Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Neubau nicht um jeden Preis!

Warum die Pläne des Berliner Senats auf dem Tempelhofer Feld kein sozialer Wohnungsbau sind

von der Gruppe AVANTI

5/6-2014

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"Gestalten statt Stillstand" heißt es auf den Plakaten der SPD in ganz Berlin. Die Aussage: wer beim Volksbegehren für "100% Tempelhofer Feld" abstimmt, verhindert sozialen Wohnungsbau und verschärft die Wohnungskrise. Doch stimmt das wirklich? Jahrelang hat der Berliner Senat Wohnraum privatisiert, verkauft, verschenkt - jetzt soll auf einmal alles sozial sein?

Tempelhof - ein großer Wurf Sozialwohnungen?

Der Senat macht viel Werbung für sozialen Wohnungsbau auf dem Feld, aber sein Gesetzentwurf enthält keine konkreten Zusagen dafür. Unverbindliche Angaben an anderer Stelle sprechen von 50% Wohnungsbau, davon wiederum die Hälfte mit Sozialmieten. Der Rest ist Gewerbeflächen oder Mischbebauung vorbehalten. Reale Vereinbarungen mit Bauträgern gibt es bisher nur für 1700 Wohneinheiten am Tempelhofer Damm. Hier soll die Hälfte mit Sozialbindung und Kaltmieten von 6-8 Euro/qm gebaut werden. Das wären 850 Wohnungen von insgesamt 4700 geplanten Einheiten - also nur 18% Sozialwohnungen. Ob diese Quote noch steigt, ist zweifelhaft - zumindest gibt es keine bindenden Verpflichtungen dazu.

10 Euro Warmmiete ist kein Sozialer Wohnungsbau!

Das Soziale in den Senatsplänen besteht also darin, dass auf einem Bruchteil der Fläche Wohnungen mit Kaltmieten von 6-8 Euro/qm gebaut werden. Hinzu kämen noch Betriebskosten, die in Berlin durchschnittlich 2,42 Euro/qm betragen. Warmmieten von bis zu 10,42 Euro wären die Folge, Mieten die deutlich über den vom Jobcenter genehmigten Sätzen für Hartz IV-Empfänger_innen liegen. Auch für geringverdienende Haushalte ist dies zu teuer. Berechnungen des Stadtsoziologen Andrej Holm geben für armutsgefährdete Haushalte mit weniger als 60% des Berliner Durchschnittsverdienstes leistbare Höchstmieten (kalt) von 5,42 Euro bis 5,90 Euro an. Selbst die billigsten Wohnungen auf der neuen "Tempelhofer Freiheit" wären also zu teuer für die Armen Berlins. Und davon gibt es nicht wenige: aufgrund der niedrigen Löhne in der Hauptstadt sind dies etwa 260.000 Haushalte.

Und wenn schon die geplanten Sozialbauten unbezahlbar sind für Erwerbslose und Geringverdiener_innen, dann fragt man sich, was mit dem Rest ist. Eine Mietobergrenze nennen die Senatspläne nicht. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass fast ausschließlich hochpreisige Wohnungen entstehen werden, um die Baukosten schnell wieder reinzuholen. Dies wird nicht ohne Auswirkungen auf den Mietspiegel bleiben: Bereits jetzt ziehen die Mieten in den Kiezen rund um das Tempelhofer Feld rasant an, eine Verdrängungswelle ist in vollem Gange. Ein neuer Schwung von Hochpreiswohnungen in dieser Gegend würde dies noch befeuern.

Mehr Wohnungen bedeutet nicht billigere Mieten

Wo Wohnraum eine Ware am Markt ist, führt mehr Angebot durch Neubau nicht zum Preisverfall, sondern zur Preissteigerung. Denn Investoren bauen nicht aus Barmherzigkeit, sondern wollen Profit. Der Quadratmetermietpreis setzt sich daher nicht nur aus den realen Baukosten zusammen, sondern enthält auch eine erhebliche Gewinnspanne. So kommen die hohen Neubaumieten zustande. Und angesichts knapper Kassen handelt der Senat mit seinen landeseigenen Gesellschaften kaum anders als ein Privatinvestor. Neubauten heben also den Schnitt, Mietspiegel und durchschnittliches Mietniveau steigen. Wenn durch Umzug in Neubauten Altbauwohnungen frei werden, werden auch diese nicht zum alten Preis vermietet, sondern deutlich teurer. Das Mietniveau steigt noch einmal.

Durchbrochen werden kann dieser Mechanismus zunächst nur durch politische Regulierung: Wohnraum ist Menschenrecht, hier müssen andere Regeln gelten. Neubau muss ohne Gewinnerwartung durch die öffentliche Hand erfolgen, und zwar ausschließlich im unteren Preissegment - denn dort werden Wohnungen gebraucht. Für Altbauten muss derweil eine echte Mietpreisbremse her, die Preissteigerungen bei Neuvermietung komplett verbietet.

Neubau nicht um jeden Preis: Kommunalisierung statt Immobilienwirtschaft

Ein wirklich sozialer Wohnungsbau braucht also nicht nur 18% oder 50%, sondern 100% Sozialwohnungen. Sozial sind diese Wohnungen nur dann, wenn ihre Mieten auch für armutsgefährdete Haushalte bezahlbar sind - also mit unter 5 Euro statt 6-8 Euro Kaltmiete. Solche Bauprojekte würden den Mietspiegel senken und Druck aus dem Wohnungsmarkt nehmen. Zusätzlich müssen die Altbaumieten gedeckelt werden, denn Neubau allein kann die Wohnungskrise nicht lösen. Wer bezahlbare Mieten will, muss daher nicht das Tempelhofer Feld zubauen, sondern andere Maßnahmen ergreifen:

-sofortige Mietpreisobergrenze bei Neuvermietungen
-Enteignung von leerstehendem Wohnraum
-Umwandlung von leerstehenden Büroflächen zu Wohnraum
-Neubau nur mit Sozialmieten von unter 5 Euro
-Sozialer Wohnungsbau nicht wie früher als Gewinngarantie für Privatinvestoren
-Sozialer Wohnungsbau nur in öffentlichem Eigentum
-Sozialer Wohnungsbau nur mit demokratischer Mitsprache der MieterInnen
-Finanzierung des Neubaus durch Grunderwerbsteuer und Vermögenssteuer

Mittelfristig muss das Ziel sein:

Wohnraum vergesellschaften! - Wohnraum muss öffentliches Gut in öffentlichem Eigentum werden. Keine Profite mit der Miete!

Tempelhofer Feld: Senat will Privatisierung statt soziales Wohnen.

Für Tempelhof bedeutet das: die angeblichen Sozialwohnungen auf dem Tempelhofer Feld sind zu teuer geplant, die Wohnungen außerhalb der Sozialbindung werden mit Hochpreisen den Mietspiegel heben. Die Baupläne des Senats werden den Trend zu höheren Mieten nicht stoppen, sondern verstärken. Die geplanten riesigen Gewerbeflächen sind unnütz und bedeuten eine Privatisierung von großen Teilen des Feldes.

Unter diesen Umständen ist die Alternative nicht "Parklandschaft oder Sozialbauten". Ein neuer sozialer Wohnungsbau muss her, aber transparent, öffentlich und demokratisch kontrolliert - nicht als Spielwiese für den Berliner Baufilz wie in der Vergangenheit!

Nein zu den Bebauungsplänen des Senats!

Wer wirklich eine Wende in der Wohnungspolitik will, sollte dem Berliner Senat zeigen, dass seine Pläne unsere Probleme nicht lösen.

Daher am 25. Mai:

JA zum "Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes"
(1. Abstimmungsfrage)

NEIN zu den Plänen des Senats
(2. Abstimmungsfrage)

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Artikel von der Avanti-Website, wo er am 3. Mai 2014 erschien.