Betrieb & Gewerkschaft

Siemens-Belegschaft will konzernweit kämpfen

RF-Korrespondenz

5-6/2015

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Berlin (Korrespondenz), 12.05.15: Nach Berichten aus der Belegschaft waren heute früh rund 800 Kolleginnen und Kollegen der Siemens-Turbinenfabrik Moabit zu einer kurzfristigen „Open-Air“-Betriebsversammlung auf dem Werkshof zusammengekommen. Die am vergangenen Freitag verkündeten Pläne zum Abbau von 519 Arbeitsplätzen und zur Verlagerung ganzer Produktionsbereiche in den kommenden Jahren hatten zu heller Empörung geführt.

In den letzten Wochen war immer deutlicher geworden, dass dies Teil eines konzernweiten Angriffs auf die Belegschaft ist: allein im weltweiten Energie-Sektor, zu dem die 3.900-köpfige Belegschaft in Berlin zählt, sollen 4.500 Jobs wegfallen. Plus mehrere Tausend in anderen Bereichen.

Dementsprechend kündigte der Berliner IG-Metall-Vorsitzende Klaus Abel unter großem Beifall für Juni einen bundesweiten „Aktionstag“ aller Siemens-Betriebe an. Auf ausdrückliche Kritik stieß die Bemerkung eines Gesamtbetriebsrats in seiner ansonsten kämpferischen Rede, es dürfe auch seitens der Belegschaft „keine Tabus“ geben, denn man werde die Siemens-Pläne „sowieso nicht gänzlich verhindern“ können. Nachtigall, ick hör Dir trapsen?

Offensichtlich gibt es noch sehr unterschiedliche Vorstellungen, was unter „Widerstand gegen die Vorstandspläne“ zu verstehen ist. Die Auseinandersetzung darum ist mit der außerordentlichen Hof-Betriebsversammlung eröffnet – die dann vom Betriebratsvorsitzenden auch nicht für „beendet“, sondern nach einer Stunde nur für „unterbrochen“ erklärt wurde. Mit anderen Worten: Fortsetzung folgt!

Nachricht vom 14.5.15:

Siemens will erneut massiv Arbeitsplätze vernichten: Sollten es im vergangenen Oktober 1.200 Stellen bei "Power&Gas" sein, kamen im Februar 7.800 vor allem in der Verwaltung dazu, und jetzt sollen es noch einmal 4.500 sein, davon 2.200 in Deutschland. Insgesamt stehen von 13.100 Stellen 5.100 im Inland auf der Abschussliste. Im Mülheimer Turbinen- und Generatorenwerk sollen durch das neue "Transformationsprogramm PG2020" über 950 von insgesamt 4.800, im Berliner Werk 800 von 3.700, und weitere 100 Arbeitsplätze in der Erlanger Energiesparte vernichtet werden.

Hintergrund ist die Schlacht von Siemens, General Electric, Mitsubishi, und Ansaldo um die Beherrschung des Weltmarktes und die Schlacht um Maximalprofite. Trotz der Weltwirtschaftskrise haben alle vier Riesenkonzerne in den letzten sieben Jahren ihre Kapazitäten deutlich ausgebaut. Bei diesem internationalen Konkurrenzkampf hat Siemens im Vergleich zu den internationalen Konkurrenzmonopolen aber an Boden verloren. Durch den Ausbau erneuerbarer Energien kam der Konzern in seinem Kerngeschäft der Generatorenfertigung zusätzlich unter Druck. Durch die Arbeitsplatzvernichtung in Verbindung mit einem Anziehen der Ausbeutungsschraube soll der Rückstand aufgeholt werden.

Siemens will die gesamte Generatorenfertigung ins Siemens-Schwesterwerk nach Charlotte/USA verlagern und setzt auf die Ausnutzung des Schiefergas-Booms mit Fracking. Jahrelang hat Siemens versucht, sich als angeblich "grüner" Konzern zu präsentieren. Jetzt soll diese extrem umweltzerstörerische Technologie der Rettungsanker sein.

Dass es Siemens vor allem darum geht, die Profitrate zu erhöhen, zeigen Aussagen der Konzernleitung, dass sie bis Mitte des Geschäftsjahres 2015 "nur bei 9,6 Prozent" gelegen habe. Damit sei das Ziel von elf Prozent verfehlt worden. Gleichzeitig kündigt Siemens-Chef Joe Kaeser die nächste Runde der Arbeitsplatzvernichtung selbst an. Es gebe "immer noch Geschäfte mit rund 15 Milliarden Euro Umsatz und etwa 44.000 Mitarbeitern, in denen nichts oder wenig verdient" werde. Das müsse sich bis 2017 ändern. Ähnliche Programme wie Siemens ziehen auch die Konkurrenten Alstom, ABB oder Erzrivale General Electric durch.

Die IG-Metall-Führung lenkt von der Jagd nach Maximalprofiten als Ursache der Arbeitsplatzvernichtung ab, wenn sie Siemens vor allem Management-Fehler vorwirft. Siemens habe "viel zu spät reagiert" und keine "langfristig tragfähigen, innovativen Lösungsansätze" entwickelt. Nun wäre "der Konzern dabei, vor den kurzfristigen Erwartungen der Anteilseigner und Finanzmärkte einzuknicken", erklärte der nordrhein-westfälische Bezirksleiter Knut Giesler. Als ob nicht immer die Profitmaximierung Zweck der kapitalistischen Produktion wäre.

Wenn er nun "die Abbaupläne genau prüfen" will und vor allem betriebsbedingte Kündigungen ausschließen will, orientiert er auf die Unterordnung unter "sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau" mit Abfindungen und Transfergesellschaften statt auf einen konzernweiten Kampf um jeden Arbeitsplatz. Er reagiert damit auf erste selbständige Protestaktionen, wie am 12. Mai in Berlin (siehe oben). Dort hatte der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, Klaus Abel, unter großem Beifall für Juni einen bundesweiten "Aktionstag" aller Siemens-Betriebe angekündigt.

Die MLPD-Betriebsgruppen bei Siemens werden den Belegschaften in der jetzt anstehenden Auseinandersetzung mit ihrem Know-How in der Führung von Kämpfen beiseite stehen. Sie unterstützen die Vorbereitung eines konzernweiten Kampfs um jeden Arbeitsplatz in enger Einheit mit offensiven Forderungen wie für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Sie werden den Kolleginnen und Kollegen bei Siemens dabei helfen, dabei die Einheit des Kampfs um die Arbeitsplätze und für die Rettung der Umwelt vor der kapitalistischen Profitwirtschaft herzustellen.

Editorischer Hinweis

Wir spiegelten diese Nachrichten von Rote Fahne News.