trend spezial: Berichte aus Kosova redigiert von Max Brym

Prishtina- Tränen und Tränengas im Parlament Kosovas

von Max Brym

12/2015

trend
onlinezeitung

Veröffentlicht am Dienstag, 17. November 2015 21:11
 

Livebericht aus Prishtina: Am Dienstag den 17. November gegen 9:00 Uhr vormittags hatte ich das seltsame Vergnügen an einer Parlamentssitzung, als Journalist in Prishtina teilzunehmen. Die Kontrollen die dabei zu überwinden waren dauerten knapp eine halbe Stunde. Die Parlamentssitzung hingegen keine 5 Minuten. Neben der Regierungsbank nahmen jede Menge zivile Polizisten und

Bodyguards Aufstellung. Nachdem der Parlamentspräsident die Sitzung eröffnen wollte stürmten Abgeordneter der Opposition nach vorne. Sofort wurde die Regierungsbank von Zivilpolizisten abgeriegelt. Dennoch gelang es dem bekanntesten Oppositionellen Kosovas Albin Kurti, den Ministerpräsidenten Isa Mustafa, mit Pfefferspray zu attackieren. Parlamentspräsident Kadri Veseli schrie nur noch,“ Pause Pause“. Kurz danach wurde Tränengas gezündet. Innerhalb von Minuten war die Wirkung im gesamten Saal zu spüren. Auch den Journalisten traten Tränen in die Augen sie stürzten ins Freie. Auch bei mir kamen Tränen aus den Augen. Draußen ging die Polizei mit äußerster Brutalität gegen zivile Demonstranten vor. Am und um das Parlament tobte   

 eine Straßenschlacht. Nach einigen Stunden- „ Pause“ sollte die Parlamentssitzung in der Kantine des Parlaments fortgesetzt werden. Aber auch dies scheiterte. Als die Abgeordneten der Regierungspartei des Parlamentsgebäude verlassen wollten , wurden sie am Treppenabgang neuerlich mit Tränengas von oppositionellen Abgeordneten eingedeckt. 

Worum geht es in Kosova ? 

Die Opposition bestreitet der Regierung jegliche Legitimität. Am 25. August dieses Jahres schloss die Regierung ein Abkommen in Brüssel, mit der serbischen Regierung. Das Abkommen welches auf Druck der EU zu Stande kam wurde im Parlament niemals diskutiert und niemals abgestimmt. Aus diesem Grund bestreitet die Opposition der Regierung jegliche Legitimität. In dem Abkommen geht es nicht um die Rechte von Serben und Serbinnen in Kosova, sondern um die ethnische Teilung des Landes. Als Blaupause für diese Vereinbarung dient das ethnisch gespaltene Bosnien. Siehe dazu den Artikel unter http://kosova-aktuell.de/index.php?option=com_content&view=article&id=3070:schlaegt-in-kosova-die-stunde-der-opposition-einige-grundsaetzliche-bemerkungen&catid=13:kommentare-a-analysen&Itemid=111  

Der Polizeieinsatz 

Gegen die Demonstranten ging die Polizei – wie bereits beschrieben- mit äußerster Härte vor. Aber nicht nur Zivilisten und Demonstranten wurden verletzt, sondern auch Abgeordneter der „Bewegung für Selbstbestimmung“, darunter die Abgeordnete Haxhiu, sowie Albin Kurti. Gleichzeitige erließ im laufe des Tages das Gericht in Prishtina, gleich mehrere Haftbefehle gegen Abgeordneten von VV. Die Haftbefehle richten sich gegen Albin Kurti, Abuulena Haxhiu, Faton Toppalli und gegen die Abgeordneten der AAK Donika Bujupi. Am Nachmittag getraute sich die Polizei, die Haftbefehle noch nicht zu vollziehen. Denn Albin Kurti und andere wurden von Demonstranten geschützt , sie wurden  in das Büro der „Bewegung für Selbstbestimmung“ ( VV) geleitet. Außerdem befand sich die verletzte Abgeordnete Haxhiu einige Zeit im Krankenhaus. In den nächsten Stunden und Tagen ist jedoch mit polizeilichen Aktion gegen die Abgeordneten zu rechnen. 

Die Internationalen 

Besonders der US Botschafter aber auch der deutsche Botschafter taten sich mit Erklärungen hervor, in-denen sie die Demonstrationen und Aktionen der Opposition scharf verurteilen. Die US Botschafter meinte sogar,“ die Opposition will mit Gewalt die Regierung übernehmen“ . Nichts ist jedoch weniger wahr als diese Behauptung. In einer Pressekonferenz der Oppositionsparteien am Nachmittag wurde klargestellt, dass man nur mit demokratischen Mitteln diese Regierung zu beseitigen gedenke. Der Vorsitzende von VV, Visar Yimeri sagte: „ Wir verteidigen die Verfassung gegen diese Regierungskoalition, wir verteidigen die Integrität des Landes gegen jegliche ethnische Teilung.“ In diesem Zusammenhang vergieße ich gerne einmal ein paar Tränen. Allerdings möchte ich der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Bevölkerung Kosovas sich erhebt und im Anschluss daran einige Freudentränen fällig sind. Nieder mit den Kollaborateuren, nieder mit Armut und Teilung – Selbstbestimmung.