Fußball WM 2014 in Brasilien
Offener Brief an die Menschen, die nach Brasilien kamen, dem Weltpokal beizuwohnen

von verschiedenen AutorInnen der internationalen anarchistischen Föderation

5/6-2014

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onlinezeitung

Seid uns gegrüßt, und verzeiht, dass wir stören, aber bei den vorhandenen Verhältnissen halten wir es für notwendig, dass Ihr den wirklichen Kontext des Fußball-Weltpokals kennt, dem Ihr beiwohnen wollt. Wir wollen Euch bloß einige Infos liefern, welche die brasilianische Regierung und deren Reisegesellschaft Euch wahrscheinlich nicht geben werden.

Der Weltpokal, den uns von der FIFA anvertraut wurde, bedeutet - im Moment, wo wir diesen Brief schreiben- Ausgaben in Höhe von 25,6 Milliarden Reais, d.h. 11,5 Milliarden Dollar. Davon werden über 83% vom Staatsgeld bestritten- vom Steuergeld des Volkes. In Brasilien beträgt der Mindestlohn 724 Reais (325 $) pro Monat, die Eintrittskarten für die Spiele können bis fast 1000 Dollar kosten. Der brasilianische Arbeiter kommt für einen Event auf, dem er selber nicht beiwohnen kann. Laut einer rezenten Umfrage lehnen 75,8% der Brasilianer die Investitionen ab, die in diesen Weltpokal geflossen sind.

Laut UNESCO werden in unserem Land 3,7 Millionen Kinder und Jugendliche immer noch nicht eingeschult und die Analphabetismusrate liegt bei 10%. Und als würden die Mängel unseres Bildungswesens nicht genügen, hat die Regierung für die Dauer des Weltpokals Schulferien eingeführt. In unserem Land haben über 242 000 Familienhaushalte keinen Stromzugang, von unserem bei weitem nicht ausreichenden Gesundheitswesen ganz zu schweigen, während der Fußballabgott Ronaldinho öffentlich erklärt, dass „Spitäler keinen Weltpokal ausmachen“
 
Heute befinden wir uns in einer äußerst kritischen wirtschaftlichen Lage, unsere Steuerrate gehört zu den höchsten weltweit, aber 50% unseres BIP fließt in die Rückzahlung unsinniger Staatsschulden, wobei Leute verhungern; und die Hälfte des Landesreichtums landet in die Tasche einiger Banker - von den Verlusten zu schweigen, die auf Korruption und mangelhafte Verwaltung der öffentlichen Gelder zurückzuführen sind.
 
Die übermäßigen Ausgaben im Zusammenhang mit dem Weltpokal sind nur die Spitze des Eisbergs; im Namen dieses Pokals wurden zahlreiche Bürgerrechte verletzt, kein seltenes Vorkommnis in einem Land mit einer stark militarisierten Polizei, welche oft von internationalen Organisationen wie Amnesty International und sogar von der UNO ins Visier genommen wurde (letztere hat sogar empfohlen, die PM - brasilianische Militärpolizei- aufzulösen.)
 
Die Gemeinschaften, die in der Nähe der Stadien wohnen, werden einem ostentativen, bestialischen polizeilichen Druck unterzogen werden- auch die Armee wird vorhanden sein. Dies nicht zur Sicherung der allgemeinen Sicherheit, sonder Eurer Sicherheit, Ihr Besucher, wie schon der Fall bei dem „Complexo da Maré “, das schon von der Armee, der Marine und der PM, insgesamt 2500 Mann, besetzt wird. Das Recht auf Wohnung haben die Regierung und die FIFA nicht außer Acht gelassen; Tausende Familien sind aufgrund des Events zwangsumgesiedelt, darunter die einheimischen Familien der Besetzergemeinschaft Aldeia Maracanã, die trotz ihres Widerstandes mit Gewalt verjagt wurden.
 
Wieder nichts Neues bei uns, unter unserem „demokratischen“ Regime, dass auf der Baustelle eines Kraftwerks mitten im Herzen Amazoniens (Belo Monte) das Militär eingegriffen ist, um den Protest derUrvölker und der lokalen Gemeinschaften zu verhindern, die vom Bau des Staudamms betroffen werden.
 
Außerdem ist über ein Dutzend Arbeiter auf den Baustellen des Weltpokals umgekommen, damit die Stadien rechtzeitig fertig gebaut sind. Und zu all diesen Problemen kommt noch die Kinderprostitution, die in unserm Land laut dem Nationalen Forum für die Prävention und Beseitigung der Kinderarbeit (FNPETI) ungefähr 500 000 Kinder berührt. Ein Szenario, das potentiell durch das Abhalten des Weltpokals noch verschlimmert wird.
 
Viele von uns sind empört, gehen auf die Straße und erheben Protest, aber die Regierung versucht, mit der effizienten Unterstützung der Medien das alles zu ersäufen, indem sie die Demos kriminalisiert und durch das Militär hart niederhalten lässt. NGO und internationale Organisationen haben mehrere Menschenrechtsverletzungen angeprangert.
 
Der Staat und seine parteiischen Verwaltungsstellen reagieren nicht und geben keine Antwort auf die Bedürfnisse des Volkes nach Gesundheit, Wohnung, Arbeitsplätzen, die wir dank unserer Einheit erkämpft haben.
 
Dieser Brief ist als eine Bitte um Unterstützung zu fassen, teilt bitte diese Info mit möglichst vielen Menschen, helft uns, der Weltöffentlichkeit eine Realität vorzulegen, die die brasilianische Regierung, die FIFA und die Sponsoren des Weltpokals um jeden Preis verbergen wollen.

Unterzeichnende:

Boletim Operário - operario.boletim@gmail.com - Liga Sindical Operária Camponesa-ligalibertaria@riseup.net - Fenikso Nigra - fenikso@riseup.net Barricada Libertária - lobo@riseup.net - Dança das Idéias - dancasdasideias.blogspot.com/ Caos em Fluxo - caosemfluxo.wordpress.com/ Pessoas anarquistas. Anarkio.net
 

Quelle: http://i-f-a.org/index.php/es/ / Übersetzung: Michèle Mialane