| Der Begriff »Staatskapitalismus« 
                entstand beträchtliche Zeit vor der Oktoberrevolution. Anfang 
                der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde er von 
                deutschen Sozialdemokraten als Antwort auf die reformistischen 
                Standpunkte von Georg von Vollmar u.a. kreiert, die der 
                Auffassung waren, der bürgerliche Staat müsse ermutigt werden, 
                Maßnahmen zu ergreifen (Nationalisierungen), die als 
                Vorbereitung auf einen zukünftigen »Staatssozialismus« fungieren 
                könnten. Die Opponenten (W. Liebknecht u.a.) waren dagegen der 
                Auffassung, daß ein Ausbau des bürgerlichen Staates nicht zum 
                »Staatssozialismus«, sondern zum »Staatskapitalismus« führen und 
                darum das Kräfteverhältnis nur zum Nachteil der Arbeiterklasse 
                beeinflussen werde.(9) Von seinem Ursprung her war 
                »Staatskapitalismus« also keine Kategorie mit einer primär 
                analytischen Intention; vielmehr war der Begriff doppelt von 
                der Wirklichkeit abgelöst: »durch seine Entgegensetzung zu 
                einem anderen Begriff und dessen Bezug auf eine 
                künftige Gesellschaft«(10). 
                                    
                  
                
                
                  
                  
            
                In den Jahren 1914-18 gab die deutsche 
            Kriegsökonomie mit bisher unbekannten Staatsinterventionen in den 
            ökonomischen Prozeß (Produktionszwang für Betriebe, Regulierung der 
            Distribution von Konsumgütern, Festlegung der Höchstpreise usw.) 
            den Anlaß zu einem weitergehenden Wandel des 
            Staatskapitalismus-Begriffs. Nikolai Bucharin entwickelte in dieser 
            Zeit die Theorie, daß der Staatskapitalismus ein neues und höheres 
            Stadium der kapitalistischen Entwicklung sei, ein Stadium, in dem 
            die inländische Konkurrenz zwischen Unternehmen durch 
            Staatseingriffe tendenziell reguliert werde und die Konkurrenz 
            innerhalb des nationalen Kapitals sich fast vollständig auf den 
            Weltmarkt verschiebe.(11) Auch Autoren mit anderen 
            politischen Auffassungen, wie der Sozialdemokrat Karl Renner oder 
            der Rätekommunist Otto Rühle, formulierten ähnliche 
            Gedanken.(12) 
                                    
                  
                
                
                  
                  
            
                Die Frage, inwieweit nach 1917 in 
            Rußland Staatskapitalismus bestand, beeinflußte schon bald die 
            Diskussion der Bolschewiki. Die Links-Oppositionellen, gruppiert um 
            die Zeitschrift Kommunist, fürchteten, daß die betriebene 
            Industriepolitik die Arbeitermacht in den Betrieben angreifen werde 
            und so das Fundament des revolutionären Prozesses zu zerstören 
            drohe. Ossinski formuliert diese Auffassung so: 
                  
            »Wenn das Proletariat nicht selbst 
            weiß, wie die notwendigen Vorbedingungen für die sozialistische 
            Organisation der Arbeit zu schaffen sind - niemand kann das für es 
            tun, und niemand kann es zwingen, das zu tun. [...] Sozialismus und 
            sozialistische Organisationen müssen vom Proletariat selbst 
            errichtet werden, oder sie werden gar nicht errichtet; etwas anderes 
            wird entstehen - Staatskapitalismus.«(13) 
            In derselben Zeit wandte auch Lenin 
            den Staatskapitalismus-Begriff auf Rußland an. Er meinte, daß eine 
            Diktatur des Proletariats sehr wohl mit einem Staatskapitalismus 
            versöhnt werden könne. Zwischen dem Kapitalismus der freien 
            Konkurrenz und dem Sozialismus liege eine Übergangsperiode; während 
            dieser Periode müßten die Revolutionäre soviel wie möglich von den 
            Methoden und Erkenntnissen des vor allem in Deutschland geformten 
            Staatskapitalismus übernehmen.(14) In diversen Beiträgen 
            von Bucharin, Ossinski, Lenin und u.a. wurde der Staatskapitalismus 
            sehr weit gefaßt: als Marktwirtschaft mit großem Staatseinfluß. In 
            den Debatten über die Sowjetunion in den dreißiger Jahren wurde der 
            Staatskapitalismus-Begriff von vielen Autorinnen übernommen; er 
            erhielt dabei jedoch allmählich eine etwas andere - genauere - 
            Auslegung: eine Ökonomie, in welcher der Staat als einziger 
            Unternehmer auftritt. Ausgangspunkt dieser Präzisierung war die 
            strukturelle Transformation in der Sowjetunion selbst: Der 
            traditionelle Markt der NÖP-Periode verschwand und der Staat wurde 
            als alles beherrschendes Machtzentrum etabliert. 
            Die Theorien des Staatskapitalismus 
            waren von allen Theorien über die Sowjetunion, die in der Periode 
            1929-1941 präsentiert wurden, die am meisten verwendeten. Nächst den 
            im folgenden vorgestellten Varianten wurden noch viele andere 
            Beiträge mit verwandten Zügen erbracht. Sie werden hier nicht 
            vorgestellt, da sie den hier besprochenen Varianten nichts Wichtiges 
            hinzufügen.(15) Die Popularität der Theorien des Staatskapitalismus 
            kann schlicht aus dem Umstand erklärt werden, daß sie dem alten 
            unilinearen Schema noch sehr nahe standen. Obwohl der 
            Staatskapitalismus keinen »gewöhnlichen«, sondern einen »neuen« und 
            nach Auffassung vieler Autorinnen »höheren« Kapitalismus bildete, 
            konnte er einfach in das Muster »Feudalismus - (Staatskapitalismus 
            - Sozialismus« eingepaßt werden. 
            3.1.1 Mjasnikow 
            Anfang 1931 beendete der 
            oppositionelle Bolschewik Gawril Mjasnikow(16) die Arbeit 
            an einer Broschüre über den Charakter der Sowjetgesellschaft, die er 
                in eigener Verantwortung unter dem Titel Otscherednoj 
                obman (Neuer Betrug) publizierte.(17) 
                Die niederländische Fassung erschien in der 
                linkskommunistischen Zeitschrift De Nieuwe Weg.(18) 
                Mjasnikow zufolge hatte in der Sowjetunion eine gewaltsame 
                Revolution stattgefunden. Nachdem anfänglich die Arbeiterklasse 
                über ihre Arbeiterräte die Macht in der Hand gehabt habe, sei es 
                »der Weltbourgeoisie« innerhalb von drei Jahren gelungen, über 
                Interventionen und Bürgerkrieg einer fundamentalen 
                Machtverschiebung Raum zu verschaffen. 
                
            »Die Industrie war erstarrt, die 
                Arbeiter hatten sich zerstreut, und so mußten auch die
                meisten Arbeiterräte zu Grunde gehen. Das Proletariat 
                hörte auf, die herrschende Klasse zu 
                sein, die über die politische und ökonomische Hegemonie verfügte 
                [...].«(19) 
            Weil die nationale Bourgeoisie im 
                wesentlichen fehlte, fiel die Macht in die Hände der Bauern, des 
                zahlreichen »Kleinbürgertums«. Dieser Zustand konnte jedoch 
                nicht lange währen: 
                
            »Das Kleinbürgertum triumphierte, aber 
                dieser Sieg wird für es kein Glück sondern
                Unglück bedeuten. Es kann die Industrie vermittels eines 
                bürokratischen Apparats leiten, und auf 
                Grund der typischen atomisierten Struktur dieser Klasse kann es 
                keine ausreichende Kontrolle über die 
                Bürokratie ausüben, es kann also nicht verhindern, daß
                diese sich von einer Dienerin zu einer es unterdrückenden 
                Herrscherin entwickelt.«(21) 
            Im Lauf der zwanziger Jahre hatte sich 
                die Bürokratie in eine herrschende Klasse verwandelt. Ihre Macht 
                beruhte auf dem Staatseigentum an den Produktionsmitteln, und 
                diese Macht wollte sie fortwährend vergrößern: 
            
            »Die Bürokratie, die an 
            der Spitze der nationalisierten Industrie steht und die allmählich 
            auf diesem Gebiet die Reste der privatkapitalistischen Exploitation 
            vernichtet oder assimiliert, hat die Neigung, ihre Herrschaft über 
            alle Produktionsgebiete auszudehnen.«(21) 
            Damit war ein »Staatskapitalismus« 
            entstanden, inklusive Ausbeutung und 
            Mehrwertproduktion.(22) 
            
            »Die gesamte 
            Staatshaushaltung der UdSSR stellt gleichsam eine einzige große 
            Fabrik dar, in der eine geordnete Zusammenarbeit und Arbeitsteilung 
            zwischen den verschiedenen Arbeitsplätzen gegeben ist.«23 
            Mjasnikow warnte, diese neue Form des 
            Kapitalismus auf die gleiche Ebene mit dem alten Privatkapitalismus 
            zu stellen. Durch die Nationalisierung von Boden, Bergbau und 
            Industrie und die freie Verfügung über das Staatsbudget kann die 
            Bürokratie beträchtlich effektiver operieren als die klassische 
            Bourgeoisie. Sie ist in der Lage, völlig frei Kapitalströme zu 
            dirigieren undFinanzierungsmittel für Investitionen aufzubringen, über die 
            »einfache« Unternehmer nicht verfügen, und sie wird bei der 
            Ausführung von Plänen nicht von Grundbesitzern oder anderen 
            Unternehmen gehindert. In diesem Sinne befindet sich die 
            Sowjetgesellschaft in einem höheren Entwicklungsstadium als der 
            Konkurrenzkapitalismus:
 
            
            »Auch wenn die 
            Bürokratie die Geschäfte nicht immer gut führt, tut sie es immer 
            noch besser als die Bourgeoisie. Sie arbeitet unter völlig anderen 
            Umständen und stellt, mit welchem privaten Produktionssystem auch 
            immer verglichen, eine höhere Produktionsform dar.«(24) 
            Bei internationalen Konflikten müßten 
            Sozialisten darum für die Sowjetunion Partei ergreifen.
 3.1.2 Adler
 
            Friedrich Adler(25) 
            - seit 1923 Sekretär der Sozialistischen Arbeiter-Internationale - 
            präsentierte 1932 »als einzelner Genosse und nicht in meiner 
            Funktion als internationaler Sekretär« eine eigene Theorie der 
            Sowjetunion.(26) Er 
            distanzierte sich sowohl von Kautskys fortwährenden Kassandrarufen 
            wie von apologetischen Tendenzen und führte eine 
            historisch-vergleichende Perspektive ein. 
            Mit Kautsky und Marx teilte er die 
            Auffassung, daß eine sozialistische Gesellschaft nur in einer 
            Situation aufgebaut werden kann, in der Industrie und Arbeiterklasse 
            hochentwickelt sind. Da ein solcher Zustand im nachrevolutionären 
            Rußland noch nicht gegeben sei, müsse Stalins »Experiment« als ein 
            Versuch beurteilt werden, durch Aufopferung einer ganzen Generation 
            von Arbeitern und Bauern die ursprüngliche Akkumulation
            (27), die im 
            entwickelten Kapitalismus bereits stattgefunden hatte, nachträglich 
            zu realisieren und so die Grundlage für eine sozialistische 
            Sowjetunion zu schaffen. 
            
            »Wenn wir das heutige 
            Sowjetrußland zu verstehen trachten, erkennen wir mit steigender 
            Überraschung, daß bei seiner Industrialisierung, obwohl es keine 
            Privatkapitalisten mehr gibt, die charakteristischen Züge der 
            ursprünglichen Akkumulation, die Marx aufgewiesen, wieder in 
            Erscheinung treten. Das Stalinsche Experiment ist 
            Industrialisierung durch ursprüngliche Akkumulation ohne die 
            Mitwirkung von Privatkapitalisten.«(28) 
            Da die historischen Träger des 
            Prozesses, die freien Unternehmer, fehlen, tritt die Staatsmacht als 
            solche an ihre Stelle. Die gesellschaftliche Funktion der Diktatur 
            ist damit: 
            »Niederhaltung der Werktätigen selbst, um die ursprüngliche 
            Akkumulation an ihnen zu vollziehen, um jeden 
            Versuch des Widerstands der Werktätigen gegen die Opfer, die ihnen 
            auferlegt werden, im Keime zu ersticken.«(29) 
            Insgesamt handelt es sich um eine Form 
            des Staatskapitalismus, der einerseits zur Entwicklung kommen mußte 
            wegen des Ausbleibens von Revolutionen in fortgeschritteneren 
            Ländern, die der jungen Sowjetrepublik hätten beistehen können, und 
            andererseits wegen der Schwäche des privaten Kapitalismus zur Zeit 
            der Umwälzung. 
            Mit dieser Feststellung erscheint auch 
            die Planwirtschaft in einem anderen Licht: 
            »Für Marx und Engels schien der 
            Übergang zur Planwirtschaft nur möglich im Rahmen der 
            Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Nun 
            erkennen wir, daß die Planwirtschaft den Sozialismus nicht zur 
            notwendigen Voraussetzung hat, sie bedarf nur des negativen 
            Kriteriums der Beseitigung der privatkapitalistischen Konkurrenz, 
            sie ist auch schon auf dem Boden eines Staatskapitalismus 
            möglich.«(30) 
            Daß diese Interpretation von 
            (links-)sozialdemokratischen Kreisen weithin geteilt wurde, wird 
            u.a. aus der Äußerung von Rafail Abramowitsch Rejn deutlich, einem 
            der Führer der menschewistischen Emigration, Adlers Analyse 
            entspreche im wesentlichen der der russischen Sozialdemokratie.(31) 
            
            3.1.3 Wagner 
            1933 verfaßte Helmut Wagner (geb. 
            1904), ein links-sozialdemokratischer Journalist und Lehrer, der 
            Ende 1934 von Dresden in die Schweiz geflüchtet
            war(32), Thesen über den 
            Bolschewismus. Diese Thesen waren u.a. das Resultat von 
            Diskussionen, die seit 1932 bei den Roten Kämpfern, einer 
            unter rätekommunistischem Einfluß stehenden kleinen illegalen 
            Gruppierung, geführt worden waren.(33) 
            Gorter, Pannekoek u.a. hatten einen 
            wesentlichen Unterschied zwischen Ost- und Westeuropa angenommen; 
            Wagner bezeichnete Rußland als geographisches, politisches und 
            ökonomisches Bindeglied zwischen Europa und Asien. Europa forme, 
            zusammen mit Nordamerika, »das hochkapitalistische Zentrum aktiv 
            imperialistischen Vorstoßes«; Asien bilde »das koloniale Zentrum 
            passiv imperialistischer Ausplünderung«. Beide Zentren seien 
            Mittelpunkte des internationalen Klassenkampfes und beeinflußten 
            die russische Entwicklung.(34) 
            In der russischen Ökonomie seien ein unterentwickelter asiatischer 
            Landbau mit bis 1917 fortbestehenden feudalen Elementen und eine von 
            feudalen Einflüssen durchzogene moderne europäische Industrie 
            miteinander verbunden.(35) 
            Diese besondere Verbindung von Feudalismus und Kapitalismus stelle 
            die russische Revolution vor kombinierte und komplizierte Aufgaben.(36) 
            Faktisch mußte sie die Aufgaben einer bürgerlichen Umwälzung ohne 
            die Unterstützung der Bourgeoisie auf sich nehmen. Sie mußte 
            Aufgaben der bürgerlichen Revolution ausführen, weil es primär 
            darum ging, den Absolutismus zu stürzen, die Privilegien des Adels 
            abzuschaffen und einen modernen Staatsapparat 
            zu bilden.(37) Sie mußte dabei ohne 
            Unterstützung der Bourgeoisie vorgehen, weil diese Klasse sich 
            mit dem Zarismus verbunden hatte und so bereits konterrevolutionär 
            geworden war, bevor sie ihre eigene Revolution beendet hatte.(38) 
            Ein »Klassendreieck« hatte die 
            Aufgaben der Bourgeoisie übernommen(39): Die 
            enormen Bauernmassen bildeten das passive »Fundament«, die numerisch 
            geringen aber kämpferischen Arbeiter die »aktive Kampfwaffe«, und 
            eine schmale Schicht der kleinbürgerlichen Intelligenz »erhob sich 
            zum führenden Kopf der Revolution«.(40) 
            Dem Bolschewismus gelang es, die Rebellionen von Arbeitern und 
            Bauern miteinander zu verknüpfen und die Macht zu ergreifen. Das 
            neue Regime, das 1917 zustandekam, befand sich dadurch von Anbeginn 
            in einer prekären Position: Es durfte die zwei Klassen, auf die es 
            gegründet war, ungeachtet ihrer zum Teil gegensätzlichen Interessen 
            nicht miteinander in einen offenen Konflikt geraten lassen.(41) 
            Um dies zu erreichen, war eine Verselbständigung des 
            Partei-Staatsapparates gegenüber beiden Klassen unvermeidlich: 
            
            »Wie der Staatsapparat 
            des Zarismus über den beiden besitzenden Klassen verselbständigt 
            herrschte, so begann sich der neue Staatsapparat des Bolschewismus 
            über seine Doppelklassenbasis zu verselbständigen. Rußland trat aus 
            dem Zustand des zaristischen Absolutismus in den Zustand des 
            bolschewistischen Absolutismus hinein.«(42) 
            Das Endresultat dieser Entwicklung war 
            ein vom Staat organisierter Kapitalismus ohne Bourgeoisie, mit 
            einer doppelten Klassenbasis. Der Sowjetstaat wird infolgedessen 
            permanent zwischen den Interessen von Arbeitern und Bauern hin- und 
            hergerissen. Der Fünfjahresplan und die forcierte Kollektivierung 
            sind nichts anderes als Versuche, diese Gegensätze mit Gewalt im 
            Zaum zu halten, doch sie haben vorläufig nur »die ökonomischen 
            Schwierigkeiten bis zur Gefahr der Explosion der wirtschaftlichen 
            Widersprüche gesteigert«.(43) 
            Die Sowjetökonomie funktioniert 
            wesentlich kapitalistisch: Die Grundlage ist die Warenproduktion, 
            die Zielsetzung, um die sich alles dreht, ist Rentabilität, es 
            werden bürgerliche Belohnungssysteme angewendet, und die Arbeiter 
            erzeugen Mehrwert.(44) 
            »Der russische Staat weist zwar keine 
            Klasse von Menschen auf, die individuell und direkt Nutznießer 
            dieser Mehrwertproduktion sind, aber bezieht diesen Mehrwert als 
            bürokratischer Schmarotzerapparat im Ganzen. Außer seiner eigenen, 
            recht kostspieligen Erhaltung dient der erzeugte Mehrwert der 
            Erweiterung der Produktion, der Stützung der Bauernklasse und der 
            Begleichung der Auslandsverpflichtungen des Staates. [..] Die 
            russische Staatswirtschaft [...] ist Staatskapitalismus unter den 
            historisch einzigartigen Bedingungen des 
                bolschewistischen Regimes und stellt darum einen höheren Typus 
                der kapitalistischen Produktion dar, als ihn die größten und 
                fortgeschrittensten Länder aufzuweisen haben.«(45) 
            1936-1937, während seines Exils in 
                der Schweiz, erweiterte Wagner die Thesen zu einem 
                umfangreichen nichtpublizierten Werk unter dem Titel Die 
            Grundlagen der bolschewistischen Machtpolitik (Zur Soziologie des 
            Bolschewismus).(46) Teile seiner Untersuchungsergebnisse 
                publizierte er unter dem Pseudonym Rudolf Sprenger.(47) 
                In ihrer Tendenz stimmen diese Veröffentlichungen mit den 
                Thesen überein. 
            
                3.1.4
            Worrall 
                Die Bezeichnung des Sowjetsystems 
                als »Staatskapitalismus« war bei Mjasnikow, Adler und Wagner 
                wenig fundiert. Sie behaupteten nur, daß es in der UdSSR 
                um Mehrwertproduktion, kapitalistische Ausbeutung usw. gehe. 
                Weitere Argumente erbrachten sie für diese Behauptung nicht, 
                was selbstverständlich von apologetischen Autorinnen sofort 
                angemerkt wurde.(48) Am Ende der dreißiger Jahres wurde 
                die Theorie des Staatskapitalismus jedoch allmählich weiter 
                ausgearbeiet. 1939 publizierte das amerikanische Periodikum 
                Modern Quarterly eine Betrachtung unter dem Titel »U.S.S.R.: 
                Proletarian or Capita-list State?«(49) Der Autor R.L. 
                Worrall, dessen biographische Daten ich nicht erschließen 
                konnte,(50) unternahm hier den Versuch, die Theorie vom 
                Sowjet-Staatskapitalismus marxistisch zu fundieren. Um seine 
                Orthodoxie hervorzuheben, knüpfte Worrall bei den Grundlegern 
                des »wissenschaftlichen Sozialismus« an: 
            
                1) An zwei Stellen im dritten Band 
                  von Das Kapital - dem Band, der »von denen, die Marx 
                  studiert haben, so sehr vernachlässigt« wurde - ist 
                  angeführt, welches die wesentlichen Bestandteile einer 
                  kapitalistischen Produktionsweise sind: Konzentration der 
                  Produktionsmittel in den Händen einer kleinen Gruppe von 
                  Besitzenden, gesellschaftliche Organisation des 
                  Arbeitsprozesses, Herstellung des Weltmarktes(51), 
                  Waren- und Mehrwertproduktion(52). 
                2) Bei seiner Analyse des 
                  Aktienkapitals, ebenfalls im dritten Band von Das Kapital,
                  hatte Marx festgestellt, daß bei Aktiengesellschaften die 
                  Führer der Unternehmen zu »Dirigenten« des Kapitals anderer 
                  werden, während die Kapitaleigentümer nur noch einen 
                  Eigentumstitel haben. Dadurch werde das Kapital als 
                  Privateigentum innerhalb der Grenzen der kapitalistischen 
                  Produktionsweise selbst »aufgehoben«.(53) 
                3) In seinem Anti-Dührung 
                  hatte Engels nicht nur auf das Aufkommen des Aktienkapitals 
                  hingewiesen, sondern auch auf die Tendenz, Investitionen, die 
                  für einzelne Unternehmer zu umfangreich sind (z.B. im 
                  Eisenbahnsektor), vom Staat verrichten zu lassen. Beide 
                  Entwicklungen implizierten Engels zufolge keineswegs das 
                  Verschwinden des Kapitalismus: Das Kapitalverhältnis wird 
                  dadurch nicht aufgehoben, sondern nur auf die Spitze 
                  getrieben.(54) 
                Aus 1. schloß Worrall, daß das 
                Privateigentum (insbesondere an den Produktionsmitteln) nicht 
                »in jeder Phase seiner Entwicklung« für den Kapitalismus 
                wesentlich sein muß. Aus 2. und namentlich aus 3. leitete er ab, 
                daß »die weitere Entwicklung des Kapitalismus in Richtung des 
                Staatseigentums an den Produktionsmitteln« zu »der tatsächlichen 
                Aufhebung des Privateigentums« führen kann, während das Wesen 
                des Kapitalismus erhalten bleibe. Mit seiner Berufung auf die 
                Klassiker wollte Worrall vor allem aufzeigen, daß eine 
                Gesellschaft, in der Staat und Kapital zu einem alles 
                dominierenden Ganzen geworden sind, für den wissenschaftlichen 
                Sozialismus theoretisch möglich ist. Auch Lenin wird in 
                diesem Zusammenhang als Zeuge zitiert. 
                Im zweiten Schritt seiner 
                Argumentation versucht Worrall aufzuzeigen, daß die theoretische 
                Möglichkeit in der Sowjetunion Wirklichkeit geworden ist; 
                hier sei tatsächlich auf kapitalistischer Grundlage eine 
                historisch einmalige Verschmelzung von politischen und 
                ökonomischen Machtzentren entstanden. Worralls Thesen hierzu 
                können wie folgt zusammengefaßt werden: 
            
                1) Die stalinistische Bürokratie 
                  ist keine bürgerliche Klasse. Ihre Struktur hat keine 
                  Ähnlichkeit mit der auf Privateigentum basierenden 
                  Bourgeoisie. 
                2) Jedoch ist die Funktion 
                  der Bürokratie identisch mit der Funktion der Bourgeoisie: 
                »ihr gesellschaftlicher Zweck ist, 
                objektiv gesprochen, die Kapitalakkumulation in Rußland - die 
                Warenproduktion, die Erzielung von Mehrwert aus der 
                Arbeiterklasse, die Realisierung dieses Mehrwerts als Profit des 
                Staates und die Umwandlung des Profits in weiteres 
                Staatseigentum, insbesondere Kapital in Form weiterer 
                Produktionsmittel: mehr Fabriken, mehr Maschinen, mehr 
                Bergwerke usw.«(55) 
                3) Die Sowjetunion könnte dennoch 
                  ein Arbeiterstaat sein, wenn die Bürokratie der 
                  Arbeiterklasse untergeordnet wäre, d.h. wenn die Sowjets oder 
                  andere Formen der Arbeiterdemokratie die letztendliche 
                  Bestimmung über die Politik der Bürokratie hätten. Dies ist 
                  jedoch nicht der Fall, und »genau dieser Umstand macht den 
                  russischen Staat zu einem kapitalistischen anstatt einem 
                  Arbeiterstaat«.(56) 
                4) Das Sowjetsystem exportiert kein 
                  Kapital und exploitiert keine Kolonien. Es ist deshalb, obwohl 
                  kapitalistisch, nicht imperialistisch. 
                5) Das Sowjetsystem steht dem 
                  Sozialismus näher als dem gewöhnlichen Kapitalismus. Es ist: 
                »ein Übergangsstadium, in dem das 
                Prinzip des Privateigentums abgeschafft worden ist und die 
                proletarische Kontrolle der Produktionsmittel nur durch eine in 
                einer unsicheren Lage befindliche Bürokratie verhindert wird.«(57) 
            
                6. Der Sowjetkapitalismus konnte 
            aus der proletarischen Oktoberrevolution entstehen, weil seit ca. 
            1923, »ein Jahrzehnt hindurch«, eine Konterrevolution stattgefunden 
            hatte. Diese Konterrevolution wurde ermöglicht durch die Wirkung 
            einerseits objektiver Faktoren (die ökonomische und kulturelle 
            Rückständigkeit, das gesellschaftliche Gewicht der Bauern, der 
            Einfluß des Weltmarkts und der kapitalistischen Ideologie) und 
            andererseits eines subjektiven Faktors, die Schwäche des 
            Widerstands von Trotzki u.a. während der entscheidenden Jahre 
            1923-1929.(58)  
                Obwohl Worrall in gewissem Sinne 
            an Korsch erinnert (schleichende Konterrevolution), vertieft sein 
            Beitrag insofern die Debatte, als er, wie es scheint als erster, 
            versucht hat, den Staatskapitalismus-Begriff nicht als Etikett, 
            sondern in analytischem Sinne zu verwenden. Den Unterschied 
            zwischen Arbeiterstaat und Staatskapitalismus sieht er allein in 
            der politischen Macht. Auch ein kapitalistisches Akkumulationsregime 
            könne im Interesse der Arbeiterklasse sein, sofern sich diese 
            Arbeiterklasse selbst für ihre kapitalistische Ausbeutung 
            entschieden habe. 
            
                3.1.5 Pollock 
            Friedrich Pollock (1894-1970), der 
            bekannte Ökonom der »Frankfurter Schule«,(59) 
            publizierte 1941 eine Theorie des Staatskapitalismus in den 
            Studies in Philosophy and Social Science (zuvor Zeitschrift 
            für Sozialforschung). Er setzte damit nicht allein seine Studien 
            über die Sowjetunion fort, die er in den zwanziger Jahren begonnen 
            hatte,(60) sondern 
            auch seine Reihe von Essays über kapitalistische Krise und 
            Planwirtschaft. Schon 1932 hatte Pollock dargelegt, daß der 
            Kapitalismus durch Verwendung von Plantechniken in der Lage sein 
            könnte, ein neues Gleichgewicht zu finden.(61) 
            In seinem Beitrag 1941 erweiterte Pollock diesen Gedanken zu einer 
            allgemeinen Theorie des Staatskapitalismus. Diese Theorie war 
            primär durch die Entwicklungen in Nazi-Deutschland und Italien 
            angeregt. Die Frage, ob die Theorie insgesamt auf die Sowjetunion 
            angewendet werden kann, zögerte Pollock zu beantworten, weil dort - 
            anders als unter Nationalsozialismus und Faschismus - keine Fusion 
            von alten Kapitalgruppen und Staat stattgefunden hatte, sondern im 
            Gegenteil den früheren besitzenden Klassen die Produktionsmittel 
            durch den Staat genommen worden waren. Vorsichtig formulierte 
            Pollock deshalb seinen Zweifel, »ob unser Bild des 
            Staatskapitalismus auf die Sowjetunion in ihrer augenblicklichen 
            Phase« anzuwenden ist.(62) 
            Dieser Vorbehalt hinderte ihn jedoch nicht, die Sowjetunion in seine 
            Erwägungen einzubeziehen und z.B. zu behaupten, daß das System der 
            staatskapitalistischen Distribution dort weiter entwickelt ist als 
            in Deutschland.(63) 
            Neben den totalitären Varianten hielt 
            Pollock auch demokratische für möglich - 
            diese müssen jedoch vorerst noch hypothetische Konstruktionen 
            bleiben, »für die unsere Erfahrung uns nur wenig Anhaltspunkte gibt«(64). 
            Der Begriff »Staatskapitalismus« bezog sich seiner Auffassung nach 
            nicht so sehr auf eine Regierungsform sondern auf allgemeine 
            Aspekte: Es handelt sich um eine gesellschaftliche Formation, die 
            nicht mehr privatkapitalistisch und noch nicht 
            sozialistisch ist, in der das Gewinnmotiv noch immer eine wichtige 
            Rolle spielt und der Staat wesentliche Funktionen des 
            Privatkapitalisten übernommen hat. 
            Im Staatskapitalismus ist die 
            Autonomie des Marktes aufgehoben. An ihre Stelle tritt die 
            Regulierung durch den Staat: Ein allgemeiner Plan bestimmt die 
            erwünschte Produktion, Konsumtion, Einsparungen und Investitionen; 
            die Preise bewegen sich nicht länger frei, sondern sie werden 
            administrativ festgelegt; die Gewinninteressen der Inidividuen und 
            Gruppen sind dem allgemeinen Plan unterworfen; Stümperei und 
            Improvisation werden durch wissenschaftlich fundiertes Management 
            ersetzt; »Wirtschaftsgesetze« haben keine Bedeutung mehr.(65) 
            In den Unternehmen werden die 
            Privatkapitalisten ihrer Macht beraubt. Das Management wird fast 
            unabhängig vom Kapital; die Unternehmerfunktion geht an den Staat 
            über oder wird auf jeden Fall stark durch den Staat bestimmt; der 
            alte Kapitalist ist - falls seine Fähigkeiten nicht vom Staat 
            gebraucht werden - nur noch Rentier.(66) 
            Die Distribution von Gütern kann auf 
            verschiedene Weise realisiert werden: durch direkte Zuweisung, 
            Koordination durch Kartellierung, damit verbundene Quoten-Systeme 
            usw. 
            Da in diesem System keine 
            »Wirtschaftsgesetze« mehr bestehen, kann ebensowenig von 
            ökonomischen Beschränkungen die Rede sein. 
            
            »Wirtschaftsprobleme im 
            alten Sinne existieren nicht mehr, wenn die Gleichschaltung aller 
            wirtschaftlichen Tätigkeiten [...] durch bewußte Planung erreicht 
            wird.«(67) 
            Die einzigen Beschränkungen sind 
            nicht-ökonomischer Art: zum Beispiel Probleme bei der Beschaffung 
            ausreichender Rohstoffe; Mangel an Fachwissen und Arbeitskräften; 
            Gegensätze innerhalb der herrschenden Gruppe, die aus divergierenden 
            gesellschaftlichen Positionen entstehen; unterschiedliche 
            Machtstrategien; Druck von unten.(68) 
            Was nun die totalitäre Variante betrifft, kann zwischen Italien und 
            Deutschland unterschieden werden, wo eine neue herrschende Klasse 
            als »Verschmelzung der leitenden Bürokraten im Geschäftsleben, in 
            Staat und Partei zusammen mit dem, was von den Kapitalisten übrig 
            geblieben ist«, entstanden ist, und der Sowjetunion, wo die 
            bürokratische Elite nicht mit den Resten von Privateigentum an 
            Produktionsmitteln verbunden ist.(69) 
            Zur gleichen Zeit, in der Pollock das 
            oben dargestellte Modell ausarbeitete, schrieb sein Kollege und 
            enger Freund Max Horkheimer einen erst viele Jahre
            später publizierten Essay über den autoritären Staat(70). 
            Sehr wahrscheinlich entstand dieser Aufsatz im Gedankenaustausch mit 
            Pollock,(71) und er 
            kann vielleicht die Tendenz seiner Theorie erhellen. Schärfer als 
            Pollock trennt Horkheimer zwischen den faschistischen Regimen, die 
            er als »Mischform« charakterisiert, und dem stalinistischen 
            »integralen Etatismus oder Staatssozialismus«. Während unter dem 
            Faschismus noch - in ihrer gesellschaftlichen Bewegungsfreiheit 
            eingeschränkte - Privatkapitalisten bestehen, die von alters her 
            große Teile des Mehrwerts verschlingen, wird im integralen Etatismus 
            die Vergesellschaftung angeordnet: 
            
            »Die privaten 
            Kapitalisten sind abgeschafft. Coupons werden einzig von 
            Staatspapieren abgeschnitten. Infolge der revolutionären 
            Vergangenheit des Regimes ist der Kleinkrieg der Instanzen und 
            Ressorts nicht wie im Faschismus durch Verschiedenheiten der 
            sozialen Herkunft und Bildung innerhalb der bürokratischen Stäbe 
            kompliziert, die dort so viel Reibungen erzeugt. [...] Aber die 
            Produzenten, denen juristisch das Kapital gehört, >bleiben 
            Lohnarbeiter, Proletarien, mag noch so viel für sie getan werden. 
            Das Betriebsreglement hat sich über die ganze Gesellschaft 
            ausgebreitet.«(72) 
            Folgt man Horkheimer, dann können 
            innerhalb des Staatskapitalismus zwei Stadien unterschieden werden: 
            die Mischform des Faschismus und die integrale Form des 
            Stalinismus. Bezieht man diese Überlegung auf die Theorie Pollocks, 
            ist dessen Zögern, die UdSSR und Nazi-Deutschland in ein Modell zu 
            fassen, erklärlich: Die Theorie konzentrierte sich primär auf den 
            Nazismus, in dem es noch keine allgemeine Fusion von Staat und 
            Kapital gab, versuchte aber zugleich, die Sowjetunion bei der 
            Modellbildung einzukalkulieren. Eine gewisse Unbestimmtheit war 
            notwendig das Resultat. 
            Fußnoten 
            9) Willy Huhn, 
            »Etatismus, >Kriegssozialismus<, Nationalsozialismus in der 
            Literatur der deutschen Sozialdemokratie«, Aufklärung, Jg. II 
            (1952-53), S. 170-180; Werner Olle, »Zur Theorie des 
            Staatskapitalismus - Probleme von Theorie und Geschichte der 
            Übergangsgesellschaft«, Probleme des Klassenkampfs, Nr. 11-12 
            (1974), S. 103-112; Gerold Ambrosius, Zur Geschichte des Begriffs 
            und der Theorie des Staatskapitalismus und des 
            staatsmonopolistischen Kapitalismus, Tübingen (J.C.B. Mohr (Paul 
            Siebeck)) 1981, S. 9-18.10) Olle, »Zur Theorie des Staatskapitalismus«, S. 107.
 11) Uwe Stehr, Vom Kapitalismus zum Kommunismus. Bucharins Beitrag 
            zur Entstehung einer sozialistischen Theorie und Gesellschaft, 
            Düsseldorf (Bertelsmann) 1973; Michael Haynes, Nikolai Bukharin and 
            the Transition from Capitalism to Socialism, London/Sydney (Croom 
            Helm) 1985.
 12) Karl Renner, Marxismus, Krieg und Internationale. Kritische 
            Studien über offene Probleme des wissenschaftlichen und des 
            praktischen Sozialismus in und nach dem Weltkrieg, Stuttgart (J.H.W. 
            Dietz Nachf.) 1917; Carl Steuermann [= Otto Rühle], 
            Weltwirtschaftskrise - Weltwende. Kurs auf Staatskapitalismus, 
            Berlin (S. Fischer) 1931.
 13) W, Ossinski, »O Stroitel'stwe sozialisma«, Kommunist, Nr. 2 
            (1918), S. 5. Hier zitiert nach Robert Vincent Daniels, Das Gewissen 
            der Revolution. Kommunistische Opposition in Sowjetrußland, 
            Köln/Berlin (Kiepenheuer & Witsch) 1962, S. 111.
 14) Olle, »Zur Theorie des Staatskapitalismus«, S. 121-131; 
            Ambrosius, Staatskapitalismus, S. 29-33 B. Borilin, »Lenin über die 
            >Ökonomik der Transformation«, Unter dem Banner des Marxismus, III 
            (1929).
 15) Z.B. Steuermann, Weltwirtschaftskrise - Weltwende, S. 183-212; 
            Otto Mänchen-Helfen, Rußland und der Sozialismus. Von der 
            Arbeitermacht zum Staatskapitalismus, Berlin (J.H.W. Dietz Nachf.) 
            1932.
 16) G.T. Mjasnikow (1889-1946?), Metallarbeiter, gehörte seit 1906 
            zu den Bolsche-wiki. Seit 1918 bezogereinen links-oppositionellen 
            Standpunkt; einige Zeit warerein führender Sprecher der 
            Arbeiteropposition. 1928 flüchtete er aus der Sowjetunion in den 
            Iran und von dort über die Türkei nach Paris, wo er bis nach dem 
            Zweiten Weltkrieg blieb. 1946 wurde er vermutlich vom NKWD in die 
            UdSSR entführt und dort exekutiert. Siehe Roberto Sinigaglia, 
            Mjasnikov e la rivoluzione russa, Mailand (Jaca) 1973 und Paul 
            Avrich, »Bolshevik Opposition to Lenin: G.T. Miasnikov and the 
            Workers' Group«, The Russian Review, 43 (1984).
 17) Paris (o.V.), 1931.
 18) G. Miasnikoff, »De klasse-grondslagen van den Russischen 
            Sovjet-Staat«, De Nieuwe Weg, VII (1932). Ebenfalls auf Otscherednoj 
            obman basiert: G. Miasnikoff, »Dictature et democratie«, Cahiers 
            d'EuropelEuropäische Monatshefte, Nr. 2 (Februar 1939).
 19) »De Industrie was versteend, de arbeiders hadden zieh verspreid 
            en dus moesten ook de arbeidersraden te gronde gaan. Het 
            proletariaat hield op de heersende klasse te zijn, die beschikte 
            over de politieke en ekonomische hegemonie [...].« - Ebd., S. 40.
 20). »De kleine burgerij triompheerde, maar deze overwinning zou 
            voor haar geen voor- maar tegenspoed beteekenen. Zij kan de 
            industrie slechts door middel van een bureaucratisch apparaat 
            beheeren en door de typisch atomistische structuur van deze klasse 
            kan zij geen afdoende controle uitoefenen op de bureaucratie, zij 
            kan dus niet voorkomen, dat deze laatste zieh van een dienaresse, 
            tot een haar onderdrukkende heerscheresse ontwikkelt.« - Ebd., S. 
            44.
 21) »De bureaucratie, die aan het hoofd Staat der genationaliseerde 
            industrie en die langzamerhand op dit gebied de resten der 
            privaat-kapitalistische exploitatie vernietigt of assimileert, bezit 
            de neiging zijn heerschappij over alle produetie-gebieden uit te 
            breiden.«-£M., S.84.
 22) Ebd., S. 82-83.
 23) »De geheele staatshuishouding der U.S.S.R. steh als het wäre een 
            enkele groote fabriek voor, waarin een geordende samenwerking en 
            arbeidsverdeeling tussen de verschillende werkplaatsen aanwezig is.« 
            - Ebd., S. 111.
 24) »De bureaukratie mag dan niet altijd de zaken goed beheeren, zij 
            doet het altijd beter dan de bourgeoisie. Zij werkt onder geheel 
            andere omstandigheden en steh, met welk privaat produetie systeem 
            ook vergeleken een hoogere produetievorm voor.« -Ebd., S. 110.
 25) Adler (1879-1960), von 1911 bis 1916 Sekretär der 
            österreichischen sozialdemokratischen Partei, wurde 1917 nach dem 
            Attentat auf den Ministerpräsidenten Karl Graf Stürgkh zu einer 
            Gefängnisstrafe verurteilt, 1918 wieder freigelassen. Er gehörte zu 
            den Gründern der »zwei-ein-halbten« Internationale. Siehe Julius 
            Braunthal, Victor und Friedrich Adler. Zwei Generationen 
            Arbeiterbewegung, Wien (Verlag der Wiener Volksbuchhandlung) 1965 
            und Rudolf G. Ardelt, Friedrich Adler: Probleme einer 
            Persönlichkeitsentwicklung um die Jahrhundertwende, Wien 
            (österreichischer Bundesverlag) 1984.
 26) Friedrich Adler, »Das Stalinsche Experiment und der 
            Sozialismus«, Der Kampf, Bd. 25 (1932), S. 4. Kurze Zeit später 
            polemisierte Adler von derselben Position aus gegen Kautsky, wobei 
            er in Anspruch nahm, für die überwältigende Mehrheit der 
            Internationale zu sprechen: Friedrich Adler, »Zur Diskussion über 
            Sowjetrußland. Ein Briefwechsel mit Karl Kautsky«, Der Kampf, Bd. 26 
            (1933).
 27). Über »Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation«: Kapitel 24 
            von Karl Marx, Das Kapital I = MEW, Bd. 23, S. 741-791.
 28). Adler, »Das Stalinsche Experiment«, S. 9.
 29) Ebd., S. 10.
 30) Ebd., S. 11-12.
 31) Rafail Abramowitsch, »Stalinismus oder Sozialdemokratie«, Die 
            Gesellschaft, 1932, Bd. I, S. 145. Ausführlicher über die 
            menschewistischen Auffassungen ist Simon Wolin, »Socialism and 
            Stalinism«, in: Leopold H. Haimson (Hg.), The Mensheviksfrom the 
            revolution of!917to the Second World War, Chicago/London (University 
            of Chicago Press) 1974; Sozialistische Revolution in einem 
            unterentwickelten Land. Texte der Menschewiki zur russischen 
            Revolution und zum Sowjetstaat 1903-1937, Hamburg (Junius) 1981, S. 
            131-204; und Andre' Liebich, »I menscevichi di fronte alla 
            costruzione delP Urss«, in: Storia del marxismo, Bd. III-2, Turin 
            (Giulio Einaudi) 1981.
 32) Werner Röder/Herbert A. Strauss (Hg.), Biographisches Handbuch 
            der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. I, Politik, 
            Wirtschaft, Öffentliches Leben, München usw. (K.G. Saur) 1980, S. 
            787-788.
 33). Olaf Ihlau, Die roten Kämpfer. Ein Beitrag zur Geschichte der 
            Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, 
            Meisenheim/Glan (Anton Hain) 1969. Ihlau meint, daß die Thesen 
            ausschließlich in hektographierter Form unter den deutschen Gruppen 
            verbreitet worden seien und daß sie »nirgendwo abgedruckt worden 
            sind« (S. 95). Das ist jedoch nicht richtig. 1934 wurden die Thesen 
            sowohl von der Rätekorrespondenz, einer in Amsterdam erscheinenden 
            deutschsprachigen Zeitschrift, sowie in englischer Übersetzung von 
            der in Chicago erscheinenden International Council Cor-respondence 
            herausgegeben: »Thesen über den Bolschewismus«, Rätekorrespondenz, 
            Nr. 3 (August 1934); »Theses on Bolshevism«, International Council 
            Correspondence, Bd. 1, Nr. 3 (Dezember 1934). Beide Versionen 
            enthalten 67 Thesen; im deutschen Text hat die letzte These zwar die 
            Nummer 68, doch fehlt These Nummer 60. Der amerikanische Text ist 
            mit 1 bis einschließlich 67 durchnumeriert, so daß dort These 60 mit 
            These 61 in der deutschen Version übereinstimmt. Der amerikanische 
            Text gibt in einem redaktionellen Vorwort an, die Thesen seien 
            gemeinsam von »the Group of International Communists of Holland« 
            verfaßt worden. Vielleicht ist dies die Ursache des Umstands, daß 
            die Thesen »wiederholt zu Unrecht der GIC zugeschrieben wurden« - 
            Jaap Kloo-sterman, »Aantekeningen«, in: Anton Pannekoek, Partij, 
            raden, revolutie. Zusammengestellt und mit Anmerkungen versehen von 
            Jaap Kloosterman, Amsterdam (Van Gen-nep) 1972, S. 198. Die Thesen 
            werden im folgenden einschließlich der Numerierung nach der 
            Rätekorrespondenz-Version zitiert.
 34) These 5.
 35) These 6.
 36) These 10.
 37) These 9.
 38) These 13.
 39) These 18.
 40) These 17.
 41) Thesen 30,31,35, 36,37.
 42) These 44.
 43) These 57.
 44) Thesen 58, 59.
 45) These 59.
 46) Dieser Titel wird genannt in: Ihlau, Rote Kämpfer , S. 101, Anm. 
            232. Die Datierung 1936-37 basiert auf einer unter Pseudonym 
            publizierten spanischen Broschüre: »Los capitulos siguientes 
            representan solo una parte de un estudio mäs bien volumi-noso acerca 
            del bolchevismo, basado en mäs de cinco afios de atenta 
            investigaeiön y que formule finalmente durante 1936 y 1937«. - 
            »Prefacio«, in: Rodolfo Sprenger, El Bolchevismo. Su papel. Sus 
            m&todos. Su filiaeiön. Sus objetivos. Santiago-Chile (Im-prenta 
            Nueva) 1947, S. 3.
 47) Rudolf Sprenger, »Das gesellschaftliche Gesicht des 
            Bolschewismus«, Rote Revue, 13 (1933-34), S. 314-320; derselbe, 
            Bolshevism: its Roots, Rote, Class View and Methods. Übers, v. 
            Integer. New York (International Review) o.J. [circa 1940].
 48) »Weil man nicht leugnen kann, daß in der Sowjetunion kein 
            Privatkapitalismus existiert, und man andererseits nicht anerkennen 
            darf, daß dort Sozialismus herrscht, so bleibt ihnen nur übrig zu 
            behaupten, daß dort Staatskapitalismus ist«. - H. Linde, »Die 
            ideologische Vorbereitung der Intervention durch die II. 
            Internationale«, Unter dem Banner des Marxismus, VI (1932), 
            S. 32.
 49) R.L. Worrall, »U.S.S.R.: Proletarian 
            orCapitalist State?«,Modern Quarterly, Bd. 11, Nr. 2 (Winter 
            1939); auch erschienen unter dem Titel »U.S.S.R.: Proletarian or 
            Capitalist State?«, [The] Left {Forum], Nr. 39 (1939), und 
            Nr. 40 (1940).
 50)Die Redaktion von Modern Quarterly 
            spricht von »Dr. Worrall«. Andrew Wells teilte mir mit, daß Worrall 
            aus Australien stammt. Die einzige andere Publikation, die ich von 
            Worrall finden konnte, hat ein philosophisches Thema: El panorama 
            de la ciencia. Übers, v. Ana Maria Reyna, Mexico D.F. 
            (Universidad Obrera de Mexico) 1937.
 51) Gemeint ist die folgende Passage: »drei 
            Haupttatsachen der kapitalistischen Produktion: 1)
            Konzentration der Produktionsmittel in wenigen Händen [...]. 
            2)Organisation der Arbeit selbst, als gesellschaftlicher 
            [...]. 3) Herstellung des Weltmarkts.« - Karl 
            Marx, Das Kapital Bd. III = MEW, Bd. 25, S. 276-277.
 52) Gemeint ist die folgende Passage: »Es 
            sind zwei Charakterzüge, welche die kapitalistische Produktionsweise 
            von vornherein auszeichnen. Erstens. Sie produziert ihre 
            Produkte als Waren [...]. Das zweite [...] ist die Produktion 
            des Mehrwerts als direkter Zweck und bestimmendes Motiv der 
            Produktion«. Ebd., S. 886-887.
 53) Gemeint ist folgende Passage: »III. 
            Bildung von Aktiengesellschaften. Hierdurch: [...] 2. [...] Es ist 
            die Aufhebung des Kapitals als Privateigentum innerhalb der Grenzen 
            der kapitalistischen Produktionsweise selbst. 3. Verwandlung des 
            wirklich fungierenden Kapitalisten in einen bloßen Dirigenten, 
            Verwalter fremden Kapitals, und der Kapitaleigentümer in bloße 
            Eigentümer, bloße Geldkapitalisten«. Ebd., S. 452.
 54) Gemeint ist insbesondere die folgende 
            Passage: »Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine 
            wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der 
            ideelle Gesamtkapitalist. Je mehr Produktivkräfte er in sein 
            Eigentum übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist, 
            desto mehr Staatsbürger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben 
            Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverhältnis wird nicht 
            aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben«. Friedrich 
            Engels, Anti-Dühring (Herrn Eugen Dührings Umwälzung der 
            Wissenschaft) (1878), MEW, Bd. 20, S. 260.
 55) »Its social aim, objectively speaking, is 
            the accumulation of capital in Russia -the production of 
            commodities, the extraction of surplus-value from the working class, 
            the realisation of this surplus-value as profits of the State and 
            the conversion of profits into further State property, especially 
            capital in the form of further means of production; more factories, 
            more machinery, more mines etc.« - Worrall, »U.S.S.R.: Proletarian 
            or Capitalist State?«, S. 12.
 56) Ebd., S. 12.
 57) »a transition stage in which the principle of private 
            property has been abolished, and the means of production are 
            withheld from proletarian control only by a precariously placed 
            bureaucracy.« - Ebd., S. 13
 58) Ebd., S. 18.
 59) Martin Jay, The Dialectical 
            Imagination. A History of the Frankfurt School and the Institute of 
            Social Research 1923-1950, London (Heinemann) 1973; Helmut 
            Dubiel, »Kritische Theorie und politische Ökonomie«, in: Friedrich 
            Pollock, Stadien des Kapitalismus. Hrsgg. und eingeleitet 
            von Helmut Dubiel, München (C.H. Beck) 1975.
 60) Friedrich Pollock, Die 
            planwirtschaftlichen Versuche in der Sowjetunion, Leipzig 
            (Schriften des Instituts für Sozialforschung an der Universität 
            Frankfurt a.M.) 1929.
 61) Friedrich Pollock, »Die gegenwärtige Lage 
            des Kapitalismus und die Aussichten einer planwirtschaftlichen 
            Neuordnung«, Zeitschrift für Sozialforschung, I (1932).
 62) Friedrich Pollock, »Staatskapitalismus«, 
            in: derselbe, Stadien des Kapitalismus [ursprünglich: »State 
            Capitalism: its Possibilities and Limitations«, Studies in 
            Philoso-phy and Social Sciences, IX (1941)], S. 131, Anm. 28.
 63) Ebd., S. 129, Anm. 16.
 64) ebd., S. 72.
 65) Ebd., S. 76-80.
 66) Ebd., S. 83.
 67) Ebd., S. 91.
 68) Ebd., S. 91-93.
 69) Ebd., S. 96.
 70) Max Horkheimer, »Autoritärer Staat« 
            [1942], in: derselbe, Gesellschaft im Übergang. Aufsätze, Reden 
            und Vorträge 1942-1970. Hrsgg. von Werner Brede. Frankfurt/M. 
            (Athenäum Fischer Taschenbuch) 1972.
 71) Pollock und Horkheimer waren von 1911 bis 
            zu Pollocks Tod 1970 sehr eng befreundet und unterhielten stets sehr 
            engen Kontakt miteinander. Siehe z.B. Helmut Gumnior/Rudolf 
            Ringguth, Max Horkheimer, Reinbek (Rowohlt) 1983, S. 13.
 72) Ebd., S. 19. Die Formulierung 
            »bleiben Lohnarbeiter, Proletarier« ist offenbar ein Verweis auf 
            Friedrich Engels (siehe Anm. 54).
 
            
            Editorische 
            Hinweise 
            Marcel van der Linden, 
            Von der Oktoberrevolution zur Perestroika, Ffm 1992, S.50-60 |