trend spezial: Berichte aus Kosova redigiert von Max Brym

Kein Parlament- Keine Regierung- Was ist los in Kosova Herr Ymeri ?

Interview von Max Brym mit Visar Ymeri in Prishtina am 5. November 14

12-2014

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Max Brym: Sie sind offiziell Fraktionsvorsitzender der „Bewegung für Selbstbestimmung“ ( VV) aber momentan in Pension, weil sich das Parlament nicht konstituieren kann. Was ist eigentlich los in Kosova? 

Visar Ymeri: Einige Zeit nach den Parlamentswahlen in Kosova, gab es ein Abkommen zwischen vier verschiedenen Parteien und das sind die „Lidhja Demokratike e Kosovës“(LDK), „Aleanca për Ardhmërinë e Kosovës“(AAK), „Nisma për Kosovën“ und unserer Bewegung, grundlegendes Ziel ist es eine Regierung unter Thaqi unmöglich zu machen. Hashim Thaqi und PDK verwendet die gesamte staatliche Apparatur, um dies zu verhindern. Diese Leute kontrollieren den Staat und benützen ihn, obwohl sie keine Mehrheit mehr im Parlament haben. Die vier Parteien VLAN schlossen ein Abkommen. Im Parlament verfügt dieses Bündnis über 63 Abgeordnete, das ergibt eine praktische Mehrheit. Das Parlament hat insgesamt 120 Abgeordnete. Jetzt sind wir in der Situation, wo das Verfassungsgericht mit einem Urteil gesagt hat, dass in dieser Lage nicht die Mehrheit, dieInstitutionen bilden kann. Das Gericht hat geurteilt, dass nur die grösste Partei, die Nominierung für den Parlamentspräsidenten machen darf. Praktisch hat damit nur die PDK das Recht den Parlamentspräsidenten zu bestimmen. Seit 5 Monaten sind wir hier am analysieren wie es eigentlich weiter geht. Die PDK hat bis dato alles unter Kontrolle.

Unsere elementare Haltung und unser Vorschlag ist, dass nicht einfach so weiter gemacht wird.Den Beschluss des Verfassungsgerichts akzeptieren wir nicht weil er keinerlei Solidität hat . Das Urteil ist gegen unsere parlamentarische Demokratie gegen die Basis der Demokratie gerichtet. Die parlamentarische Demokratie hat als Basis die Mehrheit der Abgeordneten, welche legitimiert sind die Mehrheit der Bürger zu repräsentieren. Das heisst wir sind nicht in einer Monarchie wo der König ungefragt mit seinen Untergebenen herumkommandiert. Es ist wahr, dass die PDK bei den Wahlen die grösste Partei wurde aber sie hat nicht die Mehrheit im Parlament. Darum meinen wir, dass wir umbedingt weiter arbeiten müssen, um die Institutionen zu gründen.

Das Urteil des Verfassungsgerichts hat die Basis der Demokratie ruiniert weil sie der PDK das Recht gab den Parlamentspräsidenten zu bestimmen, obwohl die PDK keine Mehrheit im Parlament hat. Das heisst hier haben wir ein Konflikt zwischen der Prozedur und dem Prinzip und wie wir alle wissen, ist das Prinzip wichtiger und gewinnt Das grösste Problem ist das LAN (LDK, AAK, NiSMA) nicht so denken. Sie wollen dass wir das Urteil akzeptieren und keinen Schritt machen, der gegen die „Institutionen“ ist. Das hauptsächlich weil sie meinen dass das gefährlich ist und das so ein Schritt die gute Reputation in den Botschaften in Prishtina auf das Spiel setzt.

Wir sehen zwei Möglichkeiten, entweder alle müssen unsere Haltung akzeptieren und wir gründen die Institutionen, oder mann muss das Urteil akzeptieren und die PDK bestimmt den Parlamentspräsidenten. Wir werden niemals dieses Urteil akzeptiert und das heisst auch, dass wir nicht den Kandidaten von der PDK wählen.

Max Brym: Wie begründet das Verfassungsgericht so ein Urteil?

Visar Ymeri: Alle Richter beim Verfassungsgericht haben diesem Urteil zugestimmt ausser einem Richter welcher aus den USA stammt.Der Amerikaner sagte dass dieses Urteil gegen die Verfassung ist. Das Urteil ist auch sehr unlogisch. Erstmal sagt es dass man erst nach dem man den Parlamentspräsidenten gewählt hat, Parlamentsgruppen bilden darf und in der gleichen Zeit sagt das Verfassungsgericht klar, dass nur die größte parlamentarische Gruppierung das Recht hat, die Nominierung den Präsidenten vorzunehmen.

All das hat mit dem ersten Abkommen von LAN zu tun, wo wir noch nicht teilnahmen --------- Das Verfassungsgericht hat nicht nur gegen die Demokratie geurteilt, sondern auch gegen ein anderes Prinzip, die Autonomie dem Abgeordneten. Unsere Verfassung sagt klar, dass der Abgeordnete sein Mandat nicht der Partei schuldet und das er autonom arbeiten kann weil das Wahlsystem in Kosova mit offenen Listen abläuft.. Das heisst, das Verfassungsgericht hat sich direkt in die Autonomie des Parlamentes eingemischt.

Es gibt keine keine rationale Erklärung für das Urteil.Der Richter Enver Hasani hat eine sehr politische Haltung statt eine professionelle Richterhaltung.

Von den verschiedenen Haltungen ist unsere Haltung die Beste weil wir gesagt haben, dass das Verfassungsgericht einen Putsch gegen die Verfassung gemacht hat.

Max Brym: Gestern hat ein gewisser Berat Buzhala in einer Fernseh- Debatte gesagt, die „Bewegung für Selbstbestimmung“ hält sich nicht ans Gesetz und hätte geplant die Macht gewaltsam überzunehmen. Was sagen Sie dazu?

Visar Ymeri: Eigentlich wundert mich nichts was Berat Buzhala sagt. Er ist ein Palatschinken in der politischen Szene in Kosova. Was zu unserer Haltung in Richtung Verfassungsgericht angeht kann ich sagen,dass unsere Bewegung, die einzige Kraft in Kosova ist, die eine radikale Änderung der Verfassung fordert. Wir meinen das viele Teile der Verfassung verändert werden müssen weil sie teilweise imponiert sind und gegen das Recht des Volkes gerichtet sind. . Aber in der gleichen Zeit haben wir gezeigt, dass wir als Bewegung teil des Parlamentes sind und immer so gearbeitet haben. Wir hatten und haben Recht, wir treten für eine republikanische Demokratie ein. Dies erfordert eine normale Verfassung zu fordern. Das haben wir getan, wie einige andere Parteien auch. Für uns stehen demokratische Prinzipien nicht zur Disposition. Was die PDK tut in der Buzhala Mitglied ist, ist die Verfassung als Verhandlungsmasse zu betrachten. Letzteres hat nichts mit den Interessen des Volkes in Kosova gemein. -Das heisst, die „Bewegung für Selbstbestimmung ist für die moderne Republik in der das Volk der entscheidende Faktor ist.

Die Regierung der PDK hat immer mit Gewalt gearbeitet. Dabei variierten die Formen der Gewalt. Wir erlebten physische Gewalt aber auch subjektive Gewalt, symbolisches Gewalt etc. Solche Beispiele für Gewalt ist die Arbeitslosigkeit in Kosova Massenarmut beim Volk usw. . Unsere Bewegung meint, das in Kosova eine gewaltfreie Regierung kommen muss, die jedem Bürger die Möglichkeit gibt, die gleiche Rechte zu haben.

Gewalt ist für mich das die Arbeiter der Röhren Fabrik in Ferizaj seit 3 Monaten streiken müssen, Gewalt ist die Privatisierung in Kosova, Gewalt ist das wir 800 Millionen Euro für die Bechtel-Enke Gruppe gegeben haben etc. Das heisst, all die Jahren nach dem Krieg waren gewalttätig. Niemals wollten wir mit Gewalt die Macht erobern . Die „Bewegung für Selbstbestimmung“ , hat Protesten und Demos organisiert, die eigentlich der Regierung zeigen sollten dass sie für das Volk und für die Interessen jedes Bürgers arbeiten müssen und nicht für ihre engen personellen Interessen. Das zeigt dass unsre Organisierung gegen die Gewalt der Regierung gerichtet ist.

Der Angriff von Berat Buzhala, ist erstmals falsch und zweitens nicht ehrlich. Er will sagen, dass in Kosova ein faschistisches Gespenst existiert, welche die die Macht mit Gewalt erobern will. Wir wurden viel Etikettiert mit verschiedenen Etiketten belegt einmal sind wir Kommunisten, dann Faschisten, dann islamische Fundamentalisten und Nationalisten.

Interessant war auch eine Frage die mir gestern ein Journalist von der Zeitung „Zeri“ in Kosova stellte. Er fragte ob wir die Regierung Thaqi, mit Protesten stürzen wollen, obwohl wir wissen das die Botschaften in Prishtina gegen die Gewalt sind ? Und ich fragte wo er gewalttätige Protesten gesehen hat? Es gibt Elemente oder Leute die sich negativ infiltriert sind aber es gibt keine gewalttätigen Proteste. Wenn auf einer Demonstration Gewalt verwendet wird dann ist es keine Demonstration mehr sondern etwas anders.

Lassen sie mich das am Beispiel der Waffe Kalaschnikow deutlich machen. Diese Waffe ist zweimal nützlich. Das heisst mit einem Kalaschnikow kann man ein Ort erobern, aber mit ihr kann zur gleichen Zeit auch ein Heldenkampf gegen das Kolonialismus geführt werden..

Max Brym: Es gibt in Deutschland bestimmte Journalisten die sagen, die „Bewegung für Selbstbestimmung“ hätte ihr Charakter in der Koalition LVAN(Bewegung Selbstbestimmung,LDK, ÄK, NISMA) geändert. Wie kommentieren sie das?.

Visar Ymeri: Was unsere Bewegung gemacht hat ist eigentlich ein sehr grosser Schritt auch wenn es manchmal nicht so aussieht. Dieses Abkommen hat die anderen Parteien angetrieben in einer anderen Art zu denken. Mit diesem Abkommen haben die anderen Parteien einem Dokument zugestimmt, dass eigentlich gegen ihre politische Vergangenheit gerichtet ist. Ich sage nicht, dass wir ihnen umbedingt alles glauben obwohl sie das Abkommen unterschrieben haben. Aber indem sie unterschrieben, haben sie vielleicht mit ihrer eigenen Vergangenheit abgerechnet. Wichtig sind die Punkte denen sie zugestimmt haben

Max Brym: Fatmir Limaj hat dieses Dokument auch unterschrieben was eigentlich seiner Vergangenheit widerspricht...

Visar Ymeri: Ja absolut. Wir haben gesagt das alle korrupten Affären strafbar sind ohne Ansehen der Person. Um ein politisches Ziel zu erreichen müssen die progressive Kräfte nicht dogmatisch sein, sondern immer auch mit neuen Methoden für die selben Ziele arbeiten. Einmal kannst du entscheiden an den Wahlen teilzunehmen, dann kannst du ein Abkommen haben für eine Regierung mit verschiedenen Parteien. Ein anderes Mal kann es richtig sein Wahlen zu ignorieren und nur Proteste und Demonstrationen zu organisieren. Auch damit kann man unter Umständen eine Regierung stürzen.Das Ziel ist das gleiche nur man verwendet verschiedene Methoden. Wen man sorgfältig analysiert sieht man, dass unsere grösste Veränderung im Jahr 2010 stattgefunden hat als wir entschieden haben am Parlament teilzunehmen. Das heisst wir haben damals entschieden, dass wir eines Tages die Macht haben.

Max Brym: Wie stehen die Internationalen zu diesem Problem, dass es faktisch kein Parlament gibt. Früher war ja die Amerikanische Botschaft sehr aktiv, hat sie sich klar positioniert? In Deutschland gibt es gewisse Journalisten und Analytiker die schreiben, dass es am besten ist eine grosse Koalition zu gründen damit man Ruhe und Stabilität hat.

Visar Ymeri: Ich fange von der lezten Frage her an. Das mann eine Grosse Koalition machen soll wird uns oft auch in Pristina gesagt. Wir meinen hingegen, dass diese Koalition nicht stabil und nicht gerecht für unseres Land ist. Das kommt von der Stabilitätsparadigma her welches die EU in Kosova installiert hat. Jetzt ist diese stabile EULEX Mission in eine tiefe Korruptionsaffäre verwickelt.. Eine Stabile Regierung ist unsere Regierung weil wir eben 63 Abgeordneten haben und noch 20 Abgeordnete von den Minoritäten. Das heisst wir verfügen über 83 Abgeordnete das ist eine 2/3 Mehrheit im Parlament. Das heisst doch Stabilität ?

In den letzten Tagen sagt man auch dass es keine Zusammenarbeit zwischen den Parteien gibt. Aber die Realität ist eben anders. Es gibt es einfach keine Zusammenarbeit mit der PDK . Das ist ein Problem für die PDK aber kein Problem Kosovas. Und was ich noch umbedingt erwähnen muss ist dass unser Abkommen ,das erste Abkommen nach dem Krieg ist dass ohne Druck von den Internationalen zustande kam..

Max Brym: Es gibt momentan eine sogenannte EULEX Affäre. Eine britische Staatsanwältin wurde suspendiert weil sie gemeint hat, dass Teile der EULEX selber korrupt sind . Meinen sie hat die britische Staatsanwältin recht ?

Visar Yimeri: Wir meinen das mit diesen Vorkommnissen alle mitbekommen haben dass wir die ganze Zeit Recht hatten mit unserer Haltung gegenüber der EULEX. Die Natur der Mission ist von Anfang an so. Sie wissen ja das die Mission unseren Institutionen niemals herangezogen hat und alle seine Mitglieder Immunität vor den Gesetzen in Kosova haben . Wir meinen das es zwei Faktoren sind die diese Situation hervorgebracht hat. Erstens hat das Stabilitätsparadigma kein gerechtes Justiz-System gebildet, weil diese Paradigma eben nicht nach Gerechtigkeit fragte sondern nur nach Stabilität. Die EULEX geht davon aus, dass Gerechtigkeit Instabilität schafft. Wir haben kürzlich die Affäre mit Sami Lushtaku der vom Gefängnis als Bürgermeister agiert. ist. Die EU das zugelassen weil Sami Lushtaku sehr viel Kraft hat und die Stabilität in Skenderaj ruinieren kann. Der Zweite Faktor ist die Immunität der EULEX Mitglieder gegen die Gesetzes in Kosova. Sie haben gesehen, dass die EULEX Leute Halbgötter in Kosova sind. Das ist fast wie im Roman von Josef Konrad wo der Kolonisator von Belgien aus als Gouverneur nach Kongo geschickt wird. Er wird dort ein Halbgott , weil die Bevölkerung andere Regeln hat. So ist es auch mit der EULEX in Kosova. Zum Beispiel, die Polizisten aus Rumänien haben am 10 Februar des Jahres 2007 zwei Demonstranten getötet und sind einfach nach Rumänien zurück gekehrt. Es gibt viele solche Beispiele.

Wir meinen das diese EULEX Affäre zwei folgen haben kann. Es kann sein, dass unsere Bürger jetzt ehrlich, auch die letzte Hoffnung verliert, weil sie an der EULEX glaubten. Das bringt am Ende eine grosse Depression und dann kann man eben nicht das Volk mobilisieren was eigentlich sehr wichtig für unsere Bewegung ist. Zweitens kann es sein, dass wir mit unserer Arbeit dem Volk erklären können das wir selber unser Justiz-System bilden müssen und können und dass man diese System nicht importieren kann. Wir müssen das gut erklären und wir meinen das wir das auch schaffen. Wir werden unser Volk mobilisieren und selbst unser System gründen!