Vorbemerkung
Wenn die
Übersetzungspraxis ein hinreichendes Indiz dafür ist, welches
Interesse in der BRD an den italienischen Klassenkämpfen der
sechziger Jahre dominierend ist, dann kann man ohne Umschweife
feststellen: es ist das Bedürfnis nach dem Mythos einer
unverdorbenen Arbeiterklasse, die noch zu kämpfen versteht.
Dort, im sonnigen Italien, gibt es ihn noch, den guten Wilden,
an dem die korrumpierende Gewalt des Sozialstaats hiesiger
Provenienz noch nicht ihr Exempel statuiert hat. Übersetzt
wurden daher auch vor allem jene italienischen Autoren, die
selbst an der Realität irre geworden waren, allen voran
Antonio Negri. Die wenigen Aufsätze, die für eine
historisch-kritische Lektüre der italienischen Ereignisse
plädierten, verschwanden sang- und klanglos im Treibsand der
Mythenbildung. Andere Schriften wiederum, wie die Auswahl aus
den "Quaderni Rossi" oder Mario Trontis Buch "Arbeiter und
Kapital" wurden als Bibel "der" "Autonomie" rezipiert, als sei
hier eine neue Religion gestiftet worden. Offensichtlich ist
das Bedürfnis, einen festen Punkt zu haben, um den die Welt
sich dreht, so groß, daß jede theoretische Reflexion - sofern
sie nur dem Temperament des Lesers entspricht - flugs zur
Weltanschauung plattgewalzt wird. Unvorstellbar scheint der
einfache Gedanke, daß eine auf bestimmten
Klassenkampferfahrungen autbauende Theorie eben durch diese
geprägt ist, einen historischen Zeitkern hat, auch im Kontext
einer national je unterschiedlichen Geschichte der
Theoriebildung steht. Wenn Theorie jemals ein praktisches
Agens des Klassenkampfes gewesen sein sollte, dann eben nur,
weil sie nicht nur Theorie war, sondern sich im Spannungsfeld
zwischen schlechter Realität und über sie hinausstrebendem
Klassenkampf bewegte. Insofern trifft auf die Theorie, die auf
der Höhe des Klassenkampfes war, abgewandelt Hegels Wort zu,
sie sei die Wirklichkeit des Klassenkampfes in Gedanken
gefaßt. Vergeht diese Wirklichkeit, so wird die Theorie schal.
Sie eignet sich dann nur noch für Zwecke, die die hiesigen
Parteigänger der "Autonomie" zu den ihren machten: zur
Ausmöblierung ihres psychischen Interieurs. Getrennt von der
Wirklichkeit, aus der sie entstand, versteinert Theorie zum
Phrasenblock, zum allseits anwendbaren, weil nirgends
passenden Katechismus, aus dem je nach Opportu-nität das ein
oder andere zum besten gegeben werden kann.
Erhellend
ist auch hier der Jargon, der vor sich hinplappert. Im Falle
der "Autonomie" hat er die komische Pointe, daß er sich anhand
oft schlechter Übersetzungen aus dem Italienischen bildete.
Formeln, die schon auf italienisch recht sibyllinisch klingen,
schlagen übersetzt vollends ins Abstruse um. Nichts aber
eignet sich besser zur Identitätsbildung als ein
geheimnisvoller Code, an dem die Eingeweihten sich erkennen,
den aber keiner so richtig versteht. Sein Erkenntniswert ist
der der Kennmarke. Allen voran das Wort, das der Gemeinde
ihren Namen gab: Autonomie. Es hat ungefähr genausoviele
Bedeutungen wie es Jägermeistersprüche gibt: "Ich bin
autonom, weil..."
Der
nachstehende Text Raniero Panzieris, der bereits einmal, 1971,
in einer unzulänglichen Übersetzung in dem Sammelband "Thesen
zur Arbeiterkontrolle" (Karin Kramer Verlag, Berlin)
erschienen ist, mag dazu beitragen, die Diskussion über die
italienische Arbeiterbewegung und das, was dabei Autonomie
bedeutete, auf eine historische Grundlage zu stellen. Er ist
keine theoretische Abhandlung zum "Begriff' der
Arbeiterkontrolle. Er will vielmehr als praktische
Intervention gelesen werden, deren historischer Kontext durch
die Krise der italienischen Arbeiterbewegung Ende der
fünfziger Jahre gegeben ist.
(Bodo Schulze /
1989)
Die Forderung der Kontrolle durch
die Arbeitenden steht im Mittelpunkt des "demokratischen und
friedlichen Wegs" zum Sozialismus. Die folgenden Thesen wollen
ein erster und vorläufiger Anstoß zu einer weitläufigen Diskussion
sein, die nicht nur Beiträge von Politikern und Spezialisten,
sondern auch und vor allem die Erfahrungen der Arbeiterbewegung
aufnehmen soll - Erfahrungen also, die der einzig schlüssige
Prüfstein der Ergebnisse des sozialistischen Denkens sind.
1. Über die Frage des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus
In der Arbeiterbewegung wurde die Frage nach Art und Weise und
nach den Phasen des Übergangs zum Sozialismus ausgiebig und
wiederholt diskutiert. Eine bestimmte Strömung die in
verschiedenen Formen auftrat, glaubte, die Phasen dieses
Prozesses in ein Schema pressen zu können, so als ob dem
sozialistischen Aufbau stets und in jedem Fall die "Phase" des
Aufbaus der bürgerlichen Demokratie vorhergehen müßte. Wo das
Bürgertum seine Revolution noch nicht vollbracht hatte, sollte
das Proletariat die Aufgabe haben, seinen Kampf auf ein
bestimmtes Ziel zu beschränken: eben den Aufbau bzw. die
Mitwirkung am Aufbau der Produktionsweisen und politischen
Formen einer vollendeten bürgerlichen Gesellschaft. Diese
Konzeption kann als schematische bezeichnet werden, weil sie
abstrakt und ohne Bezug auf die historische Wirklichkeit der
Anwendung eines vorgefertigten Modells das Wort redet. Wenn es
zwar stimmt, daß die Wirklichkeit der politischen Institutionen
in jeder Epoche der ökonomischen Realität entspricht, so ist es
gleichwohl ein Irrtum zu glauben, daß sich die ökonomische
Realität (Produktivkräfte und Produktionsweisen) stets
schrittweise, regelmäßig und vollkommen vorhersehbar, da in
aufeinanderfolgende und voneinander unterschiedene Phasen
unterteilt, entwickeln würde. Es reicht, über einige historische
Beispiele nachzudenken, um Art und Bedeutung dieses Irrtums zu
verstehen. Als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts der technische
Fortschritt (Erfindung des mechanischen Webstuhls und der
Dampfmaschine) zu einem qualitativen Sprung in der Produktion
(industrielle Revolution) führte, existierten neben den neuen
gleichwohl auch noch die alten Produktionsformen weiter. In den
entwickelteren Ländern stellte sich der politische Kampf daher
ziemlich verwickelt dar. Auf der einen Seite gab es den
Widerstand der feudalistischen Überbeibsel, auf der anderen
Seite die Durchsetzung des industriellen Bürgertums: und
schließlich tauchte gleichzeitig eine neue Klasse auf: das
Industrieproletariat. In Rußland verfiel gegen Ende der ersten
revolutionären Welle (Februar 1917), nach dem Zusammenbruch der
zaristischen Selbstherrschaft und des monströsen
feudalistisch-kapitalistischen Systems, ein Teil der
marxistischen Arbeiterbewegung in besagten Fehler und vertrat
die Auffassung, das russische Proletariat müsse sich mit dem
Bürgertum verbünden, um die notwendige "zweite Etappe" der
Revolution (die bürgerliche Demokratie) zu verwirklichen. Es ist
bekannt, daß diese These von Lenin und der Mehrheit der
russischen Arbeiterbewegung überwunden wurde; im Zusammenbruch des alten Systems blieb als
einziger wirklicher Protagonist das Proletariat übrig, und daher
war es auch nicht sein Problem, die typischen Institutionen des
Bürgertums zu schaffen, sondern die Institutionen seiner
Demokratie, der sozialistischen Demokratie, aufzubauen. In China
hatten zwischen 1924 und 1928 diejenigen in der Kommunistischen
Partei das Übergewicht, die irrtümlicherweise die
Klassenbewegung darauf verpflichten wollten, die Kuomintang von
Tschiang-Kai-Tschek bedingungslos zu unterstützen, um ihr nach
dem Zusammenbruch der Mandschu-Dynastie und des feudalistischen
Systems bei der Verwirklichung der "zweiten Etappe" (der
bürgerlichen Demokratie) zu helfen. Sie stellten dabei nicht in
Rechnung, daß es ein chinesisches Bürgertum, das fähig gewesen
wäre, sich als "nationale" Klasse zu setzen, nicht gab und daß
die unermeßlichen Bauernmassen dieses Landes nur für die Sache
ihrer eigenen Emanzipation kämpfen konnten und nicht etwa für
den Verfolg abstrakter und unverständlicher Schemata. Die
vorangegangenen Überlegungen führen nun jedoch keineswegs dazu,
einem intellektua-listischen Revolutionsvoluntarismus zu
huldigen (d.h. zu behaupten, die Revolution könne das Ergebnis
des Willensakts einer avantgardistischen Gruppe sein); sie
bringen einzig ans Licht, daß jede politische Kraft - anstatt
vorgefertigte Modelle zu verfolgen - sich vor allem der stets
verwickelten und spezifischen Realität, in der sie sich bewegt,
bewußt zu werden hat. Die Sozialdemokratie in all ihren Formen
ist es, die systematisch alle Karten durcheinanderbringt und,
um ihren Opportunismus zu verdecken und ideologisch zu
rechtfertigen, jede konsequente linke, revolutionäre Position
auf intellektualistischen Voluntarismus reduziert. Die
historische Substanz der sozialdemokratischen Erfahrung besteht
im übrigen darin, unter dem Vorwand des Kampfs gegen den
Maximalismus dem Proletariat die Aufgabe zuzuschreiben, das
Bürgertum zu unterstützen oder sich gar beim Autbau der
bürgerlichen Demokratie an dessen Stelle zu setzen: Genau damit
negiert sie die Aufgaben und die revolutionäre Autonomie des
Proletariats - und schreibt ihm schließlich die Rolle einer
subalternen Kraft zu.
Die italienische Gesellschaft von heute ist grundsätzlich
dadurch gekennzeichnet, daß das Bürgertum nie eine "nationale"
Klasse war, es nicht ist und es auch nicht sein kann; eine
Klasse also, die (wie in England oder Frankreich) fähig gewesen
wäre, die Entwicklung der nationalen Gesellschaft als Ganzes -
und sei es auch nur während eines bestimmten Zeitabschnitts -
sicherzustellen. Das italienische Bürgertum entstand auf
korporativer und parasitärer Grundlage, d.h. 1) durch die
Bildung einzelner Industriesektoren, die sich keinen nationalen
Markt schufen, sondern von der Ausbeutung eines quasi-kolonialen
Markts (Mezzogiorno) lebten; 2) vermittelt über den dauernden
Rückgriff auf protektionistische Maßnahmen und die aktive
Unterstützung durch den Staat; 3) im Bündnis mit den Resten des
Feudalismus (dem Agrarblock des Südens). Der Faschismus war der
verbitterte Ausdruck dieses widersprüchlichen Gleichgewichts und
der dadurch gekennzeichneten Herrschaft des Bürgertums: U.a.
auch durch massive Eingriffe des totalitären Staates zugunsten
bankrotter privater Industrien (IRI) trieb der Faschismus die
Verwandlung bestimmter Industriesektoren in mächtige
Monopolstrukturen aufs äußerste voran (Fiat, Montecatini,
Edison, etc.). Nach dem Zusammenbruch des Faschismus
intensivierten die Monopole ihre Beziehungen zur
amerikanischen Großindustrie, ordneten sich ihr unter und
setzten ihre alte antinationale Politik fort. (Die italienischen
Großindustrien sind auf die eine oder andere Art und Weise alle
mit den großen internationalen Monopolen kartelliert; ein Fall,
der diese Verbindungen mit aller Deutlichkeit zu Tage förderte,
war die Unterstützung der Kampagne des internationalen
Erdölkartells durch Fiat, Edison und Montecatini in Italien.
Ganz allgemein bringt die atlantische Orientierung der
Mitte-rechts-Parteien die erwähnten Unterordnungsverhältnisse
zum Ausdruck. Noch vor den politischen Parteien wurde der
Marshallplan, Ausdruck des amerikanischen Imperialismus, von den
italienischen Monopolen akzeptiert.)
So entstanden
Verhältnisse, in denen neben monopolistisch organisierten
Industrieregionen weite Gebiete existieren, die durch tiefe
Depression und Rückständigkeit gezeichnet sin (viele der Hügel-
und Berggegenden, das Po-Delta und ganz allgemein der
Mezzogiorno und die Inseln); immer mehr vergrößern sich die
Unterschiede zwischen den einzelnen Bevölkerungsschichten und
Regionen, es verstärken sich die traditionellen Ungleichgewichte
in de Industrieproduktion, es wachsen die durch die Monopole
verursachten Stockungen (d.h. di Schranken und Verzerrungen, die
die Macht und die Politik der Monopole der vollen un
gleichgewichtigen Entwicklung der Produktivkräfte
entgegensetzen); die Massenarbcitslo sigkeit wird eine
Dauererscheinung unserer Wirtschaft; und es reproduzieren sich
verschlimmert die traditionellen Verhältnisse des größten
Problems unserer wirtschaftlich-sozialen Struktur
(süditalienische Frage).
Gleichwohl wäre es
ein schwerwiegender Fehler, die Existenz dieser Tatsachen nur
deshal zu wiederholen, um die neuen Faktoren zu verbergen - ein
Vorgehen, das in den letzten Jahre durchaus praktiziert worden
ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es v.a. seit 1951-52 dem
italienischen Kapitalismus in einigen Sektoren gelungen ist, die
günstige international Konjunktur und den beachtlichen
technologischen Fortschritt auszunützen. Dies resultie in einer
Expansionsphase (schnelle Zunahme der Produktion, Zunahme der
Gewinne, schnelle Kapitalakkumulation bei hohem Anteil an fixem
Kapital), die aber aufgrund der Monopolkontrolle auf die von
ihnen beherrschten Gebiete beschränkt blieb und sogar zu ein
Verschärfung der grundlegenden Ungleichgewichte in der
italienischen Wirtschaft führte. Diese widersprüchliche
Situation, die von weiten krisengeschüttelten und
daniederliegenden Gegenden geprägt ist, wird sich nicht
verbessern, sondern noch weiter verschlimmern; sei es durch
einen möglichen Umschwung der internationalen Konjunktur, sei es
durch einen wahrscheinlichen Anstieg der technologischen
Arbeitslosigkeit, sei es durch die negative Auswirkungen der
EWG, sei es schließlich aufgrund der Tatsache, daß der innere
Mar Italiens (seine Enge und Armut) keine angemessenen
Absatzgebiete für die ausgereiften un noch weiter ausreifenden
technologischen Produktionskapazitäten zur Verfügung stellen
kann.
Eine Analyse dieser Art zielt weder auf eine bevorstehende
"katastrophische" Krise deKapitalismus ab, noch auch geht es
ihr darum, eine solche Sichtweise aufzuwerten; in übrigen würde
eine Polemik über irgendwelche Prophezeiungen lediglich die
Aktion der Klassenbewegung hemmen und unfruchtbar machen. Aus
dieser Analyse folgt einzig die Existenz bestimmter realer
Bedingungen und die Anerkennung der damit zusammenhängenden
Entwicklungsre/ufenz; woraus sich der Schluß ergibt, daß die
Arbeiterbewegung im Kreis dieser Bedingungen und dieser Tendenz
sich zu bewegen hat.
Im Lichte dieser Überlegungen erscheinen daher (insbesondere im
heutigen Italien) jene Thesen als ganz und gar abstrakt und
wirklichkeitsfremd, die meinen: a) die Klassenbewegung müßte
sich substanziell auf die Unterstützung der kapitalistischen
Klasse (oder auf bestimmte Gruppen des Bürgertums) beim Aufbau
des Regimes einer vollendeten bürgerlichen Demokratie
beschränken; b) die Klassenbewegung müßte substanziell den Platz
der kapitalistischen Klasse einnehmen und selbst die Aufgabe auf
sich nehmen, ein Regime der vollendeten bürgerlichen Demokratie
aufbauen.
Im Gegenteil: Die Widersprüche, die die italienische
Gesellschaft im Innern auseinanderrollen, das stets wachsende
Gewicht der Monopole, der Widerspruch zwischen der
technologischen Entwicklung und den kapitalistischen
Produktionsverhältnissen, die Schwäche des Bürgertums als
nationaler Klasse -, all dies führt die Arbeiterbewegung dazu,
ganz andersgeartete Ziele gleichzeitig in Angriff zu nehmen,
und zwar für Reformen mit bürgerlichem Inhalt und zugleich für
Reformen mit sozialistischem Inhalt zu kämpfen. Auf der
politischen Ebene heißt das, daß die Arbeiterklasse die führende
Kraft der demokratischen Entwicklung in Italien ist, und nur
unter ihrer Führung sich das einzig effektive Bündnissystem
verwirklichen läßt - mit den Intellektuellen, mit den Bauern,
mit den Gruppen der bürgerlichen Klein-und Mittelindustrie. Nur
dieses Bündnissystem und diese Art von Führung bieten eine
wirkliche Perspektive.
2. Der demokratische Weg zum Sozialismus ist der Weg der
Arbeiterdemokratie
Es ist eine
falsche Schlußfolgerung, die auf einer fehlerhaften Analyse der
italienischen Situation und einer oberflächlichen Interpretation
der mit den Thesen des XX. Kongresses der KPdSU eingetretenen
Wende beruht, wenn behauptet wird, daß der demokratische und
friedliche, italienische Weg zum Sozialismus mit dem
"parlamentarischen" Weg zum Sozialismus zusammenfällt. Es ist
zwar in der Tat richtig, den demokratischen Charakter des Wegs
zum Sozialismus in dem Sinne zu behaupten, daß all die alten
Vorstellungen abzulehnen sind, die den Übergang zum Sozialismus
als Akt des revolutionären Willens oder als Werk einer
isolierten Minderheit darstellen, und man daher davon absehen
könne, ob die politischen und ökonomischen Bedingungen dieses
Übergangs herangereift sind; so wie auch die Vorstellung
abzulehnen ist, der Übergang zum Sozialismus sei an das
automatische Eintreten der kapitalistischen "Katastrophe"
gebunden. Insofern aber in einem bestimmten Land, trotz der
Reife der Bedingungen für den Sozialismus und der Hegemonie
seiner Kräfte, der Widerstand der kapitalistischen Klasse und
ihr Rückgriff auf die Gewalt durchaus zum bewaffneten
Zusammenstoß und daher zur Notwendigkeit der proletarischen
Gewalt führen können, kann man den demokratischen Weg nicht auf
einen stets und notwendigerweise friedlichen Weg reduzieren.
Gleichwohl besteht heute in Italien für den Sozialismus eine
demokratische und friedliche Perspektive. Wer aber den
Sozialismus im Parlament zum ausschließlichen (oder auch nur
substantiellen oder charakteristischen) Mittel des friedlichen
Übergangs macht, entleert eben diesen Leitgedanken des
demokratischen und friedlichen Wegs jeglichen realen Gehalts. So
erstehen vielmehr die alten bürgerlichen Mystifikationen wieder
auf, die den bürgerlichrepräsentativen Staat nicht als das
darstellen, was er ist, d.h. als einen Klassenstaat, sondern als
einen über den Klassen stehenden Staat; wo doch das Parlament
nur der Ort ist, an dem die Kräfteverhältnisse zwischen den
Klassen ratifiziert und registriert werden, die sich aber
außerhalb des Parlaments entwickeln und bestimmen: Die äkonomie
bleibt die Sphäre, in der die realen Verhältnisse entstehen und
wo der reale Ursprung der Macht seinen Sitz hat. Richtig ist
demgegenüber die Auffassung, daß auch der Gebrauch der
parlamentarischen Institutionen eine der wichtigsten Aufgaben
ist, die sich der Klassenbewegung stellen, und daß eben diese
Institutionen (durch den Druck der Arbeiterbewegung von unten
mittels ihrer neuen Institutionen) aus Respräsentativorganen
lediglich politischer und formaler Rechte in einen Ausdruck
substantieller, d.h. zugleich ökonomischer und politischer
Rechte, verwandelt werden können.
3. Das Proletariat erzieht sich durch den Aufbau seiner
Institutionen selbst
Hinter der allgemeinen Bestimmung des Weges zum Sozialismus als
eines demokratischen und dem Willen, die Perspektive eines
friedlichen Übergangs so gut wie nur möglich abzusichern, steht
substantiell daher folgende Auffassung: Es gibt eine Kontinuität
der Mittel des politischen Kampfes vor, während und nach dem
revolutionären Sprung, und deshalb müssen sich die Institutionen
der proletarischen Macht nicht erst nach dem revolutionären
Sprung, sondern bereits während des gesamten Verlaufs des
Kampfes der Arbeiterbewegung um die Macht herausbilden. Diese
Institutionen müssen in der ökonomischen Sphäre, dem wirklichen
Springquell der Macht, entstehen und daher den Menschen nicht
nur als Staatsbürger, sondern auch als Produzenten
repräsentieren: Auch müssen die Rechte, die in diesen
Institutionen bestimmt werden, zugleich politischen und
ökonomischen Charakter haben. Die reale Kraft der
Klassenbewegung mißt sich an ihrem Machtanteil und an ihrer
Fähigkeit, im Innern der Produktionsstrukturen eine leitende
Funktion auszuüben. Die Institutionen der bürgerlichen
Demokratie trennt von den Institutionen der Arbeiterdemokratie
derselbe qualitative Sprung, der auch zwischen der bürgerlichen
Klassengesellschaft und der klassenlosen, sozialistischen
Gesellschaft liegt. Abzulehnen ist daher die naive, aus der
Tradition der Aufklärung stammende Vorstellung, das Proletariat
müsse zur Machtausübung "erzogen" werden - eine Vorstellung, die
gerade vom konkreten Aufbau seiner Institutionen absieht. So
wird von der "subjektiven Vorbereitung" des Proletariats, von
seiner "Erziehung" gesprochen (und wem fiele die Rolle des
"Erziehers" zu?), obwohl alle wissen, daß nur der schwimmen
lernt, der ins kalte Wasser springt (und u.a. deshalb ist es
wünschenswert, daß eben jener aufgeklärte "Erzieher" als erster
springen möge).
Sicher ist das alles nicht neu. Es sind historische Erfahrungen
der Arbeiterbewegung und des Marxismus, angefangen bei den
Soviets von 1917, über die Turiner Bewegung der Fabrikräte und
die polnischen und jugoslawischen Arbeiterräte, bis hin zu der
vor unseren Augen Gestalt annehmenden, notwendigen Durchführung
der Thesen des XX. Kongresses. Umso überflüssiger müßte es
sein, daran in der Sozialistischen Partei zu erinnern, die der
gesamten italienischen Arbeiterbewegung gerade zu diesem Thema
in den vergangenen Jahren ihren originellsten Beitrag geliefert
hat.
4. Über die gegenwärtigen Bedingungen der Arbeiterkontrolle
Heute stellt sich die Forderung der Kontrolle durch die
Arbeitenden (Arbeiter und Techniker) nicht nur im Hinblick auf
die bereits genannten Gründe, sondern sie steht darüberhinaus
auch mit einer ganzen Reihe neuer Bedingungen in Zusammenhang,
die dieser Forderung ihre ganze Aktualität verleihen und sie in
den Mittelpunkt der Kämpfe der Klassenbewegung stellen:
a)
Da ist zunächst einmal die Entwicklung der modernen Fabrik. Hier
entstehen Praxis und Ideologie des zeitgenössischen Monopols
(human relations, wissenschaftliche Arbeitsorganisation etc.),
die auf die ganzheitliche Unterordnung von Körper und Seele des
Arbeitenden unter seinen Chef abzielen, um ihn auf ein kleines
Rädchen im Räderwerk einer Riesenmaschine, deren
Kompliziertheit ihm undurchschaubar bleibt, zu reduzieren. Der
Arbeitende hat nur eine Möglichkeit, den Prozeß der totalen
Unterwerfung seiner Person zu durchbrechen: Er muß sich v.a. der
Produktionsstruktur des Betriebes, in dem er arbeitet, bewußt
werden; und er muß des weiteren sowohl der vom Chef propagierten
"Betriebsdemokratie", als auch der Mystifikation der "human
relations", die Forderung nach einer bewußten Rolle des
Arbeitenden im Betriebsganzen entgegensetzen: die Forderung der
Arbeiterdemokratie.
b)
Wenn auch die politischen Machtorgane im bürgerlichen Staat
immer schon der "geschäfts-führende Ausschuß" der
kapitalistischen Klasse waren, so haben wir es heute gleichwohl
mit einer noch weitergehenderen Verflechtung von Staat und
Monopolen als in der Vergangenheit zu tun: sei es, weil das
Monopol aufgrund seiner inneren Logik dazu treibt, eine immer
direktere Kontrolle auszuüben; sei es, weil die ökonomischen
Operationen des Monopols (und diesbezüglich sind die
Freihandelsillusionen längst hinfällig geworden) immer mehr die
Hilfe und freundschaftliche Intervention des Staates erfordern.
Eben weil also die wirtschaftlichen Mächte ihre direkt
politischen Funktionen ausdehnen (und hinter der Fiktion vom
Rechtsstaat die wirklichen, direkten Funktionen des
Klassenstaates an Umfang zunehmen), muß die Arbeiterbewegung,
die ihre Lektion vom Gegner gelernt hat, den Mittelpunkt ihres
Kampfes immer mehr auf das Feld der wirklichen, delegierenden
Macht verlagern. Und aus demselben Grund darf sich der Kampf der
Klassenbewegung um die Kontrolle auch nicht auf den Bereich der
einzelnen Betriebe beschränken, sondern muß zusammengefaßt und
auf den
ganzen Industriesektor, ja auf die
Gesamtproduktion, ausgeweitet werden. Wer dagegen die Kontrolle
durch die Arbeitenden als auf einen einzelnen Betrieb beschränkt
entwirft, "beschränkt" damit nicht etwa einfach nur die
Forderung nach Kontrolle, sondern entleert sie ihrer wirklichen
Bedeutung und bringt sie auf bloßen Korporatismus herunter, c)
Und schließlich gibt es an der Wurzel der Forderung nach der
Kontrolle durch die Arbeitenden noch einen weiteren neuen
Umstand. Die Entwicklung des modernen Kapitalismus auf der
einen Seite, und die weltweite Entwicklung der sozialistischen
Kräfte und das schwierige Problem der Macht in jenen Ländern, in
denen die Klassenbewegung ihre Revolution bereits hinter sich
hat, auf der anderen Seite, unterstreichen die Bedeutung, die
der Verteidigung und Sicherung der revolutionären Autonomie des
Proletariats - sei es gegen die neuen Formen des Reformismus,
sei es gegen die Bürokratisierung der Macht, d.h. gegen die
reformistische Unterwerfung und gegen die Konzeption einer
"Führung" (führende Partei, führender Staat) - heute zukommt.
Unter diesen Bedingungen
konkretisiert sich die Verteidigung der revolutionären Autonomie
des Proletariats in der vor und nach der Machteroberung von
unten organisierten Schaffung der Institutionen der
sozialistischen Demokratie und in der Wiederherstellung der
Partei in ihrer Funktion als Instrument der politischen
Herausbildung der Klassenbewegung (nicht also als Instrument
einer von oben kommenden, paternalistischen Führung, sondern
als Impulsgeber und zur Unterstützung der Organisationen, in
denen sich die Klasseneinheit artikuliert). Der eigentliche Wert
der Autonomie der Sozialistischen Partei in Italien besteht
gerade darin, daß sie nicht etwa die Spaltung der
Klassenbewegung vorwegnimmt oder verkündet, noch auch darin,
einer "Führung" eine andere "Führung" entgegenzusetzen, sondern
vielmehr darin, die Autonomie der gesamten Arbeiterbewegung
gegen jegliche von außen kommende, bürokratische und
paternalistische Leitung abzusichern.
Das bedeutet jedoch keineswegs,
daß wir die Machtfrage als die wesentliche Bedingung für den
Aufbau des Sozialismus vergessen würden: aber der sozialistische
Charakter der.Macht bestimmt sich gerade auf der Grundlage der
Arbeiterdemokratie, auf die sie sich stützt, und kann nicht am
Morgen nach dem revolutionären "Sprung" in den
Produktionsverhältnissen improvisiert werden. Das ist die einzig
ernstzunehmende, nicht reformistische Art und Weise, die
Perspektive des bürokratischen Sozialismus (Stalinismus)
abzulehnen.
5. Die Bedeutung der
Klasseneinheit und die Frage der Verknüpfung von Teilkämpfen und
allgemeinen Zielen
Die Forderung der Kontrolle durch
die Arbeitenden, die dadurch entstehenden Probleme und der damit
verbundene theoretische Ansatz implizieren notwendig die Einheit
der Massen und die Ablehnung jeglicher starrer
Parteivorstellung, da dies die These der Kontrolle selbst auf
eine armselige Parodie herunterbringen würde. Es gibt keine
Kontrolle durch die Arbeitenden ohne die Einheit aller Arbeiter
desselben Betriebs, desselben Sektors, der gesamten
Produktionsfront in der Aktion: eine Einheit, die weder
mythologisch überhöht, noch zum bloßen
Ornament der Propaganda irgendeiner Partei degradiert werden
darf; eine Einheit vielmehr, die sich von unter her
aktualisiert, in der die Arbeitenden sich ihrer Funktion im
Produktionsprozeß bewußt werden und dabei die gemeinsamen
Institutionen einer neuen Macht schaffen. Es ist in diesem
Zusammenhang daher die Reduktion der Kämpfe der Arbeitenden auf
ein bloßes Instrument zur Erstarkung einer Partei oder ihrer
mehr oder weniger verheimlichten Strategie abzulehnen.
Die lang und breit diskutierte
Frage, wie sich die Teilforderungen und -kämpfe mit den
allgemeinen Zielen verknüpfen und harmonisieren, findet ihre
Lösung in der Kontinuität der Kämpfe und in deren innerer
Natur. In der Tat bleiben diese Verknüpfung und diese
Harmonisierung solange unmöglich und führen solange zu einem
unentwirrbaren ideologischen Durcheinander, wie behauptet wird,
es gäbe da ein mysteriöses, heute noch unerkennbares Reich des
Sozialismus, das eines Tages wie ein wundersamer Sonnenaufgang
den Traum des Menschen bekränzen wird. Sicher ist das Ideal des
Sozialismus ein Ideal, das sich tiefgreifend und unversöhnlich
von der kapitalistischen Gesellschaft abhebt; es ist jedoch ein
Ideal, das Tag für Tag zu neuem Leben erweckt und stets von
neuem in den Kämpfen erobert sein will; ein Ideal, das in dem
Maße entsteht und sich entwickelt, wie jeder Kampf die neuen von
unten geschaffenen Institutionen vorantreibt und vervollkommnet,
deren Charakter bereits den Sozialismus zum Ausdruck bringt.
6. Die Klassenbewegung und die
ökonomische Entwicklung
Eine Auffassung, die auf der
Arbeiterkontrolle und der Einheit der Massen im Kampf gründet,
muß notwendig all jene Standpunkte und Strömungen ablehnen, die
sich auf die Perspektive der Katastrophe (den automatischen
Zusammenbruch des Kapitalismus) stützen; aus ihr folgt des
weiteren die völlige und bedingungslose Zustimmung zu einer
Politik der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese Politik ist
jedoch nicht als Anpassung und Regulierung des kapitalistischen
Laufs der Dinge zu verstehen, noch auch besteht sie in einer dem
bürgerlichen Staat angetragenen, abstrakten Programmierung des
Wirtschaftsverlaufs; sie verwirklicht sich vielmehr in den
Kämpfen der Massen, konkretisiert sich in dem Maße, wie diese
die kapitalistischen Strukturen durchbrechen und dadurch wieder
neuen Auftrieb erhalten. Wenn wir in diesem Sinne behauptet
haben, der Kampf des Proletariats diene dazu, Tag für Tag neue
Machtanteile zu erobern, verstanden wir darunter freilich nicht,
daß das Proletariat Tag für Tag Anteile an der bürgerlichen
Macht (oder Teilhabe an ihr) gewinnt, sondern daß es der
bürgerlichen Macht Tag für Tag die Forderung, Durchsetzung und
die Formen einer neuen, von unten kommenden, direkten und ohne
Deligierte funktionierenden Macht entgegensetzt.
In dem Maße, wie die
Arbeiterklasse durch den Kampf für die Kontrolle das aktive
Subjekt einer neuen Wirtschaftspolitik wird, übernimmt sie die
Verantwortung für eine gleichgewichtige wirtschaftliche
Entwicklung, so daß sie die Macht der Monopole zerbricht, und
deren Folgen beseitigt, als da sind: Ungleichgewichte zwischen
den verschiedenen Regionen,
Bevölkerungsschichten und Sektoren. Deswegen wälzt sie
zugleich die heutige Funktion der öffentlichen Unternehmen um
und verwandelt sie aus einem Mittel zur Unterstützung und
zum Schutz der Monopole in ein direktes Instrument zur
Industrialisierung des Mezzogiorno und der anderen
daniederliegenden Gegenden. In der Praxis bringt dies die
Politik der wirtschaftlichen Entwicklung in frontalen Gegensatz
zu den Monopolen; einen Gegensatz, der sich v.a. als Konflikt
zwischen dem öffentlichen Sektor (dem sich die kleinen und
mittleren Unternehmen anschließen) und dem Sektor der privaten
Großunternehmen darstellt. Im übrigen muß hervorgehoben werden,
daß die Klassenbewegung durch das Vorantreiben eines
gleichgewichtigen und angemessenen Industrialisierungsprozesses
nicht etwa für den Kapitalismus "einspringt", nicht etwa dessen
"Werk vollbringt"; vielmehr verbindet sie die wirtschaftliche
Entwicklung mit der parallel dazu laufenden Umwälzung der
Produktionsverhältnisse; denn es sind heute in Italien gerade
diese alten kapitalistischen Produktionsverhältnisse, die einer
Politik der wirtschaftlichen Entwicklung unversöhnlich im Wege
stehen. Wer die Industrialisierung (die Erweiterung der
Akkumulation) mit der Ausdehnung des Kapitalismus
(Profitwirtschaft) verwechselt, begeht nicht nur einen
theoretischen Fehler, sondern hat auch nicht die leiseste Ahnung
von den einfachsten Grundlagen der italienischen Wirklichkeit.
Eine Politik der wirtschaftlichen
Entwicklung unter der Kontrolle der Arbeitenden ist der beste
Garant der technischen Entwicklung; sie beseitigt nicht nur die
Trennung zwischen der technischen Entwicklung und den
Arbeitenden, sondern macht die Arbeitenden zu ihrem
unmittelbarsten Träger und Verfechter, und bringt so auf der
Ebene des Kampfes schließlich Arbeiter und Techniker zusammen.
7. Die Formen der Kontrolle
durch die Arbeitenden
Die Forderung der Kontrolle durch
die Arbeitenden zielt von Haus aus auf Einheit und entsteht und
entwickelt sich auf der Ebene des Kampfes. In der konkreten
Klassenkampfsituation in unserem Land stellt sich die Kontrolle
nicht als allgemeine programmatische Forderung; umso weniger
noch als Forderung nach parlamentarisch abgesegneten
Gesetzestexten. Derlei Ansätze und Formeln sind einzig dazu
geeignet, die Problematik der Kontrolle zu entstellen; sie
reduzieren sie entweder geradewegs auf offene oder verhüllte
Formen der Kollaboration oder führen sie in den Rahmen eines
schädlichen, parlamentarischen Paternalismus zurück. Damit soll
aber nicht gesagt sein, daß ein Gesetzestext zur
Arbeiterkontrolle ausgeschlossen wäre, sondern daß derartige
Gesetze nicht paternalistisch von oben verordnet, noch lediglich
vermittels des allgemeinen parlamentarischen Kampfes erobert
werden können; in dieser Frage kann das Parlament lediglich das
Ergebnis eines Kampfes registrieren und widerspiegeln, der sich
in der ökonomischen Sphäre (d.h. wesentlich in der Sphäre der
Arbeiterklasse) zugetragen hat. In der Frage der Kontrolle
kommen wir in dem Maße voran, wie die Arbeitenden in den
Produktionsstrukturen sich dieser Frage wie auch der
Wirklichkeit der Produktion bewußt werden und für die
Kontrolle kämpfen. Im übrigen geht aus dem bereits
Gesagten klar hervor, daß es in dieser Frage keinerlei
Unterschiede zwischen staatlichen und privaten Firmen gibt: die
Forderung der Kontrolle stellt sich in beiden Sektoren auf
derselben Kampfebene.
Andererseits gräbt die Forderung
der Kontrolle nicht romantisch eine Vergangenheit wieder aus,
die sich so nie wiederholen wird, noch auch ist sie mit der
Funktion bestimmter gewerkschaftlicher Organe zu verwechseln
(sie ist also nicht mit der Erweiterung der Machtbefugnisse der
commissioni interne gleichzusetzen). Letzteres gilt, auch wenn
die Arbeiter vielerorts die Forderung der Kontrolle in dieser
Form stellen, weil die commissioni interne das Symbol der realen
Einheit der Arbeiter am Arbeitsplatz geblieben sind. Während
also von utopischen Antizipationen gleich welcher Art abzusehen
ist, muß hervorgehoben werden, daß die Formen der Kontrolle
nicht durch einen Ausschuß von "Spezialisten" bestimmt werden
dürfen, sondern nur aus der konkreten Erfahrung der Arbeiter
hervorgehen können. In diesem Sinne ist an drei Hinweise zu
erinnern, die von bestimmten Arbeitergruppen stammen. Der erste
betrifft die Produktionskonferenzen als einer konkreten Form,
von der die Bewegung für die Kontrolle ihren Ausgang nehmen
kann. Der zweite bezieht sich dagegen auf die Forderung, die
Frage der Kontrolle in den Mittelpunkt des allgemeinen Kampfs um
die Zurückeroberung der Verhandlungsmacht
und der Freiheit der Arbeiter in der Fabrik zu stellen, und sie
so z.B. dahingehend zu konkretisieren, daß gewählte
Vertretungsorgane die Einstellungen kontrollieren und
Diskriminierungen verhindern. Der dritte hebt die
Notwendigkeit hervor, die verschiedenen Betriebe in
Zusammenhang zu bringen, wobei sich gleichzeitig das
Problem stellt, die regionalen demokratischen Vertretungsorgane
an der Ausarbeitung der Produktionsprogramme zu beteiligen. Das
alles sind recht nützliche Hinweise, Ergebnis von Erfahrungen an
der Basis, und es werden sicherlich weitere Hinweise
hinzukommen: ein jeder wird weiter diskutiert und vertieft
werden, wobei man sich stets darüber klar sein muß, daß das
Anwendungs- und Untersuchungsgebiet v.a. die Fabrik und der
beste Prüfstein der gemeinsame Kampf ist.
Editorische
Hinweise
(Zuerst erschienen
in: Mondo Operaio, Nr. 2. Februar 1958 Wiederveröffentlicht
in:
Raniero Panzieri:
La crisi del movimento operaio: Scritti interventi lettere,
1956-1960, hrsg. von D.Lanzardo und G.Pirelli, Milano: Verlag
Lampugni Nigri, 1973, S. 104-117. Vorbemerkung und Übersetzung
aus dem Italienischen: Bodo Schulze)
Der gesamte Text wurde entnommen aus: Archiv für die
Geschichte des Widerstandes und der Arbeit (AGWA), Nr. 10,
Gießen 1989, S.171 - 181
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