Max
Brym: Sie sind offiziell Fraktionsvorsitzender der „Bewegung für
Selbstbestimmung“ ( VV) aber momentan in Pension, weil sich das
Parlament nicht konstituieren kann. Was ist eigentlich los in
Kosova?
Visar Ymeri: Einige Zeit nach den Parlamentswahlen in Kosova,
gab es ein Abkommen zwischen vier verschiedenen
Parteien
und das sind die „Lidhja Demokratike e Kosovës“(LDK), „Aleanca
për Ardhmërinë e Kosovës“(AAK), „Nisma për Kosovën“ und unserer
Bewegung, grundlegendes Ziel ist es eine Regierung unter Thaqi
unmöglich zu machen. Hashim Thaqi und PDK verwendet die gesamte
staatliche Apparatur, um dies zu verhindern. Diese Leute
kontrollieren den Staat und benützen ihn, obwohl sie keine
Mehrheit mehr im Parlament haben. Die vier Parteien VLAN
schlossen ein Abkommen. Im Parlament verfügt dieses Bündnis über
63 Abgeordnete, das ergibt eine praktische Mehrheit. Das
Parlament hat insgesamt 120 Abgeordnete. Jetzt sind wir in der
Situation, wo das Verfassungsgericht mit einem Urteil gesagt
hat, dass in dieser Lage nicht die Mehrheit, dieInstitutionen
bilden kann. Das Gericht hat geurteilt, dass nur die grösste
Partei, die Nominierung für den Parlamentspräsidenten machen
darf. Praktisch hat damit nur die PDK das Recht den
Parlamentspräsidenten zu bestimmen. Seit 5 Monaten sind wir hier
am analysieren wie es eigentlich weiter geht. Die PDK hat bis
dato alles unter Kontrolle.
Unsere elementare Haltung und unser Vorschlag
ist, dass nicht einfach so weiter gemacht wird.Den Beschluss des
Verfassungsgerichts akzeptieren wir nicht weil er keinerlei
Solidität hat . Das Urteil ist gegen unsere parlamentarische
Demokratie gegen die Basis der Demokratie gerichtet. Die
parlamentarische Demokratie hat als Basis die Mehrheit der
Abgeordneten, welche legitimiert sind die Mehrheit der Bürger zu
repräsentieren. Das heisst wir sind nicht in einer Monarchie wo
der König ungefragt mit seinen Untergebenen herumkommandiert. Es
ist wahr, dass die PDK bei den Wahlen die grösste Partei wurde
aber sie hat nicht die Mehrheit im Parlament. Darum meinen wir,
dass wir umbedingt weiter arbeiten müssen, um die Institutionen
zu gründen.
Das Urteil des Verfassungsgerichts hat die Basis
der Demokratie ruiniert weil sie der PDK das Recht gab den
Parlamentspräsidenten zu bestimmen, obwohl die PDK keine
Mehrheit im Parlament hat. Das heisst hier haben wir ein
Konflikt zwischen der Prozedur und dem Prinzip und wie wir alle
wissen, ist das Prinzip wichtiger und gewinnt Das grösste
Problem ist das LAN (LDK, AAK, NiSMA) nicht so denken. Sie
wollen dass wir das Urteil akzeptieren und keinen Schritt
machen, der gegen die „Institutionen“ ist. Das hauptsächlich
weil sie meinen dass das gefährlich ist und das so ein Schritt
die gute Reputation in den Botschaften in Prishtina auf das
Spiel setzt.
Wir sehen zwei Möglichkeiten, entweder alle
müssen unsere Haltung akzeptieren und wir gründen die
Institutionen, oder mann muss das Urteil akzeptieren und die PDK
bestimmt den Parlamentspräsidenten. Wir werden niemals dieses
Urteil akzeptiert und das heisst auch, dass wir nicht den
Kandidaten von der PDK wählen.
Max Brym: Wie begründet das Verfassungsgericht so
ein Urteil?
Visar Ymeri:
Alle Richter beim Verfassungsgericht
haben diesem Urteil zugestimmt ausser einem Richter welcher aus
den USA stammt.Der Amerikaner sagte dass dieses Urteil gegen die
Verfassung ist. Das Urteil ist auch sehr unlogisch. Erstmal sagt
es dass man erst nach dem man den Parlamentspräsidenten gewählt
hat, Parlamentsgruppen bilden darf und in der gleichen Zeit sagt
das Verfassungsgericht klar, dass nur die größte
parlamentarische Gruppierung das Recht hat, die Nominierung den
Präsidenten vorzunehmen.
All das hat mit dem ersten Abkommen von LAN zu
tun, wo wir noch nicht teilnahmen --------- Das
Verfassungsgericht hat nicht nur gegen die Demokratie geurteilt,
sondern auch gegen ein anderes Prinzip, die Autonomie dem
Abgeordneten. Unsere Verfassung sagt klar, dass der Abgeordnete
sein Mandat nicht der Partei schuldet und das er autonom
arbeiten kann weil das Wahlsystem in Kosova mit offenen Listen
abläuft.. Das heisst, das Verfassungsgericht hat sich direkt in
die Autonomie des Parlamentes eingemischt.
Es gibt keine keine rationale Erklärung für das
Urteil.Der Richter Enver Hasani hat eine sehr politische Haltung
statt eine professionelle Richterhaltung.
Von den verschiedenen Haltungen ist unsere
Haltung die Beste weil wir gesagt haben, dass das
Verfassungsgericht einen Putsch gegen die Verfassung gemacht
hat.
Max Brym: Gestern hat ein gewisser Berat Buzhala
in einer Fernseh- Debatte gesagt, die „Bewegung für
Selbstbestimmung“ hält sich nicht ans Gesetz und hätte geplant
die Macht gewaltsam überzunehmen. Was sagen Sie dazu?
Visar Ymeri: Eigentlich wundert mich nichts was
Berat Buzhala sagt. Er ist ein Palatschinken in der politischen
Szene in Kosova. Was zu unserer Haltung in Richtung
Verfassungsgericht angeht kann ich sagen,dass unsere Bewegung,
die einzige Kraft in Kosova ist, die eine radikale Änderung der
Verfassung fordert. Wir meinen das viele Teile der Verfassung
verändert werden müssen weil sie teilweise imponiert sind und
gegen das Recht des Volkes gerichtet sind. . Aber in der
gleichen Zeit haben wir gezeigt, dass wir als Bewegung teil des
Parlamentes sind und immer so gearbeitet haben. Wir hatten und
haben Recht, wir treten für eine republikanische Demokratie ein.
Dies erfordert eine normale Verfassung zu fordern. Das haben wir
getan, wie einige andere Parteien auch. Für uns stehen
demokratische Prinzipien nicht zur Disposition. Was die PDK tut
in der Buzhala Mitglied ist, ist die Verfassung als
Verhandlungsmasse zu betrachten. Letzteres hat nichts mit den
Interessen des Volkes in Kosova gemein. -Das heisst, die
„Bewegung für Selbstbestimmung ist für die moderne Republik in
der das Volk der entscheidende Faktor ist.
Die Regierung der PDK hat immer mit Gewalt
gearbeitet. Dabei variierten die Formen der Gewalt. Wir erlebten
physische Gewalt aber auch subjektive Gewalt, symbolisches
Gewalt etc. Solche Beispiele für Gewalt ist die Arbeitslosigkeit
in Kosova Massenarmut beim Volk usw. . Unsere Bewegung meint,
das in Kosova eine gewaltfreie Regierung kommen muss, die jedem
Bürger die Möglichkeit gibt, die gleiche Rechte zu haben.
Gewalt ist für mich das die
Arbeiter der Röhren Fabrik in Ferizaj seit 3 Monaten streiken
müssen, Gewalt ist die Privatisierung in Kosova, Gewalt ist das
wir 800 Millionen Euro für die Bechtel-Enke Gruppe gegeben haben
etc. Das heisst, all die Jahren nach dem Krieg waren
gewalttätig. Niemals wollten wir mit Gewalt die Macht erobern .
Die „Bewegung für Selbstbestimmung“ , hat Protesten und Demos
organisiert, die eigentlich der Regierung zeigen sollten dass
sie für das Volk und für die Interessen jedes Bürgers arbeiten
müssen und nicht für ihre engen personellen Interessen. Das
zeigt dass unsre Organisierung gegen die Gewalt der Regierung
gerichtet ist.
Der Angriff von Berat Buzhala, ist erstmals
falsch und zweitens nicht ehrlich. Er will sagen, dass in Kosova
ein faschistisches Gespenst existiert, welche die die Macht mit
Gewalt erobern will. Wir wurden viel Etikettiert mit
verschiedenen Etiketten belegt einmal sind wir Kommunisten, dann
Faschisten, dann islamische Fundamentalisten und Nationalisten.
Interessant war auch eine Frage die mir gestern
ein Journalist von der Zeitung „Zeri“ in Kosova stellte. Er
fragte ob wir die Regierung Thaqi, mit Protesten stürzen wollen,
obwohl wir wissen das die Botschaften in Prishtina gegen die
Gewalt sind ? Und ich fragte wo er gewalttätige Protesten
gesehen hat? Es gibt Elemente oder Leute die sich negativ
infiltriert sind aber es gibt keine gewalttätigen Proteste. Wenn
auf einer Demonstration Gewalt verwendet wird dann ist es keine
Demonstration mehr sondern etwas anders.
Lassen sie mich das am Beispiel der Waffe
Kalaschnikow deutlich machen. Diese Waffe ist zweimal nützlich.
Das heisst mit einem Kalaschnikow kann man ein Ort erobern, aber
mit ihr kann zur gleichen Zeit auch ein Heldenkampf gegen das
Kolonialismus geführt werden..
Max Brym: Es gibt in Deutschland bestimmte
Journalisten die sagen, die „Bewegung für Selbstbestimmung“
hätte ihr Charakter in der Koalition LVAN(Bewegung
Selbstbestimmung,LDK, ÄK, NISMA) geändert. Wie kommentieren sie
das?.
Visar Ymeri: Was unsere Bewegung gemacht hat ist
eigentlich ein sehr grosser Schritt auch wenn es manchmal nicht
so aussieht. Dieses Abkommen hat die anderen Parteien
angetrieben in einer anderen Art zu denken. Mit diesem Abkommen
haben die anderen Parteien einem Dokument zugestimmt, dass
eigentlich gegen ihre politische Vergangenheit gerichtet ist.
Ich sage nicht, dass wir ihnen umbedingt alles glauben obwohl
sie das Abkommen unterschrieben haben. Aber indem sie
unterschrieben, haben sie vielleicht mit ihrer eigenen
Vergangenheit abgerechnet. Wichtig sind die Punkte denen sie
zugestimmt haben
Max Brym: Fatmir Limaj hat dieses Dokument auch
unterschrieben was eigentlich seiner Vergangenheit
widerspricht...
Visar Ymeri: Ja absolut. Wir
haben gesagt das alle korrupten Affären strafbar sind ohne
Ansehen der Person. Um ein politisches Ziel zu erreichen müssen
die progressive Kräfte nicht dogmatisch sein, sondern immer auch
mit neuen Methoden für die selben Ziele arbeiten. Einmal kannst
du entscheiden an den Wahlen teilzunehmen, dann kannst du ein
Abkommen haben für eine Regierung mit verschiedenen Parteien.
Ein anderes Mal kann es richtig sein Wahlen zu ignorieren und
nur Proteste und Demonstrationen zu organisieren. Auch damit
kann man unter Umständen eine Regierung stürzen.Das Ziel ist das
gleiche nur man verwendet verschiedene Methoden. Wen man
sorgfältig analysiert sieht man, dass unsere grösste Veränderung
im Jahr 2010 stattgefunden hat als wir entschieden haben am
Parlament teilzunehmen. Das heisst wir haben damals entschieden,
dass wir eines Tages die Macht haben.
Max Brym: Wie stehen die
Internationalen zu diesem Problem, dass es faktisch kein
Parlament gibt. Früher war ja die Amerikanische Botschaft sehr
aktiv, hat sie sich klar positioniert? In Deutschland gibt es
gewisse Journalisten und Analytiker die schreiben, dass es am
besten ist eine grosse Koalition zu gründen damit man Ruhe und
Stabilität hat.
Visar Ymeri: Ich fange von der lezten Frage her
an. Das mann eine Grosse Koalition machen soll wird uns oft auch
in Pristina gesagt. Wir meinen hingegen, dass diese Koalition
nicht stabil und nicht gerecht für unseres Land ist. Das kommt
von der Stabilitätsparadigma her welches die EU in Kosova
installiert hat. Jetzt ist diese stabile EULEX Mission in eine
tiefe Korruptionsaffäre verwickelt.. Eine Stabile Regierung ist
unsere Regierung weil wir eben 63 Abgeordneten haben und noch 20
Abgeordnete von den Minoritäten. Das heisst wir verfügen über 83
Abgeordnete das ist eine 2/3 Mehrheit im Parlament. Das heisst
doch Stabilität ?
In den letzten Tagen sagt man auch dass es keine
Zusammenarbeit zwischen den Parteien gibt. Aber die Realität ist
eben anders. Es gibt es einfach keine Zusammenarbeit mit der PDK
. Das ist ein Problem für die PDK aber kein Problem Kosovas. Und
was ich noch umbedingt erwähnen muss ist dass unser Abkommen
,das erste Abkommen nach dem Krieg ist dass ohne Druck von den
Internationalen zustande kam..
Max Brym: Es gibt momentan eine sogenannte EULEX
Affäre. Eine britische Staatsanwältin wurde suspendiert weil sie
gemeint hat, dass Teile der EULEX selber korrupt sind . Meinen
sie hat die britische Staatsanwältin recht ?
Visar Yimeri: Wir meinen das
mit diesen Vorkommnissen alle mitbekommen haben dass wir die
ganze Zeit Recht hatten mit unserer Haltung gegenüber der EULEX.
Die Natur der Mission ist von Anfang an so. Sie wissen ja das
die Mission unseren Institutionen niemals herangezogen hat und
alle seine Mitglieder Immunität vor den Gesetzen in Kosova haben
. Wir meinen das es zwei Faktoren sind die diese Situation
hervorgebracht hat. Erstens hat das Stabilitätsparadigma kein
gerechtes Justiz-System gebildet, weil diese Paradigma eben
nicht nach Gerechtigkeit fragte sondern nur nach Stabilität. Die
EULEX geht davon aus, dass Gerechtigkeit Instabilität schafft.
Wir haben kürzlich die Affäre mit Sami Lushtaku der vom
Gefängnis als Bürgermeister agiert. ist. Die EU das zugelassen
weil Sami Lushtaku sehr viel Kraft hat und die Stabilität in
Skenderaj ruinieren kann. Der Zweite Faktor ist die Immunität
der EULEX Mitglieder gegen die Gesetzes in Kosova. Sie haben
gesehen, dass die EULEX Leute Halbgötter in Kosova sind. Das ist
fast wie im Roman von Josef Konrad wo der Kolonisator von
Belgien aus als Gouverneur nach Kongo geschickt wird. Er wird
dort ein Halbgott , weil die Bevölkerung andere Regeln hat. So
ist es auch mit der EULEX in Kosova. Zum Beispiel, die
Polizisten aus Rumänien haben am 10 Februar des Jahres 2007 zwei
Demonstranten getötet und sind einfach nach Rumänien zurück
gekehrt. Es gibt viele solche Beispiele.
Wir meinen das diese EULEX
Affäre zwei folgen haben kann. Es kann sein, dass unsere Bürger
jetzt ehrlich, auch die letzte Hoffnung verliert, weil sie an
der EULEX glaubten. Das bringt am Ende eine grosse Depression
und dann kann man eben nicht das Volk mobilisieren was
eigentlich sehr wichtig für unsere Bewegung ist. Zweitens kann
es sein, dass wir mit unserer Arbeit dem Volk erklären können
das wir selber unser Justiz-System bilden müssen und können und
dass man diese System nicht importieren kann. Wir müssen das gut
erklären und wir meinen das wir das auch schaffen. Wir werden
unser Volk mobilisieren und selbst unser System gründen!

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