Kommentare zum Zeitgeschehen

Wie Corona-Leugner ihr Publikum aufhetzen

von Paul Nielsen

12/2020

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Auf welche Weise Corona-Leugner alle Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie angreifen, zeigt beispielhaft die Netzseite www.corodok.de  von Artur Aschmoneit aus Berlin-Charlottenburg. 

Er verbreitet am 11.10. 2020 die Falschmeldung, „dass Covid nicht gefährlicher als eine Grippe ist.“ 

Am 6. 11. 2020 berichtet Aschmoneit in einem Eintrag auf seiner Seite über die Suche nach Helfern, die bei Corona-Tests tätig werden. In der Überschrift seines Artikels spricht Aschmoneit davon, es würden „Abstrichjungen gesucht“.

Bei der Demonstration von Coronaleugnern am 7.11. 2020 in Leipzig bewegten sich nicht nur Tausende dichtgedrängt ohne Maske und Abstand. Teilnehmer der Demonstration verprügelten Journalisten. Neonazis marschierten an der Spitze, als viele Corona-Demonstranten auf den Leipziger Innenstadt-Ring durchbrachen.

Informationen über diese beiden Tatsachen finden sich unter:  

https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_88904640/demo-in-leipzig-neonazis-machten-fuer-querdenken-die-drecksarbeit-.html 

Vgl. auch die Stellungnahme der Journalisten Union

https://www.t-online.de/region/leipzig/news/id_88898242/-querdenken-demo-in-leipzig-angriffe-auf-journalisten-und-drohungen-der-polizei.html 

Für Aschmoneit ist all das kein Problem. Einzig bemerkenswert erscheint ihm, dass die Berliner Zeitung der Corona-Leugner-Demonstration ein falsches Foto zuordnet.

https://www.corodok.de/berliner-zeitung-bild1967/

Aschmoneit vergleicht die Kritik in der Berliner Zeitung an der Demonstration vom 7.11. mit der Hetze der Bild-Zeitung gegen die APO nach dem 2. Juni 1967 (Anti-Schah-Demo, Erschießung von Benno Ohnesorg). Auf eine Nachfrage schreibt Aschmoneit wörtlich, „daß die Berliner Zeitung heute genau so hetzt wie die Bildzeitung vor 50 Jahren.“ Er benutzt das Versehen, das der Berliner Zeitung passiert ist und das sie schnell selbst kritisch bemerkt hat, um jegliche Kritik am Journalisten-Verprügeln und Mit-Nazis-Marschieren in Misskredit zu bringen.

Aschmoneit bezeichnet die Berliner Gesundheitssenatorin als „SPD-Extremistin“ (1. 10.) und Karl Lauterbach als „erfahrener Fake-new-Superspreader“ (26.9.). Eine Überschrift lautet im Trump-Jargon: „Christian Drosten: schon immer eitle fake news“ (21.6.). Auch ist die Rede von „Reisewarnungen aller Art, mit denen die Staaten jeweils ihre BürgerInnen belästigen“ (25.9.).

Aschmoneit bezeichnet Drostens Podcasts als „Poetry-Slam“ (16.9.) und Karl Lauterbach als „Klabauterlach“ (26.9.).

Aschmoneit begrüßt, dass in Hildburghausen, dem bundesweit bislang am stärksten von Corona betroffenen Ort, 400 Leute ohne Maske und Abstand singend gegen Corona-Auflagen demonstrieren (26.11.). Er meint: „Die anhaltenden Protestaktion in vielen Orten könnten die Ankündigungen als mit dicken Backen gemacht erweisen“ (27.11.).

Aschmoneit attackiert die vermeintlich Schuldigen für die Coronamaßnahmen: „Es sind durchweg StaatsfunktionärInnen und Medienmenschen, die ein ‚garantiertes Einkommen’ haben, die die Vielen in wirtschaftliche Desaster stürzen“ (27.11.). Wie viele Menschen ohne die lock-down-Maßnahmen sterben und welches „wirtschaftliche Desaster“ entstehen würde, diese Frage wird nicht nur verdrängt. Es gehört schon Fanatismus dazu, diese Frage verbissen auszublenden.

Aschmoneit agitiert auf seiner Netzseite in hunderten Einträgen gegen die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Corona. Nachdenken, differenzieren und sich auf die Komplexität der Materie einlassen – darum geht es nicht. Dem Agitator Aschmoneit kommt es darauf an, wahllos irgendetwas Negatives und Abwertendes gegenüber der Corona-Politik vorzubringen. Am 25.11. schreibt er in der Überschrift eines Eintrags: „Impfung ist Menschenversuch.“ Aber auch wirklich kein Vorbehalt – nicht mal der von prinzipiellen Impfgegnern – ist dem Agitator zu blöd. Da hat jemand einen Standpunkt, dreht sich alles entsprechend zurecht und spielt Mini-Trump. Jeden Tag muss ein neuer Anlass gefunden werden, um Häme und Hass zu mobilisieren gegen alle, die Corona als gefährliche Seuche sehen und sich an die notwendigen Regeln halten. Aschmoneits Bezeichnung von Helfern bei Coronatests als „Abstrichjungen“ macht deutlich, dass er bereits die Untersuchung, ob jemand Corona hat oder nicht, verunglimpfen möchte. Die Aggression gegen Beschäftigte im Gesundheitswesen kennen wir von Rechten bislang noch nicht. (Allerdings gibt es Angriffe gegen Ärzte und Kliniken, die Abtreibungen vornehmen.)

Vorgesetzte und „Gewinner“ werten sich subjektiv auf, indem sie andere abwerten. Auch die Verlierer in der Konkurrenz und die Untergebenen spielen diese in Hierarchien und in der Konkurrenz gängige Praxis nach. Manche, die sich ängstlich, wertlos und depressiv fühlen, versuchen dem überkompensatorisch zu begegnen. Wer keine positiven Zwecken hat, kann gegen die eigene Lähmung und Leere einen aggressiv-entwertenden Persönlichkeitsstil entwickeln. Friedemann Schulz von Thun hat diese Psychovariante kurz und prägnant in seinem Buch „Miteinander reden Bd. 2. Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung“ auf den Punkt gebracht (Reinbek bei Hamburg 1989, S. 115-152. Seitdem viele Neuauflagen).

Das ist der Resonanzboden für Agitatoren, die Feinde präsentieren. Gestern waren es die Muslime und die Migranten, heute die Befürworter von Schutzmaßnahmen gegen Corona. Eines aber bleibt bei der Stimmungsmache gleich: Die eigene Identität und Vitalität kann und will man dadurch gewinnen, dass man sich wenigstens angesichts eines Feindbildes aufzuraffen vermag. Die Affekte des Sich-Verfeindens sind fast wichtiger als alle Inhalte. Meute will Beute. Geschossen wird auf alles, was vor die Flinte kommt. Wie bei Trump und anderen Demagogen geht es darum, negative Affekte zu mobilisieren. Hauptsache, es lässt sich jemand niedermachen.

Aschmoneits Texte zeigen, welch „Geistes“ Kind sein Publikum ist. Es genießt Abwertungen und Beschimpfungen und fühlt sich durch sie lebendig. Agitatoren wie Aschmoneit putschen sich selbst und ihre Leser emotional auf. Wie Süchtige verlangen sie nach Steigerung der Dosis. Umso weniger Argumente sie haben und umso ernster die Pandemie-Lage objektiv wird, desto schriller, abstruser und abstoßender wüten diese Eiferer.

Quelle: Zusendung durch den Autor

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