Das war der revolutionäre 1. Mai 2014

Freiburg: Gefeiergebiet um den 1. Mai

5/6-2014

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Über 1.000 Menschen beteiligten sich in diesem Jahr in Freiburg an Festen und Protesten rund um den 1. Mai. Die Stadt scheiterte trotz Drohungen und Hetze im Vorfeld darin ihre eigene Allgemeinverfügung (PDF) durchzusetzen. Neben den angemeldeten Aktivitäten der Jos-Fritz-Passage musste trotz massivem Bullenaufgebot auch ein großteil der selbstorganisierten und anti-kommerziellen Festbeiträge geduldet werden. An einer revolutionären Demo beteiligten sich über 400 Menschen und unzählige Feierten an beiden Tagen im Grün und im Stühlinger. Bei den Räumungen der Kreuzungen und im Umfeld des besonders im Visier stehenden Grether-Geländes, nahmen die Bullen 12 Menschen vorübergehend in Gewahrsam. Die Bullen beklagten sich über Angriffe mit Flaschen und Feuerwerk. Tatsächlich wurde ein entschlossenes Straßenfest durchgesetzt und die Überflüssigkeit der repressiven Linie der Freiburger Stadtverwaltung entlarvt.

Im Vorfeld: Verbieten, Verbieten, Verbieten

Das Klima in Freiburg ist Schlecht. Seit Jahren steht Verbotspolitik durch Rubsamens Ordnungsamt und die Herren Salomon, Neideck und Co. im Rampenlicht. Wohnen muss ordentlich Laufen. So werden Bauwagen von der Gruppe Sand-im-Getriebe geklaut und verwahrt. Freiburg soll ruhiger werden und das nimmt sich das schwarz-grüne Spießertum zu Herzen. Besonders das traditionelle und größtenteils alternative Mai-Fest im Grün wurde auch in diesem Jahr nicht ausgespart, das dritte Mal in Folge.

Fünf Tage zuvor gab es eine Allgemeinverfügung, die jegliches Feiern auf den Straßen des Sedanviertels, wie es seit über einem dutzend Jahren weitgehend problemlos von statten ging, untersagte. Nur einige angemeldete Events wie die Veranstaltungen vom Jos Fritz-Café in der Spechtpassage, die Veranstaltungen in der Wilhelmstraße, eine Straßenkunstaktion für Kinder und ein Infostand an der Ecke Belfort-/Wilhelmstraße waren erlaubt worden.

Die Stadt drohte letztlich sogar damit das Grethergelände mit Bullen anzugreifen und wollte eine Anmeldung auf Privatgelände eines garnicht geplanten Festes auf dem Grether erzwingen.

Wochen zuvor hatten linke Gruppen in einem gemeinsamen Aufruf den Willen artikuliert das Fest und die Demonstrationen trotz der absurden Auflagen durchsetzen zu wollen. Auch wurde betont sich an einen im Viertel erarbeiteten "Lärm-Konsens" und notwendigen Sicherheitsmaßnahmen (Rettungswege) zu halten. Die Stadt liess dennoch das gesamte Sedanquartier mit mehreren Hundertschaften der Bullen aus Freiburg, Offenburg, Lahr und Bruchsal besetzen. Bereits gegen Mittag zeigten sich erste Trupps in den Straßen und am frühen Nachmittag des 30. April besetzten die Hundertschaften das Konzerthaus, die Schnewlinstraße, die Adlerstraße, die Wilhelmstraße, den Theatervorplatz und die Kronenbrücke. Später folgten Belfortstraße, Gretherstraße, Glacisweg und Moltkestraße. So wurde das gesamte Viertel, mit Schwerpunkt rund um das schwer belagerte Grether, von Bullen besetzt. Nichts schien so richtig durchsetzbar.  

Walpurgisnacht im Grün: Grillfest mit Kontrollverlust

Im Laufe des Nachmittags sammelten sich mehr und mehr Leute. Im kleinen Stil war hier und da ein Hauch von Straßenfest zu spüren, doch die Stimmung war durch die massive Bullenpräsenz getrübt. Auf einigen "Privatgeländen" wurde gegrillt, dass sehr wechselhafte Wetter half nicht bei der Mobilisierung. Am frühen Abend spielte dann die Straßensambaband "SamBasta" in der Moltkestraße. Die Bullen blockierten die Musiker_innen und erzwangen Verhandlungen um eine "Demo gegen Demoverbote". Etwa 200 Menschen sammelten sich an der Kreuzung Moltkestraße/Belfortstraße und tanzten. Es gab einige Cocktails und viel Bier und plötzlich kam auch musikalische Unterstützung aus umliegenden Wohnungen. Die Menge wuchs an, während die Bullen verschiedene Straßen abriegelten oder einseitig passierbar machten. Weitere Soundsysteme kamen dazu: Die Punker_innenKneipe öffnete ihre Flaschen und Boxen und über 500 tanzten gegen Mitternacht in der Belfortstraße bei Feuerwerk.

Nach und nach wurden die Bullen stressiger. Es gab eine erste Ingewahrsamnahme. Als sich eine Räumung der Kreuzung abzeichnete, hatte sich die Party doch bereits zu einem weiteren Elektro-Soundsystem an der Ecke Wolhelmstraße verlagert. Eine der Anlagen war zwischenzeitlich beschlagnahmt worden. Die ausgelassene Feier kulminierte in der sanften Räumung von hunderten Feiernden in der Wilhelmstraße. Jenseits der Blauen Brücke entstand eine Rave-Party, die bis in die frühen Morgenstunden andauerte. Das Fest wurde gegen ein völlig unverhältnismäßiges Aufgebot durchgesetzt. Die Bullen gingen agressiv gegen Feiernde vor, waren doch insgesamt vom dezentralen Konzept überfordert.  

1. Mai - Straße voll

Bei weiterhin wechselhaftem Wetter demonstrierten am Vormittag des 1. Mai etwa 700 Menschen beim DGB rings um den Stühlinger-Kirchplatz. Ein antikapitalistischer Block begleitete die Gewerkschafts-Demo.

Ab 12:30 sammelte sich die linksradikale Szene zur zweiten libertären 1. Mai Demo, diesmal als "Revolutionäre Demonstration" deklariert. Bis zu 400 Menschen beteiligten sich an der unangemeldeten Demo durch den Stühlinger in die Innenstadt und über Umwege ins Grün. Nachdem die Demo in der Moltkestraße gestoppt wurde, begannen Leute dezentral das autonome Straßenfest zu organisieren. Die Demo löste sich in mehreren Spontis auf. Erneut konnten mehrere Soundsysteme, mobile Essens- und Getränkeinitiativen, Tanzgruppen, Infostände und eine bekannte Punk-Band auf einem bekannten Balkon das Festverbot zunichte machen. Die Bullen wirkten nach wie vor überfordert und verstellten bizarr verschiedene Wege im Stadtteil. Verdutzte Passant_innen und zahlreiche Feiernde ignorierten die Allgemeinverfügung und holten sich die Straße zurück. Der Abzug des Soundsystems "kosmisches Huhn" führte zu einem sehr frühen Ende des diesjährigen Straßenfest. Dennoch konnte durch die Anzahl der Initiativen und unsere Entschlossenheit ein selbstverwaltetes Straßenfest am 1. Mai durchgesetzt werden.  

Achtung, Achtung, hier spricht der Ordnungswahn

Nach einer Reihe von Verbotsoffensiven hat sich die Stadtverwaltung Freiburg in den vergangenen Tagen erneut blamiert. Doch die herrschenden Politiker_innen und Bürokrat_innen schlagen weiterhin in die Verbotskerbe, als gäbe es nur rechtes Wahlvolk. Nach der Schlappe um das gescheiterte "Alkoholverbot" und einer sehr kritisch rezipierten Festverbotswelle in den Jahren 2012 und 2013, geht die Offensive der Spießer_innen und Freund_innen des Polizeistaates weiter. Angst wird geschürt, gegen Flüchtlinge, Wagenbewohner_innen, Straßenkriminelle, Punx... Allgemeine Überwachung des öffentlichen Raumes und des ÖPNV wird kaum noch hinterfragt.

Das neu gelegte Ei der Scheißratsfraktionen ist der Kommunale Ordnungs-Dienst (KOD), bestehend aus 18 bewaffneten Gemeinde-Bullen, die helfen sollen die Verbotspolitik mit Gewalt durchzusetzen.

Das Monopol-Presseblatt BZ kolportiert weiterhin dass militante Autonome und gewaltbereite Anwohner_innen in einer Tour gegen die armen völlig unterbesetzten Einsatzkräfte vorgehen und ihre Präsenz somit unerlässlich ist. Die neue Debatte um NoGo-Areas im Stühlinger und das Anfeuern einer rassistische Debatte gegen nordafrikanische Flüchtlinge sprechen eine klare Sprache: Im Wahlkampf wird auf Repression und populistische Propaganda gesetzt, nicht auf Dialog. Der Einsatz der letzten Tage stieß jedenfalls auf breites Unverständnis in der Bevölkerung. Es gilt den Druck weiterhin aufzubauen, damit Freiburg eine Stadt für alle wird - keine Stadt nur mit Kommerz und Bullen.

Wohin geht das?

In den nächsten Wochen wird hier die Auseinandersetzung mit der repressiven Politik weitergehen. Neben der noch immer andauernden Beschlagnahme der Wagen der Gruppe Sand im Getriebe steht weiterhin die Debatte um den KOD im Raum. Und seit der überdimensionierten Bullenparade in den letzten Tagen auch das andauernde Verbieten und versuchte Verhindern von harmlosen selbstverwalteten Straßenfesten. In wenigen Wochen werden Demos und Aktionen im Rahmen des KTS-Jubiläums statt finden. Am 7. Juni gibt es eine Love-or-Hate-Parade für mehr Wagenplatz und gegen den Ordnungswahnsinn...

Doch wenn Oberbürgermeister Dieter Salomon nun eine "Sicherheitsdebatte" heraufbeschwört und damit die andauernde Repression gegen "Randgruppen" übertönt, ist Vorsicht angebracht. Schon morgen kann die Stadt mit solchen Mitteln, sollte deren Akzeptanz sich verfestigen, all das unterbinden, was für uns eine offene Stadt ausmacht.

Wir werden wieder kommen, immer und immer wieder. Und wir werden euren Allgemeinverfügungen trotzen bis euch die Trommelfelle platzen und euch das AlNatura-Menü zur Nase rausläuft!

Bass down Green-City! Don't vote – do-it-yourself!

 

Quelle: linksunten.indymedia.org | 1.5.2014