Betrieb & Gewerkschaft
Kommunistische Parteien aus vier Ländern diskutierten Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

von
Volker Metzroth

5/6-12

trend
onlinezeitung

Rund 40 „Militante“ der Kommunistischen Partei Luxemburgs (KPL), der Neuen Kommunistischen Partei der Niederlande (NCPN), der Partei der Arbeit Belgiens (PTB) und der DKP trafen sich am Wochenende in Lüttich zur 7. Vier-Parteien-Konferenz seit 2006. Aufgabe auch dieser Konferenz war es, aktuelle politische und ökonomische Entwicklungen in den Ländern der Beteiligten und in der EU einzuschätzen und sich auszutauschen über die Arbeit der Parteien und ihre konkreten Erfahrungen. Dabei stand in diesem Jahr die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit im Vordergrund.

Daß es dabei längst nicht mehr allein um den Erfahrungs- und Meinungsaustausch geht, stellte Herwig Lerouge (PTB) bei der Eröffnung heraus. Das gemeinsame Eingreifen in die Kämpfe der Stahlarbeiter Luxemburgs und Belgiens, in beiden spielt der ArcelorMittal-Konzern eine Hauptrolle, konnte ebenso auf die Positivliste kommen wie eine Aktion von PTB und DKP vor dem Opelwerk in Antwerpen, eine gemeinsame Pressekonferenz aller in Luxemburg zum Thema Postprivatisierung und einer daraus hervorgegangenen dreisprachigen Broschüre und nicht zuletzt auch die Proteste gegen den Überfall einer deutschen Schlägertruppe auf streikende Arbeiter beim Automobilzulieferer Meister in Belgien. Selbstverständlich wurde auch der gegenseitige Besuch bei der „Manifiesta“ der PTB, dem „Wisefest“ der KPL und dem Pressefest von UZ und DKP erwähnt.

In seinem Vortrag „Euro-Imperialismus – Euro-Krise“ befaßte sich Georg Polikeit (DKP) mit jüngsten Entwicklungen wie der Auseinandersetzung um den „Fiskalpakt“, mit dem Merkel unter Assistenz von Sarkozy das deutsche Modell von Schuldenbremsen, Lohn- und Sozialdumping in Europa durchsetzen will. Recht gab er französischen Finanzmarktexperten, welche die Staatsschulden nicht als Ursache, sondern als Folge der Krise sehen. Zur Diskussion darüber, ob der Euro letztendlich scheitern werde oder nicht, bezog er die Position, daß sich das Kapital der Hauptländer der EU ein Scheitern überhaupt nicht leisten könne und deshalb alles tun werde, um das zu verhindern. Mit der Aussage „die deutsche Wirtschaft hat größtes Interesse am Erhalt des Euro ...“ habe der BDI, gefolgt vom französischen MEDEF und dem italienischen „Confindustria“ dem politischen Personal die Marschrichtung vorgegeben. Die öfters gehörte These, der deutsche Imperialismus versuche nun im dritten Anlauf ökonomisch, was ihm zweimal militärisch nicht gelang, greife viel zu kurz. Nur mit der EU und mit einem einheitlichen Währungsraum könne er angesichts sich ständig verändernder Kräfteverhältnisse als „Global Player“ agieren, ökonomisch, politisch und militärisch. Keinen Dissens sah der Referent zu anderen marxistischen Wissenschaftlern bezüglich der Strategie des Kapitals, die Krisenlasten den Arbeitenden aufzubürden und die Krise als Chance für einen weiteren neoliberalen Umbau der Wirtschaft zu nutzen. Neben Wut und Zorn gebe es bei den Betroffenen aber auch Tendenzen zur Hinnahme der abgepreßten Opfer, weil viele eine Alternative nicht für realisierbar halten. Auf seine Frage, wie hier die Gegenkräfte formiert werden können, versuchten in den weiteren Beiträgen Genossinnen und Genossen Antwort speziell für die Bereiche Betrieb und Gewerkschaft zu geben.

In seinem Beitrag stellte Volker Metzroth, Sekretär für Betrieb und Gewerkschaft des PV der DKP, die Grundzüge der diesbezüglichen Politik seiner Partei dar, wobei er sich am Referat der 4. PV-Tagung von 2011 orientierte. U.a. wurde die Sondersituation in der BRD bis in die siebziger Jahre hinein – weitgehend krisenfreie Nachkriegsentwicklung und Schaufenster zum Osten – sowie deren bis heute fortwirkenden Folgen für das Bewußtsein auch des organisierten Teils der Arbeiterklasse aufgezeigt. Die Politik der DKP sei seit ihrer Gründung auf die Stärkung der Gewerkschaften durch Mitarbeit ihrer Mitglieder und die Aktionseinheit ausgerichtet. Das von ihr verteidigte Prinzip der politischen und organisatorischen Einheitsgewerkschaft entspringe auch den Erfahrungen der deutschen Arbeiterbewegung mit der Niederlage von 1933. Später als linksradikal eingeschätzte Fehler bei der RGO-Politik und der „These 37“ hätten immer auch zur Schwächung des Einflusses der Kommunisten in den Gewerkschaften geführt. Ein Schwerpunkt der Arbeit der DKP sei die Entwicklung einer längerfristigen Kampagne mit dem Ziel, Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohn- und Personalausgleich wieder zu einem aktuellen Thema in der gesamten Arbeiterbewegung zu machen.

Wil van der Klift, Internationaler Sekretär der NCPN, erinnerte daran, daß mit dem „Polder-Modell“ schon vor 30 Jahren eine institutionalisierte Klassenzusammenarbeit in den Niederlanden Platz griff. Der parallel damit einhergehende Niedergang der CPN (frühere Kommunistische Partei der Niederlande) schwächte die kritischen Kräfte. Beim Neuaufbau der Partei habe man zunächst ohne weitreichende Kontakte zu den Gewerkschaften dagestanden, sich auch längere Zeit stark auf politische Grundsatzfragen konzentrieren müssen. Mittlerweile gäbe es wieder zunehmend Kontakte zu auch führenden Gewerkschaftern, so z.B. durch Interviews für „Manifest“, die Zeitung der NCPN. In den Gewerkschaften selbst hätten reformistische Positionen in den letzten Jahren an Boden verloren, auch fänden Bestrebungen statt, die Richtungsgewerkschaften zu einem Bund zusammenzufassen, was aber auch auf Widerstände stoße.

Ali Ruckert, Präsident der KPL, schilderte, wie in den ersten Nachkriegsjahrzehnten es neben dem sozialistischen und christlichen einen revolutionären Gewerkschaftsbund gab, der vor allem in der Stahlindustrie eine Massenbasis hatte. Auch im späteren Stahlsyndikat des OGBL hatten sie maßgeblichen Einfluß. So forderten 12.000 Stahlarbeiter mit ihrer Unterschrift zu Beginn der Stahlkrise in den 70er Jahren die Nationalisierung dieser Schlüsselindustrie. Die Gewerkschaftsbünde ließen sich aber mit dem „Patronat“ und der Regierung auf die „Tripartite“ ein. Gewerkschaftlich aktive Kommunisten konnten weitreichende soziale Sicherungen beim Strukturwandel durchsetzen, was aber den Rückgang ihres Einflusses letztendlich nicht bremste. In den letzen 10 Jahren wächst aber der Widerstand – zunächst nur von der KPL initiiert, heute auch von teilen der Gewerkschaften – gegen Manipulationen am Index, dem System der automatischen Anpassung der Löhne an die Inflation. Ihre Kampagne gegen die Postprivatisierung brachte der KPL auch Mitglieder aus der Briefträgerschaft und offizielle Kontakte mit den Gewerkschaften. Letztere nehmen zu, seit die KPL im Oktober 2011 wieder in die Kommunalparlamente dreier Städte einzog.

Für die PTB schilderte Alice Bernard von deren Gewerkschaftsabteilung die Entwicklung der Partei auf diesem Sektor. Theoretisch schon immer ein Hauptfeld, war die Praxis starken Schwankungen unterworfen. Phasenweise sorgten heute als falsch und linksradikal eingeschätzte Taktiken für den Verlust eines Großteils des Einflusses. Seit einigen Jahren aber habe man das korrigiert, orientiere auf die Mitarbeit möglichst vieler Genossinnen und Genossen in den Gewerkschaften, auch als Hauptamtliche. Besonderer Wert wird der Beteiligung an regionalen und zentralen Aktionen des Europäischen Gewerkschaftsbundes zugemessen. Die Politik der Partei im Betrieb zu propagieren sei Sache der Betriebsgruppen, in denen heute ein Viertel der Mitglieder organisiert ist. Dabei gelte es, an die konkreten Interessen und Erfahrungen der Belegschaften anzuknüpfen. Eine wichtige Rolle spielten dabei landesweite Kampagnen wie z.B. die für eine Millionärssteuer. Bemerkenswert auch, daß bei der Manifiesta 2011 offizielle Vertreter des sozialistischen wie auch des christlichen Gewerkschaftsbundes auftraten.

In zahlreichen Beiträgen, die aus Platzgründen hier nicht wiedergegeben werden können, wurden konkrete Erfahrungen geschildert. Für die DKP schilderte Ulrike Schmitz die Betriebsgruppenarbeit der DKP am Beispiel der Gruppe VW Braunschweig/Wolfsburg. Thomas Liermann sprach zu Erfahrungen mit der politischen und gewerkschaftlichen Jugendarbeit und Horst Gobrecht über Organisation und Kämpfe in klassisch eher schlecht organisierten Bereichen am Beispiel des Einzelhandels.

Bei allen Unterschieden in der historischen Entwicklung bestand Einigkeit darüber, daß Kommunistinnen und Kommunisten als Gewerkschafter in der umfassendsten Klassenorganisation zu deren Stärkung mitarbeiten müssen. Aufgabe von Betriebsgruppen ist es nicht, die besseren Gewerkschafter zu sein, sondern die politischen Alternativen ihrer Parteien zu propagieren, auch Handlungsmöglichkeiten unterhalb der Schwelle der Systemveränderung aufzuzeigen. Dabei verschweigen sie nicht, daß letztendlich nur im Sozialismus die Lösung der drängendsten Probleme der arbeitenden Menschen möglich sein wird.

Mit Interesse verfolgten auch Gäste die Konferenz. Es waren dies GenossInnen der PCF (Französischen Kommunistischen Partei) aus dem 17. Arrondissement in Paris und Mitglieder der PCB (Kommunistischen Partei Belgiens) aus Lüttich, die in der industriell geprägten 200.000-Einwohner-Stadt (mit Umgebung 400.000) eng mit der PTB zusammenarbeiten und z.B. bei den kommenden Kommunalwahlen auf deren Listen mitkandidieren wollen.

Am Samstagabend nutzen DKP-Mitglieder die Möglichkeit, eine Praxis der Organisation „Medizin für das Volk“ in Seraing zu besichtigen. Der Arzt Hans Krammisch, PTB-Genosse und Aktivist der Bewegung, schilderte, wie sie in elf belgischen Städten einerseits eine medizinische Versorgung gerade für Arbeitende anbieten, ohne die landesüblichen Zuzahlungen von ca. 25% der Kosten, andererseits aber mit ihren Patienten gemeinsam Gesundheitspolitik betreiben. Das geht vom Kampf um bezahlbare Medikamente, der landesweites Echo findet, bis hin zur Verbreitung der Erkenntnis „Der Kapitalismus schadet Ihrer Gesundheit!“. Hans, der auch kommunaler Abgeordneter der PTB ist, betonte, daß wie bei der Gewerkschaftsarbeit nicht der karitative Gedanke im Mittelpunkt stehe, sondern die Mobilisierung der Menschen im Kampf um ihre Interessen.

Einen besonderen Dank erhielten nicht nur die Genossinnen und Genossen der PTB, die für das leibliche Wohl und die notwendige Technik sorgten, sondern auch die ÜbersetzerInnen aus vier Ländern, die Wochen zuvor schon die grundlegenden Beiträge in die Konferenzsprachen Deutsch, Französisch und Niederländisch übersetzt hatten und bei der Konferenz für eine gute Simultanübersetzung sorgten. In ihren Schlußbemerkungen hoben die Vertreter der Delegationen hervor, daß zum Gelingen der Konferenzen auch das in den letzten Jahren gewachsene persönliche Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten beitrage und somit ein Klima jenseits früherer „Verlautbarungskonferenzen“ schaffe, bei denen oftmals Umstrittenes oder Unangenehmes ausgespart wurde. Die jährlichen Konferenzen sollen fortgesetzt werden, 2013 in Remich, Luxemburg und 2014 in Deutschland. Im Rahmen der nächsten Arbeitssitzung im Mai soll besprochen werden, wie die Referate, Kurzvorträge und Diskussionen der Mitgliedschaft der vier Parteien zugänglich gemacht werden können.

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Artikel von www.kommunisten.de, wo er am 27.4.2012 erschien.