1989 entstandene Lega Nord.

Eine weitere Partei war nicht in Wien dabei, wird aber ebenfalls bei den Plänen berücksichtigt, im kommenden Europaparlament eine gemeinsame Fraktion zu bilden - wofür mindestens 25 Abgeordnete aus sieben verschiedenen Mitgliedsländern der EU erforderlich sind. Am 13. November 13, also zwei Tage vor der Zusammenkunft in Wien, hatte Marine Le Pen den niederländischen Rassisten und „Islamkritiker“ Geert Wilders in Den Haag getroffen. Gemeinsam besuchten sie das niederländische Parlament und hielten eine Pressekonferenz ab, während zwei Dutzend antifaschistische Gegendemonstrant/inn/en Plakate hochhielten. Bereits am 22. April 13 hatten Wilders und Marine Le Pen in Paris miteinander gespeist; damals war ihr Zusammentreffen allerdings erst drei Tage danach publik gemacht worden.

Wilders und die Israelfrage

Geert Wilders und seine 2006 gegründete „Partei für die Freiheit“ PVV bleiben in der niederländischen wie in der europäischen extremen Rechten umstritten. Ursächlich dafür ist, neben seiner Herkunft aus der wirtschaftsliberalen Partei VVD, die er 2004 verließ, seine starke Bindung an den Staat Israel. Während ein Teil der europäischen extremen Rechten ebenfalls auf ein antimuslimisches Bündnis mit der israelischen Rechten setzt, steht bei anderen Kräften ein zu starkes antisemitisches Erbe dagegen.

Viele der rechten Formationen pflegen einen Doppeldiskurs. So nahm die FPÖ im Dezember 2010 an einer gemeinsamen Reise von vier rechtsextremen Parteien (Vlaams Belang, SD, „Pro Deutschland“ und FPÖ) nach Israel teil, wo sie auch Siedlungen im besetzten Jordanland besuchten – Geert Wilders hielt sich damals ebenfalls zur selben Zeit, aber getrennt von deren Delegation und unabhängig von den sonstigen Rechtsparteien, in Israel auf. Dort trug Parteichef Strache beim Besuch in Jad Vashem jedoch eine Burschenschaftermütze als Kopfbedeckung, und sein Mitreisender Andreas Mölzer erklärte bei der Rückkehr im deutschen rechtsextremen Magazin ZUERST, man sei „nicht nach Canossa gegangen“. Das antisemitische Erbe ist bei den Österreichern und in Teilen des Front National – dessen Führung sich davon jedoch offiziell abwendet – am stärksten. Hingegen stehen vor allem nordeuropäische Rechtsparteien eher für eine Allianz mit der israelischen Rechten ein.

Dänen und Finnen nicht dabei

Deswegen erklärte auch die rassistische, überwiegend antimuslimische „Dänische Volkspartei“ DFP am 14. November d.J. durch ihren Sprecher Soeren Sondergaard sowie ihren Vizevorsitzenden Soren Espersen, man wolle nichts davon wissen, in das Bündnis mit der niederländischen PVV und dem französischen FN einbezogen werden. Letztere hatten die dänischen Rassisten zur Teilnahme aufgefordert. Sondergaard erklärte, der Front National sei noch immer „keine sympathische Partei“ und zu antisemitisch. Als konkreten Grund nannte er die noch immer starke Präsenz von Jean-Marie Le Pen, auch wenn einzuräumen sei, dass seine Tochter Marine für einen anderen Kurs stehe. Geert Wilders hatte am Vortag in Den Haag ebenfalls auf Fragen nach dem Gründervater des FN antworten müssen, diese jedoch mit den Worten beiseite gewischt: „Marine Le Pen ist seine Tochter, nicht die Tochter seiner Ideen.“ Neben der DFP haben auch die „Wahren Finnen“ (Perussuomalaiset, PS) ihre Distanz zu dem neuen Bündnis erklärt, auch wenn die Partei in Finnland ansonsten ebenfalls Gemeinsamkeiten besonders zur niederländischen extremen Rechten aufweist.

Wilders umstritten

In deren Reihen ist Wilders, ebenso wie auf der europäischen Ebene, umstritten. Die PVV dominiert zwar organisatorisch dieses Spektrum, doch neben ihr existieren extremere, teilweise militante, doch zersplitterte Gruppen. So zitiert die Zeitung Vrij Nederland den Chef der neonazistischen Nederlandse Volks-Unie (NVU), Constant Kusters, mit den Worten: „Wilders ist Zionist, und es wird mir übel, wenn ich mit Kippa an der Klagemauer stehen sehe. Aber ich teile 90 Prozent seiner Positionen. Die Leute“, gemeint sind Wilders‘ Wähler, „wollen ganz einfach die Grenzen dichtmachen. Wilders schafft, was wir nie erreicht haben.“1 Größere Distanz herrscht bei der Gruppe Zwart Front (Schwarze Front).

Vergleichbare Probleme mit militanten Splittergruppen auf ihrer Rechten hat aber auch eine Partei wie bspw. der französische Front National. Zwischen ihm und Geert Wilders bestehen aber noch Differenzen wie etwa zur Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare. Die PVV befürwortet diese und behauptet, reaktionär bezüglich der Rechte von Homosexuellen und Frauen seien allein die Muslime, also ihre strategischen Hauptfeinde. Anhänger und Parteifunktionäre des FN dagegen gingen seit einem Jahr gegen die Homosexuellenehe in Frankreich auf die Straße.

Dem Bündnis „opfern“ musste der Front National die Bindungen zu einer anderen neofaschistischen Partei in Europa, der ungarischen Formation Jobbik. Nicht nur, weil diese einen zu offenen Antisemitismus propagiert. Darüber hinaus sind die außenpolitischen Orientierungen von Jobbik unvereinbar mit einem „pro-abendländischen“, auf Abgrenzung vor allem zu außereuropäischen Einwanderern, zum muslimischen „Kulturkreis“ und zu Roma zielende Nationalismus wie bei Geert Wilders. (Vgl. dazu unseren vorherigen Artikel zum Thema:Allianzenwechsel auf europäischer Ebene )

Unterdessen wurde am 17. November 13 eine Umfrage durch die niederländische Zeitung Dagelijske Standard publiziert. Ihr zufolge stimmen 82 Prozent unter den befragten holländischen Wilders-Wählern der Aussage zu, das Bündnis zwischen Geert Wilders’ PVV und dem französischen Front National sei „positiv“. Nur 02 Prozent betrachten es als „negativ“, während 15 % sich einer Aussage dazu enthalten2.

Briten und Deutsche mit im Boot?

Die britische UKIP wird vom Front National und seinen derzeitigen, alten oder neuen Bündnispartnern ebenfalls umworben. Geert Wilders verlieh etwa bei seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit Marine Le Pen am 13. November 13 der Hoffnung Ausdruck, nach den Europaparlamentswahlen werde auch die UKIP bei einem Bündnis mittun. Doch ziert sich die britische Partei gewaltig, will sie doch weitaus eher als konservativ denn rechtsextrem gelten. Sie positioniert sich eher als Verteidigerin des Erbes von Margaret Thatcher – die britischen Konservativen unter Thatcher hatten allerdings Jean-Marie Le Pen zu ihrem Kongress in Blackpool im Oktober 1987 eingeladen, von dem er jedoch wegen seines ersten spektakulären antisemitischen Ausfalls (der „Detail-Affäre“ vom 13. September 87) kurzfristig ausgeladen wurde.

Auch die deutsche AfD („Alternative für Deutschland“) ist im Blickfeld. Diese müsste dafür allerdings erst noch ins Europaparlament einziehen können. Die britische UKIP, der FN mit drei Abgeordneten, die PVV mit vier und die meisten anderen betroffenen Parteien sitzen dort längst. Ferner hat sich ihr Chef, Bernd Lucke, zur hellen Empörung des sozialdarwinistischen rechten Internetmagazins Politically Incorrect, gegen ein Bündnis mit Marine Le Pen und Konsorten ausgesprochen3. Allerdings bleibt die AfD über solche und andere Ausrichtungsfragen erheblich zerstritten.

Anmerkungen
 

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.