Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
GSW adé

Die Berliner Immobiliengesellschaft GSW wurde vor zehn Jahren privatisiert. In dieser Zeit sind 70.000 Wohnungen dem Landesbesitz verlorengegangen und über 900 Stellen abgebaut worden

von Olaf Kleindienst

5-6/2015

trend
onlinezeitung

Die GSW war einer der größten kommunalen Vermieter Berlins mit fast 70.000 Wohnungen und knapp 1.000 Mitarbeitern. 2004 vekaufte das Land Berlin die GSW an ein Konsortium, bestehend aus Investment- bzw. Tochtergesellschaften von Cerberus und Goldman Sachs für 405 Millionen Euro. Später wurden solche Investoren auch gerne Heuschrecken genannt.

Die neuen Eigentümer zeigten dann, wie man das Real-estate-business betreibt – Wohnungswirtschaft war gestern. Aus Mietern wurden Kunden, die Verwaltung und Bewirtschaftung wurde analysiert und alles in neue Prozesse gepackt. Die neue Geschäftssprache war auf einmal Englisch – zumindest bekam man diesen Eindruck: bei Mieterwechsel wurde „unit turn“ gemacht, Modernisierung hieß „capex“ und alles wurde auf einen verbesserten „cash flow“ hin ausgerichtet. Old-school war allein der Personalabbau und nur vier Jahre später bewirtschafteten rund 650 Mitarbeiter die mittlerweile nur noch rund 50.000 Wohnungen. In dieser Zeit schafften es die neuen Eigentümer, durch Sale & Leaseback, Neubewertung der Immobilien sowie Um- und Neuverschuldung, den kompletten Kaufpreis dem Unternehmen zu entziehen. Die GSW hatte sich selbst
bezahlt.

Da angelsächsische Investoren immer auf der Suche nach neuen und noch attraktiveren Anlagemöglichkeiten sind, wurde eine „Exit“-Lösung gesucht. Der Direktverkauf glückte nicht und so musste der Weg über die Börse genommen werden. Ab 1. April 2010 firmierte man als GSW Immobilien AG, ein Jahr später erfolgte die Erstnotierung an der Frankfurter Börse; mit rund 600 Mitarbeitern und rund 49.000 Wohnungen.

Mit der Veränderung in der Eigentümer struktursollte auch Kontinuität und Stabilität in das Unternehmen einkehren – was auch teilweise gelang. Die Devise lautete: wachsen und entwickeln. Bis Ende 2012 stieg die Anzahl der Wohnungen auf rund 58.700 Einheiten, aber die Mitarbeiteranzahl sank auf 557; wobei davon 220 schon vorher in die Facility-Tochter „verschoben“ wurden und somit nur noch 337 bei der GSW direkt beschäftigt waren.

In dieser Zeit kam es auf höchster Leitungsebene zu Fehlentscheidungen oder -einschätzungen, die zu Verwerfungen in der Vorstandsebene führten, und in einer offenen „Investorenrevolte“ auf der Hauptversammlung gipfelten. Dinge, die dem Kapitalmarkt nicht verborgen blieben. Die Deutsche Wohnen nutzte die Gunst der Stunde für eine Übernahme. Egal ob freundlich oder feindlich, am Ende muss sich eine Kapitalmaßnahme für die Investoren bzw. Aktionäre rech nen. Synergien sind versprochen worden, und wen wundert es, wenn ein nicht unerheblicher Teil dieser 25 Millionen Euro durch Personalabbau erreicht werden müssen.

Am 1. April 2014 hat der Vorstand der GSW AG, der in Personalunion auch der Vorstand der Deutsche Wohnen ist, den Wegfall von weiteren rund 150 Arbeitsplätzen angekündigt und auch umgesetzt.

Am 1. Januar 2015 stehen, gut zehn Jahre nach der Privatisierung, von den einst 1.000 Mitarbeitern nur noch rund 170 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Die GSW hat in dieser Zeit nicht nur ihren Kaufpreis selbst bezahlt, sondern darüber hinaus noch Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet. Einkünfte, die dem Land Berlin verlorengegangen sind; genauso wie die über 70.000 Wohnungen. Und viele hundert Mitarbeiter/innen haben ihren Arbeitsplatz, ihre Vergütung, Sicherheit und zum Teil auch eine Zukunft verloren. Es bleibt nur zu hoffen, dass vielleicht die verbleibenden Mitarbeiter/in nen eine haben... GSW – adé!

Epilog: Am 2. April 2015 hat die GSW weitere circa 100 Mitarbeiter/innen verloren! Ohne vorherige Information und Beratung mit dem Be triebs rat oder anderen Gremien wurde ein Teilbetriebsübergang für den darauffolgenden Arbeitstag mitgeteilt. Somit sind seit dem 7. April 2015 nur noch rund 70 Mitarbeiter/innen der GSW in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis – aber wie lange noch?

PS: Am 16. April 2015 hat der Vorstand der GSW die Einstellung des Geschäftsbetriebes zum 31. Juli 2015 angekündigt!

Editorische Hinweise: Der Artikel wurde erstveröffentlicht in:  "die besonderen" - ver.di Report 01/2015, S. 12