Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Rodeo in Rodez

5/6-2014

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Ein Berater von François „Oberflasche“ Hollande wurde am Freitag, den 30. Mai 14 kurzfristig von Protestierenden „in Gewahrsam genommen“. Die französische progressive Bauern- und Bäuerinnen-Gewerkschaft Confédération paysanne, die diese Aktion durchführt, kämpft gegen ein Großprojekt.

Immerhin ein Versprechen hielt die Oberflasche François Hollande, dessen Politik ansonsten nicht einmal mehr als sozialdemokratisch bezeichnet werden kann. (Und mit dessen sonstigen, insbesondere vor den Wahlen abgegebenen Versprechungen es nicht weit her ist, vgl. dazu http://luipresident.blog.lemonde.fr )

Vor nunmehr einem Jahr hatte er dem Maler Pierre Soulages, eine Größe der zeitgenössischen abstrakten Malerei, versprochen, der Einweihung des ihm gewidmeten Museums beizuwohnen. Am Freitag, den 30. Mai wurde dieses nun eröffnet. Hollande kam, und mit ihm einige seiner Berater zuzüglich der Sicherheitsleute. Aber auch zwei– bis dreihundert Demonstrant/inn/en waren gekommen: ,intermittants du spectacle‘ (Kulturprekäre), andere prekäre Lohnabhängige, Metallarbeiter/innen sowie Angehörige der links-ökologisch orientierten Agrargewerkschaft Confédération paysanne.

François Hollandes Berater für Landwirtschaftspolitik, Philippe Pinçon, verweilte dabei etwas länger an einem Ort als die anderen. Er sollte in der Präfektur (juristische Vertretung des Zentralstaats im Département) mit Gewerkschaftern aus dem Agrarsektor zusammentreffen. Diese schlossen jedoch flugs die Tür mit einem Schlüssel ab und unterhielten sich eine Weile lang zu ihren Konditionen mit Pinçon. Über die sozialen Netzwerke verkündeten sie unterdessen, dieser sei „in Gewahrsam genommen“ und werde „angehört/vernommen“; vgl. https://twitter.com/

Die Beteiligten an der Aktion forderten die umgehende Freilassung von fünf ihrer Gewerkschaftskollegen, die an einer (angekündigten) Aktion gegen das landwirtschaftlich-industrielle Großprojekt ‚Ferme des mille vaches‘ teilgenommen hatte. Letztere befanden sich seit fast zwei Tagen im Polizeigewahrsam, aus dem sie kurz darauf auch freikamen – die gesetzliche Höchstdauer dafür beträgt 48 Stunden, im Terrorismusbereich allerdings das Doppelte – und waren wegen behaupteter „Sachbeschädigung“ festgenommen worden. Beide, Pinçon und die fünf Aktivisten, kamen iherseits am frühen Freitag Nachmittag gegen 14 Uhr frei.

Die Confédération paysanne hatte zuvor öffentlich angekündigt, den Bau an diesem Projekt stören zu wollen. Wie jede ihrer Aktion, ging auch diese mit einer öffentlichen Vorankündigung, dem Überschreiten von Verboten und Durchbrechen von Absperrungen, aber mit keinerlei Gewalt gegen Personen vonstatten. Rund fünfzig Personen waren daran am Mittwoch, den 28.05.14 beteiligt.

Das Projekt der ,ferme des mille vaches‘ („Hof der 1000 Kühe“) liegt im Département Somme, in der Picardie, im Nordosten Frankreichs nahe der Mündung des Somme-Flusses. Es hat nichts mit dem plateau des mille vaches in der Region Limousin, einem Hochplateau im französischen Zentralmassiv, zu tun.

Das auch als „Farm-Fabrik“ bezeichnete Projekt ist u.a. deswegen heftig umstritten, weil es eine neue Stufe in der Industrialisierung der Landwirtschaft einleitet und eine weitere Konzentration der Agrarproduktion zu beschleunigen droht. Und damit auch die Vernichtung von Arbeitsplätzen; die Anzahl der Beschäftigten in der französischen Landwirtschaft ging in den letzten zehn Jahren um 11 % zurück. Das Projekt des „Hofs der eintausend Kühe“ beinhaltet eine Farm mit Gebäudehaltung – also ohne Freilandzucht – von insgesamt 1.750 Rindern und Kälbern, aber auch eine Anlage zur Herstellung von Methangas aus dem Kuhmist.

Dies bedeutet einen Quantensprung in der Anzahl von Tieren, da bislang die Herden bzw. Höfe mit Rindviechern in Frankreich (Politiker nicht mitgezählt) eine Kopfzahl von 350 nicht überschreiten. Laut Zahlen aus dem Jahr 2010 überstieg damals die Hälfte der Rinder haltenden Landwirtschaftsbetriebe in Frankreich nicht eine Kopfzahl von 50. Aufgrund der starken Intensivierung der Produktion und der starken räumlichen Konzentration wird zudem eine übermäßige Belastung des örtlichen Trinkwassers, etwa mit Stickstoffverbindungen aus organischen Resten (Kuhmist, Jauche…), und eine Beeinträchtigung der Lebensqualität für die Anwohner/innen befürchtet.

Das Projekt soll normalerweise im Sommer 2014 eingeweiht werden. Seine Gegner/inne bleiben zahlreich, und auch die Confédération paysanne will ihre Mobilisierung fortsetzen.

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Vgl. zu dem ,projet des mille vaches‘: http://www.lemonde.fr/

Editorische Hinweise

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