Die Tagung der
Gewerkschaftslinken am ersten Dezemberwochenende in Stuttgart hatte
immerhin 300 Leute versammelt - viel mehr als auf dem ersten Treffen in
Frankfurt, und nicht viel weniger als im September, als es um die Frage
des Krieges ging. Das ausgelutschte Thema "Wir brauchen eine neue
Politik" hat offenbar nicht verhindern können, dass die Linke sich
in diesem Bereich nachhaltig zusammenraufen will. Viel guter Wille aus
allen Ecken kann und sollte allerdings nicht verdecken, dass
insbesondere die innergewerkschaftlichen Themen wie
"Tarifpolitik" und "Mitbestimmung" in den beiden
Arbeitsgruppen Kontroversen enthielten, und ein nach wie vor
unterschiedliches Herangehen der Beteiligten zeigten.
Ein deutlicher Schritt vorwärts war aber
die Einbeziehung der Arbeitslosen- und Sozialhilfeinitiativen, die am
ersten Abend in einem Referat und in der Arbeitsgruppe
"Sozialpolitik" die Gelegenheit nutzten, ihre Forderungen an
der Praxis und Theorie der Gewerkschaftslinken zu messen. Der
Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Niedriglöhnen, Sozialhilfe, Kürzungen
bei Renten und Arbeitslosenhilfe, Lohnabstandsgebot ist klar - nicht
immer ist es jedoch die gemeinsame Gegenstrategie. Eine fürs nächste
Jahr geforderte Demonstration gegen die Sozialpolitik von Rot- Grün
kann nur tatkräftig unterstützt werden. Die in diesem Zusammenhang
immer aufkommende Diskussion um den Stellenwert von Lohnarbeit,
Forderung nach Arbeit oder Einkommen "für alle" wurde auch in
Stuttgart wieder auf den Tisch gebracht. Aber: man gewöhnt sich an ein
solidarisches gemeinsames Diskutieren statt eine Haltung einzunehmen,
die von Vorwürfen oder Abqualifizierungen geprägt ist.
Viele Teilnehmer verlangten eine
deutlichere Abgrenzung vom offiziellen Gewerkschaftskurs. Dagegen
standen in den Vorbereitungspapieren vielfach Formeln wie "Die
Gewerkschaften müssen" oder "Die Gewerkschaften dürfen
nicht" und so ist oft nicht klar, wer denn nun der Adressat der
"Gewerkschaftslinken" ist und was sie selber will. Statt
Deklaration, was "die anderen" (also die Regierung, die
Gewerkschaften, der Sozialstaat) machen oder unterlassen sollten, wäre
es hilfreich zu erklären, was "wir Linken" wollen und was
nicht. In der Frage Arbeitszeitverkürzung geht es da schon voran. Und:
beziehen wir uns auf solche Kämpfe wie bei Alcatel oder Hoesch
Spundwand, dann lautet nicht die erste Frage "Was macht die
Gewerkschaft?", sondern "Was macht die konkrete Bewegung, wo
stellt sie Anforderungen an Linke in den Gewerkschaften, und wie kann
das bisher noch nicht allzu stabile Netzwerk diese Bewegungen stärken?"
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