Es kommen nicht nur
schlechte (politische) Nachrichten aus Frankreich. Dieser Sieg
ist nicht zu unterschätzen: Nach 1.336 Tagen im Kampf haben die
Arbeiter/innen einer Teebeutelfabrik in Gémenos, in der Nähe von
Aubagne im südöstlichen Umland von Marseille, einen bedeutenden
Erfolg davon getragen. Der Lebensmittelkonzern Unilever hat sich
verpflichtet, ihnen zwanzig Millionen Euro zu zahlen – dafür,
dass sie in Eigenregie ihre Produktion weiterbetreiben. Und so
kam es dazu.
Im August 2010 verkündete der
britisch-niederländische multinationale Konzern Unilever seine
Pläne, die Produktion von Teebeuteln – der Marke ,Eléphant’, mit
dem berühmten Elefanten auf dem Etikett – und von
Lipton-Schwarztees in Südfrankreich dichtzumachen und nach Polen
zu verlagern. Das Werk im Umland von Marseille war dort seit
1896 ansässig. Den 182 Lohnabhängigen vor Ort wurde großzügig
„angeboten“, ihre Arbeitsplätze zu behalten - aber nur, falls
sie einen Umzug nach Polen und dort praktizierte Löhne
akzeptierten. Doch bereits Ende der 1990er Jahre waren viele
abhängig Beschäftigte des Werks schon einmal umgezogen, weil
nämlich damals die Produktion aus dem normannischen Le Havre (wo
Unilever eine dort ansässige Fabrik 1998 schloss) in den Raum
Marseille verlagert worden war. Dieses Mal wollten die abhängig
Beschäftigten die Provokation nicht hinnehmen.
Der Konzern hatte
übrigens gleichzeitig – über ein juristisches Konstrukt in Form
fiktiver Filialen- und Beteiligungsmodelle – seine Steuerflucht
organisiert und seine Umsatzsteuer im schweizerischen Kanton
Schaffhausen, statt in Frankreich, erklärt. Dadurch zahlte der
Konzern nur fünf Prozent Umsatzsteuer auf seine französische
Filiale statt 30 %, und erleichterte dadurch Frankreich jährlich
um 67 Millionen Euro.
Doch die Lohnabhängigen besetzten ab
September 2011 „ihr“ Werk, nachdem ihnen im August desselben
Jahres die Kündigungen („mitsamt“ Angebot für einen Job in Polen
zu einem Bruchteil des bisherigen Lohns) zugeflattert waren. Um
den Abtransport der Produktionsgeräte nach Polen und/oder
Belgien zu verhindern, blieben sie Tag und Nacht bei den
Maschinen, organisierten Wachen und schließlich
den Vertrieb der noch vorhandenen Produkte. Auf zahlreichen
linken Veranstaltungen, ATTAC- Treffen und Gewerkschaftsmeetings
in Frankreichs konnte man in den letzten Jahren folglich die
Teebeutel mit dem Elefanten drauf erwerben, und für die
Fortführung des Kampfs spenden. 1m 31. Januar und 1. Februar
2014 organisierten die kämpfenden Lohnabhängigen vor Ort zudem,
in der Produktionshalle von Gémenos, einen internationalen
Kongress selbstverwalteter und „reaktivierter“ Betriebe. Dazu
kamen etwa Menschen aus Argentinien, aus Italien (etwa von der
besetzten Industrieanlage ,Officine Zero’ in Rom), von anderen
Orten in Frankreich oder von der mittlerweile berühmten
selbstverwalteten Fabrik VIO.ME im griechischen Thessaloniki.
76 Lohnabhängige blieben bis zum Schluss bei
der Stange, während einige andere der ursprünglich 182
Beschäftigten sich vorrangig um ihre Familie und einen neuen Job
kümmern mussten. Die verbliebenen, für einen Neuanfang unter dem
Zeichen des Elefanten kämpfenden Lohnabhängigen haben nun einen
wichtigen Sieg errungen. Ermöglicht hat ihn auch eine erste
juristische Erfolgswelle vor den Gerichten: Die Gewerkschaften –
im Kampf standen besonders die CGT und die CFE-CGC, Gewerkschaft
der höheren Angestellten - sowie das ,Comité d’entreprise’
(ungefähre Entsprechung zum deutschen Betriebsrat) hatten drei
mal hintereinander die „Sozialpläne“ des Unternehmens
gerichtlich annullieren lassen. Im Oktober 2013 hatte ein
Gericht dem Unilever-Konzern ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000
bis 10.000 Euro pro Versäumnis-Tag auferlegt, falls er nicht mit
der Personalvertretung in Verhandlungen über eine vierte Auflage
eines „Sozialplans“ trete. Doch die gewerkschaftlicher
Vertreter/innen der Lohnabhängigen ließen
in ihren Forderungen nicht locker und heizten dem Konzern bei
den Verhandlungen ordentlich ein.
Nun musste das Unternehmen endgültig
nachgeben – und unterzeichnete am Dienstag, den 27. Mai 14 ein
Abkommen, das es insgesamt rund zwanzig Millionen Euro kosten
wird. Jede/r der kämpfenden Lohnabhängigen erhält zunächst
100.000 Euro Abfindung (über das gesetzliche Minimum von einem
Zehntel Monatsgehalt pro Jahr Beschäftigungsdauer, bei
betriebsbedingter Kündigungen) hinaus. Vor allem aber muss
Unilever in das Wieder-Anfahren des Werks, das es juristisch im
September 2012 abgewickelt hatte – damals war es formal
geschlossen worden – investieren.
Konkret erhalten die
Lohnabhängigen 19,26 Millionen Euro für ihr Projekt, in Form
einer „Arbeiterkooperative“ (SCOP) die Produktion in
Eigenverantwortung und unter eigener Regie wieder aufzunehmen.
Davon sind 300.000 Euro dafür bestimmt, die Produktionsgeräte
wieder funktionsfähig zu machen. 250.000 Euro gehen in
Investitionen in modernere Produktionstechnologien, und 1,52
Millionen in das Eigenkapital der künftigen Kooperative. 200.000
Euro sind für das Anwerben von Führungskräften (wie eines
Marketing-Direktors) bestimmt, 50.000 für Marktstudien und das
Entwerfen einer eigenen Marke, und 500.000 Euro für die
Fortbildung der Arbeiter/innen.
Die Lohnabhängigen
haben erklärt, ihre Produktion nach ,Fair trade’-Konzepten
wieder aufnehmen zu wollen, und haben dafür Kontakte zu
Teeproduzent/inn/en in den hauptsächlichen Anbauländern
aufgenommen. Ihnen soll es nicht (nur) darum, ihr eigenes
Unternehmen künftig profitabel oder jedenfalls „wirtschaftlich
lebensfähig“ zu halten, sondern es zugleich zum Modell für neue
Formen sozialer Beziehungen zu machen.
Vgl. dazu aktuelle
Links:
Editorische
Hinweise
Wir erhielten
diesen Artikel vom Autor für diese Ausgabe.
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