Stadtumbau & Stadtteilkämpfe

Volksentscheid sichert Warencharakter von Wohnungen
Stellungnahme der DKP Berlin zum Gesetzesentwurf der Initiative „Berliner Mietenvolksentscheid“ (Auszüge)

5-6/2015

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onlinezeitung

Der Gesetzesentwurf der Initiative „Berliner Mietenvolksentscheid“ wird den Anforderungen an ein politisches Konzept für soziales Wohnen nicht gerecht.

Um eine Senkung der Berliner Mietpreise auf eine mit den Einkommen lohnabhängiger MieterInnen verträgliche Höhe einzuleiten, sind als Minimalprogramm unerlässlich:

1. ein genereller Mietpreisstopp mit vorausgehender Mietsenkung (staatliche / kommunale Festsetzung einer politischen Miete).
2. ein kommunaler Wohnungsneubau ohne Profitorientierung, aus dem also Privatkapital herausgehalten und Renditeansprüche ausgeschaltet werden. Ein solcher Neubau muss in großem Maßstab erfolgen, um sich tatsächlich dämpfend auf die Mieten Berlins auszuwirken. Er ist aus Haushaltsmitteln, bei entsprechender Besteuerung der Profiteure, zu finanzieren, die Abhängigkeit von Kapitalmärkten ist zu brechen.

Da der Gesetzentwurf des Volksentscheids (im folgenden VE) weder eine Mietbegrenzung noch ein Programm zur planmäßigen Schaffung kommunaler Wohnungen in relevanten Größenordnungen vorsieht, führt er keine wesentliche Verbesserung der Mietensituation für die Mehrzahl der BerlinerInnen herbei. Der VE schreibt keine Maßnahmen fest, die den „Wohnungsmarkt“ als Ganzes auch nur regulieren, geschweige der Profiterwirtschaftung entgegenwirken. Im Gegenteil: Die einzelnen Bestimmungen des „Gesetzes über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin" sehen vor, dass die kommunalen Wohnungsbauunternehmen kapitalistische Betriebe bleiben, die durch diverse Geschäfte um die Ware Wohnung, insbesondere Zinsgeschäfte, Überschüsse auf dem Rücken der MieterInnen einfahren. Das wird garantiert durch den zu Grunde liegenden „Förderfonds", mit dem die ganze Konstruktion unauflöslich verquickt ist. Dadurch verfehlt die Umwandlung der Wohnungsunternehmen von Aktiengesellschaften in Anstalten öffentlichen Rechts ihren Zweck. Sie wäre bei entsprechender Gesetzgebung fortschrittlich. Der VE schafft jedoch durch die Illusion des angeblich „revolvierenden" Fonds die Bedingungen, dass Immobilien-Profiteure auch in Zukunft sowohl von Mietern als auch vom Staat kassieren. Direkt betrifft das Gesetz nur Wohnraum, der aktuell in kommunalem Besitz ist, sowie die massiv subventionierten teuren Noch-„Sozialwohnungen“ im Privatbesitz. Die Umstrukturierung der kommunalen Wohnungsgesellschaften ist halbherzig, das dafür vorgeschlagene „Mitbestimmungsmodell“ räumt weder Mietern noch Belegschaften substantielle Rechte ein, und es erschließt sich nicht, warum daraus mehrere „Anstalten“ werden müssen, welche im „Wettbewerb" operieren sollen. Ihre Gewinnorientierung wird nur auf dem Papier aufgehoben – real besteht weiter der Zwang, Gewinne zu machen und die Möglichkeit, sie an den Staat abzuführen. Zusätzlich sollen die Anstalten, in Zusammenarbeit mit Polizei und Jobcentern, ordnungspolitische Funktionen übernehmen, die direkt gegen Mieterinteressen gerichtet sind und die ökonomisch schwächsten MieterInnen noch einmal in bevorzugte und benachteiligte Gruppen spalten. Die vorgetäuschte „Mietpreisbegrenzung“ durch „Subjektförderung" (also Erhöhung der Mietzuschüsse auf unbestimmte Zeit) erreicht nur einen Teil der Betroffenen und hält insgesamt die Mietsteigerungen nicht auf. Der Inhalt des Entwurfs rechtfertigt also nach Auffassung der DKP Berlin seine Unterstützung nicht. Auch eine punktuelle Verbesserung der Situation wird sich daraus kaum ergeben. Die Konsequenz dürfte eher ein gänzliches Verstummen der Mieterproteste sein.

Die Problembeschreibung als Ausgangspunkt des Entwurfs

Die Beschreibung der Problemlage im VE ist selbst ein Problem, da sie keine Ursachen der Mietpreistreiberei benennt. Die Defizite der „sozialen Wohnraumversorgung" (die selbst nicht näher definiert wird) hätten sich wegen der ‚Wohnungsmarktdynamik’ und der ‚regressiven Wohnungspolitik’ ausgeweitet. Eine Kritik oder gar Änderung des Prinzips der Profiterwirtschaftung durch Vermietung wird von vornherein verneint. Es wird ebenso kritiklos von einer „Zumutbarkeit“ von 30% des Einkommens als (Kalt-)Miete ausgegangen und hieraus eine Nettokaltmiete von 5,42€ / qm für Menschen an der Armutsgrenze (Einzelpersonen) errechnet. Für Lohnabhängige und Erwerbslose ist diese 30%-Richtlinie nach unserer Auffassung nicht vertretbar. Insgesamt bezieht sich die Betrachtung ausschließlich auf statistisch armutsgefährdete und arme Personen, nicht auf das Mietsystem insgesamt. Entsprechend wird der kapitalistische Charakter der Mietwohnung als Ware und zinstragendes Kapital vom VE als unproblematisch vorausgesetzt und bekräftigt. Lohnabhängige MieterInnen werden hier als „schlecht weggekommene" Konsumenten behandelt, die allenfalls als Antragsteller agieren können. Die Bewahrung dieses Zustands per Gesetzesentwurf präsentiert der VE als „direkte Demokratie". Das wird inzwischen dankbar aufgegriffen von Grünen, SPD und Linkspartei, die darauf rechnen, den Protest von der Strasse zu holen und in die Regierungspolitik kommender Koalitionen umzumünzen. Die Suggestion, der VE würde bezahlbare Mieten „für Berlin" bewirken, ist bewusst irreführend. Ebenso falsch die Behauptung, es ginge um Mietsenkungen. Es geht weiterhin um staatlich garantierte Höchstmieten im „Sozialen Wohnungsbau" und sogar um Schuldenschnitte für seine Profiteure. Unwahr ist auch die Behauptung, kommunale Wohnungsunternehmen würden nach Annahme des VE „nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet" (§ 25).

Wundermittel Wohnraumförderfonds

Der VE verengt den sozialen Auftrag der Landesverfassung auf die Förderung von Wohnraum für „besonders Benachteiligte" (S.35). Gegenüber denen, die vom Staat begünstigt über den kapitalistischen Wohnungsmarkt Profite realisieren, sind lohnabhängige MieterInnen grundsätzlich benachteiligt. Das zeigt sich u. a. daran, dass ihre Einkommen immer weniger ausreichen, um für die enormen Gewinne der Finanzkapiktalisten, Grundbesitzer, Bauunternehmer und Eigentümer aufzukommen. Würde der VE hier Stellung beziehen und Mieterinteressen insgesamt berücksichtigen, müsste er in bestehende Marktbedingungen, Profitansprüche und die Haushaltspolitik eingreifen. Das ist eine vernünftige Forderung fortschrittlicher Mietenpolitik an den Staat. Um all dies nicht zu tun, soll ein Fonds geschaffen werden, mit dem sich unter dem Deckmantel akuter Hilfe trefflich Geschäfte machen lassen. Angeblich trage der Fonds „revolvierend" sich selbst - quasi freischwebend neben dem Haushalt -, so dass die kommunale Rotstiftpolitik, mit Steuerbegünstigung für Banken und Konzerne, irrsinige Großprojekte und zugleich Schuldenbremse für die Bevölkerung, munter fortgesetzt werden können. In Wirklichkeit ist der „revolvierende Fonds" kapitalmarktabhängig, von heterogensten Geldquellen gespeist und zu Zinsspekulationen per VE verpflichtet. In vorauseilendem Gehorsam wird er von den Verfassern nach „Europarecht" konzipiert, was den „gemeinnützigen" Ansatz vollends zum zahnlosen Tiger macht (S.35f.). Unter die Fonds-Einnahmen (§5) zählen die Verfasser u. a. EU-Gelder für energetische Sanierung, die also ihrerseits aus einem Fond stammen, der eigens geschaffen wurde, um die Modernisierungsspekulation zu befeuern. Ein bedeutender Batzen soll aus den einfließenden Mietzinszahlungen kommen. Außerdem werden Gelder aufgelistet, die Immobilienkapitalisten, insbesondere solche, die vom Wuchersystem und den Rendite-Grantien des westdeutschen „Sozialen Wohnungsbaus" profitieren, dem Land Berlin an Zinsen und Tilgung für Darlehen zurückzuzahlen haben (das wären nach S. 36 immerhin 280 Mio Euro jährlich für den Fonds). Diese Einnahmen werden auf der Habenseite des Fonds aufgeführt. 15 Seiten weiter (§34) werden sie dann diskret wieder herausgestrichen: "Für die einkommensunabhängige Mietensubvention gemäß §§ 30 bis 32 verzichtet der Wohnraumförderonds" (also das Land Berlin) "ganz oder teilweise oder befristet auf die Rückzahlung von Förderdarlehen, die dem Förderfonds gemäß § 5 Nummer 2 zustehen". Die Autoren schweigen sich darüber aus, wie viele Millionen derlei Geschenke ans Kapital kosten. Man erhofft sich davon, dass die Preistreiber dann mit der nächsten Mieterhöhung etwas warten und sich weniger schnell aus der Bindung loskaufen. Auf diese Weise kann für einige Zeit vorgetäuscht werden, die Lage der SozialmieterInnen sei verbessert worden. Mit einem seriösen Konzept zur Mietsenkung hat das nichts gemein. Der Fonds wird als „nicht rechtsfähiges Sondervermögen" vorgestellt. Laut Begründung geht es bei dieser Definition um die Möglichkeit der Kreditvergabe durch die Investitionsbank Berlin (IBB) ohne formale Minderung seines Eigenkapitals - also eine Finanztrickserei (S.36). Für die Ausstattung des Fonds gibt es keine Vorgaben, da „dies dem Haushaltsgesetzgeber überlassen bleibt". Das ist noch weniger als eine unverbindliche Willenserklärung. Der Fonds ist Kreditvergabestelle, lebt also von Zinsen inklusive Mietzins. Ihm wird vorgeschrieben, sich über Zinsen aus Anlagen, also Spekulationsgeschäften, zu nähren. Die Verfügung über den gesamten Fonds obliegt, als Bewilligungsstelle (§8), neben dem Senat der IBB. §7 schreibt vor, dass solche Geschäfte aus überschüssigen Einnahmen getätigt werden - womit zugegeben wird, dass das Modell, das hier zur Abstimmung steht, sehr wohl gewinnorientiert ist. Wenn die Autoren also behaupten, es würden keine Gewinne an den Haushalt abgeführt, dann heißt das nicht, dass keine erwirtschaftet würden. Wenn sie nicht „direkt" an den Haushalt abgeführt werden, steht laut Gesetzesentwurf nichts dem entgegen, sie indirekt abzuführen. Der Fonds, da in Abhängigkeit vom EU-Wettbewerbsrecht konstruiert, soll „allen Antragstellern offen" stehen, also den Begehrlichkeiten von Immobilienkaptalisten aller Art. Auch die „Anstalten" (die umzuwandelnden Wohnungsbauunternehmen) sind nur „gleichberechtigte" Antragsteller neben den privaten Investoren und zahlen dann Zinsen. Der Fonds stellt somit sicher, dass mit der bisherigen Politik nicht gebrochen wird, öffentliche Gelder, die bei den Beziehern mittlerer und kleiner Einkommen eingesammelt wurden, in private Kassen umzuschaufeln. Folglich ist dem Fonds auch nicht zwingend die Aufgabe zugewiesen, die Lage der MieterInnen gegenüber den Profitmachern grundsätzlich zu verbessern. Es wird eben nicht bindend vorgeschrieben, sondern nur unverbindlich empfohlen, der Fonds solle sich daran orientieren „Verdrängung zu vermeiden" - aber auch das nur in „innerstädtischen Stadtteilen sowie Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten". Währenddessen wird den BerlinerInnen aber eingeredet, es handele sich hier um ein Gesetz gegen Verdrängung! Indem der Fonds „diskriminierungsfrei" seine vergünstigten Kredite an ,Anleger' und ,Investoren' vergibt, ist die ausgesonderte „Zielgruppe" - nämlich die ärmsten MieterInnen der Stadt - ihm wehrlos ausgeliefert. Falls die ganze, im wesentlichen auf Zinsgeschäften, Finanztrickserien und Haushaltsmanipulationen beruhende Fondskonstruktion auf Grund ihrer inneren Widersprüche und äußeren Abhängigkeiten genauso zusammenbrechen sollte wie ihr ruhmloser Vorgänger - das „Salzburger Modell" - entfällt die einzige Stütze, die für diese MieterInnen vorgesehen ist. Sie würden bitter bezahlen, so wie sie schon die Zeche für das Fördermodell des „Sozialen Wohnungsbaus" zu bezahlen haben. (...)

In einem Mobilisierungs-Trailer der Initiative sagt eine Aktivistin: „Ich mach beim Mietenvolksentscheid mit, weil ich nicht will, dass Wohnen Ware ist".

Wir glauben aufgezeigt zu haben, dass der VE für das Gegenteil steht. Er sichert den Warencharakter der Wohnungen und lässt ihn „durch das Volk" bestätigen - mit allen negativen Folgen, die das im Detail bedeutet. Wir halten das für gefährlich. Das Platzen der Illusionen, die der VE schürt, kann nur zu weiterer Desolidarisierung und zur Beschädigung legitimer Kampfziele führen. Das liegt im Interesse der Senatsparteien. Darum sagen wir „Nein" zu diesem Gesetzentwurf.

Quelle: http://anstoss.dkp-berlin.info/#ve (Juni 2015)