"Jetzt reden wir - 2.0"
Erster flüchtlingspolitischer Kongress war erfolgreich!

Pressemitteilung von Adelheid Grube
r  / 2.12.2019

12/2019

trend
onlinezeitung

180 Teilnehmer aus 20 Nationen folgten am vergangenen Samstag der Einladung von Alassa Mfouapon, seinem Rechtsanwalt Roland Meister und dem Freundeskreis Alassa & Friends zu einem Flüchtlingspolitischen Kongress, der wohl der erste seiner Art war. Alassa Mfouapon war bundesweit bekannt geworden als Sprecher der Flüchtlinge in Ellwangen, die sich 2018 gegen Abschiebung und Kriminalisierung wehrten.

Das Vorhaben, den engen Schulterschluss zwischen der Selbstorganisation der Flüchtlinge mit anderen demokratischen, humanistischen bis hin zu revolutionären Kräften zu organisieren ging auf und begeisterte die Teilnehmer, die von München bis Hamburg angereist waren und für eine große Bandbreite von gesellschaftlichen Gruppen, Initiativen und Organisationen standen. Einzigartig, wie hier die Erfahrungen der Flüchtlinge über Fluchtbedingungen, Ankommen in Deutschland und dem Leben hier, wie ihre kompetenten Kenntnisse über die Fluchtursachen, ihr konkreter Kampf gegen Diskriminierung, gegen die Angst vor Abschiebung, die tagtägliche Erfahrung, als Menschen zweiter und dritter Klasse behandelt zu werden, zusammen kamen mit Berichten flüchtlingssolidarischer Menschen, die selbst auch die Erfahrung von Kriminalisierung und Diffamierung machen und nach Auswegen und Lösungen suchen“, so Adelheid Gruber, eine der Sprecher*innen des Freundeskreises.

Vier Impulsreferate zu den Themen „Über die Flüchtlingspolitik der EU und der BRD“, „Weltweite Fluchtursachen und Gegenstrategien“, „Die Lage der Geflüchteten und Proteste dagegen“ und „Handlungsperspektiven“ boten viel Stoff zu Diskussion und Erfahrungsaustausch. Das Referat eines Aktivisten aus Togo über Fluchtgründe und Diskussionsbeiträge über Kamerun und seine Geschichte wiesen nach: Europa und die westliche Welt haben mit ihrer Sklaverei- und Kolonialherrenvergangenheit Afrika um Jahrhunderte zurückgeworfen und entscheidend zur heutigen dramatischen Lage der Jugend in afrikanischen Ländern beigetragen. „Die Unterdrücker haben nur die Hautfarbe gewechselt“ so der Referent aus Togo, denn den Reichtum Afrikas beuten heute internationale Monopolkonzerne aus - mit Wissen und Zustimmung korrupter afrikanischer Regierungen. Widerstand dagegen wird nicht zuletzt mit militärischer Hilfe aus Europa unterdrückt.

„Die massive Rechtsentwicklung der Regierung, die die EU abschottet vor den Menschen, die vor den Folgen der neokolonialen und imperialistischen Politik fliehen, fordert uns heraus: wir wollen keine einzige Diskriminierung, keinen behördlichen Rassismus, keine ungerechte Abschiebung unwidersprochen lassen! Wir stehen ein für ein Recht auf Flucht! Mit einer gemeinsam beschlossenen Erklärung bringen wir zum Ausdruck: Die Angst, die nach der unerhörten Kriminalisierung der Ellwanger Flüchtlinge wirkte, kann durch den engen Schulterschluss und wachsende Zusammenarbeit der Flüchtlings- Bleiberechts-, antirassistischen, demokratischen und revolutionären Bewegung überwunden werden“ so Adelheid Gruber über das Ergebnis des Kongresses.

„Jetzt reden wir! hat mit diesem Kongress eine neue Etappe 2.0 eröffnet. Die Ellwanger Schule wird weiter Schule machen.“

 

Jetzt reden wir - 2.0!
20 Punkte Arbeitsprogramm – beschlossen auf dem
1. Flüchtlingspolitischen Kongress in Stuttgart am 30.11.2019

Rund 180 Teilnehmer des 1. Flüchtlingspolitischen Kongresses, zu dem der Freundeskreis Alassa & Friends aufgerufen hatte, beschlossen am 30.11.2019 in Stuttgart ein 20-Punkte Arbeitsprogramm mit dem Titel: "Jetzt reden wir - 2.0":

„Jetzt reden wir“ war der selbstbewusste Titel der 1. Pressekonferenz der Flüchtlinge in Ellwangen nach dem martialischen, rassistischen und rechtswidrigen Polizeieinsatz gegen Flüchtlinge in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) am 3. Mai 2018. Dieses Arbeitsprogramm knüpft auf der Grundlage der seitdem enorm entfalteten Arbeit daran an und fasst die wesentlichen Ergebnisse des 1. Flüchtlingspolitischen Kongress mit „Jetzt reden wir – 2.0!“ zusammen.

  1. Wir sehen ein Anwachsen der Fluchtursachen auf der ganzen Welt und bekämpfen die Ausbeutung der Ressourcen der Länder der Welt, ihrer Menschen und der Natur und insbesondere die Verschärfungen der Flüchtlingspolitik der Herrschenden. Wir sehen diese Entwicklung - je nach teils unterschiedlichem politischem Standpunkt - als inhuman, kolonialistisch bzw. imperialistisch verursacht an. Wir stellen uns auf künftig dramatisch wachsende Flüchtlingsströme ein.
  2. Wir verwirklichen bereits in unserer Zusammenarbeit unser gesellschaftliches Ziel: Es darf keine Menschen erster und zweiter Klasse geben! Wir verwirklichen einen Paradigmenwechsel: statt Profit und Macht – Solidarität und Zusammenarbeit in Gleichberechtigung. Je nach politischem Standpunkt nennen wir unser gesellschaftliches Ziel ein gutes Leben, Demokratie, Freiheit oder Sozialismus.
  3. Wir stärken die Gemeinsamkeit vor allem gegen die Rechtsentwicklung der Regierung in Deutschland und die EU und die Gefahren von Faschismus und Krieg. Wir wollen künftig länderübergreifend zusammenarbeiten.
  4. Organisiert euch! Wir müssen dauerhaft zusammenarbeiten! Je nach politischem Standpunkt im Freundeskreis Alassa & Friends, in Flüchtlingsinitiativen, in demokratischen oder revolutionären Organisationen in dem Land, in dem wir leben.
  5. Wir vernetzen uns! Der Freundeskreis Alassa & Friends ist fester Bestandteil in Solidarität International (SI) und im Internationalistischen Bündnis und in Zukunft gerne auch in anderen flüchtlingspolitischen oder in gewerkschaftlichen Netzwerken.
  6. Wir überwinden die Angst! Falsche Freunde raten uns ab zu kämpfen, weil uns das gefährde. Wir sind umsichtig und verhalten uns schützend füreinander, verfolgen aber die Grundlinie: nur wer kämpft kann gewinnen!
  7. Wir lassen keinen allein: Jeder Behördengang soll begleitet sein, jede Schikane und jede Diskriminierung muss an die Öffentlichkeit!
  8. Wir betreiben aktive Öffentlichkeitsarbeit – jeder Zeitungsartikel soll die Antwort bekommen, die er verdient.
  9. Wir fordern juristisch und politisch die hart erkämpften demokratischen Rechte und Freiheiten ein. Jeder Prozess gehört auch auf die Straße! Wir klagen die EU und die Bundesregierung wegen ihrer verbrecherischen Zusammenarbeit mit dem libyschen Regime an.
  10. Wir fordern Auflösung aller Lager, „Ankerzentren“ oder Regelungen, die die geflüchteten Menschen diskriminieren, schikanieren und demütigen – egal ob in Deutschland, Libyen, Italien oder Griechenland.
  11. Einen besonderen Schwerpunkt legen wir auf die frauenspezifischen Forderungen und Interessen und fordern die Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund.
  12. Die Masse der Weltbevölkerung ist jung – der Kampf für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen liegt uns besonders am Herzen.
  13. Arbeitet und kämpft nicht nur zusammen – pflegt Zusammenkünfte, Kennenlernen, gemeinsame Feiern und kulturelle Ereignisse, die unser Gemeinschaftsgefühl stärken.
  14. Zeigt Zivilcourage! Stört mutig und engagiert die ebenso bürokratischen wie herzlosen Abläufe! Bezieht Stellung gegen Rassismus am Arbeitsplatz, im Wartezimmer, in den Schulen! Kämpft für die Würdigung der mutigen Kämpferinnen und Kämpfer gegen Rassismus und Fluchtursachen. Wir schlagen Alassa Mfouapon vor für die Würdigung durch den (Alternativen) Nobelpreis.
  15. Organisieren wir politische Aufklärung und Bildung. Wir sind und werden Fachleute, geben unser Wissen weiter und verwirklichen das gegenseitige Lernen – nicht zuletzt über die Herrschenden und die Funktionsweise des kapitalistischen Systems in Deutschland. Wir klären auf über die Fluchtgründe und verwirklichen auch Solidarität mit Kämpfen in allen unseren Herkunftsländern und Kontinenten.
  16. Diese Gesellschaft ist sehr reich – Geld ist in Hülle und Fülle da! Es muss da hin, wo es berechtigt gebraucht wird – und damit auch zu uns. Wir arbeiten finanziell unabhängig, aber fordern auch die finanzielle Stärkung unserer Arbeit aus unseren Steuergeldern, aus Spendentöpfen und Fonds ein.
  17. Wir verwahren uns gegen antikommunistische Intrigen, die unsere Zusammenarbeit von Flüchtlingen mit demokratischen und revolutionären Kräften in Deutschland diffamieren und schlecht machen. Vorsicht vor falschen Freunden, die die Selbstorganisation untergraben wollen. Null Toleranz gegen Ausgrenzung!
  18. Wir wollen keine Abhängigkeit von irgendeiner Partei. Viele von uns sind parteilos, aber alle engagierten und ehrlichen Mitglieder von Parteien sind auf antifaschistischer Grundlage eingeladen mit uns zusammenzuarbeiten. Wir fördern auch die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Arbeitern in den Betrieben.
  19. Lasst den Worten Taten folgen, werdet Unruhestifter! Lasst uns damit anfangen – sofort!
  20. Der Kampf geht weiter, bis Gerechtigkeit herrscht.

Freundeskreis Alassa & friends - openpetition.de/alassa
Spenden über: „Solidarität International e.V.“,
IBAN: DE86 5019 0000 6100 8005 84, Stichwort: „Alassa“